GQ - [Die MSG]

Es war Aldred, der als Erster auf die barsche Aufforderung des jungen Paladins reagierte. Derart kurzentschlossenes Handeln war normalerweise überhaupt nicht seine Art, aber in diesem Moment folgte er einer plötzlichen Intuition. Besser er reagierte, als dass Trevin es tat. Trevin als Auserwählter der Schattengöttin schien ohnehin schon seit sie die Stadt betreten hatten Mühe damit zu haben, seinen Hass auf die Jünger der Reija zu verhehlen. Wenn sich ihnen hier nun, in einer abgelegenen Hintergasse, ein einzelner Paladin in ihren Weg stellte und sie noch dazu derart anherrschte, dann hätte Aldred sich nicht mehr dafür verbürgen wollen, dass der Assassine friedfertig blieb.
"Nur eine Gruppe von Reisenden", antwortete er also ehe Trevin mit der Klinge antworten konnte, "Unsere Belange sind unsere Sache. Seid aber versichert, Herr, das wir nichts Unlauteres im Schilde führen. Wir wünschen nur zu passieren." Die Worte waren mit Bedacht gewählt – so viel Bedacht zumindest, wie Aldred in der kurzen Zeit, die ihm zum Reagieren blieb, hatte aufwenden können. Die Miene des jungen Paladins jedoch verfinsterte sich nur noch weiter. Es sah nicht so aus, als wäre er damit zufrieden.

"Dieser Ort ist verboten," gab der Paladin mürrisch zurück, mit einem Zucken seines Kopfes zur Seite hin auf den Durchgang hinter ihm deutend.
"Warum?" fragte Trevin an Aldreds Stelle, dessen warnende Blicke ignorierend, die Stimme so kalt und schneidend wie Eissplitter.
"Dort befindet sich der Eingang zum Tempel der Yragona," gab der Paladin hochnäsig zurück. "Niemandem ist der Eintritt gestattet, der Eingang wurde versiegelt."
Trevin zog scharf die Luft ein. "Versiegelt?! Ihr habt eine heilige Stätte entweiht?" rief er ungläubig. Aldred legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm, doch Trevin streifte sie kurzerhand ab.
Die Augen des Paladins wurden schmal. "Heilige Stätte? Paßt auf, was Ihr da sagt, oder wollt Ihr, daß ich Euch der Ketzerei beschuldige?"
"Ketzerei?!" rief Trevin mit zornbebender Stimme. "Euch werde ich beibringen, was ein Ketzer ist! Verteidigt Euch!"
Und ohne auf die Reaktionen seiner überraschten Gefährten zu achten, stürmte er unvermittelt vor, wobei er das Schwert so schnell aus der Scheide zog, daß dem Paladin nicht einmal mehr Zeit blieb, nach seinem Schild zu greifen. Allein mit seinem Schwert bewaffnet stellte er sich Trevins Angriff und wehrte dessen von oben kommenden Schwerthieb mit seiner eigenen Klinge ab.
Trevin registrierte, daß der Paladin sein Schwert mit der linken Hand führte, machte einen raschen Gleitschritt nach vorne, an dessen Klinge vorbei und ließ seine linke Hand, zur Faust geballt, auf das Gesicht seines Gegners zu schnellen. Dessen Hand zuckte nach oben und schloß sich um Trevins Handgelenk, die Faust unmittelbar vor seinem Gesicht stoppend.
"Glaubtet Ihr, mich so einfach besiegen zu können, Ketzer?" fragte der Paladin höhnisch.
Trevin schüttelte seine linke Hand leicht, und blitzschnell zuckten die stählernen Spitzen seiner Kralle hervor, bohrten sich mit einem gräßlichen Geräusch in Augenhöhle, Nase und Mund des Paladins. Fast augenblicklich erschlaffte der Leib des Mannes.
"Nun, allzu fordernd war es ja nicht!" gab Trevin zurück, die blutbedeckten Krallen aus dem Schädel seines toten Gegners ziehend. In seinem nächsten Leben würde der vielleicht den Wert eines Helms zu schätzen wissen.
Nun mußte er sich jedoch beeilen. Er glaubte nicht, daß hier in der Nähe noch mehr dieser Ketzer stationiert waren, doch wer wußte schon, wann die Ablösung für diesen hier eintreffen würde.

