[MSG] Mithras' Siege Online

Plötzlich starrte Eli zu einer einzelnen Wolke hoch, die den ansonsten strahlend blauen Himmel unterbrach. Es dauerte einen weiteren Moment, bis sie registrierte, dass sie fiel und einen weiteren, bis ihr auffiel, dass sie irgendwie über den Rand der Plattform hinausgetreten hatte. Sie stiess einen Schrei aus und spürte, wie jemand ihren Arm packte und sie wieder nach oben hievte.
„Verdammt, Elka, das ist schon das dritte Mal“, fluchte der schwarzhäutige Avatar, der sie ein Stück vom Rand wegzog und dann losliess. Obwohl es nichts nützt, rieb Eli sich die Augen, dann bewegte sie ihre Arkanistin wieder in die Mitte des Weges, der an der Aussenwand des gewaltigen Turmes nach oben führte. Es war ein Fehler gewesen, die Anfrage für den Himmelsfresser anzunehmen. Der Dungeon war zwar nicht besonders schwer und ihr Avatar war eigentlich schon fast ein wenig zu stark, aber sie hatte bestimmt seit zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Oder waren es mehr?
„Wir sind bald oben, kriegen wir schon hin“, sagte sie und gab ihren beiden Begleitern zu verstehen, ihr zu folgen. Die beiden waren noch nie im Himmelsfresser gewesen und waren dementsprechend froh gewesen, als sich eine erfahrenere Spielerin gemeldet hatte. Wahrscheinlich bereuten sie die Entscheidung inzwischen, aber es stand nur noch der letzte Boss vor ihnen. Nach einigen weiteren Runden gab Eli der Schildmaid zu verstehen, nach vorne zu gehen.
„Gleich um die Ecke, dann werden wir von einem Windstoss erfasst und landen oben, wo der Boss schon auf uns wartet. Passt auf, dass er euch nicht mit seinen Flügeln von der Plattform schlägt und geht in Deckung, wenn er auffliegt. Und wenn er unter zehn Prozent fällt, wächst er an und schlägt noch ein wenig mehr umher, ansonsten wird’s nicht zu gefärlich. Wird nicht schwer, wenn ihr einfach die Augen offenhaltet“, erklärte sie und stellte sich neben das andere Gruppenmitglied, einen Naturalisten. „Du gehst vor, Mirana.“
Die Frau nickte und lief los. Tatsächlich schoss der Wind unter der Plattform nach oben und schleuderte sie in die Höhe. Momente später war sie über der Spitze verschwunden und ein lauter, bestialer Schrei ertönte. Die Müdigkeit noch einmal mit einem Kopfschütteln vertreibend trat auch Eli nach vorne und wurde nach oben befördert, dicht gefolgt vom Naturalisten.
Der Himmelsfresser hatte ein flaches, geländerloses Dach. Vier Säulen erhoben sich auf halbem Weg zur Mitte auf deren Spitzen leere Throne zu sehen waren. Zwischen den Säulen stand ein vogelartiges Ungeheuer von der Grösse eines kleinen Hauses, das auf vier Klauen stand und aus dessen Rücken unzählige Flügel von verschiedener Länge wuchsen. Es war bereits damit beschäftigt, mit dem Schnabel auf die Schildmaid zwischen seinen Beinen einzuhauen. Eli ging davon aus, dass Mirana bereits Aggro gezogen hatte und beförderte sich deshalb mit einem Teleportationszauber auf die Seite des Bosses, wo sie begann, Pulsezauber zu verschiessen. Der Naturalist landete relativ sanft vor dem Boss und machte sich daran, ein wenig Abstand zwischen sich zu bringen, wobei er um ein Haar von einem der herumfuchtelnden Flügel getroffen wurde. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken und nach einigen weiteren Schritten war er ausser Reichweite und begann, Heilzauber auf die Schildmaid zu wirken.
Der weitere Kampf verlief relativ ereignislos, Eli musste ihren Charakter nur einige Male herumteleportieren, um Flugangriffen auszuweichen. Schon bald erreichten sie die Endphase und das Ungeheuer stiess einen gellenden Schrei aus. Dann wuchs es an, drängte die Schildmaid zurück und drückte die vier Säulen um. Diese gingen mit lautem Krachen und herumfliegenden Splittern zu Boden und Eli musste sich mit einer weiteren Teleportation in Sicherheit bringen. Dann konzentrierte sie sich wieder darauf Pulsezauber zu wirken. Für einen Moment schloss sie vor Müdigkeit die Augen. War bald vorbei… wieso flog sie durch die Luft?
Eli erhaschte noch einen Blick auf einen besonders langen Flügel des Ungeheuers, dann verschwand sie über den Rand des Turmes. Blau und Weiss schossen an ihr vorbei und ein gellender Schrei war das letzte, was Elka, ihre Arkanistin von sich gab. Dann prallte sie auf dem Boden auf und ihr Lebensbalken löste sich in Nichts auf.
Game over. In Blutigen Lettern prangten diese beiden Worte vor Elis Augen. Zusammen mit einem Neustart- und einem Auslogg-Button. Eli atmete tief durch. Das war Nummer Drei diese Woche gewesen. Das war ein neuer Rekord. Allerdings kein guter. Das beduetete, dass ihr Wert gerade unter Ebene 3 gesunken war. Sie würden wieder umziehen müssen. Dabei hatte ihre Mutter gerade Zeichen von Besserung gezeigt. Nein!
Entschlossen wählte sie den Neustart-Button aus. Sie würde von vorne anfangen und diesmal würden ihr keine dummen Fehler unterlaufen, sie würde vor der Auswertung genügend Punkte zusammenbringen! Mit einer Pyromantin würde sie es schaffen, das zusammenzukriegen! Sie kannte…
Als Eli wieder aufwachte, fühlte sie sich so erholt wie schon lange nicht mehr. Sie lag auf ihrem Bett, das V-Gear halb vom Kopf gerutscht und die graue Betondecke über ihr war von ihrer Nachtischlampe schwach erleuchtet. Sie konnte das Husten ihrer Mutter aus dem Nebenraum hören, eine Kombination aus Küche und Wohnzimmer. Wann war sie eingeschlafen? Wie lange hatte sie noch mit ihrem neuen Charakter gespielt? Was… war ihr neuer Charakter?
Plötzlich von Panik erfasst griff sie nach dem Helm und streifte ihn über. Das Gaming-Interface öffnete sich vor ihren Augen und sie wählte schnell Mithras' Siege Online aus. Mit einem Gedankenwink übersprang sie das Intro und endlich tauchte die Charakterübersicht auf. Und dort stand ein Avatar. Ein rothaariger Typ in violetter Robe namens Listener. Wie? War sie während der Charaktererstellung eingeschlafen?!
Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, den Charakter zu löschen, doch dann erinnerte sie sich – schmerzhaft – an ihren Punktestand. Sie konnte nicht. Davon würde sie sich nie erholen. Sie musste spielen. Jetzt. Mit einem lauten Seufzer wählte sie ihren misslungenen Charakter aus und loggte sich ein. Hoffentlich waren ihre Fähigkeiten nicht nutzlos.
Zum ersten Mal öffneten sich Listeners Augen und er blickte zum grossen Turm von Al’Irek hinauf, einer Wüstenstadt im weiten Süden. Wo sie noch nie gespielt hatte. Das wurde immer besser. Mit wachsender Verzweiflung inspizierte Eli ihre Ausrüstung und Fähigkeiten. Sie hätte Weinen können. Ein unbekanntes Charakterset und dann auch noch ein so seltsames. Sie würde nie durch die erste Quest kommen. Seufzend wählte sie sich in den Stadtchat ein und schrieb eine Nachricht.
„Suche Gruppe für schnelle Quests. Bin bereit, Beute aufzugeben.“

