Kyusta (MSG)

"Hm. Ich habe überlegt noch ein paar andere mitzunehmen. Die Grabungsstätte liegt nahe an einem Dörfchen und die Natur soll da echt schön sein. Und ich habe genug Geld zusammengekriegt um noch mehr Leute mitnehmen zu können. Ich muss nur schauen, wer interessiert ist", führte Myrn aus. Vielleicht gab es da ein paar Leute, die mitkommen würden, vielleicht aber auch nicht. Und sie wären alle hier. Eigentlich war das Fest perfekt, um schonmal ein paar Helfer an Land zu holen.
"Du hast nicht zufällig ein paar Bekannte oder Freunde, die sich nicht zieren auch mal anzupacken?"
Wobei natürlich klar war, dass die meisten Leute sich von der Aussicht durch Ruinen zu kriechen, nicht sonderlich beeindrucken ließen.

Iona lächelte. Keine Sorge bis zum nächsten Fass Met ist es nicht weit, gebt mir Eure Humpen und ich fülle sie Euch wieder." Während es Venox sich am ende des Tisches gemütlich machte sammelte Iona die Humpen der kleinen Truppe ein und machte sich davon. Venox wollte bereits wieder aufstehen und seine Partnerin begleiten, doch nachdem die beiden ein paar Blicke ausgetauscht hatten schien der Drache es sich doch anders überlegt zu haben und machte es sich wieder gemütlich.
Es dauerte ein paar Minuten, doch dann kam Iona mit aufgefüllten Humpen zurück und verteilte sie. "So dann steht dem Anstossen nichts mehr im Wege."

"Hmm", machte Nawri, während er nach Fleisch auf seinem Teller griff und feststellen musste, dass da keines war, was er aber mit einem Schulterzucken abtat. Er wandte sich dann zu Myrn und dachte einen Moment über seine Frage nach. Oder besser gesagt, über eine Antwort. Es gab wahrscheinlich schon ein paar Bekannte und vielleicht sogar einige seiner wenigen Freunde, die dieses Fest besuchten. Genaugenommen war er sich sicher, dass sie allesamt hier waren. Wer würde sich ein solches Einmal-im-Leben-Fest schon entgehen lassen? Aber Nawri hatte sich eine Menge Mühe geben, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Nicht, weil er sie nicht mochte, aber sie hätten im bestimmt von all den Dingen erzählt, die sie erlebt hatten, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Und dann hätten sie ihn gedrängt, zu erzählen, was er alles erlebt hatte, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Und wie immer, wenn Nawri erzählen sollte, was er erlebt hatte, seid er jemanden zum letzten Mal gesehen hatte, liess sich das Ganze in einem Wort zusammenfassen: Nichts. Oder zumindest nichts Erwähnenswertes. Und ihnen zu erklären, wieso er nichts erlebt hatte, war einfach zu anstrengend. Also war er allen so gut es ging aus dem Weg gegangen.
"Hmm. Ich hab bisher niemanden getroffen", antwortete er schliesslich wahrheitsgetreu.

Sayeth platzierte sich neben Mira, um sie bequem vollquatschen zu können.
"Ich find das wirklich furchtbar toll, dass wir uns alle hier wieder treffen. Ich meine, woah! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Und hast du schon von diesem Gerücht über das riesige Seeungeheuer gehört? Das will ich jagen gehen, einfach aus Prinzip. Das kriegt niemand ausser ich. Kommst du mit?", plapperte sie dann auch gleich drauf los.
Sie nahm den Humpen von Iona entgegen und hob ihn als erste in die Höhe. "Auf uns!"


Evarim hatte ihr ganz genau zugehört und hin und wieder genickt.
"Hmja, die ist perfekt", meinte er schliesslich, als das Stück ihrer Wahl aussortiert war. "Ich muss mich bei Mira entschuldigen, dass ich sie immer derart aus der Fassung bringe. Das ist wirklich nicht meine Absicht."