Im Grunde hatte Aldred es natürlich kommen sehen, wie die ganze Geschichte ausgehen musste. Hatte bereits geahnt, dass Trevin sich nicht würde zurück halten können. Hatte erkannt, dass seine Beschwichtigungsversuche keine Früchte trugen. Aber wie plötzlich der Assassine sich dann von ihm los riss, wie unvermittelt er zur Klinge griff, das hatte ihn dann doch überrascht. Er hatte Trevin für beherrschter gehalten. Und für weniger fanatisch. Sicher, er war ein Diener der Schattengöttin, aber das bloße Worte gegen sie ihn derart aus der Bahn werfen mochten, das hatte Aldred nicht erwartet. Und spätestens ab dem Moment, als Trevin mit blankem Stahl auf den Paladin zugestürmt war war klar gewesen, dass das Unvermeidliche nicht mehr abzuwenden war.
Dankenswerterweise beendete Trevin die Sache so rasch, wie er sie begonnen hatte. So rasch, in der Tat, dass Aldred kaum die Zeit hatte, seine Überraschung über den Angriff zu verwinden. Der Schaden war freilich nichtsdestotrotz angerichtet.
"Musste das sein?", grollte Aldred an Trevin gewandt und eine Spur echten Zorns – eine Seltenheit für ihn – lag in seiner Stimme. War es denn notwendig gewesen, den Mann gleich umzubringen? Das würde noch ein übles Nachspiel haben. Für sie alle. Und würde kaum zur Deeskalation in der Stadt beitragen. Trotz der Wut in seinem Bauch zwang er sich jedoch pragmatisch zu sein. Zuerst einmal musste die Leiche weg. Also packte er den Toten kurzerhand unter den Achseln, zerrte ihn in die nächste Seitegasse und verbarg ihn dort hinter einem Stapel Fässer. Lange würde es nicht dauern, bis er dort gefunden war, aber es war allemal besser, als ihn offen auf der Straße liegen zu lassen. Das Schwert des Toten, das dieser hatte fallen lassen, schob Aldred sich in den eigenen Gürtel.
"Jetzt lasst wenigstens zusehen, dass wir schnell in diesen Tempel kommen", fuhr er nach getaner Arbeit fort und sah Trevin dabei streng an, "Ist es das Tor dort hinten?"

Echt. Langsam war das Ganze ziemlich ungemütlich hier. Was sollte der Scheiss?
"Also an deiner Selbstbeherrschung musst du definitiv noch üben", ächzte Tristan.
"Ich hab ehrlich gesagt keinen verdammten Bock wegen dir hier kalt gemacht zu werden!"
Wirklich. Deswegen hasste er Religion. Für diese Hirngespinste von Frauen so ne Scheisse zu bauen war doch einfach nur krank! Krank!

Als Trevin den Paladin überwältigte zuckte Amun nicht einmal mit seinen nicht vorhandenen Wimpern. Der Avior hatte nichts übrig für menschliche Wachen. Die Windwächter hielten sich wenigstens aus den Belangen anderer Avior heraus und griffen nur einmal ein, wenn ein Streit außer Kontrolle zu geraten drohte. Aber sie stellten keine beleidigenden Fragen und verwehrten niemandem den Zutritt in die Lande der Avior. Sie schlugen nicht unprovoziert zu.
Mit den Wachen der Menschen hatte Amun hingegen ganz andere Erfahrungen gemacht. Man verbat ihm eine Stadt zu betreten, weil er Avior war. Naja, Menschen waren eben alle verrückt. Trevin stellte da keine Ausnahme dar.
"Solltest vielleicht liegen lassen das Schwert, heh. Sehr auffällig. Oder schnell los werden."

