E o V - Die Quartiere

Was tat man mit einem angefangenen Tag wie diesem, einem Tag, der mit einem Kampfeinsatz und einem langen Flug begonnen hatte und nun in heillosem Durcheinander zu enden wollen schien? Es war schwierig. All die Dinge, die Nick normalerweise getan hätte, fielen aus. Jede Art von Training schied aus. Dafür war der Einsatz noch zu nahe. Das war sowohl Praxis als auch körperlicher Ausgleich genug gewesen. Aber auch die üblichen Optionen auf Erholung fielen aus. Zum Feiern war im Moment – mit Cavin im Spital und Westerfeld in Haft – wohl niemandem zumute. Aber um sich alleine, still zu beschäftigen, sich mit einem Buch auf sein Bett zu werfen oder ein wenig Zeit im Netz totzuschlagen, dazu fühlte Nick sich noch immer zu aufgeputscht. Also verließ er die Quartiere, irrte mehr oder weniger ziellos durch den Komplex. Durch blanken Zufall traf er unterwegs auf Snyder.
"Sie kommen gerade vom Krankenbesuch, nicht, Doc?", sprach Nick ihn locker an, "Wie geht es der First Lieutenant?"

"Wie gesagt, ich komme schon klar...", antwortete sie ihm auf seine Frage hin. "Und erzähl mir ja nichts davon, dass ich dich erschreckt hätte... was glaubst du wie es uns... mir... ergangen ist?", fragte sie dann. "Mach sowas nochmal... und ich schwöre dir ich reiß dich mit blanken Händen bis zu den Arschhälften in zwei Stücke.", meinte sie kühl, bevor sie sich das Kissen etwas zurecht rückte um dann ein wenig die Augen zu schließen.
Vermutlich war die selbe Kanüle an ihrem linken Handrücken bereits längere Zeit angebracht... die Infusion fühlte sich die ganze Zeit schon komisch an und unter jener Hautschicht juckte es ein wenig. Hoffentlich würden sie jene bald tauschen, oder noch besser, sie könnte gleich vollständig darauf verzichten. Oder sie könnten ihr zumindest eine Flasche Schnaps statt den Beuteln anschließen, damit es sie bis zur Anhörung wenigstens vollständig wegbeamen würde.
"Wegen der Anklage, wir werden sehen... ich denke mal je früher desto besser... ich hoffe ich komme bis dahin zumindest aus dem Bett ohne das Gefühl mich übergeben zu müssen."

"Der? Haben sie die Biodaten noch nicht bekommen?", grinste Snyder, der eine Zigarette rauchend an der Brüstung eines der Balkons des Komplexes stand, wobei der Mondschein ihm mit seiner Nickelbrille einen durchaus sinistren Anschein gab.
"Hab ihr noch auf dem Schiff ne Lösung aus Mikroben gegeben, die sich von Strahlung ernähren. Das wird jetzt alles auf natürlichem Wege ausgeschieden. Der menschliche Körper ist wahrlich ein Wunderwerk, Fendring. Manche trainieren es, wie sie, andere versagen seit Jahren daran, es zu zerstören... wie ich. Nun. Cavin wird hoffentlich bald wieder auf den Beinen sein. War auch mal eine interessante Erfahrung, ausnahmsweise nützlich zu sein."
Er kicherte und blickte über die Stadt, aschte herab in die Straßen, und blickte dem Fetzenwerk aus Papier und Tabakblättern hinterher.
"Ist aber auch alles vertrackt. Würde mich nur mal wundern, wie das mit den Dalgan da ausgegangen ist... die Kavallerie kam ja genau in richtigen Moment. Und was mit der KI los ist, frage ich mich auch. Glaube nicht, dass die Jungs von der Unity das so einfach fallen lassen."

"Mach dir keine Sorgen. Ich denke nicht, dass ich wieder zu dem Team zurückkehren kann ... und will..."
Er kratzte sich an der Nase.
"Dieser glatzköpfige Hurensohn kann mich mal am Arsch lecken."
Und sowieso hatte er sich freischaffend einfach besser gefühlt. Klar, das hier gab dreimal so viel Kohle. Aber was brachte ihm Geld, wenn er dafür draufging?

Schließlich legte Leo sich ins Bett, um ein wenig zu entspannen. Erst jetzt wurde ihm richtig vollständig bewusst, wie erschöpft er eigentlich war. Er las ein paar Seiten in seinem Buch, dann fühlte sich sein Körper immer schwerer an und er legte es beiseite, schloss die Augen und dämmerte langsam in einen wohligen Schlaf hinüber...

