[MSG] A Game of Thrones

"Ihr habt also handfeste Beweise", stellte Hjalma fest und notierte die Worte "Einflussreicher Fürsprecher?" auf einem Stück Papier. Die alte Frau lächelte dünn, dann wandte sie sich wieder an den Ekklesiarchen.
"Aber ich fürchte, Eure Geschichte wirft nur weitere Fragen auf: Wer ist dieser Mann und was für einen Nutzen zieht er daraus Euch diese Papiere zu überbringen? Die Papiere habt Ihr hoffentlich sicher verwahrt? Wer außer Euch hat überprüft, ob sich wirklich die Unterschrift des Kanzlers auf den Papieren befindet?"
Die Feder in ihrer schwebte über dem Papier wie ein Falke, bereit sich weitere Worte zu schnappen und in ihr Nest zu bringen.

"Über die Identität des Boten kann ich euch nichts sagen", antwortete der Ekklesiarch, "Aber es besteht wenig Zweifel an der Echtheit der Dokumente. Und selbstverständlich habe ich sie bisher unter Verschluss gehalten und lediglich von meinem Sekretär überprüfen lassen. Wenn ihr jedoch Einsicht wünscht, Haushofmeisterin, dann dürft ihr mich nach dieser Sitzung gerne in meine Gemächer begleiten."
Eldren lauschte der Unterhaltung indes schweigend. Fürs Erste würde er sich zurück halten. Sollte die Haushofmeisterin das Reden übernehmen. Nur, wenn sie den guten Ekklesiarchen zu sehr ins Kreuzverhör nahm, dann würde er sich einschalten.

Argwöhnisch verfolgte Hendrik das Geschehen. Diese ganze Sache gefiel ihm nicht, ganz und gar nicht. Es gab im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Entweder jemand hatte die Dokumente gefälscht, um dem Kanzler was unterzuschieben (möglicherweise der Ekklesiarch selbst) oder der Kanzler hatte wirklich Dreck am Stecken. Diese Politiker waren doch immer auf Ärger aus! Ständig mussten sie ihre Intrigen schmieden. Und selten bis nie kam dabei etwas Gutes heraus. Hoffentlich würde Seine Gnaden etwas Licht ins Dunkel bringen, wenn er wieder zurück war...

"Das würde ich sehr gerne tun. Wäre es Euch recht, wenn ich einen meiner Schreiber mitbringe? Natürlich möchte ich es auch den anwesenden Ratsmitgliedern nicht vorenthalten uns zu begleiten."
Die Haushofmeisterin schrieb etwas auf einen kleinen Zettel, den sie in einer Tasche verschwinden ließ. Mit ziemlicher Sicherheit hatten sie noch Dokumente mit der Unterschrift des Kanzlers. Und entgegen landläufiger Meinung war es sehr schwer eine Unterschrift perfekt zu fälschen. Unmöglich war es sicher nicht, aber man brauchte einen wirklich, wirklich guten Schreiber, der auch noch willens war seinen Hals zu riskieren.
"Vielen Dank, Ekklesiarch. Vielleicht hat ein anderer der hohen Herren noch Fragen?"

„Nein, ich denk, ich habe keine Fragen. Aber wenn Ihr die Gelegenheit schon aufbringt, würde ich euch auch gerne begleiten, um diese Dokumente selbst in Augenschein zu nehmen“, sagte Bram. „Vielleicht werde ich dann noch einige Fragen haben.“
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und hoffte, dass der Rat nicht wieder zu Zollfragen zurückkehren würde. Er wollte diese Dokumente so schnell wie möglich in Augenschein nehmen, damit er seine eigenen Nachforschungen anstellen konnte. Sein Neffe Marst würde sich bestimmt auch dafür interessieren, welche Länder angeblich gegen Thelion vorgehen wollten. Wie lange würde ein Bote brauchen, um einen Nachricht zu ihm zu kriegen?
 