Ohne auf die empörten Einwände seiner Gefährten in irgendeiner Weise zu reagieren, wischte Trevin seine Krallen an einem herumliegenden Stück Stoff ab und eilte dann zu der großen Pforte, die jedoch - wie er bereits vermutet hatte - fest verriegelt war. Schon an der Außenseite sah er mehrere Vorhängeschlösser, und innen hatte man anscheinend mindestens zwei schwere Riegel angebracht. Als hätten diese Narren Angst vor dem gehabt, was dort drin war.
In ihm keimte der Impuls, wütend gegen diese Tür zu treten, doch seine Selbstbeherrschung war durch den Tod des Ketzers wieder zurückgekehrt, und er vermied diese überflüssige Kraftanstrengung.
"Keine Chance, da rein zu kommen," antwortete er Aldred kopfschüttelnd. "Möglicherweise könnten wir es aufbrechen, doch so viel Zeit haben wir nicht. Zuerst einmal müssen wir untertauchen und Nachforschungen anstellen, ob es überhaupt Sinn macht, in den Tempel zu gelangen. Betet besser, daß wir keine Notwendigkeit haben werden, in den Reija-Tempel zu gelangen!"

"Und dafür hast du diesen Kerl umgebracht?", fragte Aldred bitter. Um dann vor einer verschlossenen Tür zu stehen und wieder umzukehren. Er hätte die Notwendigkeit verstanden, hätte Trevin gewusst, dass dieser Tempel der Ort war, an den sie gelangen mussten, der Ziel ihrer Mission darstellte. Dann wäre der Paladin ein Opfer für das höhere Wohl gewesen. Aber dass sie nun unverrichteter Dinge wieder abziehen sollten, das machte den Tod des jungen Mannes so furchtbar sinnlos. Nicht mehr als die überzogene Rache eines Mannes, der sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt sah. Wie widersinnig, bildeten die Göttinnen doch ein Ganzes, eine Einheit! Es lag nicht in der Natur der Sache, dass deren Gläubige sich gegenseitig mit Hass und Missgunst entgegen traten. Wer einer Göttin diente, der diente ihnen allen und der sollte einen anderen Gläubigen mit Herzlichkeit begrüßen, nicht mit dem Schwert. Was Trevin getan hatte offenbarte, dass sein Glaube nicht weniger verkommen war als der dieser Fanatiker hier. Und dieser Mann sollte der Auserwählte der Yragona sein, der, der das Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten in Kilath wieder herstellte?
Aber die Sinnlosigkeit, all dies auszusprechen, war Aldred bewusst. Also beließ er es bei diesen wenigen Worten, machte sich daran, Trevin schweigend zu folgen. Sollte der zusehen, dass er sie wieder aus diesem Schlamassel heraus brachte. Auf Amun'Raaks Rat hin schüttelte er ebenfalls nur den Kopf. Das Schwert war eine einfache Klinge, schlicht und mit Sicherheit nicht ohne weiteres als der Besitz eines Paladins zu erkennen. Aber sollte es nun dazu kommen, dass sie würden kämpfen müssen – und das erschien nach Trevins Ausrasten mehr als gewisst – dann mochte ihnen eine zusätzliche Klinge nützlich kommen.

Nur mit Mühe konnte Finn einen entsetzten Aufschrei unterdrücken, als Trevin urplötzlich den jungen Wächter angriff. Er konnte sich gerade noch abwenden, als der Kampf ausbrach. Es war nicht so, dass er noch nie Kämpfe oder Tote gesehen hatte. Schon bevor er nach Süden aufgebrochen war, hatte er manchmal die Kampfgeräusche von den Wällen gehört, bevor die Matronen das Waisenhaus verriegelt und alle Kinder in die Kellerkammer gescheucht hatten und nach den Gefechten hatte er die Verletzten und Toten gesehen, nachdem die Lyarden vertrieben waren. Und seit sein Luftschiff abgestürzt war, waren die Schwarzen hinter ihnen her und seine Kameraden udn Finn selbst waren mehrere Male verletzt worden. In dem namenlosen Dorf, in dem sie gegen die Schwarze Armee gekämpft hatten, war er zwischen unzähligen Sterbenden aufgewacht. Aber der Kampf mit den Schwarzen war etwas ganz anderes als ein Kampf zwischen zwei Männern, die einander nicht kannten und nur wegen einigen Worten versuchten, sich gegenseitig umzubringen. Dementsprechend starrte er entgeistert auf die Leiche des Paladins, nachdem der Kampf schnell und blutig zu einem Ende kam, bis Aldred ihn aus seinem Sichtfeld zerrte. Etwas Nasses floss über sein Gesicht und er hob eine Hand hoch, um sein Gesicht abzuwischen. Überrascht stellte er fest, dass seine Wange nass war. Tränen? Er hatte so lange mit sich gerungen, nie zu weinen, dass er gar nicht mehr bemerkte, wie die Tränen in seinen Augen hervorquellten?
"E...e... er ha... hat i... er ist... to... tot... Er... umge... bracht", brachte Finn schliesslich mit tonloser Stimme herovr, während er verzweifelt versuchte, sein Gesicht trocken zu wischen. Wieso konnte er die Tränen nicht aufhalten?