Nachdem auch Bens letzter Charakter dem blutigen "Game Over" Bild gegenüber stehen musste, hatte er sich einen neuen Avatar erschaffen. Fyrn war sein Name und ausnahmsweise mal hatte auch er sich für eines der bekannten Startsets entschieden und nicht sein eigenes kreiert. Doch irgendwie passten ein paar Sachen nicht zusammen. Fyrn sah aus wie ein riesiger Wikinger aus den alten Zeiten und sein Startset war das des Sturmrufers, doch warum auch immer fing sein Charakter in Al’Irek, einer Wüstenstadt, an. Ben hatte sich zuerst verwirrt umgeschaut, immerhin hatte er noch nie in dieser Stadt gespielt und außerdem eher mit nordischem oder zumindest gemäßigten Klima gerechnet. Aber gut, im Endeffekt machte es auch keinen Unterschied und ein neues Gebiet zu erkunden, war immer spaßig.
„Suche Gruppe für schnelle Quests. Bin bereit, Beute aufzugeben.“ In dem ganzem Stadtchat von Al´Irek fiel Ben ausgerechnet diese Nachricht auf. Schnelle Quests und Beute hörte sich doch gut an und als Neuling in diesem Gebiet wäre es die klügste Entscheidung für Ben, sich mit anderen zusammen zu tun. Zwar hörte sich die Nachricht etwas verzweifelt an - vielleicht war es eine Quest mit guter Beute, welche die Person aber nicht alleine schaffen konnte? Doch eigentlich war es auc hegal für Ben und so entschloss er sich dazu der Person eine persönliche Nachricht zu schicken. "Ich wäre dabei. Bin ein Sturmrufer und noch relativ neu in diesem Gebiet, ich hoffe das stört nicht." lautete die Nachricht, die er versandte.

Jan fluchte und fluchte innerlich, als auf einmal alles um ihn herum schwarz wurde und die nur allzu gut bekannten, blutigen Lettern vor ihm aufleuchteten, die ihm sagten, dass er gerade eindeutig falsch abgebogen war. Er hätte auf den Hinweis des zwielichtigen Goblins hören sollen, nicht dem Licht zu folgen, als er tiefer in das Labyrinth der gefallenen Helden vorgedrungen war. Aber woher hätte er auch wissen sollen, dass dieser tatsächlich die Wahrheit gesprochen hatte? Der eine Weg war eine bodenlose Schlucht gewesen und im Moment hatte er keine Mittel zu einer Überwindung einer solchen besessen und der andere Weg.. Wäre es nur bei dem Fallbeil geblieben, da hätte er ausweichen können. Aber ein ganzer Gang voll mit blitzschnellen und nadelscharfen Stacheln, so eng gesetzt, dass selbst eine Fee den Weg kaum mehr gefunden hätte, und alle gleichzeitig aktiviert, sobald man in der Mitte des Ganges war - da halfen selbst die schnellen Reflexe seiner Lady nichts. Dabei war er diesmal doch so gut dran gewesen, verdammt noch mal!
Das mit dem Goblin musste er sich notieren, die neue Erkenntnis würde einige andere Ecken erleuchten und ihm helfen, den geheimen Gesetzen und der Denkweise des Spieles näher zu kommen. Das nächste Mal würde er nicht mehr in so eine Falle treten, garantiert nicht.
Relativ schnell gelangte er zur Avatarauswahl und einmal mehr machte er die exakten Einstellungen für seine Candara. Er probierte selten anderes aus, seine Dame war so perfekt und man musste sich schliesslich treu bleiben. Wenn er erst einmal höher in den Rängen sein würde, mussten die anderen ihn schliesslich auch gut wiedererkennen können.
Sobald sich das Spiel geladen hatte, tauchte er in den engen Strassen von Al'Irek auf. Wüstenregion, hach. Das war gar nicht so das, was für seine Dunkelelfe geeignet war. Aber wenigstens war schon langsam der Abend im Einzug. Er war länger als gedacht in den Ruinen herumgeirrt. Das kleine Benachrichtungssymbol, bald einmal eine Pause einzulegen, um etwas zu essen, wischte er mit einer knappen Handbewegung weg. Nein, das konnte noch warten. Diesmal würde alles wunderbar laufen, er hatte ein gutes Gefühl.
Candara zog die Kapuze ihres Mantels tief über ihr Gesicht, kontrollierte kurz ihre Dekolleté auf seinen halt und trat dann in den Schatten des nächsten Gebäudes, um sich anzuschauen, was hier denn überhaupt so los war. Es musste etwas Schnelles sein, nicht zu schwer für den Einstieg. Vielleicht wieder einmal in einer kleinen Gruppe? Das war für den Anfang immer praktisch mit seiner Mistress.
"Suche Gruppe für Schnelle Quests. Bin bereit, Beute aufzugeben."
Die Nachricht liess Jan das Weiterscrollen unterbrechen und ein breites, schiefes Lächeln liess die weissen, scharfen Zähne seines Avatars aufblitzen. Das war doch perfekt.
"Schnucki, gib mir deine Koordinaten und ich werde all deine Probleme für dich lösen <3", schrieb er an den Verkünder oder die Verkünderin des Aufrufs. Er spielte die Mistress inzwischen schon so lange, er ging völlig in der Rolle auf.

