Auftrag: Kora'Dim Affairs

Die Stadt lag dar wie das Nest eines emsigen Ameisenhaufens. Gestalten huschten zwischen den Mauern und Gebäuden umher. Kamele blökten. Der Wind wirbelte Sand durch die Straßen und brachte den Mischmasch an Gerüchen vom entfernteren Gewürzmarkt mit. Zum Glück wehte der Wind nicht aus der Richtung des Viehmarktes, sonst hätte Kora'Dim jene Gruppe Reisender, die soeben die letzte Düne in Richtung Stadt überquerten, nicht so angenehm empfangen.
Die Schwierigkeiten würden schon noch kommen.
Mit müder Geste winkte Korma die Gruppe weiter und zog an der Leine, die ihr Pferd mit dem Packkamel verband. Die Tiere waren erschöpft, aber es hatte sich gelohnt sie anzutreiben. Sie waren in Kora'Dim. Die Ausläufer der Stadt erstreckten sich vor den Wehrmauern wie ein Geschwür, eine Ansammlung aus hässlichen Barracken und Ställen.
"Was bringt Euch nach Kora'Dim, Reisende?", fragte eine Wache nur wenig interessiert. Der einzige Grund, warum man sie mit ein wenig Respekt behandelte, waren wahrscheinlich ihre Pferde. Die Tiere waren Reinrasser aus den Ställen Valants.
"Areem, wenn Ihr Euch darum kümmern würdet?", bat Korma und holte unauffällig eine Münze aus der Tasche, bevor sie sich dem Offizier der Truppe näherte und ein unverfängliches Gespräch anfing, in dem die Münze den Besitzer wechselte. Bestechung gehörte bei solch niedrigrangigen Soldaten beinahe schon zum guten Ton.

Sana hatte sich Kleidung angezogen, die die reise durch die Wüste erträglicher machte. In ihrem Gepäck hingegen hatte sie ihre übliche kleidung. Röcke, Kleider, Mieder und Korsetts, sowie ein paar unterschiedliche schuhe und jede menge schmuck, sowie makeup. Sie wusste nicht, wo sie unterkommen würden und ob sie dort zugang zu gewissen sachen bekam, die für eine schöne Frau wichtig waren. Gemächlich blieb sie in Sichtweite von Areem und Korma stehen und passte auf ihr Gepäck auf.

Es war ermüdend! Da erreichte man nach einer langen, beschwerlichen Reise durch die Wüste endlich die Stadt, wund gerieben vom Sattel und dem Sand, der sich seinen Weg selbst durch die festeste Kleidung bahnte, erschöpft von der unerbittlich herab brennenden Sonne, und dann musste man sich mit diesen endlosen Fragen herum schlagen. Aber es war immer das selbe und so hatte Areem sich im Lauf der Zeit daran gewöhnt. Und er wusste, wie man die Prozedur rasch und unkompliziert hinter sich brachte. Für den Notfall hatte er immer eine Geschichte in der Hinterhand, die ihm schon die Tore öffnen würden. Aber heute war das nicht einmal nötig. Sie waren schließlich aus offiziellem Anlass hier.
"Wir sind Vertreter der Ishkharan aus Valant", erklärte er, sein Pferd mit leichtem Schenkeldruck an Korma vorbei und auf den Befehlshaber der Wache zu steuernd, "Wir wurden nach Kora'Dim gesandt um Nachforschungen bezüglich Schmiedewaren für den Orden anzustellen und gegebenenfalls die Verträge nachzuverhandeln. Falls ihr meinen Worten allein keinen Glauben schenken könnt: wir haben ein Schreiben des Schmiedemeisters des Ordens bei uns." Er zog den Pergamentbogen mit dem Siegel von Meister Juba aus den Falten seines Gewands und reichte ihn dem Mann herab. Dieser musterte den Brief genau, machte jedoch keinerlei Anstalten, das Siegel zu erbrechen.
"In Ordnung, Ordenskrieger. Willkommen in Kora'Dim", hieß er sie einzutreten und gab den Weg frei, "Aber macht keinen Ärger hier in der Stadt."
"Macht euch keine Sorgen, Freund", erwiderte Areem im Vorbeireiten glattzüngig, "Nichts läge uns ferner." Er musste dafür nicht einmal lügen. Sie hatten kein Interesse an Ärger. Sie würden zusehen, dass sie Sache glatt und still über die Bühne ging. Niemand würde sie auch nur damit in Verbindung bringen!