Neythani schnaubte. Menschen waren oftmals sehr seltsam. Das sie sich schon wegen sowas umbringen mussten, fand sie recht seltsam. Doch sie äußerte sich nicht dazu. Als sie sah das der Junge weinte lächelte sie ihn an.
Sie wusste aber nicht so recht, wie sie ihm mut machen konnte, schließlich kannte sie ihn noch nicht so gut.
Also blickte sie Trevin einfach nur Böse an und schwieg.

"Ja. Der Landgeher ist tot. Können nichts dran ändern", stellte Amun kategorisch fest. War nicht der erste Landgeher, der vor seinen Augen gestorben war, oder der erste, der Amun umgebracht hatte. Man musste keinen Gefallen daran finden. Als Finn zu weinen begann fühlte sich Amun doch ein wenig schlecht. Aber er hatte kein Tuch oder etwas anderes, das Finn zum Trocknen seiner Tränen benutzen könnte. Der Avior legte Finn eine Hand auf die Schulter.
"Vielleicht solltest du dann aufhören, Leute umzubringen, heh. Ist nicht grade unauffällig", murrte Amun in Trevins Richtung. Nicht, dass Amun mit toten Landgehern ein Problem hatte, aber er würde gerne mit allen Federn aus dieser Stadt rauskommen.

Die Kälte, die die anderen im Umgang mit dem Toten zeigten, schockten Finn fast noch mehr als der Mord. Dass Tristan sich wenig scherte war nicht überraschend und Trevin war derjenige gewesen, der den Mord begangen hatte. Auch das die Katzenfrau ihn zuerst angrinste und wandte sich dann schweigend Trevin zu, um ihn zu beobachten. Aber dass Aldred, der bisher immer versucht hatte zu helfen, einfach mithalf und die Leiche versteckte und Amun den mord einfach ohne Blinzeln hinnahm, löste ein Gefühl des Schreckens in Finn aus. Ein Mann, von dem sie nichts wussten, der vielleicht Frau und Kinder hatte, aber bestimmt Freunde und Eltern, war ermordet worden und es kümmerte sie kein bisschen. Wie...
Finn wusste nicht, was er tun sollte. Er trat einen Schritt zurück und Amuns Hand glitt von seiner Schulter. Dann wirbelte er herum, die Tränen erneut hervorströmend, so dass er das Gassengewirr vor sich kaum sehen konnte. Und rannte.

Als professioneller Dieb verfügte Trevin durchaus über ein gehöriges Maß an Geduld, doch allmählich reichte es selbst ihm mit diesem ständigen Genörgel. Von Tristan erwartete er nichts anderes, doch von den gläubigeren unter seinen Gefährten hätte er erwartet, daß sie verstanden, wie man auf eine solch gottlose Tat reagieren mußte. Da es Amuns Bemerkung war, die das Faß zum überlaufen brachte, fuhr Trevin nun zu ihm herum und funkelte den Vogelmann verärgert an.
"Wenn Ihr nicht bereits eine Göttin befreit hättet, würde ich nun ernsthafte Zweifel daran hegen, daß Ihr erwählt seid, Avior!" sagte er kalt. "Wir haben eine heilige Mission, für Skrupel ist da kein Platz!" Er warf ihnen noch einen verächtlichen Blick zu, ehe er sich wieder dem Ausgang der Gasse zu wandte, durch den sie gekommen waren. "Naja... ist ja schließlich keine von euren Göttinnen, deren Tempel entweiht wurde, nicht wahr...?" fügte er bissig hinzu.
Er wirbelte erneut herum, als Finn sich los riß und davon rannte. Einen Augenblick lang starrte er ihm hinterher. "'Wir werden Finn mitnehmen, und Ihr werdet es nicht bereuen!'" zitierte er schließlich die Worte, die Aldred zwei Tage zuvor an ihn gerichtet hatte, und seine Stimme troff sowohl bei diesen als auch den folgenden Worten vor Sarkasmus. "Ihr hattet recht, der Junge zeigt sich wahrlich unentbehrlich für unsere Mission!"