Das ging schnell. Eli wählte die beiden Spieler aus, die auf ihre Anfrage geantwortet hatte und sandte ihnen beiden eine private Nachricht mit ihren Koordinaten. Jetzt brauchte sie nur noch schnell eine Quest, auf die sie sie mitnehmen konnte. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und war erstmal von der ungewohnten Höhe und den Männerhänden, die immer wieder in ihr Sichtfeld schwankten verwirrt. Wie konnte man freiwillig einen Avatar des anderen Geschlechts spielen? Das war doch vollkommen mühsam.
Nach einer zweiten Runde blieb ihr Blick an einem verschmutzten Zwerg mit breitkrempigem Hut hängen, der mit einer alt aussehenden Karte herumhantierte. Der sah wie ein Questgeber aus. Mit zielstrebigen Schritten – diese Füsse waren eindeutig zu gross – nahm sie Kurs auf den Mann und sprach ihn an.
"Kann ich helfen?", fragte sie und stutzte, als sie die etwas kratzige, nicht unbedingt tiefe, aber unverkennbar männliche Stimme hörte. "Ich... bin auf der Suche nach Arbeit."
"Helfen? Arbeit?", wiederholte der Zwerg und senkte seine Karte, um Elis Avatar anzublicken. Die Worte schienen ein passendes Skript ausgelöst zu haben, denn nach einem Moment sprach er weiter: "Natürlich! Ich bin auf der Suche nach Unterstützung! Weisst du, ich bin ein Archäologe der Goldenen Vereinigung von Trumheim und auf der Suche nach dem sagenumwobenen Schatz des Wüstenthains Malkodr. Laut dieser Karte sollen sich im Süden von Al'Irek Ruinen der alten Zivilisation befinden, die wichtige Hinweise liefern. Leider habe ich bei meinem Besuch dort meine Taschen mit Steintafeln vergessen. Könntest du diese wiederfinden? Sie müssen irgendwo auf der zweiten Ebene sein. Ich würde dich auch entsprechend entlöhnen."
Zufrieden nahm Eli die Quest entgegen und stellte sich dann wieder ein Stück weiter weg hin, um auf ihre neuen Gruppenmitglieder zu warten. Dabei ging sie noch einmal ihre Ausrüstung durch. Sie hatte Speere nie gemocht, überhaupt waren Nahkämpfer nicht ihr Ding, aber vielleicht konnte sie das später noch ändern. Sobald sie Gold hatte, musste sie sich nach Fähigkeiten umsehen, obwohl diese in Startgebieten selten waren. Von ihren momentanen Fähigkeiten war höchsten 'Sunlight Pinpoint' zu gebrauchen, die anderen beiden waren in einem Kampf nur bedingt nützlich. Sie seufzte noch einmal. Hoffentlich ging das gut. Sie konnte nicht noch einmal verlieren.

Es ging nicht lange, bis Jan den passenden Avatar gefunden hatte. Er hatte sich nicht gross von den angegebenen Koordinaten wegbegeben und es blinkte auch kurz der passende Name auf, als er die Figur von seiner Position aus um eine Statusmeldung abfragte. Sah nach einer Art Magier aus. Solche konnten nie schaden, auch wenn er eher auf einen direkten Kämpfer, irgendeinen Berserker gehofft hatte. Aber na ja, solange er sich nicht völlig überschätzt hatte mit seiner Quest, würde das schon klappen.
So trat er zu Listener hin und legte von hinten die Arme um ihn.
"Hallo, mein Süsser. Candara Ab'Caligo, zu deinen Diensten", säuselte die Dunkelelfe und zupfte ein wenig am Kragen von Listeneres Mantel.
Das und dann der Speer.. irgendwie sah der Kerl ja beinahe schon willkürlich aus.

Ben befand sich zwar etwas weiter entfernt von den Koordinaten, doch auch er fand den Weg relativ schnell, denn die Stadt war doch relativ übersichtlich gebaut und die Karte half natürlich auch. An den Koordinaten angekommen, sah er sich erstmal um, als der Name "Listener" ihm in der Menge auffiel. Eine violette Robe und ein Speer? Diese komische Ausrüstung passte zu keinem Startset, das Ben kannte, aber gut - er hatte sich ja eh noch nie wirklich darum gekümmert.
Gerade als er zu ihn treten wollte, wurde Listener von einer Dunkelelfe umschlungen. Zusammen sahen sie schon fast aus wie ein paar. Halbherzig überlegte sich Ben noch einmal, ob er überhaupt mitmachen sollte - er wollte die beiden nicht stören. Aber wenn die Anwesenheit von Fremden sie stören würde, hätte Listener wohl kaum nach Leuten im Chat gesucht. Also seufzte er, trat näher und räusperte sich :"Mein Name ist Fyrn und ich habe mich vorhin bei dir gemeldet." Die extrem tiefe Stimme seines Avatars überraschte Ben, immerhin war es das erste Mal, dass er etwas sagte. "Ich hoffe ich...störe euch beide nicht?" hängte er dann noch dran.