"Hier lang", befahl Korma und trieb ihr Pferd nach rechts in eine Gasse. Karawansereien gab es in Kora'Dim viele. Aber diese kannte Korma bereits. Außerdem lag sie abseits einer der Hauptverkehrsadern, aber dennoch nahe genug, um eine rasche Flucht zu ermöglichen, sollte das nötig werden. Ein wenig Luxus wollte Korma ihren beiden Begleitern außerdem auch gönnen.
"Arim!", meldete sich Korma lauthals als sie auf dem Innenhof der Karawanserei vom Pferd glitt. Ein dicklicher Mann kam auf den Hof gewatschelt. Parfüm strömte von ihm aus wie von einer billigen Hure und bildete dicke Schwaden in den Gängen. Ein Springbrunnen erfüllte die Luft mit einem angenehmen, Kühle verheißenden Plätschern.
"Korma! Lässt du dich hier auch mal wieder blicken. Ich dachte schon, du hättest deinen alten Freund Arim vergessen. Und was für reizende Begleiter hast du dabei. Sehr erfreut, sehr erfreut", grüßte Arim die Gruppe und vor allem die beiden Frauen.
"Kara. Kümmer dich um die Pferde. Seid mir willkommen. Willkommen. Eine Erfrischung?"

"Gerne!", ergriff Areem das Angebot und zugleich die Hand des Karawansereimeisters mit den seinen, "Mein Name ist Areem al-Kareza und ich danke euch herzlich für die Gastfreundschaft, uns unter eurem Dach aufzunehmen." Das war zwar nur recht und billig, bedachte man, dass sie zahlende Kundschaft waren, aber Dank gebührte einem Wirt nichtsdestotrotz. Das gebot der Anstand. Und Anstand war der erste Schritt, sich einen guten Namen zu machen. Ein guter Name aber, das war schon immer Areems Kapital gewesen. Er mochte mit der Klinge umgehen können, aber vor allem anderen war und blieb er doch ein Mann des Wortes. So hatte er – im Gegensatz zu vielen anderen Ishkharan – auch kein Interesse daran, seinen Namen geheim zu halten oder sich hinter einem Alias zu verstecken. Die Leute sollten wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Und sie sollten eine hohe Meinung von diesem Namen haben.
"Es wäre zu gütig von euch, wenn wir um etwas zu Trinken und vielleicht auch einen Happen zu Essen bitten dürften. Und vielleicht einen Raum, wo wir aus unserer Reisegarderobe wechseln können?"

Sanft lächelte Sana. "Eine Erfrischung wäre mir sehr willkommen. Und einen Ort um den Staub der Reise abzuspülen," liess sie sich vernehmen. "Mein name ist Sana`Zia D'lona," stellte sie sich dann freundlich vor. Mit einigen griffen hatte sie das Tuch von ihrem Haar entfernt und schüttelte es leicht. Auch in ihrer Reisekluft konnte sie ihre Schönheit kaum verbergen.

"Natürlich, natürlich. Hier. Hier. Und hier", antwortete der Wirt und drückte jedem von den dreien einen kleinen Schüssel in die Hand. Korma kannte die Schlüssel bereits. Sie waren vergoldet und hatten kleine Holzplatten im Kopf, in die verschiedene Symbole geschnitzt waren. Ein wenig verärgert bemerkte Korma, dass Sana den Schlüssel mit dem Blattsymbol bekommen hatte. Der Raum war luxuriöser eingerichtet als ihrer, dessen Schlüssel mit einem Flammensymbol versehen war. Aber man konnte es Arim kaum nachsehen. Sana war den Augen nunmal angenehmer gegenüber als sie selbst.
Areem hatte den Schlüssel mit dem Tropfensymbol bekommen. Die Suite lag im Erdgeschoss und war deutlich kühler als die anderen Räume. Aber sie mussten ja nicht für immer hier bleiben.
"Und ich lasse einen kleinen Imbiss vorbereiten."
Kormas Gesicht hellte merklich auf. Arims Leibesumfang kam nicht von ungefähr und wenn er "kleiner Imbiss" sagte, übersetzte sie das automatisch in "Festmahl".
"Dann schlage ich vor, dass wir uns ein wenig frisch machen und uns dann wieder treffen. Wo soll es denn deinen kleinen Imbiss geben, Arim?", schlug Korma vor und sah zu Arim hinüber, der auf einen Tisch deutete, der halb unter Efeuranken verborgen war.
"Auf den Zimmern findet ihr auch Schüsseln mit Wasser. Ich freue mich darauf, deine Gefährten näher kennen zu lernen, Korma."

