GQ - [Die MSG]

Verständnislos schüttelte Eve den Kopf. Gut, es war wahrscheinlich der Jugend der Katzenfrau geschuldet, dass sie diesen Fehler beging, aber dennoch...
"Wollt Ihr wirklich ein gespanntes Seil mit euch tragen müssen? Eine Nacht reicht bei Weitem nicht, um das Fleisch zu trocknen und wir können hier nicht warten, bis es fertig ist. Wir sollten es braten oder Räuchern, das geht schneller. Wenn wir Salz hätten wäre selbst Pökeln noch eine bessere Wahl."
Bei der letzten Konservierungsart verzog sich ihr Gesicht und auch ihre Stimme lies anmerken, dass sie diese Art Fleisch haltbarer zu machen alles andere als gern hatte. Um jedoch nicht nur zu kritisieren, wandte sie sich noch während sie redete bereits einem nahen Gebüsch zu, um dort einen langen, stabilen Ast zu finden, mit dessen Hilfe man das Fleisch würde garen können.

Sie brieten so viel von dem Fleisch, wie sie gar bekamen ehe das Feuer erlosch und sie sich zur Nachtruhe begaben. Es war genug, um sämtliche ihrer Taschen zu füllen und zumindest für ein paar Tage würden sie sich keine Sorgen mehr um ihre Verpflegung machen müssen. Die Reste, die sie tatsächlich zurück lassen mussten, waren überraschend gering, beinahe vernachlässigbar.
Am nächsten Morgen brachen sie früh auf und setzten ihren Weg durch das Hochland fort. Das Wetter meinte es gut mit ihnen, sandte ihnen eine angenehm kühle Brise, aber der Weg war trotz allem anstrengend. Wie eine staubige Schlange wand er sich über Hügelkuppen und durch Täler, mal breit genug, dass man zwei oder drei Karren hätte nebeneinander fahren können, dann wieder so schmal, dass sie einer hinter dem anderen marschieren mussten. Aldreds Einschätzung, dass sie den Irven in zwei Tagen erreichen konnten, erwies sich rasch als zu optimistisch. Am Abend des zweiten Tages war der Fluss noch nicht einmal in der Ferne zu sehen. Tatsächlich brauchten sie einen Gutteil des dritten Tages, bis sie endlich einen Kamm erklommen, von der aus sie sehen konnten, wie das Hochland zum Fluss hin abfiel. Wie eine silbrige Schlange schnitt er in vielleicht einem halben Dutzend Meilen Entfernung durch die wogenden Grasebenen. Und jenseits – düster und weiter, als der Blick selbst von hier oben aus trug – erstreckte sich der Nachtholzwald.
Sie entschlossen sich, Rast einzulegen und den Weg bis zur Brücke am nächsten Morgen zurück zu legen. Der Weg war nun angenehmer, gut ausgetreten und leicht abschüssig. Sie mochten vielleicht eine Meile vom Irven entfernt sein, als Aldred plötzlich inne hielt und die Ohren spitzte. Er hatte ein Geräusch vernommen, etwas weit entferntes, das doch selbst hier noch deutlich im Wind hallte. Ein Geräusch, das er aus tausenden heraus erkannt hätte. Der helle Klang von Stahl auf Stahl.
"Hört ihr das?", fragte er in die Runde und sprintete, ohne eine Antwort anzuwarten, eine nahe Anhöhe hinauf um einen besseren Blick zu bekommen. Was er erblickte ließ ihm den Atem stocken. Auf der Brücke über den Irven drängten sich dicht an dicht Gestalten und zumindest jene auf dem jenseitigen Ufer waren unverkennbar. Nachtschwarze Rüstungen, nachtschwarze Klingen, nachtschwarze Schilde. Die Heerschar war ihnen wieder einmal zuvor gekommen.
Die Verteidiger waren ein Haufen von vielleicht sechs oder sieben Dutzend Gestalten, die Aldred nicht genau erkennen konnte. Doch er konnte sehen, dass sie schwer beladene Wägen mit sich führten, dass sie Vieh bei sich hatten und dass die wenigsten von ihnen Kämpfer waren. Vielleicht ein Drittel von ihnen stemmte sich auf der Brücke der schwarzen Flut entgegen, der Rest dagegen schien sich auf der Flucht zu befinden, ein Strom kleiner, hastender Gestalten, wie Ameisen, die aus einem zerstörten Bau strömten, der vermeintlich Sicherheit des Hochlands und der Hügel entgegen.
"Evelynn! Amun'Raak!", rief er die Kämpfer der Gruppe zu sich, "Seht euch das an!"