"Nein, nein, nein", sagte Eli und versuchte hastig, die bläulichen Arme um ihre Schultern zu lösen und einige Schritte nach vorne zu treten. Der 'Überfall' von hinten hatte sie ziemlich überrascht und, obwohl sie wusste, dass sie nicht in einem PvP-Gebiet war, ziemlich erschreckt. Wer benahm sich so? "Ich, ähm... das scheint die Art der Begrüssung zu sein, die sich, ähm", sie checkte die Charakterinformationen, "Candara gewöhnt ist. Ähm."
Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, den Kopf zu schütteln, um ihre Irritierung loszuwerden, stattdessen konzentrierte sie sich auf den Hünen, der zu ihnen getreten war. Er sah aus, als könnte er zuhauen. Er würde wohl eine Tankrolle übernehmen müssen, denn die Elfe sah noch zerbrechlicher als ihr eigener Avatar. Mit einer Handbewegung rief Eli das Gruppenmenü auf und lud die beiden in eine Gruppe ein. Dann teilte sie die Quest, die sie angenommen hatte und sprach schliesslich über den telepathischen Gruppenchat. Sie fühlte sich noch nicht bereit, ohne Zittern in der Stimme zu sprechen. Eigentlich nutzte man den Gruppenchat nur in Kämpfen, weil es ziemlich irritierend war, aber hier machte Eli einfach mal eine Ausnahme.
Das wäre die Quest. Den Weg dorthin sollten wir leicht finden. Also los!
Mit einem Wink gab sie ihnen zu verstehen, ihr zu folgen und machte sich auf den Weg zum südlichen Stadttor. Dabei zögerte sie für einen Moment, weil sie wieder auf diese gewaltigen Füsse starrte. Daran würde sie sich nie gewöhnen.

Elis Aktion war zum Glück auch nicht sehr schwer, denn als Jan den Hünen sah, der zu ihnen gestossen war, wirkte er auch gleich nicht mehr so auf den Rothaarigen fixiert. Stattdessen sah er sich den anscheinenden Mitspieler genauer an. Ja, mit dem konnte er auf jeden Fall etwas anfangen. Der war perfekt. Hoffentlich hatte er einige richtig tute Kampfangriffe drauf, heh.
Als von Listener die Einladung und die Quest kam, nahm er sich erst einmal die Zeit, die genauer durchzusehen. Ah ja. Schien tatsächlich nichts Schweres zu sein. Solang man sich nicht zu tief in die Ebenen begab, war man immer auf der sicheren Seite.
Er machte das Questfenster wieder zu und folgte dem menschlichen Avatar, nun dicht an der Seite des Sturmrufers.
"Wir sollten vielleicht vor dem Betreten des Gebiets noch genauere Informationen darüber beschaffen und uns richtig vorbereiten. Nur um sicher zu gehen.."
Sein Inventar war auf den Standard zurückgeschrumpft, verdammt! Dabei hatte er so gute neue Schätze auf seiner letzten Quest gesammelt gehabt.

So wie der Rothaarige sich verhalt, gefiel ihm das Verhalten der Elfe - Candara schien ihr Name zu sein - wohl kaum. Genau so unangenehm war es für Ben, als Candara dicht an seiner Seite lief. Nicht weil ihm weibliche Nähe nicht gefiel, aber er hatte weder im echten Leben, noch im virtuellen viel Erfahrung mit Frauen gesammelt und so wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Also entschloss Ben sich für das einfachste: Einfach ihre Nähe ignorieren.
"Dein Vorschlag hört sich vernünftig an, aber ich glaube nicht wirklich nötig. Immerhin ist es doch eine Anfängerquest und wir sollen doch nur ein paar Tafeln besorgen", erwiderte Fyrn auf Candaras Vorschlag. Zwar dachte er wirklich so, aber er wollte sich kooperativ zeigen, also fügte er noch hinzu :"Aber wenn ihr wollt, können wir es natürlich trotzdem tun."

Schnell bemerkte Eli, dass es nicht praktisch war, wenn sie einfach vormarschierte und liess ihren Avatar etwas zurückfallen, um mit den anderen beiden auf gleicher Höhe zu gehen. Dass Candara noch forschen wollte, gefiel ihr aber gar nicht. Sie hatte keine Zeit, um sich durch die Stadt zu fragen oder ähnliches. Sie mussten diese Quest so schnell wie möglich halten, damit sie zumindest ein wenig aufholen konnte. Sie konnte es ihrer Mutter nicht zumuten, noch mal umzuziehen.
"Nein, nein, ich denke auch nicht, dass wir noch nachforschen müssen. Es ist eine Wüste, was kann man da neben Skorpionen und Schlangen schon erwarten? Ausserdem werden wir in einem Startgebiet bestimmt nicht auf irgendwelche üblen Überraschungen stossen oder so", warf sie deshalb ein. "Wird schon klappen!"

Verstimmt verzog die Elfe den Mund.
Da hatte es jemand ganz eilig. Übereile war nie gut, das konnte böse Enden. So wie mit dieser verfluchten Falle, hach, das war schmerzhaft gewesen. Schmerzhaft für den Körper und erst recht Schmerzhaft für Tasche und Konto.
"Das hoffe ich für euch mal sehr", bemerkte Jan also nur noch und widmete sich dann einer Strähne des schönen, langen Haares seines Avatars. Mensch, wieso waren die Haare seiner Candara immer so perfekt? Das erinnerte ihn daran, dass bei ihm selbst wohl langsam wieder eine Dusche fällig war. Aber das konnte er immer noch Morgen erledigen. Störte ja niemanden. Vielleicht würde es wirklich keine sehr schwere Mission werden. Er hielt sich einfach zurück und liess die zwei machen. Wenn sie sich mangels Vorbereitung in vermeidbare Gefahren stürzten.. Nicht sein Problem.