"Hey, Finn!", rief Tristan, als der Junge das Weite suchte. Der Söldner machte Anstalten, ihm zu folgen, doch als er Trevins Worte hörte blieb er stehen und wandte sich zu ihm um.
Einen Moment lang starrte er ihn wortlos an. Tristan mischte sich selten in Dinge ein, für die er sich eigentlich nicht interessierte. Doch das war wirklich nicht fair!
Ihm war die Anwesenheit des Jungen deutlich lieber als die des aufgeblasenen Fanatikers und schliesslich schlug seine Sprachlosigkeit in blanke Wut um.
Er spürte sich selbst nicht mehr, als er sich auf Trevin stürzte und ihm die Faust so heftig ins Gesicht donnerte, dass ein beissender Schmerz seinen eigenen Arm durchfuhr.
"Halt endlich deine beschissene Klappe!", brüllte er den Fanatiker dabei an.


Dass die Gruppe beobachtet wurde, fiel wohl keinem von ihnen auf. Zu sehr waren sie gerade mit sich selbst beschäftigt.
Als sich der Junge von der Gruppe löste, war das ein einziges gefundenes Fressen.
Finn lief direkt in die Arme eines ziemlich grossen Mannes.
"Stehen bleiben", grinste er, als er ihn gepackt hatte und eine seiner Hände auf Finns Mund drückte. Dann zog er ihn mit sich in die nächste kleine Gasse, wo drei weitere Kerle warteten.
Sie umkreisten Finn und seinen Entführer.
"Du solltest besser nicht schreien, Kleiner", grinste der Lulatsch, der ihn festhielt. "Sonst reissen wir dir die Zunge raus..."

Auch wenn Tristans Angriff überraschend kam, schaffte es Trevin doch gerade so eben, den Schlag mit seinem Unterarm abzuwehren. Gleichzeitig machte er einen Ausweichschritt zur Seite und ließ Tristan, von seinem eigenen Schwung vorwärts getragen, an sich vorbei stolpern.
Rasch zog er sein Schwert. "Treibt es nicht zu weit, Söldner!" fauchte er seinen Angreifer an. "Würdet Ihr nicht das Mal tragen, ich hätte keine Hemmungen, Euch zu töten!"
Vielleicht sollte er es sogar tatsächlich tun... leider war ihre Gemeinschaft mit fähigen Schwertarmen nicht gerade reich beschenkt. Sie würden ihn brauchen, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollten.

"Ach komm schon!", ächzte Tristan und zog ebenfalls seine Klinge. Aus reiner Provokation wählte er die schwarze Klinge die er dem Krieger der Schwarzen abgenommen hatte.
"Das Mal irgendeiner blöden Schlampe interessiert doch keinen!"
Er schnaubte.
"Na komm. Bring mich doch um, wie du es mit dem anderen da getan hast. Wie wärs? Ich würd mich wenigstens wehren!"

Tristan war offenbar zum Kampf bereit, doch Trevin machte keine Anstalten, seine defensive Haltung zu verlassen. Die Bemerkung des Söldners über die Göttinnen quittierte er mit einem finsteren Blick, doch es brauchte mehr als Worte, um ihn zu einem Angriff zu provozieren.
"Die Wege der Göttinnen sind wahrlich unergründlich!" bemerkte er sarkastisch. "Aber da sie Euch offenbar für wertvoll halten, muß ich Euch wohl am Leben lassen. Aber wenn wir noch lange hier herumstehen und uns gegenseitig bedrohen... kommt zweifellos die Wachablösung für diesen hier," er deutete auf den toten Paladin, "und das ganze erledigt sich von selbst!"

