EoV - Third Mission - "Silent Rain"

Eine ganze Weile lang dachte Natalia nach... Der Vorschlag mit dem geordneten Rückzug gefiel ihr gar nicht. Bis jetzt hatten sie jede Mission erfüllen können... ohne Verluste... ohne große Verletzungen... und jetzt sollte das einfach so abreißen? Dem Rückzug und dem Scheitern der Mission stand vor allem Natalias Ehrgeiz im Weg. Aber vermutlich war dies wirklich die momentan beste Vorgehensweise... Die Prototypen waren durch die defekten Akkumagazine nicht zu gebrauchen und die Maschinen welche sich ihnen hier noch in den Weg stellen konnten, würden ihnen massivsten Widerstand liefern.
Schließlich nickte die Offizierin und stand langsam auf. "Ok... gut... Lasst uns abrücken.", meinte sie, dabei hörte man deutlich in ihrer Stimme wie erniedrigt sie sich fühlte. "Diese Waffe nehmen wir mit... ich will nicht ganz mit leeren Händen zurückkehren.", erklärte sie, bevor sie sich abwandten und sich wieder in Richtung der schweren Tür machten, durch welche sie in den Rumpf des Schiffes gelangt waren.

Gerade als sie sich auf den Ausgang zubewegten, ertönte erneut ein Alarm... die schwere Tür begann sich zu schließen. "Scheiße... Schnell! Raus!", rief sie über den Funk, doch nach ein paar Schritten im Sprint schloss sich die Tür vollends. Daraufhin bewegte sich auch noch eine massive Brandschutztür mit einem ineinander verzahnten Schließmechanismus über den Ausgang...
Laut knallte es als die schwerst gepanzerte Tür sich verriegelte und es durch den Gang hallte. "Was zum Teufel soll das denn jetzt?!", stieß sie hervor als sie vor der Tür zum stehen kamen.
Plötzlich hörte man durch einige der alten Lautsprecher ein kurzes Rauschen... welches sich schließlich in ein leises aber seltsam monotones Kichern entwickelte. "Ich grüße euch Eindringlinge... Klägliche Kreaturen die durch meine Gänge stolpern... Ihr glaubt ihr könnt es aufnehmen mit einer perfekten und unsterblichen Maschine wie mir? Ihr werdet tiefer in das Schiff vordringen müssen... Es gibt keinen anderen Ausweg..."

Jetzt ging Snyder der Arsch auf Grundeis. Mehr von den Dingern waren bestimmt nicht weit weg, und was die Prototypen anging mussten sie sich zwischen EMPs und Plasma entscheiden. Nein, nein. Wirklich keine gute Situation, und er hatte wirklich keinen Bedarf, hier unten an einem Streifschuss und der Strahlung zu krepieren. Er stemmte seine Faust gegen die Wand und knurrte wütend. Nicht, dass er übermäßig am Leben hing, aber ein paar Jährchen unter Drogen hätte er schon gerne noch vor sich. Aber es gab kein Zurück hier unten, es gab nur vorwärts. Die Wände waren zu dick, man konnte nichts machen. Nicht schneiden, nicht schreien, nur verhungern. Oder eben in das Schiff vorandringen. Hässliche, Hässliche Situation. Dafür musste die Unity aber verdammtnochmal Gras legal machen, etwas anderes würde er als Bezahlung nicht akzeptieren.

"Und jetzt, Cavin? Drei halten den toten Bot und einer im HT-5 hält mit seiner Waffe auf den Rest von den Dingern?"

Sonderlich begeistert wirkte Eames nicht, als er die Stimme hörte. Zumindest soweit man das halt von aussen beurteilen konnte.
"Na super!", sagte er trocken.
"Wir haben ne alte Killermaschine wiedererweckt, die jetzt Jagd auf uns macht. Darauf hat man uns nicht wirklich vorbereitet", schnaubte er missmutig.
Wenn eine Maschine intelligent genug war, um solche Sätze von sich zu geben. Tja. Dann waren sie wohl so gut wie tot.