"Ich sehe es", bestätigte Amun. Denn er sah es genau. Den Schweiß, der aus den Poren der Verteidigern strömte. Die unnatürlich ruhigen schwarzen Krieger. Den Staub auf der Brücke. Das Wasser, das gegen die Stützpfeiler brandete. Die dünne Algenschicht auf den Pfeilern. Das Auge auf Amuns Stirn war wieder weit aufgerissen, bis sich der Avior schüttelte und nieste. Mit einem Kratzen am Schnabel wandte sich Amun zu Aldred um.
"Aber verstehe ich nicht. Die Schwarze Heerschar kann fliegen. Wie in den Wolkenbergen jene. Keinen Grund gibt es, sich von einem Fluss aufhalten zu lassen. Zu Schatten können sie werden. Den Fluss könnten sie einfach überqueren. Aber tun sie es nicht. Warum? Auf der anderen Seite des Flusses liegt unser Ziel, heh?"

Das waren eine Menge Fragen, die Amun'Raak da stellte. Und Aldred war mit Sicherheit der Falsche, um sie zu beantworten. Es gab vieles, was er ebenfalls nicht verstand. Aber manchmal war es auch besser die Dinge nicht zu hinterfragen. Manchmal waren die Antworten auch ganz einfach. Die Schwarzen in den Wolkenbergen hatten Flügel gehabt und sie waren die einzigen gewesen, bei denen sie dieses Merkmal bisher beobachtet hatten. Vielleicht waren sie... eine andere Rasse? Wichtig war doch nur, dass diese hier nicht fliegen zu können schienen.
"Sie scheinen jedenfalls diese Brücke zu wollen, oder?", gab Aldred pragmatisch zu bedenken, "Und wir werden sie auch brauchen, wenn wir dort rüber wollen. Und wir müssen diesen Leuten helfen, nicht?"

"Die Brücke, ja. Oder die Leute", stellte Amun fest. Der Federkranz um den Hals des Avior stellte sich auf. Die goldenen Tupfer schimmerten ein wenig im Sonnenlicht als er die Flügel ausbreitete. Dann würde es wohl zu einem Kampf kommen. Mal wieder. Wenigstens waren sie satt und hatten eine gut zu verteidigende Position. Das hatte ihnen bisher immer geholfen die Schwarze Heerschar wenigstens ein bisschen aufzuhalten. Auch damals in der Bibliothek.
"Verteidigen sollten wir dann helfen, ja? Werden sonst überrannt. Sind müde. Die Verteidiger."
Der Avior schnallte den Speer von seinem Rücken. Wenn diese hier nicht fliegen konnten, dann war er wieder im Vorteil. Das war gut.

Evelyn waren diese Fremden, die dort unten um ihr Leben und das ihrer Familien kämpften, ziemlich egal. Unter anderen Umständen, ohne den Auftrag der Götter, hätte sie ihnen geholfen, um sie von Zyn und Wujan zu überzeugen. Doch das war jetzt unwichtig. Dennoch griff sie kampfbereit ihre Hellebarde. Sie brauchten diese Brücke. Und sie entwickelte langsam durchaus ziemlichen Hass auf die schwarzen Ritter.
"Stehen wir ihnen bei und drängen die Schwarzen zurück", meinte sie daher grimmig.