"Nicht...?", fragte die Offizierin und schaute Eames dabei ein klein wenig irritiert an. Schließlich senkte sie ihren Blick etwas enttäuscht und verzog ihre Mundwinkel... "Belastet dich das schon länger? Du hättest früher etwas sagen sollen... vielleicht hätte der Colonel dich entlassen können.", erklärte sie ihm, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte.
Wenn er unbedingt von der ganzen Sache weg wollte und wohl auch mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte, dann war das seine Entscheidung... ihr sollte es Recht sein... oder auch nicht. Unbehagen und Enttäuschung herrschte in ihr... verdammter Idiot... und erst jetzt packte er damit aus.

"Naja, bisher hatte ich immer einen Grund, es stillschweigend zu akzeptieren", sagte er und lächelte, was man nur leider unter der Maske nicht sehen konnte.
"Und immerhin habe ich dich kennengelernt ... Aber ich denke einfach, Fendring hat nur auf die passende Gelegenheit gewartet. Das macht mir zu schaffen."

Natürlich hatte Nick Cavins Biodaten erhalten und er hatte sie auch gründlich genug studiert um in Erfahrung zu bringen, dass sie auf dem Weg der Besserung war. Er mochte kein Mediziner sein und manches in dem Bericht hatte er nicht verstanden – zu viel Fachchinesisch – aber mit den grundlegenden Vitaldaten und ihrer Bedeutung war er vertraut. Was ihn eigentlich interessiert hätte wäre insofern viel mehr Cavins Gemütsverfassung gewesen. Wie sie auf den Doktor gewirkt hatte. Wie sie selbst sich fühlte. All jene Dinge eben, die für Laien mehr Bedeutung besaßen, als Zahlen auf einem Datapad.
Snyder jedoch plapperte munter vor sich hin, schien gar nicht zu bemerken, dass Nick eine andere Frage auf dem Herzen lag und so ließ dieser es einfach bleiben, verzichtete darauf, dem Doktor ins Wort zu fallen und schluckte seine Frage hinunter.
"Im Zweifelsfall erfahren wir früh genug, wie das ganze ausgegangen ist", antwortete er stattdessen auf Snyders Mutmaßungen bezüglich dem Ende ihrer Mission, "Wenn ich raten müsste, dann würde ich behaupten, dass wir mit dem Thema noch nicht durch sind. Die ziehen uns nicht ab um einen anderen Trupp drauf zu setzen. Diese Dalgan sind unser Problem. Und sobald wir wieder die Schlagkraft haben um erneut gegen sie vorzugehen wird das Oberkommando uns schon wieder raus hetzen. Dass sie uns dort draußen Entsatz geschickt und den Befehl zum Abrücken gegeben haben war allein der Situation geschuldet. Aber wir haben einen guten Job gemacht. Trotz allem was passiert ist: das da draußen auf der Olympus war ein Erfolg."

"War ja auch eine Steilvorlage...", meinte Natalia und zeigte ein Schmunzeln, bevor es ein wenig ruhig wurde. Sie würde aus Eames wohl nie wirklich schlau werden... und wenn es nach seiner Aussage ging, dann würde das wohl auch nicht mehr erforderlich sein.
Eine Weile lang herrschte nun Stille, bevor die Tür zu dem Beobachtungszimmer sich öffnete und ein älterer Offizier eintrat... welchen sie schon genügend kannten.
"Colonel...", sprach die First Lieutenant zur Begrüßung, salutieren konnte sie jetzt ja schließlich eher schlecht. So im Bett liegend... ohne Uniform... und ohne Hosen...
"First Lieutenant... Mister Westerfeld... Ich hoffe es geht unserer Patientin etwas besser?", fragte er und trat, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, etwas näher an das Krankenbett heran. Die Offizierin nickte einfach...
"Auf dem Weg der Besserung, Sir.", meinte sie lediglich. "Gut... Westerfeld? Es ist ein angenehmer Zufall, dass sie auch hier sind. Ihre Anhörung ist auf Morgen Abend gegen 18:00 vorverlegt worden. Das Kommando will die Sache vom Tisch haben, schnellstmöglich. Ich werde selbst bei der Entscheidung dabei sein, machen sie mir also keine Schande... Lieutenant Cavin? Sie sind der ranghöchste Offizier als Zeugin... Sehen sie sich dazu im Stande der Anhörung beizuwohnen?", fragte er, dabei konnte man deutlich hören, dass sich die Begeisterung des Colones wegen der Sache eher in Grenzen hielt.
"Ich denke schon... die Ärzte hier können mir sicher irgendetwas geben, um mich etwas besser auf den Beinen zu halten.", antwortete sie daraufhin recht optimistisch.
"Sehr gut. Westerfeld? Gibt es noch irgendetwas was sie ihrer Gruppenkommandantin oder ganz besonders mir sagen wollen, bevor es dann ab Morgen ernst wird...?"