„Nach dem unglücklichen Tod meines Ehemannes befinde ich mich in einer prekären Lage. Mein Schwager hat mich nie gemocht, aber er ist immer noch kinderlos und meine Töchter sind bis zur Geburt eines weiteren Kindes seine nächsten Blutsverwandten mit einem Anspruch auf den Titel der Al-Rukh-Familie. Natürlich können sie diesen nicht erben, aber vielleicht haben sie das Glück, einen Sohn zu bekommen. Allerdings“, Nieve warf kurz einen Blick nach links und rechts, bevor sie weitersprach, „muss ich gestehen, dass er mir Angst macht und ich meine Töchter in guten Händen wissen möchte. Die älteste, Malia, ist im heiratsfähigen Alter und ich möchte ihre Hand einem würdigen Mann versprechen.“

Yasmina nickte verstehend. "Das ist eine schwierige Situation," erwiderte sie leicht. "Ich würde Prinz Feris und Prinz Dastan als Heiratskandidaten vorschlagen. Beide sind noch unvermählt. Während Prinz Feris in der Thronfolge nach meinem Enkel Irfan steht, steht Prinz Dastan leider ganz hinten in der Thronfolge. Aber sollte euch eine direkte Thronfolge egal sein, würde ich eher Prinz Dastan empfehlen. Er ist mit 22 nicht zu alt für eure Tochter," erzählte sie dann weiter.


"Alle sollten diese Dokumente sehen. Warum sollte nur einer davon kenntnis haben, wenn wir alle hier der Rat sind? Wie sollen wir dann darüber entscheiden?," wandte Abbas sich dann an die anderen. Politik war schwierig, wenn so viele andere dabei waren.
Zuhause hatte er nur mit seinem Bruder Kadar zu tun gehabt.

"Ich verstehe Euren Einspruch, Hauptmann Abbas", merkte Hjalma an und sah über ihre Fingerspitzen hinweg zum Ekklesiarchen hinüber. Solange die Ratsmitglieder die Schrift nicht verwischten sollte es ihr egal sein, wie viele Leute anwesend waren. Je mehr dort waren, desto besser war es im Grunde. Immerhin wollte sie dort das Schriftbild und die Unterschrift prüfen und je mehr Leute Zeuge dessen wurden, desto selbstsicherer konnte sie dem König gegenüber sein.
"Ekklesiarch, wäre es ein Problem, wenn der gesamte Rat sich diese Dokumente ansieht? Wir sind wahrscheinlich alle verständlicherweise neugierig auf deren Inhalt."

Nein, eigentlich wollte Eldren nicht zwischenschießen. Eigentlich hatte er bereits genug provoziert für eine Sitzung. Aber hier musste er einfach Einspruch erheben. Das war doch widersinnig. "Ruhig Blut, verehrte Lords und Ladies", bemühte er sich zu beschwichtigen, ehe Einwürfe überhand nahmen, "Wo bleibt euer aller Vertrauen? Was bringt es, wenn wir uns alle diese Dokumente ansehen, das kostet doch nur Zeit und bringt uns alle nicht weiter. Wenn der verehrte Vater Ekklesiarch und die Frau Haushofmeisterin uns die Authentizität dieser Schriftstücke bestätigen, dann sehe ich keinen Grund, darauf zu bestehen, sie persönlcih zu sichten." Er legte eine kurze Kunstpause ein und wandte den Blick dem Ekklesiarchen zu, dessen Züge sich bei den auf ihn einprasselnden Forderungen der Ratsmitglieder zunehmend verfinstert hatten. "Sofern Eure Exzellenz uns den genauen Inhalt der Dokumente berichten, selbstverständlich."