Damit war es wohl beschlossene Sache. Und was blieb ihnen auch anderes übrig? Davon laufen, ihr Glück etliche Meilen flußauf- oder flußabwärts versuchen und dabei vermutlich ohnehin von den verfolgenden schwarzen Reitern angegriffen zu werden? Das waren keine Optionen. Nein, es war wohl wieder an der Zeit, die Helden zu spielen. Auch wenn es Aldred so gar nicht schmeckte, erneut kämpfen zu müssen. Die Erinnerungen an die letzten Zusammenstöße waren zu frisch. An die Wunden, die sie davon getragen, an das Blut, das sie vergossen hatten. An die Toten, die sie zurück gelassen hatten. Er war so müde. Am Liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen, sich eine Höhle in den Bergen gesucht und dort gewartet, bis dieser Sturm vorüber war. Aber dieser Sturm würde nicht vorüber gehen, wenn sie ihn nicht aufhielten.
Aldred nahm den Schild von seinem Rücken, zurrte ihn am Arm fest und zog dann den Hammer aus der Geisterstadt und Kilath aus seinem Gürtel. Dann setzte er sich in Bewegung, den Hügel hinab, erst langsam, dann jedoch rasch in Laufschritt verfallend. Wenn sie helfen wollten, dann durften sie keine Zeit verlieren. Flüchtende aus der Gruppe an der Brücke kamen ihnen entgegen, Frauen mit Säuglingen in den Armen und weinenden Kindern an der Hand, Greise, die sich mühsam vorwärts schleppten. Manche riefen ihnen Warnungen zu, andere flehten darum, ihnen zu helfen, den Kämpfern an der Brücke beizustehen. Es dauerte einen Moment, bis Aldred realisierte, dass sie keine Menschen waren. Langgezogene Gesichter, Hörner auf der Stirn. Er hätte nicht sagen können, dass er jemals solche Kreaturen gesehen hätte und er war auf seinen Reisen auf einige Rassen getroffen. Aber was zählte es im Moment? Sie kämpften gegen die Schwarze Heerschar. Zumindest für den Moment machte sie das zu ihren Verbündeten.

Neythani nahm ihren Speer fest und folgte Aldred. Sie hatte solche Wesen auch noch nicht gesehen. Aber das war derzeit nicht wichtig, wichtiger war die Schwarze Heerschar. Und die mussten sie nun erstmal bekämpfen. Sobald sie die Brücke frei gekämpft hatten, würden sie sich mit diesen Wesen beschäftigen und später weiter nach Norden wandern, um den Tempel von Luhane zu suchen.

Die Waffe fest in der Hand, in dem Bewusstsein, dass ihr Schwert an ihrer Seite hängt, folgte die Priesterin dem Schmied. Dieses fremde Volk wirkte, als würde es etwas Hoffnung schöpfen, als seine Kämpfer Verstärkung erhielten. Die Verteidiger waren zu sehr damit beschäftigt, die schwarzen Ritter aufzuhalten, dass sie die Gruppe nicht sofort bemerkten. Erst, als Eve sich energisch zwischen sie drängte, machten sie überrascht, aber dankbar Platz. Ein Stoßgebet zu Zyn sprechend stieß sie mit ihrer Waffe nach vorne, mitten in die schwarzen Ritter hinein. Auf der Brücke war es eng. Nicht die perfekte Lage für ihre Hellebarde, aber besser als in noch begrenzteren Räumen in Gebäuden. Die Waffe stieß auf Widerstand und ein Gegner war zumindest verwundet. Mit einem grimmigen Lächeln setzte sich noch einmal nach.