Als der Colonel eintrat, kratzte Eames offenbar seinen letzten Rest Anstand zusammen, erhob sich und salutierte kurz. Er wollte es sich nicht auch noch mit diesem Mann verscherzen.
"Nun Sir ... Es tut mir ausserordentlich leid, Ihnen und auch Lieutenant Cavin solche Umstände bereitet zu haben. Es war niemals meine Intention, dem Trupp zu schaden und ich bereue meine Tat zutiefst. Selbstverständlich werde ich mich dem Entscheid stellen, wie auch immer er ausfallen wird, Sir."
Er atmete tief durch und blickte auf Natalia hinab. Ihr hätte er sehr gerne persönlich noch etwas gesagt. Doch leider war das wohl gerade der unpassendste Moment dazu.

Eine ganze Weile lang schaute der Colonel dem Söldner in die Augen, als würde er aus ihm lesen wollen was hinter diesen Worten steckte... schließlich nickte er jedoch langsam. "Ich kenne den Vorsitzenden der Anhörung, General Oliver Bale... er setzte sich immer sehr für die Effizienz der Truppe ein. Er sitzt schon seit ein paar Jahren im Militärgericht als Leitung, sonderlich zu begeistern schien ihn diese Position jedoch noch nie. Erklären sie ihm und den anderen Offizieren des Gerichtes einfach jenen Umstand aus ihrer Sicht, danach bleibt ihnen nur noch zu hoffen...", erklärte er ihm ruhig, bevor er sich langsam abwandte und in Richtung der Tür ging. Kurz davor hielt er jedoch noch einmal inne...
"Wir sollten First Lieutenant Cavin sich ausruhen lassen, damit sie für den morgigen Abend halbwegs fit ist... Ich wünsche noch einen schönen Tag.", und mit diesen Worten verließ er den Flügel des Militärspital.

Eames atmete tief durch und schaute ihm hinterher.
"Der Colonel hat Recht", sagte er, als dieser gegangen war. "Du solltest dich ausruhen. Ichs ollte dich nicht weiter belästigen ..."
Einen Moment lang schien er sich aber nicht sicher zu sein, ob er nun einfach gehen sollte oder nicht. Aber dann nahm er sich die Sonnenbrille von der Nase und zog sich die Sturmhaube vom Kopf.
"Ich möchte dir ..."
Wie sagte man soetwas denn überhaupt?
"Weisst du, Natalia ... Ich..."
Unentschlossen beugte er sich über sie.
"Ist es beim Militär eigentlich verboten ... Sich in seine Vorgesetzte zu verlieben?"

Gut, dann war der Colonel also auch bei der Anhörung anwesend... schwer zu sagen ob das für Westerfeld nun positive oder negative Auswirkungen haben würde. Nun gut, viel als ihre Sicht der Dinge zu nennen und anschließend ein Urteil abwarten konnten sie ohnehin nicht...
So atmete sie einmal durch die Nase tief durch, als Colonel Enlay das Zimmer wieder verließ, bevor sich Eames an sie wandte. Als er erst nur halbe, unverständliche Sätze formulierte, hob sie fragend eine Braue... doch dies änderte sich zu einem eher verwunderten Gesichtsausdruck als er ihr eine ziemlich plötzliche Frage stellte.
Er kam ihr dabei näher, ihr Herzschlag erhöhte sich dabei merklich, schließlich wich sie seinem Blick jedoch ein wenig aus. "Du... solltest jetzt gehen...", entgegnete sie ihm ernst und drehte sich ein wenig zur Seite um Ruhe zu finden.

Das ... beantwortete seine Frage nicht. Er runzelte die Stirn und richtete sich dann wieder auf.
"Gute Besserung", sagte er und zog sich seine Kleidungsstücke noch während dem Hinausgehen wieder an. Er schloss leise die Tür hinter sich und ging langsam zurück zu seinem Quartier, wo er sich bei einem Aufseher meldete, dass er wieder zurück sei.
Dann legte er sich schlafen.