Abgesehen von ein paar Strassenhändlern, die ihnen überteuerte Heiltränke und kleine Schmuckstücke andrehen wollten, erreichten sie das Stadttor ungestört. Da die Sonne hoch vom Himmel herab brannte, stand das Tor offen und ein kleiner, aber stetiger Strom von Karawanen bahnte sich einen Weg hinein oder hinaus. Eli war froh, dass die Spielmechanik keine Hitze übertrug, ansonsten hätte sie schon lange einen Sonnenstich bekommen. Andere Eindrücke, wie der Geruch der Gewürze einer Karawane wurden übertragen, während der Gestank der Kamele kaum wahrnehmbar war.
Ausserhalb der Stadt verteilte sich der Menschenstrom auf mehrere Strassen und Eli wusste, dass einige der Karawanen verschwinden würden, sobald sie nicht mehr in Sichtweite waren. Sie waren nur da, um die Atmosphäre zu bereichern. Andere würden sich aber sehr wohl auf den Weg machen und boten immer wieder Interaktionsmöglichkeiten für Quests. Für sie würde das aber weniger Interessant werden. Sie nahmen die halb vom Sand verdeckte Strasse nach Süden. Auf der Strasse selber waren sie ziemlich sicher, auch wenn Eli in der Ferne ab und zu einen Riesenskorpion sah. Nach wenigen Minuten war ihr Ziel allerdings bereits in Sicht. Die Ruinen ragten schräg links von der Strasse ein wenig über die Dünen. Eli hielt an, um eine Lagebesprechung zu machen.
„Das wäre unser Ziel“, erklärte sie, mit der immer noch ungewohnten Männerstimme. „Hat einer von euch eine Ahnung, was uns in den Dünen erwartet? Wart ihr schon mal in einem Wüstengebiet?“

Die Sonne stand hoch im Himmel, als die Gruppe für eine kurze Besprechung anhielt. Auf Listeners Frage hin, erwiderte Ben - beziehungsweise sein Avatar Fyrn - :" Ich war zwar schon in einigen verschiedenen Gebieten, aber noch nie in der Wüste. Ich schätz' mal wir werden auf Riesenskorpione und Schlangen treffen ansonsten..", er zuckte mit den Schultern. Wer konnte schon wissen, was sie hier finden würden? Mithras' Siege Online war ein verrücktes Spiel und man sollte alles erwarten.
Aus der Ferne schaute sich Ben die Ruinen genauer an. Es gab doch zahlreiche Romane, Filme und Spiele, welche sich in solchen Orten abspielten. Er versuchte sich zu erinnern, auf was die Protagonisten normalerweise trafen. "In Büchern und ähnlichem treffen die Protagonisten oft auf magische Kreaturen aus Sand und Stein..vielleicht auch so etwas?" hängte Ben dann noch an, nachdem er kurz nachgedacht hatte.

Ein helles, auch leicht zynisches Lachen von Seiten Candaras ertönte.
"Die Wüste ist nicht gerade das Areal, welches von Meinesgleichen präferiert wird. Aber so wie ich diese Welt und ihre Gesetze kenne, werden wir schon noch auf die eine oder andere Überraschung treffen können. Wenn die Erbauer der Ruinen von der Kultur her ähnliche Merkmale aufweisen wie die der nordöstlichen Lande, können wir zumindest auch mit einigen architektonischen Schutzmassnahmen rechnen. Falltüren vielleicht oder versteckte Giftpfeile und Klingen."
Oder Spiesse.. Autsch, autsch, autsch.. das würde noch lange in seinem Gedächtnis bleiben.

Keine beruhigenden Aussagen. Auch die beiden hatten keine Ahnung, was sie erwartete. Vielleicht hätten sie noch mehr Leute mitnehmen sollen, aber dafür war einfach keine Zeit gewesen. Eli unterdrückte einen Seufzer und wandte sich an Fyrn.
„Okay, dann gehen wir einfach mal los. Ich würde vorschlagen, du gehst voraus, Fyrn. Bist am massivsten“, erklärte sie und zog ihren Speer vom Rücken, um ihn bereitzuhalten. Sie hatte noch nie mit einem Speer gekämpft, aber sie wusste, dass man damit zustechen musste. Die Spielengine würde hoffentlich genug ausgleichen, dass sie nicht wie ein Vollidiot herumfuchtelte. Noch einmal rief sie die Liste ihrer Zauber auf und entschied sich kurzerhand, einen auszuprobieren. Sie schloss die Augen und murmelte die entsprechenden Worte, um ‚Eye of the Mind‘ zu wirken. Ein einfaches Augensymbol aus violettem Licht tauchte vor Listeners Stirn auf und Eli war plötzlich in der Lage, verschiedene Punkte um sie herum wahrzunehmen. Etwa zwanzig Meter vor ihnen lauerten zwei Punkte unter der Erde und hinter der Düne weitere vier. Das waren Gegner!
Sie schlug die Augen auf und beendete so den Zauber. Ein Blick auf ihre Manaleiste offenbarte, dass sie gerade fast die Hälfte davon verbrannt hatte. Vielleicht doch nicht so nützlich.
„Zwei Gegner weiter vorne unter der Erde und nochmal vier hinter der ersten Düne“, erklärte sie und fügte dann an: „Das ist so eine Fähigkeit…“

Ben nickte nur kurz, als er zu ihrem Frontschwein auserkoren wurde. War sowieso schon klar gewesen, sobald die Gruppe vollständig war, immerhin würde er wahrscheinlich wirklich am meisten aushalten, außerdem störte es ihn auch gar nicht diese Rolle einzunehmen.
"Nützliche Fähigkeit", meinte Ben, als Listener sie vor den Gegnern warnte. "Doch ich sehe vorne keine Gegner. Sicher, dass sie da sind?" Listener hatte nicht gesagt, wo die Gegner sich befanden und so war Ben verwirrt. Bevor er los lief wollte er lieber wissen an welcher Stelle sich die Gegner aufhielten, denn einen Überraschungsangriff konnte er sich sparen. Sowas ging immer ganz schnell schief.