Sana betrachtete den Schlüssel kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. Dann nahm sie ihr Gepäck auf und trug dieses zu dem Zimmer mit dem Blattsymbol und schloss mit dem Schlüssel die Tür auf. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie die inneneinrichtung betrachtete. Es war wunderschön. Noch schöner als ihr Gemach im Orden. Hinter sich schloss sie die tür und ging erstmal zu der Wasserschüssel. Dort wusch sie sich den Staub und Dreck aus ihrem Gesicht. Gemütlich entkleidete sie sich, wusch ihren Körper mit dem Kühlen nass einmal ab und suchte dann aus ihrem Gepäck ein paar schöne Kleider heraus, die passen würden. Sie entschied sich für einen Wickelrock, der bis zu ihrem Knie reichte, einer schönen weissen Bluse, sowie einem Roten samtmieder, das ihren Busen optimal zur Geltung brachte. Dazu würde sie ein paar samt pantoffeln tragen und einen kleinen teil schmuck, fusskettchen, armbänder und ketten. Zum schluss schminkte sie sich dezent und brachte ihre Haare in Ordnung. So konnte sie sich sehen lassen.

Nun, zumindest konnte man dem Meister der Karawanserei nicht vorwerfen, umständlich oder kompliziert zu sein. Aber vermutlich wusste ein Mann, der lange genug in diesem Geschäft tätig war, einfach, was Reisende nach ihrer Ankunft aus der Wüste am Dringendsten benötigten. Wieso sie dann also länger denn nötig aufhalten? Selbstverständlich lebten Karawansereien auch vom Austausch von Informationen, von Klatsch und Gerüchten. Aber all das, was sie zu berichten wussten, konnte der Wirt ihnen auch noch aus der Nase ziehen, wenn sie sich von den Strapazen der Reise erholt hatten.
Die Wege der drei Reisenden trennten sich, als jeder von ihnen seinem eigenen Zimmer zu strebte. Während die beiden Damen über eine Treppe an der Außenseite des Gebäudes empor stiegen nahm Areem den ihm beschriebenen Weg ins Innere. Sein Raum stellte sich als ein kleines, schummriges, aber angenehm kühles Zimmer mit kleinen, zur Nordseite ausgerichteten Fenstern heraus. Keine sonderlich luxuriöse Unterkunft, aber mit allem versehen, was ein Reisender zu dieser Stunde benötigte. Areem nutzte die Gelegenheit, aus seiner staubigen Kleidung zu kommen, sich den Sand sowohl mit einem Lappen von der Haut zu waschen, als auch aus Haar und Bart zu kämmen, etwas Frisches anzulegen und sein Ebenbild im Spiegel zu begutachten. Ja, man sah ihm die Reise an. Man sah ihm die Reise immer an. Reisen durch die Wüste von Akaresh waren niemals einfach oder angenehm. Aber mit ein wenig Schlaf und Erholung würden die Spuren der Strapazen wieder verschwinden.
Areem nahm sich die Zeit, nicht allein sein Äußeres zu richten, sondern auch seine Besitztümer ein wenig zu ordnen. Auch wenn sie vielleicht nicht lange hier bleiben würden, es konnte nicht schaden, ein wenig auszupacken, damit man die Dinge parat hatte, wenn man sie brauchte. Seine Klinge hing er an einen Waffenständer neben der Tür – sie zumindest würde er heute kaum noch benötigen – seine schlichtere Kleidung räumte er in einem Schrank. Lediglich seine wertvollere Garderobe und die etws exklusiveren Werkzeuge des Assassinenhandwerks – etwa ein kleines Fläschen mit Gift, das erst vor kurzem den Weg in seinen Besitz gefunden hatte – behielt er in den Truhen und Kästen, wo er sie mit einem Schloss sichern konnte. Dies ging niemanden etwas an!
Erfrischt und wieder ein wenig zur Ruhe gekommen folgte Areem schließlich dem Knurren seines Magens und machte sich auf den Weg, Korma und Sana sowie den Speisesaal der Karawanserei zu suchen.