Von oben sah die Schwarze Heerschar aus wie ein angreifendes Ameisenheer, das sich eng um den Eingang zur Brücke drängte. Ein paar Meter ließ Amun sich fallen, bevor die gewaltigen Schwingen wieder die Luft einfingen. Es war verlockend Magie gegen die Schwarzen zu richten, aber so dicht gedrängt wie der Kampf auf der Brücke war, war es schwierig richtig zu zielen. Außerdem konnten Schäden an der Brücke entstehen. Und die brauchten sie noch. Wobei er wahrscheinlich stark genug war, um wenigstens die leichteren der Gruppe über den Fluss zu bringen. Aldred war definitiv zu schwer, aber Finn und Neythani würde er tragen können. Amun ließ sich noch ein paar weitere Meter fallen. Das war das seltsame an Landgehern. Die schwarze Heerschar wusste, dass er fliegen konnte. Und ein paar Bogenschützen hielten sich bereit. Aber er konnte sie doch genau sehen. Warum sollte er sich in deren Schussreichweite begeben? Andererseits konnte er so auch nicht helfen. Blitze zuckten um die Arme des Avior. Die Bogenschützen standen zwar auf der Brücken, aber was sollte er tun? Er konnte doch nicht einfach hier oben bleiben und die anderen sterben lassen.
Ein einzelner Blitz schlängelte sich aus dem Himmel und schlug in den Bogenschützen ein. Ohrenbetäubender Donner brandete über die Schlacht hinweg und übertönte einen Moment lang sogar die Geräusche des Kampfes. Aber von den Bogenschützen war nichts mehr übrig. Amun legte die Flügel an und vollführte einen Sturzflug.

Als sie die Brücke erreichten war der Schildwall der verteidigenden Kreaturen bereits bis zum Zerreissen gespannt. Mit Müh' und Not brachten sie noch genügend stehende Männer auf, um eine Linie zu bilden und die Schwarzen aufzuhalten. Eine hart bedrängte Linie, die jederzeit zu zerreissen bereit schien. Ihre Ankunft war dringend benötigter Entsatz. Aldred drängte auf der Mitte der Brücke vorwärts und bekam bereitwillig Platz im Schildwall gemacht. Er war es nicht gewohnt, in Formation mit anderen zu kämpfen, war im Grunde seit jeher ein Einzelkämpfer gewesen. Aber er besaß genügend taktisches Verständnis, um zu erkennen, dass es fatal gewesen wäre, wäre er weiter vor gedrungen. Für den Augenblick zumindest war es besser, defensiv zu bleiben und die Schwarzen sich an ihrer Mauer aufreiben zu lassen. Er lenkte eine Klinge mit seinem Hammer ab, trieb den Schwarzen mit einem Schildstoß zurück und beeilte sich dann, den Wall wieder zu schließen.
Ein Blitz zuckte vom Himmel herab, schlug mitten zwischen den Schwarzen ein. Aldred zuckte zusammen, kauerte sich instinktiv hinter seinem Schild zusammen. Aber er hielt die Stellung. Nicht zurück weichen! Nicht nachgeben. Der Blitz hatte ihnen nicht viel erkauft, ein paar Herzschläge des Verschnaufens, als beide Seiten überrascht von ihren Angriffen abließen, ein paar Mann weniger auf Seiten des Feindes. Aber auch die Heerschar machte keine Anstalten, zu brechen.
Und dann fiel Amun'Raak vom Himmel her über die Schwarzen her. Noch mehr Verwirrung entstand, noch mehr Zögern. Und irgendwo im Schildwall erklang eine tiefe, kehlige Stimme: "Jetzt! Vorwärts, Brüder! Schiebt!"

Den Ruf ließ sich Eve nicht zwei Mal sagen. Mit einem gewaltigen Hieb - ein Glück, dass diese Brücke keine Decke hatte - fuhr die Hellebarde wie eine Axt in einen unachtsamen Feind, der gefällt zu Boden fiel. Die Ordnung der Angreifer zerbrach mehr und mehr und Eve schonte sich nicht, als sie half den Gegenangriff nach vorne zu tragen. Ihre Hellebarde durchspießte einen weiteren Feind und blieb stecken. Ein Ruck befreite sie wieder, doch der Moment genügte, um einen anderen Gegner auf die Waffe schlagen zu lassen. Eve verlor den Griff und zog gleich darauf ihr Schwert, während die Stangenwaffe zu Boden fiel. So einfach würde sie sich nicht entwaffnen lassen, dachte sie mit grimmiger Entschlossenheit und rückte direkt weiter vor.