"Auf uns!", stimmte auch Mira mit ein und stemmte ihren Krug in die Höhe. Zinn schlug klingend auf Zinn und mehr als nur ein paar Schluck Met schwappte aus den Krügen als sie alle zugleich anstießen. Kühl und klebrig rann der Honigwein über Miras Finger, doch sie achtete gar nicht darauf und nahm stattdessen einen tiefen Schluck. Verführerisch süß lief der Met ihre Kehle hinunter und Mira musste acht geben rechtzeitig inne zu halten. Nicht, dass ihr der Alkohol noch mehr zu Kopf stieg als er das ohnehin schon tat!
Erst, als sie wieder abgesetzt hatte, antwortete sie auf Sayeths Frage. "Jagen?", fragte sie skeptisch, "Jagen ist nicht so ganz meins. Und warum ausgerechnet ein Seeungeheuer? Niyah würde das gar nicht gefallen..." Niyah mochte zwar einen Vogel zum Kyusta haben, aber aufgewachsen war sie trotzde ams Wa'ankinu. Und für die waren Seeungeheuer wohl kaum das, was als Beute in Betracht kam. "Aber das ist doch sicher irgendwo im Süden, oder? Ich wollte auch nach Süden, auf Vulkane klettern. Niyah ist sicher auch dabei. Wir können zusammen reisen. Oh, das wird sicher super!"

"Naja, also zusammen reisen müssen wir sowieso fast. Ich seh schon unsere Lagerfeuer vor uns, wie wir uns abends betrinken und unsere Kyusta auf uns aufpassen", grinste Sayeth und blickte dabei an den Felssäulen empor, ob sie irgendwo vielleicht Raykin entdeckte. doch auf diese Entfernung hatte sie da wohl kaum eine Chance.
"Und ihr könnt ruhig auf euren Vulkan klettern. Ich jage auf alle Fälle mein Seeungeheuer. Ihr könnt mir ja dann beim Ausweiden helfen. Aber stell dir das dann vor ... Sayeth die Königin der Seeungeheuer. DAs klingt doch super, oder nicht?"

Iona stiess ihren Krug ebenfalls mit den anderen zusammen, um anzustossen, und trank dann einen kräftigen Schluck.
Daneben dachte Sie aber ernsthaft darüber nach, ob sie das Abenteuerangebot annehmen sollte, und blickte dabei zu ihrem Partner. "hmm Venox und ich haben bisher noch nie im Wasser gejagt, nur andere Drachen oder Landraubtiere... das wäre auf jeden Fall etwas neues... und eine Herausforderung." Ja eine Herausforderung, und selbst wenn die Jagd nicht erfolgreich sein würde, Erfahrung mit der Wasserwelt würden Sie trotzdem sammeln und das war in Ionas Augen das Einzige, was man über den Erfolg stellen konnte.
"Wann gedenkt die zukünftige Königin der Seeungeheuer den aufzubrechen?", fragte Iona mit neckendem Unterton, "direkt nach dem Fest oder sogar schon vorher?"

Für Mira klang Sayeths selbst gewählter Titel ja mehr nach Größenwahn, dennoch musste sie auflachen. Warum hätte sie selbst nicht so wirklich sagen können. Vielleicht war es einfach die Vorfreude, wieder mit Sayeth zusammen zu reisen. Und mit den anderen. Je größer die Gruppe wurde, desto lustiger wäre die Reise. Es gab Ankinu, die genossen die Einsamkeit, die bevorzugten es einzig und allein mit ihrem Kyusta an ihrer Seite durch das Land zu ziehen, die Stille und Abgeschiedenheit zu genießen. Mira gehörte nicht dazu. Sie fühlte sich nur wohl, wenn sie andere um sich hatte und je mehr desto besser.
"Bis zum Ende des Fests sollten wir in jedem Fall noch warten", warf sie auf Ionas Frage hin ein, "So etwas werden wir vermutlich nie mehr wieder erleben. Da können wir nicht gehen ehe es vorbei ist, zumal ihr ja eben erst gekommen seid. Aber wenn das Fest vorbei ist sollten wir nicht zu lange warten. Übrigens... habt ihr Quartiere in der Stadt? Ein paar von euch kann ich sicher auch bei mir noch unterbringen..."