Kaum hatten die drei Reisenden wieder den Innenhof betreten, wurden sie von Arim wort- und gestenreich zu einem Holztisch dirigiert, der sich bereits unter der Last einer üppigen Mahlzeit bog. Eine Schale bildete das Zentrum des Tisches. Darin türmte sich eine angenehme Masse frischer Trauben in allerlei Farben. Korma glaubte sogar ein paar weiße darin zu erkennen, die noch etwas teurer waren als die normalen es schon waren. Darum herum standen eine Vielzahl kleinerer Schüsseln und Teller, gefüllt mit allerlei Leckrigkeiten. Ein Diener in dezenter Kleidung stand etwas abseits und reichte den dreien jeweils ein Glas, das angenehm kühl bei der Berührung war.
Korma selbst war weit weniger extravagant angetan als ihre beiden Begleiter. Ihre Kleidung erinnerte eher an die eines Dieners. Niemand in dieser Stadt beachtete Diener. Man könnte genau so gut unsichtbar sein.
"Setzt euch, setzt euch. Greift zu. Lasst es euch gut gehen. Esst. Trinkt. Und dann erzählen wir."

Sana nahm auf ein paar Kissen vor dem Tisch platz und machte es sich gemütlich. Die kühle Schüssel stellte sie vor sich auf den Tisch, nahm sich etwas von den leckereien und steckte sich davon etwas in den Mund. Mit geschlossenen Augen kaute sie zufrieden.Dieser Arim hatte echt alles auf seinem Tisch. Das musste sie neidvoll anerkennen. "Sagt, kennt ihr den Pakoa baum? Seine Früchte sowie die Wurzeln sind sehr lecker. Was würde ich geben nochmal eine Pakoafrucht zu kosten.."

Es tat gut, bei einem Mann untergekommen zu sein, den Korma als ihren Freund bezeichnete. Hier zu speisen war sicher. Man musste sich keine Gedanken machen, ob Teile des Essens nicht womöglich vergiftet waren, nicht aufmerksam darauf achten, wovon der Gastgeber aß und worauf er verzichtete, welche Speisen die anderen Gäste kosteten ohne Anzeichen von Unwohlsein zu zeigen. Vielleicht war es einfach nur Paranoia, dass solche Gedanken Areem in der Ferne nur allzu oft plagten. Aber wenn, dann war diese bedingt durch seinen Beruf. Als Assassine dachte man zwangsläufig wie ein solcher. Und das Essen der Gäste zu vergiften, das hätte er selbst für einen herausragenden Plan gehalten, diese auszuschalten.
So jedoch konnte er sorgenbefreit zugreifenn und genau das tat Areem auch. Auf der Reise nach Kora'Dim hatten sie immer wieder in Oasen und an Gasthäusern auf dem Weg Rest gemacht, aber die Küche, die ihnen dort geboten wurde, konnte einfach nicht mit dem, was in einer richtigen Stadt aufgetischt werden konnte, mithalten. Fraß, um satt zu werden. Aber um wirklich speisen zu können war ein Aufwand nötig, der mitten in der Wüste einfach nicht betrieben werden konnte, weil es an zu vielem fehlte.
"Ihr verwöhnt uns, Meister Arim", komplimentierte er ihren Gastgeber während er ein mit süßen Sultaninen gefülltes Hühnchen zerteilte, "Aber sagt, was könnt ihr uns über die Lage in der Stadt erzählen? Wie geht es Kora'Dim?" Zu erwähnen, dass er selbst vor kaum mehr als einer Woche noch in der Stadt gewesen war, hielt Areem für unnötig. Besser, er wiegte den Karawansereimeister in dem Glauben, dass er vollkommen unbedarft bezüglich der jüngsten Vorkommnisse war. Nicht, dass ansonsten noch unangenehme Fragen bezüglich seines erneuten Erscheinens aufkamen.