Nick war sich bewusst, dass all dies primär ihm zu schulden war. Er war es, der Westerfeld hatte festnehmen lassen, der die Anzeige gegen den Zivilisten erstattet hatte. Cavin hätte wohl beide Augen zugedrückt. Er hätte dies auch tun können. Aber er hatte getan, was richtig war. Was nun einmal erforderlich gewesen war. Dennoch empfand er keine Freude als er, fein heraus geputzt in seiner Galauniform, durch die Gänge des Hauptquartiers in Richtung des Gerichtssaals schritt. Er hegte keinen persönlichen Groll gegen Westerfeld. Was es ihm an Genugtuung hätte verschaffen können, den Mann für seine Befehlsverweigerung zu strafen, war bereits aufgebraucht. Hier nun nahmen schlichtweg die Dinge ihren planmäßigen Lauf. Und er würde sein Bestes tun, sie dabei zu unterstützen. Er hatte keinerlei Bedürfnis, Westerfeld zu demontieren, ihn so schlecht wie irgend möglich darzustellen. Aber er würde die Wahrheit sagen. Die ungeschönte, ungekürzte Wahrheit. Was damit angestellt wurde lag dann nicht mehr in seinen Händen.
Ein Offizier, ebenfalls in Galauniform, erwartete ihn bereits, nahm ihn in Empfang. Man hatte ihm gesagt, dass er als einer der ersten auszusagen hatte. Das war Nick nur recht so. Dann hatte er es rascher hinter sich. Nach außen hin gab er sich ruhig, reichte dem Offizier die Hand, wechselte einige freundliche Worte mit diesem, als er ihn in den Saal führte. Innerlich begann er jedoch, aufkommende Nervosität zu spüren. In all den Jahren beim Militär hatte er noch nie vor einem Gericht aussagen müssen.

Natalia hatte sich am frühen Morgen schon etwas besser gefühlt, zumindest gut genug um alleine das Bad ihres Krankenzimmers aufzusuchen. Da kam sie das erste mal wieder dazu sich ordentlich die Zähne zu putzen, der Blick in den Spiegel tat jedoch weh... sie sah furchtbar aus... die Haare zerzaust, immer noch etwas zu blass... schrecklich.
Sie fühlte sich ein wenig zu überschlafen... so verbrachte sie den Vormittag damit den Fernseher in dem Zimmer in Gebrauch zu nehmen, dazu verabreichte man ihr im Laufe des Morgens noch eine Infusion mit einer Lösung durch welche sie sich rasch wesentlich fitter fühlte.
Das Essen im Militärkrankenhaus war nie wirklich gut gewesen und das bestätigte sich der Offizierin auch gegen Mittag, doch es war die erste richtige und feste Mahlzeit seit Missionsbeginn auf dem Schiff. Ravioli mit Fleischfülle und Tomatensauce... sie verschlang zwei Portionen regelrecht.
Immer wieder ging ihr durch den Kopf was Westerfeld sie Gestern noch gefragt hatte... dieser verdammte Dummkopf. Er konnte froh sein, wenn sie ihn nicht einsperren oder irgendwo in die Wildnis verfrachten würden und dann sowas... Vielleicht sollte sie ebenfalls gegen ihn aussagen, im negativen Sinne. Damit sie ihn so lange Scheiße schaufeln lassen, bis er wieder halbwegs klar bei Verstand werden würde.
Zumindest konnte sich die First Lieutenant noch ablenken bis der Abend der Anhörung immer näher kam. Zeitlich genug konnte ihr ein Rekrut des Sanitätszuges ihre Uniform aus den Quartieren besorgen, es war nämlich langsam an der Zeit sich fertig zu machen.
Da sie hier sehr hohen Offizieren und eines Angehörigen des Generalstabes gegenüber saßen galt es sich herauszuputzen, da war die Anzugsuniform die einzige Wahl.
Man hatte ihr noch ein paar Tabletten gegeben, sie fühlte sich soweit eigentlich ganz gut... es würde sicherlich alles gut gehen.
Säuberlich zog sie sich die Uniform an, etwas Puder und Rouge half ihr dabei die leichte Blässe in ihrem Gesicht zu verdecken... die militärische Kopfbedeckung, das Schiffchen... anscheinend musste sie sich damit zufrieden geben, ihr schwarzes Barett hatte man ihr nicht gebracht.
Dann war es langsam soweit und ein Sanitäts Sergeant des Militärkrankenhauses begleitete sie zum Flügel des Generalstabes, bis vor die Tür des Saales des Militärgerichts.
"First Sergeant, schön sie zu sehen.", begrüßte sie Nick Fendring als sie dort ankam und ihn sah. "Haben die schon was von sich hören lassen? Ich schätze mal Eames wird als Beschuldigter als erstes aussagen müssen."