„Ich stimme Lord Thesk zu, wir sollten nicht alle gemeinsam die Gemächer des Ekklesiarchs stürmen. Oder wo sich die Dokumente auch befinden mögen“, meinte auch Bram. Das würde das reinste Chaos werden, wenn sämtliche Lords und Ladies diese Dokumente sehen wollten. Ganz zu schweigen davon, dass jeder Diener im Schloss sie dann innert eines Tages aus dem Kopf rezitieren könnte.
„Aber ich habe in meiner Zeit als Lord von Drunhaven oft mit Männern vom westlichen Kontinent zu tun gehabt und könnte vielleicht einige informierte Schlüsse aus diesen Dokumenten ziehen, ob und wie diese Länder dazu kommen könnten, uns anzugreifen. Als Meister der Spitzel habt Ihr bestimmt auch etwas über verdächtige Machenschaften aus dem Westen gehört. Gibt es etwas, was Euch im Licht dieser neuen Kenntnisse verdächtig erscheint, Lord Thesk?“

„Es wäre eine Ehre, wenn Prinz Dastan meine geliebte Tochter zur Frau nehmen würde“, antwortete Nieve sofort und ein dankbares Lächeln zeigte sich auf ihren Gesicht. Das lief ja besser, als sie gedacht hätte. „Vielleicht sollten wir ein Treffen zwischen den beiden organisieren?“

Eldren zuckte mit den Schultern. "Es ist kein Geheimnis, dass es jenseits des Meeres diverse Länder gibt, die uns nicht freundlich gesinnt sind", verkündete er unbekümmert, "Und in denen, die derzeit ein gutes Verhältnis zu uns pflegen, gibt es Gruppierungen, die diese Politik zu unterminieren suchen. Die Generalität von Drulwa plädiert seit Jahren schon offen dafür, die Handelsbeziehungen zu uns einzustellen und die Grenzen zu schließen. Und die Handelsgilde von Born sieht uns als als unerwünschten Konkurrenten bezüglich ihrer Unternehmungen auf dem Kontinent. Die Frage ist viel eher, mit welcher dieser Parteien der Kanzler Kontakt aufgenommen hat. Wofür. Und weshalb!"
Bei diesen letzten Worten hatte er seinen Blick dem Ekklesiarchen zugewandt und bohrend auf ihn gelegt. Dieser seufzte auf. "Gut, die Haushofmeisterin und der Schatzmeister sollen Einsicht in die Dokumente erhalten", gestand er zu, "Und ich will euch anderen berichten, was darin zu lesen stand. Aber nur unter einer Bedingung! Was ich euch nun erzähle darf diesen Raum nie verlassen." Und mit einem Elan, den man einem Mann seines Alters kaum zugetraut hätte, schnellte er in die Höhe, lehnte sich weit über den Tisch, seine Haltung voller Autorität. "Schwört!"

"Ein treffen lässt sich arrangieren," erwiderte Yasmina freundlich. Auch Malaika nickte lächelnd. "Ihr werdet als Begleitdame anwesend sein, bei dem Treffen. Ebenso Dastans Mutter," teilte sie dann mit. Ein kleines äffchen hatte sich neben Merle gesetzt und beschnupperte sie neugierig.


Abbas blickte zu dem Ekklarsiarchen, legte seine Faust an seine Brust und nickte ihm zu. "Ich schwöre bei der Tochter des Mondes und beim Sheik von Palmyra, das kein wort, das ich hier höre, nach draussen dringen wird," sprach er dann würdevoll.

"Ich schwöre bei der Ehre meines Klans und dem Geist des Falken, der meine Schritte leitet", antwortete Hjalma mit ernster Miene. Mit einer Hand zog sie ihre Felle enger um die Schultern. Kein Fahlfjorder machte so einen Eid leichtfertig. Ein Bruch des Eides würde nicht nur den ganzen Klan entehren, sondern auch den Geist, der den Klan mit seinem Segen versah. Und Hjalma hatte in ihren Gemächern ein kleines, silbernes Totem des Falken. Es stand neben ihrem Bett auf einer Kleiderkommode, umringt von einigen Kerzen.
Es war ein offenes Geheimnis, dass die Fahlfjorder ihren Totemgeistern nie abgeschworen hatten. Viele verehrten die Götter der Kirche mit wahrer Hingabe, aber die Klans waren stolz auf ihre Totems und deren Geschichte. Keine Göttin konnte das ersetzen. Einige Klans schrieben sogar ihre Heldentaten und die ihrer Ahnen in ihre Totems.
Ein Schwur auf die Götter der Kirche hätte sich einfach nicht ehrlich angefühlt.