"Er sagte 'unter' der Erde, Jungchen", bemerkte Jan trocken.
Der Kerl machte seinem Aussehen wirklich alle Ehre. Viel Muskeln und kein gutes Gehör, hach. Mit was für Leuten war er hier eigentlich zusammengestossen? Der eine hatte keinen Orientierungssinn, der andere hielt es für nötig, noch zu erklären, was er für Fähigkeiten gerade benutzte. Es waren doch immer Fähigkeiten. Zumindest wirkte Listener nicht, als wenn er über Hacking an die Infos gekommen wäre oder dergleichen. Dann wäre er nämlich bestimmt nicht hier und in so einem Anfängerlevel herumgelaufen, schon erst recht nicht so. Aber ja.
Er holte die Peitsche aus seinem Inventar und nahm das aufgerollte Bündel fest in die zarten Finger, bereit, es aufspringen zu lassen. Solange die Gegner noch klein und schwach waren, konnte er ruhig auch noch ein wenig mitarbeiten. Das würde Erfahrungspunkte geben und ihn stärken, bevor er sich dann für die grössere Arbeit zurückzog und sonst jemanden machen liess.
"Ich hoffe, zumindest einer von beherrscht auch eine aktive und schädigende Fähigkeit. Nicht, dass ich etwas gegen Passivität bei Männern hätte, aber eine harte und bestimmte Präsenz ist mir dann doch lieber beim Wählen."

„Genau, unter der Erde“, bestätigte Eli und musterte den Sand. „Mehr konnte ich nicht erkennen, nur dass da etwas ist. Vielleicht eine Art Maulwurf. Ich kann auch nicht sagen, ob sie aggressiv sind oder nicht.“
Auf Candaras Frage hin sagte sie nichts, auch wenn sie wohl das Gesicht verzogen hätte. Zum Glück brauchte es mehr als ein Zucken, um Regungen im Gesicht zu übertragen. Und vielleicht war diese eine Fähigkeit ja nicht ganz nutzlos...
Nachdem alle ihre Waffen bereit hielten, setzten sie ihren Weg fort und traten auf den Sand hinaus. Eli bemerkte, dass ein Hitzeflimmern über dem Sand zu sehen war und wähnte sich noch einmal glücklich, dass diese Details nicht übertragen wurden, sonst wäre die Hitze wohl sogar durch die Stiefelsohlen unangenehm. Weil sich ihr Fokus auf die Ferne gerichtet hatte, bemerkte sie nicht, wie der Sand wenige Meter vor ihnen sich plötzlich zu bewegen begann. Das mit mehreren Reihen Zähnen bewehrte Loch, das plötzlich auf sie zuschoss, bemerkte sie deshalb zu spät. Der Sandwurm schoss an Fyrns Schulter vorbei und biss Listener, einen satten Batzen seines Lebensbalken konsumierend. Ein zweiter Wurm schoss auf den Hünen zu. Elis Avatar stolperte zurück und sie schwang den Speer ungeschickt von der Seite auf den Wurm zu, der von ihr abglitt und wieder im Sand zu verschwinden begann. Die Spielengine wandelte den Schwung in einen gezielteren Schlag um, der die Spitze in die Seite rahmte und den Schaden zurückgab. Dann war das Monster wieder im Sand verschwunden.
„Verdammt“, murmelte Eli und hielt Ausschau nach dem Gegner. Was hatten solche Viecher in einem Startgebiet zu such en? Sie hatte gedacht, die wären friedlicher!

Verlegen trat Ben von einem Fuß auf den anderen, als die Dunkelelfe ihn auf seinen Fehler hinwies. Alles was er erwiderte war nur ein kurzes :" Okay", bevor er sich zusammen mit dem Rest der Gruppe in Bewegung setzte.
Der Angriff der Sandwürmer überraschte auch ihn, doch im Gegensatz zu Listener, konnte Ben - beziehungsweise sein Avatar Fyrn - seine Waffe noch rechtzeitig heben um der Attacke entgegenzutreten. Mit voller Wucht krachte der Wurm gegen seine hastig aufgesetzte Parade und warf ihn zu Boden - eine zweihändige Axt war wohl doch nicht wirklich zum Parieren geeignet. Der Angriff hatte Ben zwar Leben abgezogen, doch durch seine jämmerliche Parade und den Attributen Fyrns war die Menge recht überschaubar. Hastig stand er wieder auf und wappnete sich für den nächsten Angriff, doch der Wurm hatte sich schon wieder in den Boden zurückgezogen und würde wohl jeden Moment wieder auftauchen. Ein kurzer Blick auf die Anzeigen seiner Gruppenmitglieder zeigte Ben, dass Listener einen ordentlichen Batzen Leben verloren hatte. Während sein Gegner sich durch den Sand grub, kam Ben auf eine Idee.
Ben sprintete auf Listener zu und kaum in seiner Nähe angekommen, hob er die Axt in einer Hand in Luft und stoß ein paar unverständliche Wörter aus, wodurch einer seiner Zauber ausgelöst wurde - Rainstorm. Der Regen fiel sanft auf sie auf beiden herab und erzeugte eine heilende Wirkung. Zwar keine sonderlich starke, aber langsam füllten sich ihre Balken wieder. Doch gleichzeitig veränderte der Regen den umliegenden Sand, machte ihn zähflüssiger und verlangsamte dadurch die Bewegung der beiden Würmer. Als sein Gegner wieder auftauchte und Ben angriff, waren seine Bewegungen träge und dadurch leicht auszuweichen. Mit einem schnellen Schritt trat Ben zur Seite und ließ seine Axt auf den Wurm niederfahren, wodurch er seine Seite aufriss, Blut herausspritzte und er einen Teil seines Lebens verlor.