"Ich werde den Koch anweisen auf den Märkten nach Pakoa Ausschau zu halten. Was für eine vorzügliche Idee", nahm Arim den Gesprächsfaden auf, bevor er sich an Areem wandte und die Hände aneinander legte. Ein Ausdruck scheinheiliger Trauer legte sich auf die Züge des Karawansereimeisters. Der Mann machte eine ausholende Geste mit den Händen und seufzte theatralisch.
"Unserem Gebieter - mögen die Götter ihn lobpreisen - geht es leider nicht sehr gut. Wir armen Händler stellen uns auf ein paar...Konflikte ein, was die Nachfolge angeht." Arim machte ein Pause und sah zu Korma, die mit den Schultern zuckte.
"Das wussten wir bereits. Mach dir keine Sorgen, wir sind nicht aus diesem Grund hier." Arim grinste breit. Er hatte nichts anderes erwartet.
"Natürlich, natürlich. Hm, was gibt es sonst noch? Die Diebesbande, die seit einiger Zeit die Straßen unserer schönen Stadt unsicher macht, wird immer dreister. Viele der Wachen wurden zum Palast beordert, oder zu einem der Sitze eines der...potenziellen Nachfolger. Ich würde an eurer Stelle die Augen noch weiter aufhalten, wenn ihr des Nachts unterwegs seid."

Areem hatte den Worten ihres Gastgebers aufmerksam gelauscht und sich dabei, ohne den Blick von Meister Arim abzuwenden, Traube um Traube in den Mund geschoben. Deliziös! Saftig und süß! Genau, wie er es mochte. Und auch an den Erzählungen des Karawansereiwirts fand er seinen Gefallen. Sicher, der prekäre Gesundheitszustand des Fürsten Dim war ihm nichts neues. Aber die sich daraus ergebenden Konsequenzen waren neu für ihn. Und vielversprechend. Soetwas ließ sich immer ausnutzen, wenn man denn wusste wie.
"Diese Diebesbanden...", sinnierte er laut, dabei einen Traubenkern ausspuckend, "Wenn die Wache ihnen nicht mehr Herr wird, dann würde es doch sicherlich auf großes Wohlwollen stoßen, wenn jemand privat... Initiative ergreift, nicht? Wenn ihr Meisterin Korma kennt, dann ist euch sicher bekannt, dass unsere Brüder und Schwestern über gewisse... Fertigkeiten verfügen, die der Stadt zu Gute kommen könnten. Ohne um den heißen Brei herum zu reden: wurden Kopfgelder ausgesetzt?"

Sana lächelte glücklich. "Das ist wunderbar," erwiederte sie. "Als ich hierher gebracht wurde, kamen wir durch eine recht grosse Stadt," erzählte sie. "Ponthara ist ein grosses Fruchtbares Land. Aber ich weiss nicht, ob die Menschen dort mit eurem Land Handel treiben. Aber wenn doch, solltet ihr auf dem Markt Pakoafrüchte finden können."

"Auf den Kopf des Anführers der Blutkönige wurden 1.000 Kronen ausgesetzt. Und auf den Kopf des Anführers der Schwarzen Raben weitere 750 Kronen", antwortete Arim nach kurzem Nachdenken. Korma ließ ein leises Schnauben hören als Arim die Namen der Diebesbanden erwähnte. Das konnte doch nicht deren Ernst sein? Schwarze Raben? Im Gegensatz zu was? Dem massenhaft vorkommenden weißen Raben? Also wirklich. Die Höhe der Kopfgelder war da schon bemerkenswerter. Eintausend Kronen waren eine stattliche Summe. Diese Banden mussten der Wache des Fürsten ja mächtig einen Strich durch die Rechnung machen.
"Ein Großteil dieser Kopfgelder kommt von privaten...besorgten Bürgern, die sich um ihre Sicherheit...die Sicherheit der Stadt große Sorgen machen."
Daher wehte also der Wind. Die Reichen und Mächtigen hatten Angst um ihr Geld.