Zu behaupten, Leo sei 'erleichtert', als Cavin den Rückzugsbefehl gab, wäre wohl die Untertreibung des Jahrtausends gewesen. Er wollte dieses Drecksloch hier so schnell wie möglich hinter sich lassen und wieder nach Hause. Hier war auch wirklich kein Ort, an dem irgendein Mensch mit gesundem Menschenverstand sich freiwillig aufhalten würde.
Als ihnen die Tür praktisch vor der Nase zufiel, war Leo einen Moment sprachlos vor Entsetzen und starrte den nun verwehrten Weg nach draußen an.
Als die seltsame Stimme ertönte, fühlte er jedoch Wut in sich aufsteigen. Wer oder was war das und was bildete sich das Etwas überhaupt ein? Entweder war das ein wirklich, aber wirklich gestörter Mensch oder eine Maschine, bei die Programmierung vollkommen in die Hose gegangen war. Aber dieser Anflug von Arroganz und Größenwahn, den der Sprecher an den Tag legte, wie sollte das zu einer Maschine passen? Die hatten doch keine Gefühle! ...Oder?
Wie auch immer, er hatte jetzt weder Lust noch Zeit, sich weiter darüber darüber den Kopf zu zerbrechen. Also richtete er seine Aufmerksamkeit auf die massive Tür. Konnte man das Scheißding denn nicht irgendwie aufbrechen?

Als sich das Schott vor ihrer Nase schloss und die mysteriöse Stimme aus den Lautsprechern erklang blieb Nick erstaunlich ruhig. Ruhiger, als man in einer Situation wie dieser hätte erwarten können. Gewiss: was hier passierte war unvorhergesehen. Und es war nicht zu leugnen, dass es ihre Situation massiv verschlimmerte. Aber er hatte in seiner Zeit bei den Paratroopern schon schlimmere Sachen erlebt und durchgestanden. Und Unity-Soldaten waren darauf trainiert, in Extremsituationen die Ruhe bewahren. Ja, das hier war eine Extremsituation. Aber nicht unbedingt ein Grund zur Panik. Ruhig bleiben, einen Ausweg suchen. Es würde einen geben. Es gab immer einen.
"Ruhe bewahren, Zivilist", schaltete er sich auf Westerfelds Gejammer hin in den Funk ein, "Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir nicht nach den Regeln dieser Stimme spielen werden. Wir suchen uns einen eigenen Weg und der führt ganz sicher nicht dort hin, wo dieses Ding uns haben will. Mein Vorschlag: wir suchen uns einen Weg nach oben oder auf dieser Ebene zur Außenseite des Schiffs. Dann brennen wir uns unseren Ausgang. Westerfeld, sie haben doch noch ihren Schneidbrenner. Sollten wir nicht durch kommen nehmen wir Kontakt zu Flight Lieutenant Paulson auf und bitten ihn, uns ein Loch in den Rumpf zu schießen."

Oh. Fuck. Das waren die ersten Worte, die durch Myras Kopf schossen, nachdem die Stimme gesprochen hatten. Die zweiten waren die selben wie die ersten nur lauter wiederholt. Oh! Fuck! Das wichtigste war jetzt nicht in Panik zu verfallen und durch die Gegend zu rennen. Gut, das war schon mal geschafft. Myra blieb an Ort und Stelle. Es gab einen verdammten Grund, warum höhere K.I.s in Talon verboten waren! Die Dinger drehten immer irgendwann durch. Es brauchte nur einen kleinen Impuls und schon brach das ganze logische Gerüst des Programmes in sich zusammen. Und hier hatten sie es mit einer größeren K.I. zu tun. Der Roboter war nur ein Drohnenhirn gewesen, aber das Ding hier hatte nicht nur gesprochen, sondern war auf ihre Situation eingegangen.
Mit dem Plasmagewehr in der Hand deckte Myra nach hinten ab, während Westerfeld hoffentlich zu Werke ging. Noch kamen keine mörderischen Roboter den Gang entlang geschritten, aber das konnte sich schließlich jederzeit ändern.