"Schiebt!", rief die Stimme noch einmal und der ganze Schildwall bewegte sich vorwärts, rückte vor wie ein einziger Mann. Überlappende Schilde pressten vorwärts, drückten, stießen und wer nicht hastig zurück wich, der ging zu Boden. Aldred musste sich Mühe geben, nicht abgehängt zu werden, nicht aus dem Takt der Gehörnten zu fallen und ihren Wall geschlossen zu halten. Wer auch immer diese Kreaturen waren, sie waren ohne Zweifel disziplinierte Soldaten.
"Schiebt!", erklang es zum dritten mal und Schritt für Schritt arbeitete der Wall sich vorwärts bis die Schlachtordnung der Schwarzen, eingeklemmt zwischen den vorrückenden Schildträgern und ihren eigenen, nachrückenden Kameraden, sich vollends in Wohlgefallen auflöste. Chaos entstand, ein wildes Gewirr aus Leibern und Klingen, Körper taumelten, stürzten.
"Jetzt!", rief die Stimme und mit einem mal löste der Schildwall sich auf. Was zuvor wie ein Mann gewesen war, zerfiel nun in viele, die mit Speer und Beil über die überrumpelten Schwarzen her fielen.

Neythani hatte sich mit in die Reihe gestellt und den ein oder anderen Schwarzen Krieger mit ihrem Speer erstochen. Die anderen Krieger hatten die Schwarzen Krieger zurück gedrängt und nun schlugen sie mit ihren Waffen auf diese ein.

Auf der Brücke herrschte bereits das reine Chaos, aber Amun gab sich trotzdem redliche Mühe das Chaos auf seiten der Schwarzen Heerschar noch zu verstärken. Wahrscheinlich tötete er keinen der Gegner, aber es drehten sich immer ein paar zu ihm, wenn er wieder herabstieß. Und das konnten die Kämpfer auf dem Boden hoffentlich nutzen. Ein Moment der Ablenkung mochte ausreichen, damit einer der Feinde getötet wurde. Durch wessen Hand war am Ende doch egal. Wichtig war nur, dass sie überlebten, nicht wahr? Flatternd fing Amun einen weiteren Sturzflug ab. Ein paar der Gegner hatten wieder Bögen zur Hand genommen. Und sie hatten sich etwas weiter hinten verteilt, wohl um nicht noch einmal einem Blitzschlag zum Opfer zu fallen. Ein paar schwarze Pfeile flogen in seine Richtung, aber sie fielen ein gutes Stück unter ihm wieder in Richtung Boden. Aber so konnte er nicht wieder an dem Kampf teilnehmen. Der Avior blieb einen Moment lang in der Luft stehen und sah sich um. Sie waren hier an einem Fluss. Jeder Fluss hatte Steine. Und Steine konnte man fallen lassen. Das war weder besonders zielgerichtet, noch sonderlich effektiv, aber es war immerhin etwas. Amun drehte sich in der Luft und setzte deutlich außerhalb der Reichweite der Bogenschützen zum Landeanflug an.

Eve war nicht gewohnt, in derart dichten Kämpfen zu stehen. Priesterinnen der Zyn waren Einzelgänger und keine Soldaten. Aber sie bildete sich ein, dass sie sich dafür erstaunlich gut schlug. Die Tatsache, dass sie es irgendwie schaffte, trotz ihres Alters sich dem Ganzen anzupassen und fast alles im Blick zu haben sprach jedenfalls dafür. Ein befriedigendes Lächeln glitt über ihre Lippen, als ihr Schwert sich zwischen die Rüstungsplatten eines Gegners schob und das Leben ihres Gegners damit beendete, bevor sie das Schwert wieder rauszog und den Angriff eines Anderen einfach parierte. Wie viele Gegner hatten sie eigentlich vor sich gehabt und wie viele waren davon bereits tot? Eve wusste es nicht.