Die Krise kam so ungefähr zwei Stunden vor der Anhörung. Irgendwann um neun Uhr morgens war James wieder bei ihm aufgetaucht und hatte ihm gesagt, wie er sich gefälligst anzuziehen hatte und was er um Himmels Willen alles nicht sagen sollte.
DA hatte Eames noch gelacht und seinen älteren Bruder damit aufgezogen, dass der ja nervöser war, als er selbst.
Doch im Laufe des Tages wurde auch er selbst nervöser. Und irgendwie aus Respekt schmierte er sich mit der Creme ein, die ihn vor UV-Licht schützen sollte. So musste er lediglich die Sonnenbrille anziehen, aber das ... naja, das mussten die anderen dann halt respektieren.
Er machte sich schick, zog sich korrekt an und schob zwei Stunden vorher dann doch noch gehörig die Krise.
Als es dann losging, musste er doch mehrmals tief durchatmen. Er wurde aufgefordert, die Situation zu schildern und seine Beweggründe zu erklären.
Sein Bruder wartete draussen und das beruhigte ihn ein wenig.
"Nun. Es war nie meine Intention dem Trupp zu schaden. Es war eine unüberlegte Tat von meiner Seite. Die Situation wurde für uns zunehmend schlechter, es gab Verletzte und der Druck der Feinde war hoch. Ich habe gehofft, den Feinden in den Rücken fallen zu können und sie zu dezimieren und vom Trupp abzulenken. Das war eigentlich meine Intention. Ich wollte weder desertieren, noch dem Trupp schaden."

"Er sollte bereits dort drin sein. Aber wie das Verfahren ablaufen wird... fragen sie mich nicht, First Lieutenant", gab Nick alles, was er wusste, zur Auskunft, "Mich hat man gebeten zu warten, bis ich aussagen soll. Man würde mich dann rein rufen, hieß es." Ob es viel brachte, das war freilich dahin gestellt. Seine Aussage würde wenig Neues zu Tage bringen. Schließlich war er es, der den Vorfall gemeldet hatte und er gedachte nicht, etwas anderes zu berichten, als er ohnehin bereits berichtet hatte. Mehrfach. An so ziemlich jede erdenkliche, interessierte Stelle. Mit Cavin im Krankenflügel war es ihm zugefallen, den Einsatzbericht anzufertigen. Und da hatte selbstverständlich auch Westerfelds Fehlverhalten nicht gefehlt. Insofern: was er zu sagen hatte, damit sollte dort drin im Grunde jeder bereits vertraut sein. Dennoch war es Nick nicht unrecht, dass er eine Ausrede hatte, noch nicht im Saal zu sein. Er war sich nicht sicher, ob er Westerfeld in die Augen sehen wollte. Das wenige, was je an kameradschaftlicher Bindung zwischen ihnen bestanden haben mochte, war durch den Vorfall gründlich zerrüttet.
"Aber wie geht es ihnen denn inzwischen, First Lieutenant", wechselte er, auch um die unangenehmen Gedanken zu vertreiben, das Thema. Fragte das Naheliegende. Und das, was ihn im Moment brennender interessierte, als der Prozess. Westerfelds Zukunft war ihm alles in allem relativ gleich. Aber Cavin war – ganz gleich was für ein Grünschnabel sie sein mochte – ihre Offizierin.