Diese Stimme... sie klang ein wenig... zu menschlich? Befand sich vielleicht irgendjemand in diesem Schiff und trieb seine Scherze mit ihnen? Aber das konnte schlichtweg nicht sein... Die äußere Tür war komplett zugerostet gewesen, die innere Tür war fest verschlossen und verriegelt und das Sicherheitssystem noch vollständig deaktiviert... bis sie die Olympus betreten hatte. Natürlich, völlig unmöglich war es nicht... aber die Offizierin konnte sich das nicht vorstellen.
Auf den Vorschlag des First Sergeant hin, funkte Natalia erst einmal nach draußen. "Flight Lieutenant Paulson... Kommen...", gab sie durch und wartete ab... doch es kam nur Rauschen zurück. "Paulson!", rief sie, doch erneut war nur ein Rauschen zu hören.
Verdammt... wenn sie von hier aus den Flight Lieutenant nicht erreichen konnten, dann brauchte sie es bei dem Kommando in Talon erst recht nicht versuchen.
Sie zögerte, blickte zwischen ihren Kameraden hin und her... bevor sie einmal tief durchatmete.
"Tja... nun... oder...", dabei griff Natalia zu der schweren Waffe, welche dem Kampfbot gehört hatte und jenen spielend leicht durchlöchert hatte. "...wir gehen weiter und treten dem Ding, oder wovon auch immer diese Stimme kommt in den scheiß Allerwertesten... Wünsche? Beschwerden?", fragte sie scharf und schulterte das MG.

Ruhe bewahren! RUHE BEWAHREN!
Am liebsten hätte Eames dem Kerl eine reingedonnert. Einfach um aufgestaute Aggressionen loszuwerden. Er sagte dann erst einmal nichts mehr, sondern nickte nur.
Was sollte er schon sagen? Letzten Endes würde sowieso Natalia entscheiden, was sie nun tun würden.
Allerdings gefiel ihm ihre Entscheidung nicht wirklich. Aber na schön, sie war der Boss. Und alleine was tun wäre wohl sein Todesurteil gwesen.

Beschwerden? Oh, ja, jede Menge. Sie saßen hier auf unbekanntem Gebiet fest, standen einem kräfte- und möglicherweise auch zahlenmäßig überlegenem Feind gegenüber, der sich hier auskannte, sehr wahrscheinlich über Überwachungssysteme jeden ihrer Schritte beobachten und kontern konnte und ihnen vermutlich auch intellektuell – oder eben bezüglich der Rechenleistung – über war. Und sie planten genau das zu tun, wozu dieser sie aufgefordert hatte. Klang schwer nach etwas, was sie alle umbringen würde. Ein echtes Himmelfahrtskommando! Wäre es nach Nick gegangen, er hätte sich verbunkert und ausgeharrt. Andererseits bestand wenig Hoffnung auf eine zeitnah Rettung. Viel eher mussten sie befürchten, dass man sie früher oder später abschreiben, für tot erklären würde. Nein, ausharren würde es auch nur heraus zögern.
"Gehen sie voran, First Lieutenant", bestätigte er also seine Vorgesetzte in ihrem Vorhaben. Vermutlich blieb ihnen schließlich wirklich wenig anderes übrig.

"Na dann... auf gehts...", meinte Natalia, legte sich den schweren Patronengurt um die Schultern und hob die Waffe an, bevor sie sich auf den Weg zurück bis zu der Kreuzung machten. Mit aktiver Nachtsicht ging es nun vorbei an dem kaputten Kampfbot, in den dunklen Teil des Ganges aus welchem die Maschine gekommen war... ein flaues Gefühl breitete sich im Magen der Offizierin aus, ihr Herz raste bei dem Gedanken daran was sie nun alles erwarten konnte.
Doch dieser Jemand oder dieses Etwas, was mit ihnen gesprochen hatte... es glaubte es konnte sie verarschen? Da würde sich jemand aber noch gehörig wundern.
Nach der Abbiegung ging es über eine Treppe tiefer in den Rumpf des Schiffes, dabei kamen sie wohl näher an die Maschinenräume des Schiffes heran, zahlreiche Rohre führten an den Wänden und auch unter dem vergitterten Boden entlang. Kondenswasser tropfte von den Rohren, vielleicht hatten einige der Verbindungen mit der Zeit auch Haarrisse bekommen... Da sie noch immer irgendwelche Flüssigkeiten zu führen schienen, war in diesem Schiff mehr in aktivem Zustand als es zuerst den Anschein gehabt hatte.
"Wachsam blei...", doch noch bevor Natalia den Satz beenden konnte, hörte sie ein bereits bekanntes Geräusch.
Die Gruppe konnte hinter einer Treppe, welche über ein großes Verbindungsrohr führte Deckung suchen, während auf sie das Feuer eröffnet wurde. Querschläger und Funken flogen in alle Richtungen davon, während Dampf aus den Rohren schoss welche dem Einschlag der abgeprallten Projektile nicht mehr standhalten konnten.
Offenbar hatte eine der Maschinen seelenruhig einfach auf sie gewartet... und schließlich den Abzug gedrückt.
Die First Lieutenant packte den Griff der erbeuteten Waffe fester... und im richtigen Moment als das gegnerische Feuer kurz zum erliegen kam, erhob sie sich, zielte und versuchte dem aufschießen der Waffe stand zu halten. Sie konnte nicht wirklich sagen, ob sie den Kampfbot traf, glaubte aber die Panzerung am Brustbereich durchschlagen zu haben. Unkontrolliertes Gegenfeuer kam ihr entgegen...
Natalia wich zurück in die Deckung, taumelte dabei aber ein wenig nach hinten und ließ die schwere Waffe fallen. Schweren Atems griff sie sich an den linken Oberarm, sie verspürte ein ziemlich starkes Ziehen in dieser Gegend, aber als sie die Hand wieder weg nahm und jene betrachtete, war die Handfläche ihres Handschuhs voller Blut.