An Aldreds Seite hing das Schwert, das er dem toten Paladin gemeinsam mit dessen Rüstung abgenommen hatte. Er wünschte, er hätte es anstatt des Hammers gezogen. Obwohl sie vorrückten hielt der Schildwall noch immer Stand. Mit dem Schwert hätte er zwischen den Schilden hindurch auf die Schwarzen einstechen können. Aber er hielt den Hammer und mit diesem über den Schild hinweg zuzuschlagen erwies sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Also blieb Aldred nichts anderes übrig, als zu schieben.
Ein schwarzer Krieger ging unter dem Druck des Walls zu Boden, stürzte, direkt zu Aldreds Füßen. Er riss den Schild hinab um ihn mit der Kante zu zerschmettern, doch der Schwarze löste sich in Rauch und Schatten auf, nahm einen Herzschlag später und einen Schritt weiter zurück wieder Form an, hieb mit seiner Klinge über Aldreds gesenkten Schild hinweg. Nur mit Mühe bekam der Schmied seine Deckung rechtzeitig wieder aufgerichtet, die Spitze der Waffe keinen Fingerbreit von seinem Gesicht entfernt. Die Schwarzen waren noch nicht gebrochen! Ihre Zahlen schwanden und sie verloren Boden, aber sie kämpften noch immer erbittert.
Aldreds Blick blieb an einem massigen Krieger mit geflügeltem Helm und einem auffälligen Schmuckstück um den Hals hängen. Ein Hauptmann? Derjenige, der sie beisammen hielt? Fast erschien es ihm so. Wenn sie diesen Schwarzen fällen konnten, dann konnten sie hoffen, dass auch die anderen brachen. "Dieser da!", rief Aldred aus, wies mit dem Hammer auf den Hauptmann. Er hoffte, dass irgendjemand seinen Ruf vernehmen und verstehen würde.

Eve war es jedenfalls nicht, die den Ruf des Schmieds hörte. Stattdessen hieb und stach sie weiter durch den Wall hindurch auf die Gegner ein, soweit es ihr möglich war. Sie wünschte ihre Hellebarde zurück, wagte es jedoch nicht, zu riskieren, dass die Verteidiger ins Stocken gerieten, weil sie ihre Waffe aufheben wollte. Würde sie überhaupt jemals wieder einen vollen Kampf mit ihrer Hellebarde bestehen? Sie zweifelte etwas daran. Schon das Dritte Mal, seit sie Aldred und seine Freunde kennen gelernt hatte, dass sie ihre geliebte Waffe verloren hatte. Plötzlich aufkeimende Wut lies sie ihr Schwert tief in einen Gegner rammen.

Neythani hörte Aldreds ruf und sah denjenigen, den er meinte. Sie versuchte, den Kommandanten mit ihrem Speer zu treffen und auch die Kämpfer neben ihr taten es ihr gleich.

Plötzlich war es Aldred selbst, der sich dem schwarzen Hauptmann im Handgemenge gegenüber fand. Er hätte nicht sagen können, wie es dazu gekommen war. Hatte er versucht, sich zu ihm durchzukämpfen? Er hatte sich doch im Grunde einfach vom Schildwall mitreissen lassen. Aber nun, da der Wall langsam in sich zusammen fiel und sich in Einzelgefechte der begierig vordrängenden Gehörnten gegen die vollkommen in Unordnung geratenen Soldaten der Heerschar auflöste, war es mit einem mal Aldred, dem es zu fiel, sich dem Hauptmann in den Weg zu stellen.
Der Schwarze handelte zuerst, warf sich vorwärts und begann, Aldred mit wuchtigen Schlägen zu beharken. Seine Waffe jedoch war eine lange Klinge, tödlich wenn geschwungen, aber im dichten Gedränge zu unhandlich. Aldred fing die ersten Schläge mit über den Kopf erhobenem Schild ab, dann drang er weiter vor, suchte den Nahkampf mit dem Hauptmann. Ihre Schilde stießen aneinander, verhakten sich, aber Aldreds Stand war der stärkere. Beide Waffen des Schwarzen mit seinem Schild bindend drang er auf ihn ein und ließ Hammerschlag um Hammerschlag auf ihn nieder gehen.