"Entzückend", kommentierte Areem mit süffisantem Grinsen und beließ es dabei. Kein Grund für mehr Worte. Es war selten weise offen kundzutun, ob man einen Mann umzubringen gedachte oder nicht. Selbst, wenn auf diesen Mann ein Kopfgeld ausstand. Aber die Möglichkeit, sich dieses zu verdienen, reizte den Assassinen durchaus. Die Summen waren beachtlich! Mehr, als er erhofft hatte, aus diesem Ausflug nach Kora'Dim im Ganzen zu ziehen. Und obendrein würde es sich als weitere Gelegenheit darstellen, sich mit der Oberschicht der Stadt gut zu stellen, Kontakte zu den Reichen und Einflussreichen zu knüpfen. Ja, sie sollten es in jedem Fall versuchen. Die Chance war einfach zu gut. Unauffällig versuchte er, Korma und Sana vielsagende Blicke zuzuwerfen.

"Interessant", antwortete Korma wortkarg. Sie rührte sehr wenig dieses Essens an. Arim war ihr zuwider. Er war genau jene Art Mann, die eigentlich ein paar Ohrfeigen verdient hätten. Sie war ohnehin am besten dafür geeignet. Ihr Aussehen war nichts besonderes, im Gegensatz zu Sanas. Und Areems Talente waren einfach besser in der Oberschicht aufgehoben.
Sie fing einen Blick Areems auf und ihre Augen zuckten einen Moment lang in Richtung ihrer Zimmer. Arim musste nicht alles wissen, was sie in Kora'Dim erledigen wollten. Je weniger er wusste, desto besser für alle Beteiligten. Nachher erlitt er noch einen goldbedingten Anfall von Redelust. Korma seufzte leise. Wenigstens hatte sie die richtige Kleidung mitgebracht. Neben einigen teuren Gewändern befanden sich in ihrem Gepäck auch einige ärmliche Kleider. Der Bogen würde natürlich in der Karawanserei bleiben müssen. Wenig später zog sich Korma auf ihr Zimmer zurück, das nicht einmal in der Kühle der Abendstunden eine angenehme Temperatur annahm.

Sana hatte sich ein wenig zurückgelehnt und immer wieder zu Areem und Korma geschaut. Als diese aufstand und zurückzog, wollte Sana der älteren folgen. Aber irgendwie konnte sie sich nicht so recht überwinden. Sie griff nach einem krug wein, nippte ein wenig daran und behielt Areem im auge.

Areem hatte Kormas Zeichen durchaus verstanden, dennoch machte er keinerlei Anstalten aufzustehen, als sie dies tat. Nicht, dass er ihrem Gastgeber nicht vertraut hätte! Aber in ihrem Geschäft konnte man nie vorsichtig genug sein. Wenn sie sich alle drei gemeinsam erheben würden und auf das selbe Zimmer verschwanden, dann würde das nur Misstrauen erregen. Und Karawansereien waren nun einmal beliebigte Plätze für den Austausch von Informationen. Der Meister einer solchen lebte in nicht unerheblichem Maße davon, Nachrichten und Gerüchte zu verbreiten. Mehr zu wissen als andere. Würde Arim der Versuchung widerstehen können, ihnen nachzuforschen, wenn sie sich so offenkundig auffällig verhielten? Nein, besser nichts riskieren. Besser Vorsicht walten lassen. Sie konnten sich auch später noch beratschlagen.
Areem ließ sich noch vielleicht eine Viertelstunde Zeit nach Kormas Abgang, in der er gedankenverloren von den Resten der süßen Früchte auf dem Tisch naschte und sich in belanglosem Geschwätz erging. Dann erschien es auch ihm an der Zeit, sich zu verabschieden. "Ihr werdet entschuldigen, Meister Arim, aber die Reise war lang und mühselig", entbot er dem Meister der Karawanserei seinen Gruß und erhob sich. Gemächlich, erfüllt von der angenehmen Schwere des Sättigungsgefühls, machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer im Erdgeschoss.