Nick war mit einer weiteren EMP-Granate in der Rechten weiter vorgerückt, sein AR-9 nur lose in der Linken haltend. Ein ungewohntes Gefühl, dass ihm nicht eben Sicherheit vermittelte, aber hier musste die Vernunft über die Gefühle siegen. Auch wenn ihm das Sturmgewehr Sicherheit vermittelt hätte: es war hier drin vollkommen nutzlos. Die wirksame Waffe, die er besaß, war tatsächlich die Granate.
Als sie dann aber erneut angegriffen wurde nutzte diese im freilich wenig. Der Feind war so plötzlich aufgetaucht und hatte sie so rasch in Deckung gezwungen, dass Nick nicht einmal Gelegenheit gehabt hatte, ihn zu lokalisieren. Und auf gut Glück konnte er die Granate nicht werfen. Dafür besaß er einfach zu wenige davon. Eine zu verschwenden mochte sie hier drin allesamt umbringen. Und bevor er sich orientieren konnte ergriff Cavin mit dem schweren Maschinengewehr bereits die Initiative – fatalerweise, wie sich gleich darauf heraus stellte.
"Sind sie getroffen, First Lieutenant?", rief er überrascht auf, dabei lieferte ihm sein HUD genau diese Information bereits. Die Sensoren von Cavins Kampfanzug zeigten einen Durchbruch an. Und dieser mochte sich als weitaus fataler erweisen als die eigentliche Wunde. Ohne die hermetische Versiegelung war die First Lieutenant der Strahlung ausgesetzt.

"Alles bestens...", meinte Natalia und beorderte Sergeant Hightorn zu sich um sich provisorisch um die Wunde zu kümmern. Die Systeme ihres Anzuges schlugen die ganze Zeit dabei Alarm, doch sie ignorierte es...
Der Streifschuss hatte die Panzerung am Oberarm aufgerissen und ein Stück Fleisch dabei gleich mitgenommen... Das Strahlungslevel konnte man als recht... moderat... betrachten, würde schon schief gehen.
"Das wird jetzt ein wenig weh tun...", meinte ihr einziger Sanitäter, bevor er eine Spritze mit künstlichem Protein, welches zugleich desinfizierte, direkt an die Wunde ansetzte. Am besten gleich verschließen, bevor es stärker zu bluten anfängt. Die Offizierin biss die Zähne zusammen, als er die weiße Masse direkt in den Wundkanal drückte.
Stoßweise presste Natalia die Luft zwischen ihren Zähnen hervor, es brannte heftig und tat so höllisch weh, als würde sie kein Morgen mehr erleben...
Schließlich verstaute Hightorn die Spritze wieder und drückte eine Mullbinde direkt durch den Riss in der Panzerung auf die provisorisch verschlossene Wunde. Um den Durchschlag und die leicht daraus heraus ragende Mullbinde, wickelte er noch einen selbst haftenden Verband mehrfach um den gepanzerten Oberarm, sodass der zusammen gerollte Verband in dem Riss und auf der Wunde gehalten wurde.
Nachdem er fertig war, bewegte Natalia ihren Arm ein wenig, wenn sie ihn aber zu weit anhob oder nach vorne bewegte, dann war das schon verdammt schmerzhaft...
So konnte sie die schwere Waffe keinesfalls halten... so reichte sie das Maschinengewehr des Bots an Sergeant Miller weiter. "Hier... beim Schießen gut festhalten und den Lauf nach unten drücken.", erklärte sie, bevor sie nun ein weiteres mal über das dicke Rohr blickte. Die Maschine war zu Boden gegangen, bewegte sich am Boden unkontrolliert hin und her... "Miller? Schalten sie das Ding aus... wir brauchen seine Waffe.", gab die First Lieutenant weiter und lehnte sich mit dem gesunden Arm gegen das Rohr. Durch den Treffer, den kurzen Schockmoment und die sehr schmerzhafte Verarztung war ihr ein wenig schwindelig geworden...