Die Schwarzen wandten sich zur Flucht. Jubilierend landete Amun. Man achtete gar nicht mehr auf ihn. Die Bogenschützen waren als erste weggebrochen. Sie hatten weit genug hinten gestanden, dass sie nicht ins Gedränge gekommen waren. Und auch wenn sie sich jetzt weiter entfernt neu formieren würde, so gab ihm das doch einen Moment Zeit das Chaos noch zu steigern. Jedenfalls war das der Plan. Ein weiterer Blitz züngelte in Richtung Boden und räumte ihm einen kleinen Bereich frei. Der reichte für eine Landung. Amun schwang den Speer herum, auf Kniehöhe. Es ging nicht darum die Schwarzen zu töten, sondern sie aufzuhalten. Das Töten würden die Gehörnten übernehmen. Ein oder zwei Soldaten der Heerschar fielen getroffen zu Boden. Ein weiterer stürzte über seinen gefallenen Kameraden. Die Brücke würde sich jetzt noch einmal als Hilfe erweisen. Unter dem Gewicht der zurückweichenden Heerschar würden sie hoffentlich ein paar der ihren zertrampeln. Mit ein bisschen Glück würden sogar noch ein paar weitere hinfallen. Amun schwang sich wieder in die Luft, bevor noch jemand auf ihn aufmerksam wurde. Stattdessen schwebte er neben der Brücke und nutzte die Reichweite seines Speers um weitere Soldaten zu Fall zu bringen. Vielleicht verletzte er sogar den einen oder anderen. Der triumphale Schrei des Avior hallte einen Moment lang über das Wasser. Sie hatten so gut wie gewonnen.

Als die Fronten sich aufzulösen begannen, drang Eve zwischen zwei Verbündeten nach vorne, direkt auf einen der Schwarzen zu. Geschickt tauchte sie unter einem halbherzigen Hieb hinweg, bevor sie selbst mit ihrem Schwert nach diesem Gegner hieb. Der Gegner blockte diesen Angriff jedoch gerade so mit seinem Schild ab. Verärgert verzog Eve das Gesicht.
Dann schnellte ein weiterer Blitz des Avior zwischen die Verteidiger und für einen kurzen Moment die Priesterin geblendet - lange genug, dass ihr Gegner es schaffte, sie mit einem kräften Schildhieb zu Boden zu stoßen. Hart prallte sie auf dem Boden auf, ihr Kopf schlug etwas unsanft auf Stein. Sterne blitzten vor ihren Augen und kurz bekam sie keine Luft mehr. Sie bekam nicht mit, wie jemand ihren Gegner tötete, bevor dieser nocheinmal nachsetzen konnte. Sie spürte nur wie jemand ihren Arm ergriff und ihr aufhalf. Benommen lehnte sie sich gegen ihren Helfer.