Finn starrte den Mann mit weit aufgerissenen Augen an und sein Körper wurde still und starr. Während des Laufens hatten sich die Tränen in seinen Augen gesammelt und seinen Blick noch mehr verschwommen, weshalb er dessen Gesicht selbst dann nicht erkennen konnte, als es direkt vor ihm war. Allerdings konnte er an der Stimme zweifelsfrei feststellen, dass er den Mann nicht kannte. Finn verstand nicht versehen, was passierte. Was wollte dieser Fremde von ihm? Und wieso dachte er, Finn könnte mit einer Hand auf dem Mund schreien? Bevor er aber noch etwas sagen konnte, sammelten sich schwarze Flecken auf der Hand und sie wurde mit einem kräftigen Ruck, der den Mann fast aus der Balance war nach hinten geschleudert. Finn war aus seiner Umklammerung befreit und machte dann einen Schritt zurück, nur um wieder zu erstarren. Es war zu viel. Wieso passierte das?

"Pfs, Wachablösung. Vielleicht hat er seine Wache ja vor kurzem angetreten", schnaubte Tristan.
Am liebsten wäre er noch einmal auf Trevin los, doch irgendwie war der erste Wutanfall verraucht und er wusste, dass es blöd war, wenn er sich jetzt auf den Kerl stürzte. Auch wenn es total verlockend war.


"Bwa, Magier!", fauchte der Kerl und nach einem kurzen Kopfnicken seinerseits, zog einer der anderen Kerle Finn die Faust über den Kopf, um ihn bewusstlos zu schlagen.
"Los. Bringen wir ihn hier erst einmal weg", schnaubte der Anführer der Bande.
Sie schleppten Finn erst einmal in ein Versteck.

Obwohl Finn nach dem Schlag auf den Kopf zusammensackte und sich nicht mehr regte, verschwanden die schwarzen Flecken nicht und tauchten immer wieder auf, um die Männer aufzuhalten. Einmal wurde eine Hand weggestossen oder ein Fuss weggerissen, dann wurde wieder jemand in den Rücken gestossen. Jedes Mal, wenn Finn losgelassen wurde, wurde er einige Zentimeter weggezerrt. Die Angriffe wurden allerdings immer schwächer und es entstanden immer grössere Pausen dazwischen. Schliesslich hörten sie komplett auf und die Bande konnte Finn endlich ungestört entführen.

Ein guter Anführer hätte all dies, was nun plötzlich mit der Gruppe geschah, zu verhindern gewusst. Hätte Finn aufgehalten, ehe dieser so einfach wegrennen können. Hätte den Streit zwischen Trevin und Tristan im Keim erstickt, es nie so weit kommen lassen, dass sogar Klingen gezogen wurden. Aber Aldred war kein guter Anführer. Er war überhaupt kein Anführer. Er war ein Einzelgänger, hatte sich jahrelang allein durchgeschlagen. Er hätte nicht einmal sagen können, dass er gut mit Menschen auskam. Vor allem aber war er nichts weiter als ein einfacher Mann. Tristan und Trevin waren die Auserwählten. Sie hätten diese Rolle einnehmen müssen. Aber nachdem sie es vorzuziehen schienen, sich gegenseitig anzugiften lief es doch wieder auf ihn hinaus, die anderen zur Besinnung zu rufen.
"Genug jetzt!", verkündete er und trat zwischen die beiden, trennte sie durch seine schiere Masse, "Wir haben wirklich besseres zu tun als uns zu streiten. Sehen wir zu, dass wir hier weg kommen und Finn wieder finden." Und ohne den beiden die Chance zu lassen, etwas darauf zu erwidern setzte er sich in Bewegung, folgte der Richtung, in die Finn entschwunden war und rief dabei immer wieder laut den Namen des Jungen. Doch er erhielt keine Antwort.

Finn rannte weg. Einen Moment lang hatte Amun ihm hinterhergestarrt, unsicher, wie man sich in so einer Situation verhalten sollte. Oder vielmehr war er unsicher, wie sich ein Landgeher in so einer Situation verhielt. Ein Avior würde das Kind ziehen lassen, andererseits konnte einem Küken in den Wolkenbergen nicht viel zustoßen, was für diese Stadt vermutlich nicht galt. Sowie Aldred sich in Bewegung setzte, beeilte sich Amun zum Eisbärmann aufzuschließen.
Vielleicht waren auch kleine Menschen schon von jener Krankheit ergriffen, die sie alle verrückt werden ließ? Die Möglichkeit musste in Erwägung gezogen werden. Oder vielleicht war Finn grade in dem Alter, in dem sie ihre ersten Symptome zeigte.
Trotzdem hielt Amun die Augen nach Finn offen, wenn er auch nicht herumbrüllte, wie Aldred es tat.