"Sie sehen nicht allzu gut aus, Lieutnant. Soll ich ihnen ein Mittelchen verabreichen?", meldete sich Snyder. Na hoffentlich hatte Cavin gute Gene, Krebs würde er keinem oder keiner wünschen. Er seufzte und schoss sich ein bisschen Beruhigungsmittel in die Venen, wonach alles schon mal rosiger aussah. Er fühlte sich verdammt nutzlos. In Deckung bleiben, und tiefer in den Bauch dieses Schiffes... Na toll. So hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. Aber was auch immer, man konnte ja zusehen, dass sie auf dem Weg in den Tod wenigstens keine Angst hatten. Großartiges Euthanasiekommando, das die Unity da zusammengestellt hatte. Tsk. Aber was sollte man machen, einen anderen Ausweg als dieses geisteskranke Vieh zu konfrontieren gab es ohnehin nicht mehr. Nur die EMPs würden ihnen irgendwann einmal ausgehen, und dann stünden sie ganz schön dumm da.
Man konnte vielleicht mal mit dem Ding reden. Vielleicht war es ja lustig.
"Cavin, bitte um Erlaubnis, Kontakt mit der AI aufzunehmen."

Die Ereignisse überschlugen sich. Und ehe sich Leo versah, hatte er eine fremdartige Waffe in der Hand, die er noch nie benutzt hatte. Cavin hatte eine schwere Armverletzung erhalten und nun war er es, der diese gefährliche Maschine ausschalten musste. Die Verantwortung wog schwer auf Leos Schultern, erdrückend schwer. Eine schreckliche Sekunde lang war er von dem Gefühl durchdrungen, dass diese Aufgabe ihn überforderte, dass er ebenso scheitern würde wie seine Vorgesetzte und das vielleicht sogar mit dem Leben bezahlte. Doch dann siegte seine Tatkraft und der Drang, sich hier raus zu kämpfen. Entschlossen wagte er sich aus der Deckung. Die Waffe war nicht eben leicht, doch Leo war nun so sehr voller Adrenalin, dass er keine großen Probleme hatte, sie zu halten. Wie geheißen umklammerte er sie fest. Er zielte, so schnell und präzise es ihm möglich war und ließ ein ordentliches Sperrfeuer auf die Maschine niedergehen.

Natalia winkte ab als der Doktor sie fragte, ob sie irgendetwas brauchte. "Nein, danke... mir geht es gut. Gebt mir nur ein paar Sekunden.", meinte die Offizierin, setzte sich und lehnte sich anschließend gegen das große Rohr in dem Durchgang.
"Woher wollen sie überhaupt wissen was da mit uns gesprochen hat...?", fragte sie und schüttelte anschließend langsam den Kopf. "Wenn sich die Möglichkeit ergibt... dann tun sie sich keinen Zwang an... Aber eines sage ich ihnen, wenn da jemand meint uns verarschen zu müssen, dann gibt es die Konsequenzen zu spüren.",
Und das würde dieses... was auch immer es war... auch. Und wenn sie noch dutzende male angeschossen werden würde.
Sergeant Miller hatte derweil wohl den Bot vollständig außer Gefecht gesetzt, zumindest kam aus seiner Richtung kein Laut mehr. "Miller? Machen sie Meldung... wie siehts aus?", fragte sie und schaute über die Schulter ein wenig über die Deckung.

"Es ist zerstört.", murmelte Leo, während sein Blick über den Haufen Schrott glitt, den seine Schüsse übrig gelassen haben. "Ich denke, von diesem Teil gibt es nichts mehr zu befürchten." Nur langsam fiel die Spannung von ihm ab, während er langsam auf die Überreste der vor wenigen Momenten noch so todbringenden Maschine zuschritt. Gerne würde er sich den Schweiß von der Stirn wischen, doch sein Anzug machte ihm das leider unmöglich. So bückte er sich und hob die Waffe hoch. Mit den beiden identischen Waffen kehrte er zu seinen Kameraden zurück. Sie lagen wirklich schwer in seinen Händen, mit einem Arm wäre es wohl sehr schwer bis unmöglich werden, sie auszurichten und auf Ziele zu ballern. Waren eben nicht für Menschen gebaut, die Dinger. Eine würde er wohl abgeben müssen. "Wer von euch möchte diese Dinger als Nächstes ausprobieren?", fragte er.