Nach der Ankunft schickte sie den Sanitäts Unteroffizier wieder zurück, ihr ging es soweit ganz gut und sie brauchte keinen Aufpasser der ihren Zustand überwachte.
"Wird schon werden, First Sergeant. Aber danke der Nachfrage... diese Angelegenheit hier runterbiegen, dann noch ein paar Tage Ruhe und ein paar Medikamente und ich bin sicher für neue Schandtaten bereit.", antwortete sie daraufhin. "Dann schauen wir mal was mit unserem Freund passiert... die Sache schwebt ja über ihm wie das Schwert des Damokles.", meinte sie recht leise, wandte sich der Bank zu welche neben der Tür zum Anhörungssaal stand und setzte sich vorerst einmal.
Im Inneren des Saales hatte man Westerfeld bereits befragt wie seine Sicht der Dinge aussah. Der Vorsitzende Lieutenant General Oliver Bale, ein älterer Offizier des Generalstabes um die 50, schaute dabei ein wenig gelangweilt wirkend und blickte immer wieder zur Seite um zu sehen wie eine junge Unteroffizierin, vermutlich seine Schreiberin, mitschrieb was im Saal gesprochen wurde.
Schütteres Haar, ein wohl mit Wachs gepflegter, grauschwarzer Oberlippenbart und eine schmale Brille zeichneten den Lieutenant General aus... wie sein Gemütszustand jedoch war ließ sich nicht sagen.
Bale nickte nach den Worten von Eames lediglich und schaute noch einmal auf das Protokoll... "Gut... Mister Westerfeld? Setzen sie sich bitte wieder. Sie bekommen falls nötig am Schluss der Verhandlung noch einmal die Möglichkeit der Verteidigung. Als nächstes hören wir First Sergeant Nicolas Fendring.", kündigte der Lieutenant General an und ließ Fendring draußen ausrufen.

So. Nun würde derjenige kommen, der ihm das alles eingebrockt hatte. Westerfeld nickte noch einmal kurz und setzte sich dann hin.
Von nun an konnte er nur noch zuhören und das war ihm fast noch mehr zuwider, als selbst zu reden.
Neben ihm sass sein Anwalt, der die Situation natürlich auch genau beobachtete. Vor sich hatte er einen Notizblock, worauf er sich mit einem edlen silbernen Kugelschreiber Notizen machte.

"Dieses Schwert hat er selbst über seinem Schädel platziert...", erwiderte Nick, doch ehe er seine Position weiter ausführen konnte würde die Tür des Gerichtssaals geöffnet und ein Adjutant bat ihn hinein. Er verabschiede sich mit einem Nicken von Cavin, die inzwischen auf einer Bank Platz genommen hatte, und betrat den Gerichtssaal. Unwillkürlich versteifte er seine Haltung beim Anblick dessen, was ihn dort erwartete. Ein Haufen Uniformen mit noch mehr polierten Rangabzeichen und Auszeichnungen. Auf eine merkwürdige Art und Weise fühlte er sich an den Offiziersball erinnert. Und auch der hatte ihm bereits wenig gefallen. Den Blick geradezu krampfhaft geradeaus haltend trat er in den Zeugenstand, salutierte. Westerfeld konnte er für den Moment nicht entdecken, der musste irgendwo zu seiner Seite sitzen. Oder in seinem Rücken. Nick versuchte jedoch gar nicht erst, sich nach dem Zivilisten umzusehen. Er legte keinen Wert darauf, Blickkontakt mit diesem aufzunehmen.
Der Lieutenant General richtete das Wort an ihn, bat ihn zuerst, seine Identität zu bestätigen, was Nick tat. Ebenso gelobte er, die Wahrheit zu sprechen. Dann wurde er gebeten, von besagtem Vorfall zu berichten. Nick kam dieser Aufforderung nüchtern und sachlich nach. Er verzichtete auf jegliche Schnörkel oder persönlichen Einschätzungen, gab sich jedoch Mühe, kein noch so kleines, womöglich relevantes Detail zu vergessen. Kurz fasste er das Zusammentreffen mit der Schiffs-KI zusammen, das Update ihrer Software, die Unterstützung durch die Verteidigungssysteme. Dann berichtete er über die Situation, in der Westerfeld desertiert war. Wie die Dalgan das Schiff attackiert hatten. Wie sie defensive Position bezogen hatten. Und wie Westerfeld dann mit einem mal davon gestürmt war. Dass sowohl die First Lieutenant als auch er selbst dem Mann nachgerufen hatten, er sie jedoch ignoriert hatte. Und wie Westerfeld sich schließlich wieder bei ihnen gemeldet und sie ihn hatten heraus hauen müssen. Immer wieder stellte der General Lieutenant kleine, kluge Zwischenfragen. Ob sie unter Beschuss gestanden hatten, als der Angeklagte davon gerannt war, was Nick verneinte. Ob sie ihn ausdrücklich aufgefordert hätten, zurück zu kommen, was er bejahen konnten. Nach quälenden zwanzig Minuten, die dem First Sergeant viel länger erschienen hieß es schließlich: "Vielen Dank, First Sergeant Fendring. Wir haben keine weiteren Fragen mehr an sie. Bleiben sie aber in der Nähe des Saals, sollten wir sie noch einmal herein rufen müssen."