Neythani seufzte. Sie hatte den Jungen doch nur aufmuntern wollen, doch anscheinend hatte er sie missverstanden.
Doch nun war er weg gelaufen und verschwunden. Es würde schwierig werden, ihn wieder zufinden. Neythani blickte auf den Boden, doch sie konnte leider kaum fuss spuren entdecken. Und riechen konnte sie auch nichts, da es doch etwas stank. "Wir müssen ihn suchen. Und ihr solltet euch beruhigen. Wir kommen schon zu eurer Göttin."

Es war die Kälte, die Finn schliesslich aufweckte. Die Kälte und der pulsierende Schmerz in seinem Kopf. Er schreckte hoch und versuchte, an seiner letzten Erinnerung anknüpfend, um sich zu schlagen. Allerdings waren seine Beine zusammengebunden und seine Arme auf dem Rücken gefesselt und mit einer Kette an der Wand befestigt. Dementsprechend brachte er nicht viel mehr zustande, als sich ein wenig hin und her zu winden, was er schnell wieder aufgab. Stattdessen kämpfte er erstmal mit den Tränen, die schon wieder aus seinen Augen schossen, entschied sich dann aber, den Widerstand aufzugeben und ihnen freien Lauf zu lassen. Die Tränen flossen über sein Gesicht und ein lautes Schluchzen löste sich aus seiner Brust. Nachdem er seinen Widerstand aufgegeben hatten, konnte er gar nicht mehr aufhören, zu schluchzen. Er befand sich in irgend einem Keller, entführt von Männern, von denen er nichts wusste. Alleine, da er von den einzigen Leuten, die er kannte weggelaufen war. Und Unzählige Meilen von seiner Heimat entfernt, wobei das zugegebenermassen keinen Unterschied machte. Was sie wohl mit ihm vorhatten? Er hatte Geschichten von Jungen gelesen, die als Sklaven oder gar als Lustknaben verkauft wurden? Stand ihm auch so ein Schicksal bevor? Was konnte er tun? Die Jungen aus den Geschichten waren immer Helden geworden, aber das würde er sicher nicht werden, er konnte nicht einmal Zauber wirken. 
Langsam versiegten Finns Tränen. Nicht, weil er nicht mehr weinen wollten, sondern weil sein Vorrat scheinbar ausgegangen war. Er schüttelte den Kopf, um sie auf die Seite zu treiben und zog Rotz und andere Flüssigkeiten durch seine Nase hoch. Er musste einen Weg finden, um zu entkommen. Und dann würde er zu den Anderen zurückkehren. Nein, das konnte er nicht. Sie hatten so viel zusammen erlebt und er fühlte sich ihnen immer noch verbunden und war dankbar, dass sie ihn beschützt hatte, obwohl er nur eine Last gewesen war. Aber sie hatten einfach zugesehen, als Trevin den Mann ermordet hatte und ihm dann geholfen, die Leiche zu verstecken. Er konnte nicht zurück. Nein, Finn schüttelte den Kopf, nein. Er würde einen Weg finden, Geld zu verdienen. Und dann... dann würde er in die Eisigen Einöden heimkehren. Oder eine Anstellung in einer Bibliothek oder bei einem Buchmacher finden. Er konnte nicht mehr herumreisen, es war... Plötzlich erstarrte er und blickte mit weit aufgerissenen Augen die Gestalt an, die in einer Ecke des Kellers lehnte. 
"We... wer? Wie...?", stammelte er und klappte dann den Mund zu. Hatte die Person ihm zugeschaut, wie er geweint hatte?