Es wurde noch eine Menge Alkohol vernichtet, gelacht und Geschichten erzählt. So verging eine ganze Weile, in der ausgiebig gute Laune geschoben wurde. Doch irgendwann, als die Sonne verschwunden war, nahm der Wind zu und es wurde zunehmend kühler, weswegen viele Ankinu beschlossen, ins Innere eines warmen Gasthauses zu gehen.
Besonders die Goldene Feder war gut besucht. Sie war auch die grösste Gaststätte der Felsenstadt. Es war warm, behaglich aber auch laut darin. Es gab kaum mehr freie Plätze, der Boden war rutschig von verschütteten, alkoholischen Getränken. Obwohl einige Fenster geöffnet waren, hatte sich dennoch der schale Geruch von gebratenem Fleisch in der Luft festgesetzt. Ganze Spanferkel wurden grilliert und vorne am Tresen konnte man sich mit geräuchertem Drachenfleisch eindecken. Auf der Längsseite des rechtwinkligen Tresens lag ein zwei Meter langer geräucherter Drachenschwanz, von dem man sich eine Scheibe abschneiden konnte, wenn man Lust dazu hatte.
Dazu gab es reichlich Gemüse, Früchte und ähnliche vegetarische Kost.
Die Gruppe, die sich zuvor gefunden hatte, hatte sich mittig im Raum einen Tisch sichern können und alle waren in Höchststimmung, als Sayeth - ihre Wangen hatten einen ähnlichen Ton wie ihre Haare angenommen - ihren Humpen lautstark auf den Tisch knallte.
"Ich denke, es ist an der Zeit ... mal n' paar Leute zusammen zu suchn, die mir beim Jagen meines Seeungeheuers helfen!", rief sie laut. Zu diesem Zweck kletterte sie auch auf den Tisch.
Gerade, als die Rothaarige sich die Tischplatte zu eigen machte, betrat Evarim mit seiner hübschen weiblichen Begleitung das Gasthaus. Er schleppte die Stiefel mit sich rum, die eine gewisse Person liegen gelassen hatte. Als er ebenjene erblickte, ging er auch zielstrebig auf sie zu. Es waren ja nicht nur die Stiefel, die er abliefern wollte, sondern auch die filigrane Halskette.
Mit seinem Lächeln, das er immer aufgesetzt hatte, stellte er sich zu Mira, wo er sie an der Schulter antippte. "Hier, deine Stiefel, meine Dame", rief er ihr zu, damit sie ihn in dem Lärm auch verstehen konnte.