"Und dann als Letztes die Offizierin und Leiterin des Trupps im Einsatz, First Lieutenant Cavin Natalia.", sprach der Vorsitzende Lieutenant General und ließ die Offizierin ausrufen...
Kurz darauf trat Natalia ein und schloss die Tür hinter sich wieder, allein der Blick auf das versammelte Militärpersonal ließ die First Lieutenant kurz schlucken. Jetzt hieß es sich nichts anmerken zu lassen, ihre Sicht der Dinge zu erzählen und dann sehen was passieren wird. Am Ende würden sie einfach einen Block hier rein schieben, Westerfelds Kopf darauf platzieren und ihm an Ort und Stelle die Rübe abschlagen...
So begab sie sich nach Vorne zum Zeugenstand und salutierte vor den Anwesenden auf. "First Lieutenant, sie wissen sicherlich warum sie hier sind und wir danken ihnen für ihr kommen trotz ihrer erst kürzlich erfolgten Verletzung. Wir würden uns jetzt sehr über ihre Aussage freuen...", forderte Lieutenant General Bale sie auf. Sie zögerte noch kurz, dachte über ihre Worte nach und nickte schließlich. "Natürlich. Es war alles in allem eine sehr schwierige Aufgabe welche wir an Bord der USM. Olympus zu erfüllen hatten... So erhielten wir zahlreichen Widerstand und hatten schließlich auch mit einem Eingreifteam der Dalgan zu tun. Wir hatten keine Übersicht auf das Deck und konnten nicht feststellen wie es um die Feindstärke stand... Um es völlig unverblümt zu sagen, die Aktion von Eames Westerfeld war unangebracht, unüberlegt und brachte einen Teil des Teams in eine signifikante Gefahrensituation. Zudem zeigte er Befehlsverweigerung was das Ganze wohl ziemlich eindeutig macht...", erklärte Natalia und ließ jene Worte kurz wirken. Ihr Blick fiel dabei kurz zu Eames, bevor sie ihre Aufmerksamkeit jedoch wieder den Vorsitzenden zuwendete.
"Aber... was an dieser Stelle auch gesagt werden muss... Eames Westerfeld hat mit seiner Tat dennoch großen Mut vor uns und vor allem vor dem Feind gezeigt. Er bezog eine taktisch sehr wertvolle Position und lieferte uns Informationen über Feindanzahl und Positionen. Sein Handeln war in meinen Augen zwar das eines Narren, aber ebenso selbstlos nur um uns einen Vorteil zu verschaffen. Zudem... nach dem was ich persönlich als Leiterin der Truppe im Einsatz gesehen habe so ist Westerfeld, auch wenn er der vereinten Division nicht angehören mag, ein dennoch herausragender Soldat und eine schlagkräftige Unterstützung unserer Truppe... und so will ich ihn was mich betrifft als Soldat, als Kamerad und auch als Freund nicht mehr missen...", sprach sie mit deutlich erhobener Stimme und beendete damit ihre Aussage vor dem Militärgericht.
Kurz herrschte Schweigen, Lieutenant General Oliver Bale rieb sich kurz über den Bart und schaute dann zur Seite wie seine Schreiberin alles zusammenfasste.
"Nun gut, danke für ihre Aussage, First Lieutenant. Eames Westerfeld? Bevor meine Kollegen, ihr leitender Colonel Enlay und ich selbst sich zur Urteilsberatung zurückziehen... möchten sie abschließend noch etwas sagen?"

Eames erhob sich daraufhin noch einmal.
"Ich bedanke mich bei allen für ihre Aussagen", sagte er lediglich und setzte sich dann wieder.
Er wollte nicht noch weiter diskutieren oder sich für irgendetwas erneut rechtfertigen.