Sana lächelte leicht, als Areem aufstand und sich zurückzog. Dann sah sie zu Arim und verabschiedete sich nun ebenfalls. Um aus seiner sicht zu kommen, tat sie so, als ginge sie zu ihren gemächern, doch kurz davor ging sie einen umweg und huschte in die Richtung von Kormas Räumen. Dort klopfte sie an und schaute sich immer wieder verstohlen um.

Auch Areem machte keinerlei Anstalten, sich direkt auf sein Zimmer zurück zu ziehen. Zwar steuerte er nicht direkt auf das Treppenhaus nahe des Gastraums zu, sondern hielt sich vielmehr im Erdgeschoss, wo auch sein Raum lag. Dann jedoch verließ er das Gebäude, umrundete einmal den Hof der Karawanserei und erklomm dann die Außentreppe, die ebenfalls zu den Gemächern im Obergeschoss führte. Kurz musste er suchen, ehe er Kormas mit einer Flamme gekennzeichnetes Zimmer fand, dann jedoch stand er vor der Tür und klopfte.

Die Tür wurde augenblicklich geöffnet und Areem sanft, aber bestimmt in das Zimmer gezogen. Korma machte sich nicht die Mühe sich noch auf dem Gang vor den Zimmern umzusehen. Arim hatte nur die übliche Neugier und sein angeborenes Misstrauen als Triebkraft ihnen nachzuspionieren. Und Areem würde schon aufgepasst haben. Für Höflichkeiten war allerdings grade keine Zeit, weswegen sich Korma nicht mit einer Begrüßung aufhielt.
Sana stand bereits in Kormas Raum. Sie war vorher gekommen.
"Je weniger Arim weiß, desto besser."
Trotz allem nahm sich Korma die Zeit, um den beiden einen Becher Wasser einzugießen.
"Aus meiner Sicht haben wir hier ein paar Angriffspunkte. Wir müssen natürlich die Sache mit den Erzen klären, aber es wäre mir durchaus recht, wenn die Verhandlungen über ein paar Tage verschoben werden. Das gibt uns mehr Zeit."
"Wenn wir hingegen die Köpfe dieser Diebesbanden unschädlich machen, haben wir bei ein paar Aristokraten einen Stein im Brett. Wobei sich dann Meister Areem als wohlwollender Retter präsentieren sollte. Bei uns beiden würde es mehr Probleme schaffen als lösen, Meisterin Sana."
Für einen Moment hielt Korma in ihrem Monolog inne, um den anderen beiden die Gelegenheit zu geben Einwände zu erheben oder selbst etwas zu sagen.

Areem, der unmittelbar nach dem Eintreten auf einem von nur zwei Stühlen im Raum Platz genommen und seinen Wasserbecher in einem Zug geleert hatte, zuckte nur mit den Achseln. "Ich trete im Namen des Ordens in Kora auf", erklärte er, "Keinen Grund also, mir Heldentaten in die Schuhe zu schieben. Was wir alle tun wird dem Orden angerechnet. Aber ich stimme euch zumindest insofern zu, Korma, dass es vermutlich weise wäre, wenn wir nicht alle ins Licht der Öffentlichkeit treten. Unser eigentlicher Auftrag hier kann uns durchaus bei einigen Personen in der Oberschicht Sympathien kosten, da sollte es kein offen agierendes Mitglied des Ordens sein, das die Klinge führt. Wir sind uns aber zumindest einig, dass wir Jagd auf dieses Räubergesocks machen?" Sein Blick glitt bei dieser letzten Frage vor allem zu Sana, die bisher stumm geblieben war.

Sana wanderte hin und her. "Nun, ich bin keine assassine. Ich kundschafte und sammle informationen, um den Assassinen zu helfen, ihre aufträge zu erfüllen. Aber das wisst ihr beide ja," erwiderte sie ruhig. "Wir sollten die Räuber töten, da stimme ich zu. Ich selber werde mich damit begnügen, Informationen zu sammeln und alles auszukundschaften. Schön aussehen und so tun, als wäre ich nur eine schwache harmlose Frau."