"Ich schwöre auch bei der Ehre meines Hauses.", sagte Hendrik. Was hieß, dass die Ehre seines Hauses soweit ging, bis sie dem König einen Nachteil verursachen würde. Also würde er es selbstverständlich weitererzählen, wenn es um das Wohle seiner Gnaden ging. Das machte allerdings unwahrscheinlich, dass er seinen Schwur je brechen musste. Immerhin waren doch alle hier königstreu, oder?

"Ich schwöre es!", reihte auch Eldren sich in den Kanon seiner Kollegen an, sich erhebend und beide Hände geballt auf die Brust drückend, eine Geste, die die Bewohner der Marschen von deren vertriebenen Ureinwohnern übernommen hatten.
Mit grimmiger Miene quittierte der Ekklesiarch die Eide seiner Kollegen. Noch immer wirkte er auf Eldren recht widerwillig, zurückhaltend, aber schließlich nahm er wieder Platz und öffnete den Mund: "Die mir zugespielten Dokumente sind eine Reihe von Briefen, die der Kanzler einem Edelmann aus Born hat zukommen lassen, einem gewissen Grafen Ewaro."
Bei diesen Worten sog Eldren scharf die Luft ein. Dem Ekklesiarchen entging es nicht. "Ihr scheint den Mann zu kennen, Meister der Spitzel?", hakte er nach.
Eldren nickte. "Ein einflussreicherer Mann, als sein Titel glauben machen will", berichtete er, "Ausgesprochen wohlhabend. Er tritt selten in Erscheinung und hält sich aus der Politik heraus, aber er ist bestens vernetzt. Und er pflegt enge Kontakte zur Handelsgilde. Ein scharfer Kritiker unseres Reichs."