Kamir war angeschossen worden. Rasch setzte Myra ihre Unterschrift auf die Gute-Besserung-Karte und steckte sie dann in ihren Umschlag zurück. Die Anhörung musste eigentlich grade im Gange sein. Aber irgendwie hatte sie sich nicht dazu aufraffen können dem Gericht beizuwohnen. Man hatte sie nicht um ihre Aussage gebeten und einfach nur so hinzugehen hätte sich falsch angefühlt. Als wäre sie ein Geier, der über einem Stück Aas kreiste.
Mit einer Hand griff Myra nach der Tasse mit dem frischen Kaffee. Es schien niemand im Quartier zu sein, weswegen sie die Beine auf einen der anderen Stühle gelegt hatte. Ihre Eltern sandten immer noch täglich die Talon-Post zu ihr, egal wie oft sie beteuerte, dass sie sich selbst eine Zeitung leisten konnte. Kein Wort vom Einsatz der Recon. Natürlich nicht. Vorher war es ihr nie aufgefallen, aber die Recon wurde so gut wie nie erwähnt.
Nun, natürlich wurde die Sektion 2 auch nur dann erwähnt, wenn es unbedingt sein musste. Wenn etwas so spektakulär gelungen oder misslungen war, dass sich ihre Anteilnahme einfach nicht mehr verschwiegen ließ. Mit einem Seufzen griff Myra nach dem Datapad mit ihren Emails. Wahrscheinlich sollte sie ihren alten Kollegen etwas schreiben. Ob wohl Zeit blieb mit der Truppe einen trinken zu gehen?
Aber das war eine dumme Idee, nicht wahr? Die hätte eine Menge zu erzählen und Myra würde den ganzen Abend abwechselnd zuhören und abwimmeln müssen. Ihre Beförderung zur Recon hatte sich rumgesprochen und die meisten interessierten sich brennend dafür, was die Recon den lieben langen Tag so tat. Erneut seufzte Myra und widmete sich wieder Zeitung und Kaffee. Zeitung und Kaffee waren einfach.

Der Lieutenant General schaute Westerfeld noch ein wenig an und tippte dabei mit seinem Kugelschreiber auf einigen Unterlagen herum, vermutlich hing er in Gedanken bereits bei seiner Meinung zu der ganzen Sache. "Wenn sie nichts mehr beizutragen haben, dann ziehen wir uns nun kurz zur Besprechung zurück. Bitte warten sie alle derweil hier.", sprach Bale und erhob sich anschließend mitsamt den anderen Offizierin, inklusive Colonel Enlay.
Schließlich saßen sie alle da... niemand sagte etwas und das einzige was sich bewegte waren die Minuten auf der digitalen Anzeige der Uhr an der Wand.
In Wirklichkeit war es nicht sonderlich lange gewesen, gerade einmal eine Viertelstunde warteten sie, doch es erschien einem wie eine halbe Ewigkeit... und auch wenn Natalia nur als Zeugin ausgesagt hatte und nicht die Angeklagte war, stieg auch in ihr die Nervosität. Die Folge war, dass sie abwechselnd auf ihren Daumen herum knetete...
Sie konnte nicht sagen wie es Eames erging... auch wenn sie immer wieder kurz zu ihm blickte.
Schließlich hob sie aber den Blick wieder und sie alle waren dazu angehalten für die Urteilsverkündung aufzustehen. Lieutenant General Bale legte seine Unterlagen auf dem Tisch ab, räusperte sich kurz und wandte sich dann an die Versammelten.
"Wir danken für ihre Geduld... Der Offiziersstab, mit Unterstützung von Colonel Enlay ist zu folgendem Urteil gekommen. Eames Westerfeld, ich denke jedem hier ist bewusst, wie naiv und unangebracht ihre Tat war, so selbstlos und mutig das ganze am Ende auch sein mag. Ihre Absichten dahinter leuchten uns ein, sie wollten ihrem Team helfen und einen taktischen Vorteil verschaffen, trotzdem haben sie es nicht bedacht und ihre Kameraden damit in Gefahr gebracht. Uns wurde erklärt, sie wären ein guter Soldat und sie können das auch weiterhin beweisen, denn die Arbeit des Teams Alpha der Outcast Recons soll laut Colonel Enlay noch nicht vorbei sein. Ich verurteile sie daher zu weiterem aktiven Dienst in der Outcast Recon in ihrer bisherigen Einheit. Sollte die Truppe irgendwann aufgelöst werden, erwartet sie ein Zivilverfahren um eine weitreichendere Strafe für sie festzulegen. Hiermit erkläre ich diese Sitzung für geschlossen.", verkündete ihnen der Lieutenant General, bevor sich er, der Offiziersstab und seine Assistenten langsam zurückzogen.
So trat Natalia nach Draußen in den Gang, schlug die Arme über den Kopf und atmete erst einmal tief durch. Jetzt war sie aber auf Eames Gesicht und Aussage dazu gespannt... aber so richtig...