"Sayeth, nich...", nuschelte Mira und versuchte die Freundin zurück zu halten, als diese bedrohlich schwankend auf den Tisch kletterte, "Du wirs' runter fallen und dir was brech'n..." Sie zupfte am Saum von Sayeths Gewand, doch es war ein halbherziger Versuch, den diese wahrscheinlich kaum bemerkte. Auch Mira selbst hatte viel getrunken. Zu viel, als dass sie noch groß verantwortungsbewusstes Verhaltenan den Tag hätte legen können oder wollen. Nicht, dass sie jemals von der vorsichtigen, zurückhaltenden Art gewesen wäre.
Und dann war da noch etwas ganz anderes, das sie schlagartig von den Turnereien ihrer Freundin ablenkte. Evarim! Wo kam der denn auf einmal her? Und warum hatte er ihre Stiefel dabei, ausgerechnet er? So viel trinken konnte Mira gar nicht, dass sein Anblick sie unberührt lassen würde. Augenblicklich schoss ihr die Röte wieder ins Gesicht und ihre Füße in den zerrissenen Strümpfen wurden wieder so furchtbar interessant.
"Danke dir...", nuschelte sie und diesmal war es vielmehr die Verlegenheit als der Rausch, die ihre Stimme undeutlich werden ließ. Es war wohl das einzige Glück, dass sie allesamt so dicht beisammen saßen, dass Evarim wenigstens nicht neben ihr Platz nehmen konnte.
Es dauerte einige weitere Augenblicke bis Mira, den Blick noch immer zu Boden gerichtet, bemerkte, dass Evarim nicht allein war. In all dem Durcheinander hatte sie die kleine, grünhaarige Gestalt hinter ihm gar nicht bemerkt, aber nun, da sie sie sah, brach alles wieder mit Macht über sie herein.
"Niyah!", rief sie mit echtem Schuldgefühl, das deutlich aus ihrer Stimme heraus klang, und sprang auf um auf die Freundin zuzulaufen, "Es tut mir so leid. Ich wollte wieder zurück kommen, ehrlich, aber dann bin ich in Sayeth und die anderen gelaufen und... ich weiß auch nicht." Sie griff mit um Vergebung flehenden Blick nach den Händen der Wa'ankinu. "Es tut mir so leid. Oh, ich weiß selber nicht, wie ich dich so vergessen konnte. Bitte verzeih mir!"

„Du hast mich also vergessen. Einfach so?“, Niyahs Stimme wurde kalt. Den ganzen Nachmittag über hatte sie sich eingeredet, dass ihrer Freundin irgendwas wichtiges dazwischengekommen war, da hätte sogar eine neue Männerbekanntschaft gegolten, oder aber auch, wenn sie aufgrund von zu viel Alkohol irgendwo eingeschlafen wäre. Gut, das wäre alles verständlich gewesen, aber sie einfach zu vergessen? Sie waren doch Freunde.
Nein, Niyah hatte ausgeharrt versucht sich mit Evarim zu unterhalten schlicht und einfach, weil sie erwartete, dass die Freundin zurückkam und sie dann nicht alleine mit ihm sein sollte. Sie wusste immerhin, dass Mira das nicht ausstehen konnte und sich unwohl fühlte. Und sie war davon ausgegangen, dass Mira auch wusste, dass sie ein Problem damit hatte, mit Evarim zu reden, weil seine ganze Art sie einschüchterte. Und obwohl Evarim den ganzen Tag lang versucht hatte nett zu ihr zu sein, so war ihr doch nicht wohl gewesen.
„Ich hol mir erst einmal was zu trinken!“, Niyah schüttelte die Hände ihrer Freundin ab und wandte sich zum Gehen. Sie hatte jetzt keine Lust in Miras Nähe zu bleiben, wusste sie doch, dass sie ihr dann nicht lange böse sein konnte. Doch sie wollte ja im Moment wütend sein. Sollte Mira ruhig ein bisschen schmoren. Verbissen presste sie die Lippen aufeinander, welche begonnen hatten zu zittern. Sie würde ja jetzt wohl nicht hier vor allen Leuten anfangen zu heulen. Dafür war sie doch etwas zu alt mittlerweile.
An der Theke angelangt konnte sie sich hinter einem Haufen von Wartenden anstellen, dabei hatte sie so gar keine Lust lange zu warten. Kurzerhand suchte sie sich eine passende Lücke und quetschte sich vorsichtig nach vorne. Manch einmal konnte es doch ganz praktisch sein, wenn man sehr klein und wendig war, da merkten die meisten es nicht einmal, wenn man sich vorschummelte.
So stand sie schon wenige Minuten später vorne an der Theke und hatte einen Schnaps vor der Nase, den sie lächelnd hinunterstürzte. Neben ihr unterhielten sich die Leute und sie fühlte sich nicht wirklich in der Stimmung dazu, neue Bekanntschaften zu schließen, gerade, da sie noch immer ziemlich sauer war.
Also bestellte sie noch einen neuen Krug Met, obwohl ihr Kopf sich schon reichlich leicht anfühlte und kehrte zurück zur Gruppe, sie war nicht der Typ, der lange wirklich sauer bleiben konnte und der Alkohol tat sein übriges dazu, dass sie sich zumindest wieder ein leichtes Lächeln abringen konnte.