"Wir haben unsere besten Reiter mit den Nachrichten losgeschickt."
"Die Vorbereitungen sind in vollem Gang."
"Die Gastwirte haben uns versichert, dass sie genügend Zimmer zur Verfügung haben."
Die hohe Halle brummte mit dem Geschwirr und Geschnatter von hundert Stimmen. Die meisten davon versuchten die Aufmerksamkeit von Hochthane Fallega-Roudka zu erlangen. Die Frau auf dem Thron war eine eindrucksvolle Gestalt, hochgewachsen und muskulös, auch wenn die langen Jahre des Herrschens über eine der brutalsten Regionen der Welt ihr die Sorgenfalten ins Gesicht getrieben hatten. Der Hochthane überblickte die hohe Halle von einer erhöhten Position aus. Der Thron befand sich in einem gut einen Meter höheren Bereich im hinteren Ende der Halle. Von den Säulen, die das Dach hielten, schauten die starrten Augen der Totemtiere der Klans auf die Menge hinab. Der Falke von Himminglaefa hing als Zeichen der Herrschaft des Klans direkt hinter dem Thron des Hochthane. Die ihm nächsten Tiere waren der Wolf von Vikklöd und der Bär von Rökkvardis. Die Position der Tiere änderte sich einmal im Jahr. Und bald würde sie es wieder tun.
Die Klans bereiteten den "Wettbewerb" vor. Und wieder einmal gab es Streit deswegen. Es gab immer Streit. Und hier kam einer der Streithähne, wenn er auch nur eine Puppe war, deren Fäden von dem Mann im Hintergrund gehalten wurden. Adfall war kein schlechter Mann, aber er und sein Herr, der Thane Draugur gingen Fallega-Roudka schon seit einigen Wochen auf die Nerven. Als hätte sie nicht genug zu tun.
Adfall unterhielt sich mit einer der Wachen des Himminglaefa Klans. Am fernen Ende der Halle entstand ein Aufruhr. Irgendjemand schob die Bittsteller und Sendboten beiseite. Draugur näherte sich dem Thron mit vier Kriegern, die die Farben von Vigglöd und die Helme der Wolfgarde trugen.
Fallega-Roudka winkte ihren Wachen den Thane durchzulassen, der schon auf der kleinen Treppe loswetterte.
"Das könnt Ihr nicht tun, Hochthane! Es verstößt gegen unsere Gesetze! Gegen die Tradition! Gegen den Geist des Wettbewerbs!"
Der Hochthane besah sich ihr Gegenüber.
"Nehmt Euch einen Krug, verehrter Thane Draugur. Der Gesandte von Klan Morgungjöf ist soeben an der Reihe."
"NEIN! Ihr entehrt uns, Weib! Ihr entehrt den Wettbewerb, indem ihr Außenstehende teilnehmen lasst! Sie haben doch ohnehin keine Chance gegen stolze Mitglieder unserer Klans."
"Was habt Ihr dann zu befürchten, Thane Draugur? Sie werden ohnehin verlieren, wie Ihr sagtet", gab Fallega-Roudka laut hörbar zur Antwort und schaute den Thane dabei nicht einmal an. Die Gesichter in der Menge waren viel wichtiger. Die Position des Thane kannte sie bereits.
"Ihr könnt nicht..."
"ICH KANN NICHT?!", schmetterte Fallega-Roudka mit donnernder Stimme los und erhob sich zu ihren eindrucksvollen zwei Metern. Mit einer Hand griff sie nach der Kriegsaxt, die bis eben noch an ihrem Thron gelehnt hatte.
"Hat nicht Hochthane Hroki dereinst die Regeln geändert, damit nur Fahlfjorder teilnehmen können. War sie nicht eine Vigglöd? Ich ändere die Regeln, Thane Draugur! Gebt Euch damit zufrieden oder fordert mich heraus, aber hört auf jeden Tag vor meinem Thron zu winseln wie ein getretener Hund! Ihr solltet wissen, dass ich die Unterstützung der Klans Morgungjöf und Rökkvardis habe. Ihr seid überstimmt, Thane! Verlasst meine Halle!"
"Aber..."
"Thane Draugur, Eure Bedenken wurden zur Kenntnis genommen."
Fallega-Roudka wandte sich wieder dem Gesandten von Morgungjöf zu.

Auch Bram legte einen Schwur auf Thelia ab, um sein Schweigen zu bezeigen. Natürlich hatte er nicht vor, sich daran zu halten. Seine Schwester musste davon erfahren, damit sie mehr darüber herausfinden konnte. Auch aus Born fanden Händler ihren Weg nach Drunhaven. Jemand würde mehr wissen. Entweder fanden sie mehr Beweise gegen Fürst Ewaro oder sie konnten sich mit ihm in Verbindung setzen. Es war immer gut, die Feinde des Reiches zu kennen und je mehr sie über diesen Mann wussten, desto besser.

„Heute ist ein Schiff aus dem Norden eingetroffen.“
„Tatsächlich?“, Silas blickte von dem Logbuch, das er gerade las, auf und musterte seinen Bruder. „Hunderte von Schiffen treffen täglich in Drunhaven ein. Wieso sollte mich eines aus dem Norden interessieren?“
„Die Hochthane hat den Wettbewerb für alle Bewohner Thelions geöffnet, nicht nur für die Klans. Ein Skalde ist eingetroffen, der momentan durch die Tavernen pilgert und darüber singt“, antwortete Salis.
„Ich nehme nicht an, dass er die Nacht überleben wird.“
„Ich denke schon. Er hat ein halbes Dutzend Nordmänner dabei, alle Samt breiter gebaut als ein Scheisshaus. Die meisten Hintergassenmeuchler werden sich nicht an sie ranwagen. Aber ich dachte mir mehr, dass das die perfekte Gelegenheit wäre, ein Treffen mit den Klans zu organisieren, für neue Handelsabkommen und Politik und all das Zeug.“
Silas schloss sein Buch nun und musterte seinen Bruder misstrauisch.
„Du willst nur an diesem Wettbewerb teilnehmen, oder?“, fragte er schliesslich.
Salis verzog das Gesicht zu einem jungenhaften Grinsen, ein Zug, das so selten auf den Gesichtern der Zwillinge auftauchte.
„Es werden Teilnehmer aus dem ganzen Reich auftauchen! Und es gibt Kategorien für alles Mögliche, Von Trinken über Ringen bis zum Messerkampf. Ich kann Helga mitnehmen, dann kommt sie endlich mal aus diesem finsteren Loch raus und sie kann etwas für die Familie tun. Wäre das nicht wunderbar?“
„Nein. Wir können dich nicht im ganzen Land bekannt machen, das wäre kontraproduktiv. Du bleibst hier.“
„Komm schon.“
„Nein.“
„Bitte?“
„…Nein.“
„Bitte?“
„… Ich denke darüber nach.“