"Gute Arbeit, Miller", lobte Nick, der sich aus der Deckung begeben und dem Sergeant einige Schritt gefolgt war, als dieser davon marschiert war um die Überreste der Maschine zu untersuchen. Nun, da Miller zurück kam, passte er ihn ab kurz bevor er die Gruppe erreichte und ließ sich, fordernd die Hände ausstrecken, die erbeutete Waffe samt der dazu gehörigen Munition aushändigen. Wer sonst schließlich hätte sie nehmen sollen? Cavin? Wohl kaum! Nicht in ihrem Zustand. Und ebenso keiner der Zivilisten. Nein, es wäre ohne Zweifel am besten, wenn er es sein würde, der mit der schweren Waffe hantierte. Er warf sich dan Patronengurt über die Schulter, fasste das Maschinengewehr mit beiden Händen. Fühlte sich verdammt mächtig an! Das war schon etwas anderes als ihre Standard-Sturmgewehre. Damit sollten sie doch weiter kommen...

"Ich könnte vorgehen, um um die Ecken zu spähen", merkte Myra mit einem kritischen Blick auf das Einschussloch in Cavins Rüstung an und zog wie zum Beweis die endoskopische Kamera aus der Halterung am Helm hervor. Als der First Sergeant die zweite Waffe einforderte, konnte sie nicht anders als erleichtert zu sein. Die leichteren Servos ihres HT-5 würden vielleicht mehr Probleme mit dem Rückstoß haben als die der anderen Truppmitglieder.
"Und wir sollten alle Kameras zerstören, die wir sehen. Irgendwie muss uns das Ding ja beobachten."
Das war nun ein nicht grade angenehmer Gedanke.
"First Sergeant, würden sie mir eine ihrer EMP-Granaten überlassen? Dann haben Sie die Hände für die Waffe frei."

Schweigend reichte Nick der Polizeioffizierin die Granate, die er zuvor bereits von seinem Gürtel gelöst und die ganze Zeit parat gehalten hatte. Für einen Moment hielt er inne, zögerte. Dann löste er auch die verbliebenen EMP-Granaten – es waren ohnehin nur noch zwei weitere – aus ihren Halterungen und übergab sie an Langfield. Ihm war nicht wirklich wohl dabei diese Waffe, die vielleicht mächtigste, welche sie gegen diese neue Art von Feinden besaßen, abzugeben, noch dazu an die Frau, die eben erst neu zur Outcast Recon gestoßen war und die er, auch wenn sie bisher einen sehr fähigen Eindruck machte, noch immer nicht voll einschätzen konnte. Sie war immerhin nur von der Polizei, nicht vom Militär. Konnte sie genauso präzise damit umgehen, wie er es gekonnt hätte? Nicht auszudenken, wenn sie eine der EMP-Granaten vergeuden würde. Sie brauchten die Dinger! Aber auf der anderen Seite hatte Langfiel natürlich auch mit dem ganz offensichtlichen Recht: er selbst konnte sie im Moment nicht nutzen. Er hatte keine Hand frei dafür. Und sich von dem schweren Maschinengewehr zu trennen, dazu war er noch weniger bereit.
"First Lieutenant, können wir weiter vorrücken?", wandte Nick sich, seine Bedenken zur Seite schiebend, an Cavin. Angeschossen. Verwundet. Hoffentlich war die Wunde wirklich nicht ernster als sie behauptete. Dass ihre Befehlshaberin krepierte und er das Kommando übernehmen musste, das war nun wirklich das letzte, was Nick sich wünschte. Blieb nur zu hoffen, dass Cavin aus dem Treffer ihre Lektion gelernt hatte und von nun an vorsichtiger war.