Jan hielt sich zwischen den beiden Herren und wartete ab. Als die zwei Würmer sich auf diese stürzten und seinen Avatar momentan noch ignorierten, schlich sich ein breites, begeistertes Lächeln auf das Gesicht seiner Elfe. Das fing doch gut an. Das würde wohl tatsächlich auch ohne weitere Vorbereitungen klappen. Er sollte viel öfters in Gruppen reisen.
"Was für niedliche Blutegel", bemerkte er durch den telephatischen Gruppenchat. War weniger ablenkend als richtiges Reden, denn als die Würmer wieder im Boden verschwanden, war es wichtig, die Bewegungen unter dem Sand im Auge zu behalten und sich nicht überraschen zu lassen. Die beiden anderen stellten sich zusammen, als Fyrn einen Heilzauber ausstiess und Jan stellte sich mit dem Rücken zu ihnen. Regen bäh. Das war genauso gut wie mit der Hitze, das Spiel simulierte zwar, dass eine Figur nasse Kleidung und Haare hatte, wenn sie mit zu viel Wasser in Berührung kam, aber dieser Zustand hob sich immer nach sehr kurzer Zeit auf und liess wieder ein perfektes Aussehen zurück.
Auf die Würmer hatte der Regen jedoch einen stärkeren Effekt und dieser brachte Jan doch recht in Erstaunen. Der Hüne war wohl doch schlauer, als man ihm zutrauen mochte. Oder es war Zufall. So oder so war es auf jeden Fall praktisch. Gerade auch für eine Figur wie seine, die auf Agilität und Geschick setzte und nicht auf Körperkraft.
Als vom zweiten Wurm eine verräterische Kurve in ihre Richtung kam, liess er die Peitsche sich entrollen, in dem er sie mit der zweiten Hand losliess und nach hinten aufschlug - ganz knapp an Listeners Hintern vorbei - und dann nach vorne schnellen liess. Tatsächlich traf er den Wurm, als er aus dem feuchten Sand hinausschoss und lenkte seine Bahn somit ab, zurück in den Sand. Gerade weil die Elfe nicht mit Stärke in den Werten prahlte, war es kein vernichtender Schlag, doch wie sagte man so schön? Geduld gab Gold. Oder so.

Erleichtert beobachtete Eli, wie sich Listeners Lebensbalken wieder auffüllte. Der Regenzauber hatte neben der Heilung noch den praktischen Effekt, dass er den Sand um sie herum feucht machte, wodurch die Würmer sich langsamer bewegen konnten. Diesmal hielt sie die Augen nach Bewegungen offen. Dennoch hätte er das Auftauchen des Wurmes fast verpasst, weil Candaras Kommentar sie ablenkte und sie nach einer Erwiderung suchte. Zum Glück hatte er Fyrn ins Visier genommen. Gleich nach dem Hünen stiess auch Listener mit dem Speer zu und landete einen vernünftigen Treffer über dem Maul. Dies verkleinerte dessen Lebensbalken noch einmal und sie schaffte es sogar, einen weiteren Schlag zu landen, bevor der Sandwurm aus dem nassen Bereich raus geglitten war und sich wieder im Sand vergrub. 
Ein Knallen – von Candaras Peitsche, wie Eli bemerkte – lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich und sie wandte den Kopf. Gerade noch rechtzeitig, um einen Satz nach vorne zu machen. So entging Listener einem weiteren Biss des anderen Wurms. Candaras Schlag verringerte dessen Lebensbalken nochmal und sagte Eli zwei Worte, die einen Sonnenstrahl an der Spitze von Listeners Speeres bündelten, mit dem sie einen schnellen Treffer landete, bevor der Wurm sich eingraben konnte. Da er schon ein wenig angeschwächt war, verursachte der Zauber ordentlich Schaden.
"Beim nächsten Mal sollten wir sie bekommen", verkündete sie mit Listeners tiefer Stimme, während sie nervös hin- und herblickte, den Rücken Fyrn zugewandt. Für einen Moment überlegte sie, noch einmal den Suchzauber zu wirken, doch nachdem sie auf ihren Manabalken gelinst hatte, entschied sie sich dagegen. Ihre magischen Reserven waren ja erbärmlich!

Es gab vieles, was Aidan Tanner in seinem Leben bereute. Dass er so häufig aus Faulheit und Bequemlichkeit versäumt hatte, seine Ausbildung voran zu treiben. Dass er es nie geschafft hatte, sich richtige Freunde zu machen, Freunde, auf die er sich auch wirklich verlassen konnte, die zu ihm gestanden hätten. Dass er so oft mit seinen Eltern gestritten hatte. Und dass es letztendlich zum Bruch mit ihnen gekommen war. Es war ganz zweifellos ihre Schuld gewesen, war absolut ungerecht gewesen. Was konnte er für ihre überkommenen, verkrusteten Vorstellungen? Und was konnte er dafür, dass er war, wie er war? Dennoch: das es so weit hatte kommen müssen bereute Aidan. Wie so vieles, was in seiner Vergangenheit vorgefallen war. Aber alle Menschen leben letztendlich in der Gegenwart und in der Gegenwart neigen vergangene Dinge in den Hintergrund zu treten. Und so war es ihm Moment diese leichtsinnige Entscheidung, die Aidan am meisten bereute. Die Entscheidung, allein in diese Ruinen vorzudringen.
Er hätte selbst nicht sagen können, was ihn dabei geritten hatte. Selbstüberschätzung, der Kitzel der Herausforderung. Und vermutlich auch wieder einmal die Scheu, andere anzusprechen. Aber da saß er nun und konnte sehen, was er davon hatte. Durch die erste Ebene war er noch recht problemlos durchgekommen. Sandwürmer, Skorpione, Schlangen... sicher, es hatte Gegner dort oben gegeben. Aber nichts, womit Carima Brazen, die Pyromantin, nicht mit ein wenig geschicktem positioning fertig geworden wäre. Aber dann war sie in die zweite, tiefere Ebene vorgedrungen und hatte eine Art Grabkammer vorgefunden. Wie sie schnell heraus gefunden hatte handelte es sich dabei um die Ruhestätte eines alten Zwergenklans, die ihre Toten scheinbar einbalsamiert und dann dem Wüstensand überlassen hatten. Nur, dass diese Toten es mit der Ruhe in der Ruhestätte nicht so genau nahmen. Und diese Gegner hatten sich als bedeutend härtere Gegner erwiesen, als die Krabbeltiere weiter oben. Nach vielleicht einer halben Stunde hatte Aidan schließlich einsehen müssen, dass Carima hier allein nicht weiter kommen würde. Nur: zurück kam sie auch nicht mehr. Respawn. Und wo es in die eine Richtung noch ganz gut geklappt hatte, sich immer wieder zurück fallen zu lassen und die behäbigen Mumien aus der Ferne mit Feuer und Flamme zu beharken, so stand ihr nun, umzingelt wie sie war, diese Option nicht mehr offen. Kurz gesagt: sie saß fest. Sie hatte sich in eine halb eingestürzte Kammer zurück gezogen, in die durch ein Loch in der Decke Sonnenschein (und Sand) fiel, und dort in der hintersten Ecke auf einem Steinhaufen Position bezogen. Von Zeit zu Zeit schlurfte eine der Zwergenmumien in die Kammer und Carima verpasste ihr ein paar Feuerbälle, sodass der Lebensbalken des Untoten auf Null sank ehe er sie erreichte. Dazu reichte ihr Schaden aus. Aber ausbrechen: hoffnungslos. Das wäre ihr sicherer Tod.
Und sterben, das konnte Aidan sich nicht leisten. Weiß Gott, er war ohne seine Eltern ohnehin schon tief genug gesunken. Also beschränkte er sich darauf, Carima am Leben zu halten und ab und an einen Hilferuf im Welt-Chat abzusetzen. Nur, dass der auch sonderlich große Reichweite hatte. Solange nicht jemand zufällig zumindest die erste Ebene der Ruinen betrat würde er es kaum mitbekommen. Und dann war immer noch die Frage, ob er auch auf Hilfe hoffen konnte.