Keine Antwort. Und was noch schlimmer war: nicht einmal eine Spur von Finn. Wie konnte das sein? So schnell war der Junge doch nicht. Und vor allem nicht so ausdauernd. Aldred hatte erwartet, Finn ein paar Straßen weiter zu finden, weinend an einer Mauer zusammen gesunken, sich die stechende Seite haltend. Aber wo immer Aldred auch suchte: da war nichts. Der Junge schien wie vom Erdboden verschluckt. Langsam bekam Aldred es mit der Panik zu tun. Sein Schritt beschleunigte sich, schließlich rannte er, immer wieder nach Finn rufend. Wie konnte es sein, dass sie den Jungen nicht fanden? Wieso war er nicht längst zu ihnen zurück gekommen? Allein war der Junge aufgeschmissen, zumal an einem Ort wie diesem hier. Versteckte er sich etwa vor ihnen? Oder war ihm bereits etwas zugestoßen?
Ziellos hastete Aldred durch die Gassen der Stadt, wahllos die Richtung wechselnd, rufend bis er ganz heiser war. Die Menschen warfen ihm verwunderte Blicke zu, mussten das Schlimmste von ihm annehmen, doch er bemerkte es nicht einmal wirklich. Bis es einem – einem Paladin der Reija – zu viel wurde.
"He! Was soll dieses Geschrei?", blaffte er Aldred an, sich in dessen Weg stellend.
"Bitte, Herr!", fuhr dieser aus seiner Trance hoch, "Ich suche einen Freund von mir, einen Jungen. Er ist davon gelaufen und hat sich sicher verirrt..."
"Kein Grund für so einen Aufruhr", entgegnete der Paladin hartherzig, "Euer Problem ist nicht die Schuld dieser guten Leute, die ihr belästigt, Fremder. Also haltet das Maul und seht zu, dass ihr von dannen kommt. Euren Jungen hat vermutlich ohnehin längst das Schattengesocks geholt..."

"Ja, wie wüsste ich auch gerne", entgegnete die Gestalt mit einer weichen Tenorstimme, der man anhörte, dass sie nicht viel körperliches Volumen hatte, um sich auszubreiten. "Vor allem wüsste ich gerne, wieviele hier noch landen und wie lange. Sonst wird es irgendwann eng und sauberer erst recht nicht. Obwohl es eigentlich erfreulich ist, dass nicht nur mir so etwas zustösst. Sonst hätte ich mich gar irgendwie dumm fühlen müssen!"
Sie lachte leicht auf, ein nervöses Lachen, und verzog dann das Gesicht, weil ihr die Nase grausam juckte und sie wegen der Fesseln nicht kratzen konnte, was man im Düsteren zum Glück nicht so gut sah.
Ja, eigentlich war Zeckker Herbs ganz froh darum, nicht mehr alleine hier unten herumzusitzen. Es war kalt, dreckig, unbequem und zu allem auch noch sehr langweilig. Und natürlich tat ihm auch immer noch alles weh von der unsanften Behandlung, mit der die Männer ihn hierhin geleitet hatten. Darüber, was nun alles mit ihm geschehen könnte, hatte er sich zum Glück gar noch keine Gedanken gemacht, sonst hätte er nicht so ruhig dasitzen können, von den Fesseln natürlich abgesehen. Aber sehr lange konnte er doch auch gar nicht mehr hier verweilen, immerhin war sein Verschwinden inzwischen doch bestimmt aufgefallen. Anderseits war gerade die Innenstadt ein Labyrinth aus kleinen Häusern und Gassen gewesen, da konnte eine Rettungsaktion ihre Weile haben. Verflucht, jetzt fühlte er sich gleich nicht mehr so sicher und das nur, weil ein heulender Junge - es war doch einer? - vor ihm sass. Wieso sammelten diese Männer junge Männer und sperrten sie in einen Keller, das war doch völlig.. Vielleicht Lösegeld? So unglaublich reich sah er nun doch wirklich nicht aus. Er war einfach sehr hübsch anzuschauen. Oder war gerade das der Grund gewesen, wieso er, als er gerade einige der neu gekauften Waren beim Wagen hatte verstauen wollen, eins von Hinten übergebraten gekriegt hatte?!
Erneut entwich ihm ein nervöses Lachen, welches sich diesmal aber schon eher wie ein Aufschluchzen anhörte und so in das Geschniefe von Finn einstimmte.