"Niyah, nein, das ist nicht...", konnte Mira noch ansetzen, aber ehe sie den Satz vollenden konnte war die Freundin bereits im Gedränge verschwunden. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Schuldbewusstsein starrte Mira ihr nach. Ein unwohles Gefühl zog sich in ihrer Brust zusammen. Nicht, dass ihr direkt die Tränen gekommen wären, aber die Beklemmung war die selbe. Das war nicht fair! Das hatte sie doch nicht gewollt. Und Niyah hatte das alles ganz furchtbar falsch verstanden. Sie hatte sie ja abholen und zur Gruppe bringen wollen, aber es hatte sich einfach keine Gelegenheit ergeben. Sie hatte sehr wohl an Niyah gedacht. Aber dann hatte wieder jemand eine Runde ausgegeben, waren sie wieder weiter gezogen, wieder eine Geschichte begonnen. Wann hätte sie gehen sollen? Sie hatte es ja versucht! Niedergeschlagen ließ sie sich wieder auf der Bank nieder und schlüpfte in ihre Stiefel. Sie wusste, sie würde heute Abend keinen Spaß mehr an den Festivitäten haben. Nicht solange Niyah ihr nicht verziehen hatte.

"Ich werde aufbrechn!", rief Sayeth in den Schankraum hinein. "Und das Seemonster jagen, über das so viele Gerüchte kursieren!"
Heroisch streckte sie die Hand in die Luft und ballte sie zur Faust.
Auch wenn sie arg wankte und auf der Suche nach ihrem Gleichgewicht war, schien sievon sich überzeugt zu sein. Das Drama um ihre Kolleginnen schien sie nicht wirklich mitzukriegen.


Evarim seufzte hingegen tief. War es denn so schrecklich, etwas mit ihm zu tun zu haben. Es nagre an seinem Stolz und Ehrgeiz, dass Mira diese eine Nacht nur als peinliches Erlebnis geblieben war. Etwas Nachdenklich beobachtete er die beiden Frauen und beschloss mit der Silerberkette für Mira noch zu warten.
WR wohl definitiv der falsche Moment dafür.

"Warum denn das lange Gesicht?", fragte Myrn nach, der den Streit zwischen Niyah und Mira nicht mitbekommen hatte. Er kannte die beiden entfernt und hatte nur kurz grüßen wollen. Aber vielleicht war das nicht der richtige Zeitpunkt. Niyahs Gesicht sah aus als hätte sie in nicht nur eine sondern gleich mehrere Zitronen gebissen und Mira hockte niedergschlagen auf einer Bank in dem Schankraum. Neben letzterer hatte sich Myrn grade niedergelassen. Immerhin hätte sie sich vielleicht für seine kleine Forschungsreise begeistern lassen.
"Streit mit Niyah? Musst nicht drüber reden, wenn du nicht willst."
Die Frage konnte immerhin an Unhöflichkeit grenzen, weswegen sich Myrn betont höflich gab, was durch Alkoholeinfluss ein wenig erschwert wurde.

"Ich will nicht drüber reden", antwortete Mira, doch es klang nicht abweisend. Mit traurigem, geknicktem Blick sah sie zu Myrn auf. Die Bekanntschaft zwischen dem jungen Mann und ihr war eher flüchtig, aber immerhin schien er sich ernsthaft um sie kümmern zu wollen. Sayeth dagegen tanzte lieber weiter auf dem Tisch, schwang große Reden und schien den Kummer ihrer Freundin gar nicht mitbekommen zu haben. Und was Mira jetzt brauchte war eine Schulter, an der sie sich ausweinen konnte.
"Es ist einfach nicht gerecht", fuhr sie fort, ihren vorherigen Worten damit glatt widersprechend, "Ich wollte Niyah wirklich nach holen. Ich konnte nur nicht. Es tut mir doch leid, warum muss sie da jetzt gekränkt sein? Ich hab sie doch nicht vergessen, ich habe nur keine Gelegenheit gehabt. Ach, das ist alles Evarims Schuld!"