Und dann lag der Hauptmann tot zu Aldreds Füßen. Doch wie er dorthin gelangt war, wer ihn getötet hatte, hätte dieser nicht zu sagen vermocht. War er es gewesen? Amun'Raak, der wieder in der Menge gelandet war? Oder einer ihrer merkwürdigen, ziegenköpfigen Verbündeten? Doch im Grunde war es gleich. Der Champion war tot, der Rest der Schwarzen auf der Flucht – viele zu schwarzen Schlieren zerstiebend um rascher davon zu kommen – oder in Begriff, von der Übermacht der Gehörnten nieder gemacht zu werden.
Aldred verzichtete darauf, den Flüchtenden zu folgen. Schmerz und Erschöpfung kamen langsam, doch mit Macht, über ihn. Er war zu viel gerannt, hatte zu viel gekämpft, Schläge eingesteckt und um sich gedroschen. Das ungewohnte Gewicht der Rüstung des Paladins zerrte schwer an ihm. Doch zumindest hatte sie ihn vor weiteren Wunden bewahrt. Soweit er das in diesem Moment beurteilen konnte war er unverletzt. Mit einer schwachen bewegung schüttelte er sich den zerhauenen Schild vom Arm. Mit dumpfem Schlag fiel er zu Boden, schlug irgendwo zwischen den Toten auf das Brückenpflaster. Aldred würde einen neuen Schild benötigen. Dieser war zu nichts mehr zu gebrauchen. Doch als er den Blick wandern ließ war es kein Schild, an dem seine Augen hängen blieb.
Der schwarze Hauptmann lag auf seinem Rücken ausgestreckt und auf seiner Brust hing noch immer das seltsame Schmuckstück, das Aldred schon zuvor bemerkt hatte: ein silbriger Anhänger an einer Kette, gezackt wie die Blüte einer Distel und beinahe so groß wie ein Handteller. Etwas an dem Schmuckstück wirkte falsch. Als gehöre es nicht hier hin.
Es skeptisch musternd ging Aldred in die Knie, streckte langsam eine Hand danach aus. Doch als er den Silberanhänger berührte, geschah es mit einem mal: eine Stimme, tonlos flüsternd und doch laut wie Donner, aus weiter Ferne und doch nahe, als erklänge sie in seinem Helm – nein, seinem Ohr selbst!
"Windsucher!"
Aldred zuckte zurück, blickte sich verwirrt um. Doch da war niemand. Und die, die um ihn herum standen, schienen nichts davon bemerkt zu haben. Ganz, als habe nur er allein die Stimme hören können. Noch einmal ließ Aldred den Blick wandern. Die Gehörnten schienen allesamt beschäftigt damit, die letzten Schwarzen nieder zu machen. Und seine Gefährten? Er konnte sie nicht sehen, doch sie mussten ebenfalls dort sein. Rasch, unbeobachtet, wie er glaubte, riss Aldred den Anhänger von der Kette des schwarzen Hauptmanns und verstaute sie in seiner Tasche. Er würde sich später die Zeit nehmen müssen, ihn genauer zu studieren.

Der Kampf war so gut wie vorbei und irgendwie schaffte es ihr Helfer, die Priesterin bis ans Brückengeländer zu bringen. Mittlerweile war sie sich sicher, dass es sich um einen der Gehörnten handelte. Als sie dort ankamen achtete er darauf, dass sie Halt hatte, bevor er den Anderen half, die Reste des Feindes zu vernichten. Benommen klammerte sich Eve an das Geländer, während sich der Schleier in ihrem Kopf nur vorsichtig lüftete und sie langsam wieder mitbekam, was um sie herum geschah.

Als der letzte Widerstand erstorben, die letzten Flüchtenden verschwunden und die letzten Gestrauchelten nieder gemacht waren näherte sich einer der Gehörnten Amun'Raak. Er war ein großer, kräftiger Mann mit breiten Schultern und einer Brust wie einem Fass. Dunkle, schneckenförmige Widderhörner zierten seinen Schädel. Er blutete aus einem Schnitt in seiner Schulter, der seine wollene Tunika fast bis zum Bauch zerrissen hatte, doch er schien die Wunde kaum zu bemerken.
"Danke euch, Fremder", sprach er den Avior an, "Wenn ihr uns nicht zur Hilfe gekommen wärt, ich hätte nicht sagen können, ob wir ihnen stand gehalten hätten. Ich Korlek Kei, Kriegsführer des Darkai-Stamms. Darf ich fragen, wer ihr seid? Ich habe euch kämpfen gesehen. Ihr müsst ein mächtiger Schamane sein und eure Gefährten sind tapfere Krieger."