Wie Listener sagte, schaffte die Gruppe es wirklich die angreifenden Würmer, bei ihrem nächsten Auftauchen, zu töten. Als ihre Leichen am Boden lagen, inspizierte Ben ob sie irgendwelche Gegenstände oder Geld dabei hatten. Natürlich war es komisch, wen ein Wurm so etwas dabei haben würde, aber Mithras' Siege Online ist nun mal doch ein Spiel, egal was für einen Einfluss es in der Realität hatte. Und so fand Ben auch wirklich etwas bei ihnen: Etwas Geld. Nicht sonderlich viel und es wurde automatisch zwischen allen Gruppenmitgliedern aufgeteilt, aber immerhin war es etwas.
"Sollen wir weiter?" fragte Ben nachdem die Beute aufgeteilt war. Nach dem die anderen beiden zugestimmt hatten, lief er vor. Doch bevor sie bei der nächsten Gegnergruppe ankamen, erweckte eine Nachricht im Chat Bens Aufmerksamkeit. Es war ein Hilferuf im Welt-Chat, welcher aus der zweiten Ebene der Ruine zu stammen schien. Er war schon immer nett gewesen und so wollte er auch diesem Spieler aus der Not helfen, also wandte er sich an die beiden anderen :"Liest mal den Hilferuf im Chat. Sollen wir vielleicht helfen gehen? Wir müssen ja eh in die zweite Ebene, dann könnten wir auch gleich bei ihm vorbeischauen."

Jan seufzte, als er das wenige Geld in seinem imaginären Item-Beutel betrachtete. Nicht sehr viel, aber was wollte man erwarten in einem Startgebiet. Wenn sie weiter so aggressiv angegriffen wurden, kam am Ende vielleicht genug zusammen, dass er sich etwas hübsches kaufen konnte für sein Mädchen, so für den Anfang. Oder auch einfach sparen?
"Hmm", machte er dann aber auf Fyrns Bemerkung des Chats wegens hin. "Na ja. Wenn es auf dem Weg liegt und nicht viel Zeit kostet.. wieso nicht? Kommt natürlich ganz darauf an, ob da auch etwas schönes für uns herausspringt. Du weisst schon, mein Grosser. Zeit ist Geld, gerade hier und lange ist der Tag nicht mehr."
Aber an sich war es keine schlechte Idee. Würde ihnen sicher einige Bonuspunkte einliefern, wenn sie den Hilferuf annahmen als Sidequest. Und was konnte hier schon für eine unglaublich schwierige Aufgabe auf sie warten? Musste wohl ein ziemlich neuer Spieler sein, wenn der in einem Startgebiet festhing. Kein Problem für jemanden, der ein wenig Erfahrung hatte. Und einen Berserker und sonst noch nen Trottel als lebenden Schutzschild.

Auf Fyrns Kommentar hin rief Eli das Interface auf und öffnete den Weltchat. Tatsächlich, da hatte sich jemand festgesetzt und brauchte Hilfe. Es war wirklich ein Glück, dass sie ebenfalls in diesen Bereich gelangt war. In der Stadt hatte sie kaum andere Spieler gesehen, es schien also, als wäre das ein relativ unbevölkertes Startgebiet oder es war unverhältnismässig gross. Der Weltchat war zwar keine gute Möglichkeit, mit dem Spieler – oder Spielerin, nach dem Namen, auch wenn das kein sicherer Hinweis war, wie Eli an ihrem eigenen Beispiel nur zu bewusst war – zu kommunizieren, da man eine Nachricht in einem gewissen Zeitintervall versenden konnte, aber zumindest konnten sie sie wissen lassen, das Hilfe auf dem Weg war. Und Candara hatte natürlich recht, wenn sie ihr halfen, würden sie auch noch was rausholen können. Vielleicht konnten sie auch gleich noch die Quests teilen und einander helfen.
"Wir sind auf dem Weg in die Ruinen, denk schon mal über eine Belohnung für uns nach", schickte sie in den Weltchat und grinste. Das Gold würde noch ein paar Punkte wert sein, hoffentlich genug. An ihre Party gewandt sagte sie: "Wir sollten uns beeilen, nicht dass sie stirbt, bevor wir drinnen sind."
Sie erreichten die die Höhe der Düne vor ihnen und blickten auf die Kreaturen hinab, die Eli schon vorher erspäht hatte. Sie hatte erwartet, ein paar Riesenskorpione zu sehen, stattdessen standen da nur drei Gürteltiere, die gemeinsam an einem verdorrten Busch herumzerrten. Um so besser, so erreichten sie die Ruinen noch einfacher. Ohne weitere Worte erreichten sie den zerfallenen Steinkomplex und traten in den Schatten einer zerbrochenen Säule. Zwischen einigen umgefallen Steinbrochen und einer zerbröckelnden Wand konnte Eli eine Treppe erkennen.
"Da runter, Fyrn voran, wenn ich dich bitten darf."