Gin, der bis jetzt geschwiegen und die Streitereien der Frauen eher teilnahmslos verfolgt hatte, sah nun zu Sayeth empor, wie sie da schwankend auf dem Tisch stand und Triumphreden in die Menge lallte. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht, als er sich ausmalte, wie viel ausgelassener sie feiern würde, wenn sie erst den Kopf ihres Seeungeheuers in Händen hielt. Für ihn war es inzwischen keine Frage mehr, ob er sie begleiten würde, seinen Entschluss hatte er bereits auf dem Weg ins Gasthaus gefällt. Ob Shira damit nun einverstanden war oder nicht, etwas Gesellschaft von anderen Drachen würde ihr gut tun und immerhin schien die Jagd ja doch irgendwie anspruchsvoll zu werden. Und nass. Also genau das richtige für die heißblütlerische Shira.
"Und wir werden dir helfen!", rief er seiner Freundin lautstark zu, so dass jeder im näheren Umkreis es mitbekommen musste. Mit "wir" meinte er natürlich seinen Drachen und sich, doch war es gleichzeitig auch eine Aufforderung an jeden einzelnen Ankinu, der in ihrer Runde saß, sich nun zu entscheiden. Wie viele würden sich wohl melden?

"Ich kenne Niyah zugegebenermaßen nicht sonderlich gut, aber mir war sie auch einmal böse. Hab' mal ein Tintenfass über Noah entleert. Meine Güte haben die beiden geschimpft. Aber am nächsten Morgen haben wir drüber gelacht. Niyah ist nie lange böse. Wie schlimm kann das, was du verbockt hast, schon sein?", versuchte sich Myrn daran Mira aufzuheitern. Alyn verstand wie üblich seine Intention und hüpfte neben Mira auf die Bank, wo sie mit voller Inbrunst zu schnurren begann.
"Sprich später nochmal mit ihr. Im Moment ist sie stinkig, aber später nicht mehr, hoffe ich", endete Myrn reichlich lahm. So gut kannte er Niyah nunmal auch wieder nicht. Aber an einem Abend wie diesem sollte niemand traurig sein.

Vom Tisch her hatte man ja eigentlich keine schlechte Aussicht. Trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, bis Sayeth Mira und deren bekümmertes Gesicht bemerkte. Sie unterbrach ihre Rede, die davon handelte, wie sie dieses Seemonster töten würde und stieg vom Tisch.
Ihre roten Locken hüpften verspielt auf und ab, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnte. Was wohl los war, dass Mira so ein Gesicht machte? Hatte Evarim ihr seine Liebe gestanden? Uuuuh, bööse!
Schliesslich erreichte sie ihre Freundin, die da zusammen mit einem Kerl stand, dessen Name ihr gerade einfach nicht einfallen wollte. Rasch packte sie Mira an der Schulter. "Was machst du für ein Gesicht?! Ist was passiert? Sag es mir! Bitte!"

Es war eine Sache gewesen, Myrn davon zu erzählen. Es war ihr schwer gefallen. Und je öfter sie darüber nachdachte, desto schmerzhafter wurde es. Die Vorstellung, nun auch noch Sayeth erzählen zu müssen, was zwischen Niyah und ihr passiert war, war einfach zu viel für Mira. Sie wollte keinen Streit mit ihrer besten Freundin haben. Und sie wollte eigentlich auch nicht darüber reden. Nicht daran denken! Sayeths stürmische, aufdringliche Art, die sie normalerweise mit Herzlichkeit gleich setzte, gab ihr dabei den Todesstoß.
"Ich...", setzte sie erstickt an, dann merkte sie auch schon, wie ihr die Tränen kamen. Und das war einfach zu viel für sie. Ehe irgendwer sie hätte aufhalten können hatte sie sich von Sayeth los gerissen, sich von der Bank geschwungen und war quer durch die Menge davon gestürmt.