Zumindest sah die First Lieutenant nun keine Sternchen mehr vor ihren Augen umher tanzen... auch ihr nur so vor sich hin rasender Puls, ging nun langsam wieder runter. Auf die Frage von Fendring hin, nickte Natalia lediglich und stand von ihrem Platz gelehnt an die Röhre erneut auf.
Kurz blickte sie sich in ihrem Visor um, der Riss in der Panzerung war nicht so schlimm... das Niveau der Strahlung war als moderat zu beschreiben, zumindest nichts was sich im Anschluss nicht behandeln ließe.
"First Sergeant Fendring? Sie übernehmen momentan... zumindest so lange bis ich nicht mehr das Gefühl habe, gleich in meinen Anzug kotzen zu müssen.", gab sie an den ranghöchsten Unteroffizier weiter. Mit dieser Aussage übertrieb sie ein wenig, nach ein paar Schritten würde es ihr vermutlich schon wieder besser gehen... bis auf die Schussverletzung, zu dessen dumpf pochendem Schmerz auch noch ein Brennen durch das sterile Protein hinzukam.
"Sergeant Miller? Ihre Pistole bitte...", bat sie ihn und hob ihre Rechte des gesunden Armes.
Damit würde sie keine wirkliche Bedrohung für diese Maschinen darstellen, aber Hauptsache irgend eine Waffe...

Die letzten paar Minuten waren unheimlich schnell vorbeigegangen. Westerfeld blieb lieber ein wenig im Hintergrund, als Natalia verarztet wurde. So ein Scheiss aber auch.
Gut, irgendwie war er auch froh, war es diesmal nicht er, der verletzt war. Das wäre noch ungünstiger gewesen. Für ihn zumindest.
Fendring übernahm das Kommando, als sie weiter vorrückten.
Eames bildete nun nicht mehr das Schlusslicht. Das konnte der komische dicke Doktor übernehmen. Er schob sich hinter Natalia, um sie im Notfall zu stützen, wenn sie doch schlimmer verwundet war, als sie zugeben wollte.

Nicks erster Impuls als nun neuer Befehlshaber des Trupps wäre gewesen, die Stellung zu halten, eventuell sogar zu befestigen und abzuwarten, wie Cavins Zustand sich entwickelte. Freilich war diese Option jedoch vollkommen ausgeschlossen. Ihr einziger Vorteil gegenüber den Kampfmaschinen der Tigris, wenn sie denn einen hatten, war, dass diese nicht sonderlich schnell waren. Solange sie in Bewegung blieben konnte ihr Gegner seine Soldaten zumindest nicht zusammen ziehen. Solange sie in Bewegung blieben hatten sie eine Chance.
Doch selbst das war leichter gesagt als getan. Auch wenn sie gewusst hätten, wo die Zentralsteuerung der Kampfmaschinen lag wäre es zweifellos mühevoll gewesen, sich einen Weg dorthin zu bahnen. So jedoch, nachdem sie sich praktisch blind vorwärts tasten mussten, grenzte es an schiere Unmöglichkeit. Die Ausschildung an Bord des Schiffs war erbärmlich, teils von der Zeit so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie nicht mehr zu lesen war, teils schlicht nicht vorhanden. Nick blieb deshalb wenig anderes übrig als einen Weg zu wählen, der sie zumindest weiter ins Innere der Olympus führte.
Sie befanden sich eben auf einem Gang, der, wie sie vielleicht zwanzig Meter vor sich erkennen konnten, in eine Kreuzung mündete, als sich plötzlich unmittelbar hinter Snyder, dem letzten des Trupps, ein massiges Schott mit deutlich vernehmbarem Rumpeln schloss. Auch vor ihnen, jenseits der Kreuzung, schoben sich schwere stählerne Platten zusammen, blockierten den Weg, sodass sie wie die Hasen in der Falle saßen. Augenblicklich hob Nick die Hand, ließ den Trupp anhalten. Als die schweren Schritte der Kampfanzüge verklangen war das mechanische Geräusch weiterer Kampfmaschinen von beiden Seiten der Kreuzung her zu hören.