Der Ekklesiarch nickte und wann man seine Miene ansah, dann hätte man meinen können, dass er als nächstes den Tod des Königs zu verkünden hatte. "In den Briefen sichert der Kanzler dem Grafen zu, neue Gesetze auf den Weg bringen zu wollen, die Thelion mehr und mehr von den Ländern im Westen isolieren", fuhr er fort, "Handelsrestriktionen. Ausfuhrverbote. Ich habe keine Ahnung, wie er dies in die Wege leiten wollte, aber es scheint, als habe er ganz und gar nach dem Willen der Handelsgilde agiert. Weshalb, das kann ich nicht beantworten. Was ihm dafür geboten wurde muss wohl in jenen Briefen stehen, die er seinerseits von Graf Ewaro empfangen hat."

Hendrick unterdrückte ein Seufzen. Das waren ja wirklich schwerwiegende Anschuldigungen. Wenn sie zutrafen, würde der Kanzler für seinen Varrat wohl hingerichtet werden und das wäre dann auch gut so. Verräter in den eigenen Reihen waren das Letzte, was das Reich gebrauchen konnte. Solche mussten so schnell wie möglich eliminiert werden!

Sehr langsam und mit düsterer Miene nickte Hjalmafridur nur. Als der Ekklesiarch fertig gesprochen hatte, fuhr sich die Frau durch ihre Haare und seufzte leise. Dies waren in der Tat schwere Anschuldigungen. Bei einem Prozess konnte das Urteil im Grunde nur auf Hochverrat ausfallen, so diese Dokumente denn echt waren. Die Haushofmeisterin lehnte sich zurück und kniff sich in den Nasenrücken. Dies war einer jener Zeitpunkte, an denen sie sich verdammt alt fühlte.
Die Anschuldigungen waren noch schwerwiegender, weil der Kanzler keine davon alleine in die Wege leiten konnte. Wenn diese Dokumente echt waren, dann musste er einen Unterstützer oder mehrere haben, wenn er die Handelsrestriktionen durchbringen wollte. Hjalma ließ ihren Blick über die anderen Ratsmitglieder laufen. Wer von ihnen würde einen Nutzen daraus ziehen?

"Der Kanzler ist ein vorsichtiger Mann. Er wird solche Briefe kaum aufbewahrt haben", sinnierte Eldren halblaut, "Und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass er so einfach gestehen wird, ganz gleich wie drückend die Last der Beweise ist." Lord Orfen war ein Politiker, seit Jahrzehnten schon. Für eine solche Aufgabe musste man abgebrüht sein. Und der Gedanke, einen Mann diesen Alters den Folterknechten zu überlassen, missfiel Eldren. Was, wenn er ihnen wegstarb, ehe er gestand. Soetwas konnte gefährlich werden. Der Kanzler hatte Anhänger. Und einflussreiche Freunde. Diese Sache musste sauber über die Bühne laufen. Es durften keine Zweifel zurück bleiben.
"Wir sollten veranlassen, dass seine Majestät so rasch wie möglich nach Hohenfried zurück kehrt. Der König soll entscheiden, wie mit dieser bedauerlichen Geschichte weiter verfahren wird."