Sayeth war schon sehr verdattert, als ihre Freundin unter Tränen das Weite suchte.
“Mira!“, rief sie in die menge, ehe sie ihr folgte.
Es war gar nicht so einfach Schrittzu halten. Sayeth kämpfte sich mit den Ellenbogen voran, rempelte diesen und jenen und hielt dabei den Haarschopf ihrer Freundin so gut es ging im Auge.

Es war gar nicht so einfach Mira durch das nächtliche Getümmel zu verfolgen. Mehr als einmal befürchtete sie, sie verloren zu haben. Doch dies war zum Glück nicht der Fall.
Es gelang ihr sogar, sie einzuholen.
“Mira, so warte doch!“

Eigentlich war Mira eine gute, eine ausdauernde Läuferin, aber aufgewühlt wie sie war hatte sie selbstverständlich sämtliche Grundregeln den Laufens komplett vergessen. Sie hatte es nicht weit von dem Wirtshaus weg geschafft als das Seitenstechen einsetzte. Mit tränenverschleierten Augen torkelte sie praktisch blind durch die Nacht, die hell erleuchteten Fenster, an denen sie vorbei kam, waren die einzigen Anhaltspunkte, die sie hatte. Es war kein Wunder, dass Sayeth nicht lange brauchte, bis sie sie so eingeholt hatte. Als Mira die Hand der Freundin von hinten auf der Schulter spürte ließ sie sich einfach zu Boden sacken, kauerte schluchzend mitten auf der Straße.
"Geh weg!", presste sie mühsam hervor, doch der Ton ihrer Stimme widersprach ihren Worten entschieden. Bleib da, schien er zu sagen, Nimm mich in den Arm. Rede mit mir.

"Hey ..."
Sayeth seufzte leise und kniete sich neben sie. "Was ist denn los? Ich will dir doch nur helfen."
Es war irgendwie schon verstörend, Mira aus unerfindlichen Gründen einfach heulen zu sehen, doch sie musste nun halt einfach beistehen. Schliesslich waren sie Freunde.
"Ich bin ja da ..." Sie zog Mira sachte an sich und strich ihr mit einer Hand über die Schulter.

Instinktiv, wie eine Ertrinkende, die sich an eine treibende Planke klammert, griff Mira nach Sayeths Hand. Sie hätte selbst nicht sagen können warum. Es war ein kindisches Verhalten, verzweifelt, aber trotzdem beruhigend. Sayeths Hand in den ihren zu spüren gab ihr Halt. Und langsam verebbten die Tränen. "Es ist nicht gerecht...", brachte sie schließlich hervor, noch immer auf dem Boden kauernd, "Niyah kann mir doch nicht böse sein! Wir waren doch schon immer unzertrennlich. Und es ist doch nicht meine Schuld... Ich wollte... wollte doch nicht..." Wieder musste aufschluchzen und ein Schwall Tränen schüttelte ihren Körper. Schließlich wischte sie sich mit dem Handrücken über die Nase. Mit verquollenen Augen blickte sie zu Sayeth empor. "Das war doch alles nur wegen Evarim... er hat mich total aus dem Konzept gebracht..."

Ach... DAS war das Problem. Ohman.
Sayeth seufzte und zog Miras Kopf an ihre Brust. "Hey ... sie ist bestimmt nicht langfristig sauer ... ist sie doch nie ..." Soweit sie das beurteilen konnte.
"Und Evarim meint das bestimmt auch nicht böse ... denke ich. Lass dich von ihm nicht so aus dem Konzept bringen. Das ist unter deiner Würde ..."
Sie lächelte Mira aufmunternd an. "Ist doch schon gut ..."