Nur noch in der Lage eine Pistole zu halten, ging es nun weiter, mit laut knallenden Schritten durch die Gänge. Schließlich endete dies aber in einem weiteren Dilemma...
Hinter ihnen schloss sich ein Schott, sperrte sie in einem Gang ein welcher in eine Kreuzung mündete, aus welchem bereits die Schritte mehrer Maschinen zu hören waren.
Bläuliche Lichter tanzten mit den Schritten der Bots in dem dunklen Gang auf und ab, schließlich schienen sie der Kreuzung sehr nahe zu sein. Gerade als sie um die Ecke kamen wurden sie durch helles Licht geblendet, es diente wohl ganz offensichtlich dazu um sie zu verwirren.
"Sie sind umstellt, legen sie ihre Waffen nieder und machen sie sich bereit weiteren Anweisungen folge zu leisten. Widerstand wird nicht geduldet.", drang eine metallische Stimme von einem der Kampfbots stammend zu ihnen.
Jetzt hatten sie also die Wahl... und es würde ganz von First Sergeant Fendring abhängen an den sie das Kommando abgegeben hatte. Was wohl auch keine schlechte Entscheidung war, sie fühlte sich noch immer nicht gut... es fühlte sich alles wie in einem seltsamen Traum an.

Nick – und ebenso wohl auch jeder andere im Trupp – war sich bewusst, dass dies eine Situation war, in der es auf Millisekunden, auf den einen, exakten Augenblick ankam. Eine EMP-Granate im richtigen Moment und sie hätten selbst mit zwei Kampfrobotern leichtes Spiel. Aber genau dieser eine, entscheidende Augenblick wurde ihnen durch die Blendlichter der Maschinen verwehrt. Es mochte nicht mehr als einen Herzschlag dauern, bis sie die Überraschung überwunden, die neue Situation erfasst hatten. Aber dieser Herzschlag hatte den beiden Robotern ausgereicht, auf sie anzulegen. Vorteil für den Feind. Und ohne jegliche Deckung saßen sie hier im Offenen fest.
Die Option, die Waffen nieder zu legen, war freilich keine wirkliche solche. Ohne Waffen wären sie ihrem unbekannten Gegner auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. So besaßen sie durchaus eine reelle Chance. Sie waren in der Überzahl, hatten – selbstverständlich – ebenfalls ihre schweren Maschinengewehre auf die Roboter angelegt und besaßen noch immer EMPs. Vermutlich würden sie ein Gefecht überstehen. Nur zu welchem Preis? Wäre es es wert, das mehr als dubiose Angebot zur Kapitulation, das die Maschine ihnen unterbreitete, auszuschlagen?
"Was wollt ihr von uns? Was geschieht mit uns, wenn wir uns ergeben?", schleuderte Nick den Robotern über einen offenen Funkkanal entgegen, mehr um Zeit zu schinden, denn wirklich der Information wegen. Vielleicht konnten sie dieses tödliche Patt doch noch brechen, wenn sie nur genug Zeit dazu hatten.

Die Maschinen hatten auf sie angelegt und schienen lediglich auf eine falsche Reaktion zu warten... oder eben eine Entscheidung des momentan kommandierenden ranghöchsten Unteroffizieres. Eine merkwürdige Situation... vermutlich forderten sie die Kampfbots nun zur Aufgabe auf, weil es sich bei der Truppe wohl um eine etwas ernstere Bedrohung handelte als sie vermutlich berechnet hatten. Zumindest hielt Natalia dies für eine plausible Erklärung, warum sie nun zu friedlicher Kapitulation angehalten wurden.
Die falsche Entscheidung konnte nun tödlich sein und selbst wenn sie einfach eine EMP Granate am Gürtel scharf machen konnten, sie bezweifelte es, dass die Maschinen dies nicht bemerken würden.
Und vielleicht... die Offizierin entwickelte gerade auf die schnelle einen Plan... wenn sie die Bots in die Nähe eines Hauptrechners oder mehr von ihnen bringen würden, vielleicht war das eine ideale Gelegenheit.
"Legen sie die Waffen nieder und folgen sie uns friedlich. Unbewaffneten wird kein Leid zugefügt.", hallte nun erneut eine Stimme der Maschinen zu ihnen. Nach kurzem Zögern machte Natalia einige Schritte nach vorne, ließ dabei noch während des Gehens die Pistole aus ihrer Hand gleiten welche zu Boden stürzte.
Sie griff sich über die Schulter und warf demonstrativ sowohl den Prototypen als auch ihr Sturmgewehr von sich, welche beide mit einem Scheppern begleitet landeten.
"First Sergeant...?", fragte sie mit einem auffordernden Ton in der Stimme und blickte über die Schulter.
Sie hoffte nun inständig, dass Fendring es sich nicht anders überlegen würde... sich einfach darüber hinwegsetzen würde... noch wusste er nichts von dem Plan welchen sie austüftelte, sie mussten nur die Chance bekommen.