[MSG] Die Welt Lonais

Kitsera runzelte unmerklich die Stirn, als Kurama erklärte, er werde dem Wunsch des Madran nachkommen. Er stellte sich damit gegen eine Abmachung, ein ungeschriebenes Gesetz der hohen Herren, ohne die Zustimmung der Anderen nicht in die Welt einzugreifen. Doch was er tat, als er den Elfen herbeiholte, war genau das: Ein Eingriff in die Welt ohne gemeinsame zustimmung.
Doch gleichzeitig erkannte Kitsera, das diese Handlung nötig gewesen war. Sie konnten sich jetzt nicht auf eine Abstimmung über ihre Vorgehensweise einlassen. Die drei Auserwählten könnten sonst den Verdacht bekommen, sie wären sich uneinig. Und wie es schien war dieser... Elf... die einzige Möglichkeit, die sie hatten, Ras Vertrauen zu erlangen. Als Jitaj jedoch anfing zu Weinen kam der hohen Herrin ein Zweifel. Vielleicht war ihre Wahl doch falsch gewesen... Ein Madran, der sie hasste, im besten Falle jedoch kaum vertraute und eine Madra, die noch fast ein Kind war...
Dann jedoch kam Ariena zu dem Mädchen um sie zu trösten. Zumindest Ariena war eine richtige Wahl. Und auch Ras und Jitaj würden das Ihrige dazu beitragen, diese Welt von den Sarvelgern zu säubern.
"Wir sind dazu in der Lage, Ras. Doch DU wolltest Rache. Nun hast du die Möglichkeit dazu. Ergreife deine Chance oder vertue sie. Wir sind die Wächter dieser Welt, nicht ihre Racheengel. Wir haben für die Möglichkeit gesorgt. Deine Rache durchzuführen ist deine Sache. Tu, was immer du willst mit diesem Elf."
Sie versuchte, ihre Abneigung, die in dem Wort "Elf" lag, zu unterdrücken, doch so ganz gelang ihr das nicht...

Ras zog seine Axt leicht zurück und sah Kitsera finster an. "Ihr wollt, daß wir einen Aufstand in Gang bringen, nicht wahr? Dann helft uns auch, den ersten Schritt zu tun!" Er deutete auf den Elfen, der noch immer wehrlos zu seinen Füßen lag. "Wenn ihr die Möglichkeit habt, ihn dazu zu bringen, meinen Befehlen zu folgen, dann tut es!"

"Ihr sollt die Rebellion starten", bestätigte Kitsera. "Doch noch nicht. Ihr müsst vorbereitungen treffen. Jetzt die Rebellion loszutreten würde nur euren Tod bedeuten. Schon oft gab es Widerstand gegen die Besetzer, doch ungeplant konnten sie stets zurückgeschlagen werden. Sei nicht unvorsichtig, Ras. Lasse dich nicht von deinem Zorn und deinem Hass leiten. Lasse deinen Verstand entscheiden, wie du vorgehen musst."
Sie machte eine Pause, ließ ihre Worte wirken.
"Was wünschst du, das wir ihn tun lassen?"

Im Grunde war Ariena für Jitaj eine Fremde, ihre flüchtige Begegnung unten in der Gaststube zählte wohl kaum um sie auch nur eine flüchtige Bekannte zu nennen. Dennoch ließ sich die junge Madra bereitwillig von ihr in den Arm nehmen, nahm deren Trost, deren Zuneigung dankbar an. Sie hätte im Moment wohl sogar den Trost eines Zwergs angenommen, wenn dieser nur gut zu ihr gewesen wäre. Sie hatte diese Nähe jetzt nötig. Die herein stürzenden Ereignisse überwältigten sie, ließen sie verwirrt, verunsichert und schutzlos zurück. Die Zusprache der Chatagara war in diesem Moment Balsam für ihre Seele. Dankbar erwiderte sie den sanften Druck, klammerte sich an den Arm, den Ariena quer über ihre Brust gelegt hatte, und verfolgte aus tränengetrübten Augen den Schlagabtausch zwischen Sera und Ras. Sie glaubte nicht, dass dieser zu einem Erfolg führen würde. Was sollte das denn alles bringen`? Warum war es für die beiden nicht sonnenklar, dass sie den Elfen töten würden müssen? Es konnte doch gar keine andere Möglichkeit geben, so sehr diese Aussicht Jitaj auch schockte...

Ras antwortete nicht gleich, sondern holte mit einem Fuß aus und versetzte dem Elfen einen Tritt, der ihn schmerzerfüllt aufstöhnen ließ.
"Du da, Bastard! Welches ist deine Aufgabe in dieser Stadt?"
Der Elf sah ihn haßerfüllt an, schwieg aber. Ras trat erneut zu, diesmal noch heftiger, und kniete dann neben ihm nieder, um die Schneide seiner Axt an die Kehle des Elfen zu halten. "Antworte gefälligst!" zischte er. "Oder ich schlitze dich auf wie ein Schwein!"
Nun bekam es der Elf doch mit der Angst zu tun, und er zog es vor zu antworten. "Ich bin der Bote des Gouverneurs von Karanik!" preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ras erhob sich wieder, ein gehässiges Grinsen auf seinen Zügen, nicht ohne jedoch zuvor dem Elfen einen Knebel zu verpassen. "Na das trifft sich doch hervorragend!" Er sah Kitsera an. "Befehlt ihm, zu seinem Gouverneur zu gehen... und ihn zu töten!"

Kitsera betrachtete den Elfen. Zu gerne hätte sie angenommen, hätte den Elfen das tun lassen, was Ras vorgeschlagen hätte, ihn mit diesem Gewissen gequält... Doch damit würde sie unnötigerweise die Abmachung brechen, die die hohen Herren hatten. Und womöglich würden die Völker die Gelegenheit ergreifen, einen Aufstand zu starten, der blutig niedergeschlagen werden würde und die Gesetze, die eine Rebellion jetzt schon schwer machte, würden noch verschärft werden. Nein. So gerne sie Ras diesen Wunsch erfüllen wollte, sie konnte nicht.
"Dir diesen Wunsch zu erfüllen wäre unserer Sache nicht zuträglich. Wir werden es ihn nicht lassen. Überlege dir etwas anderes oder beseitige ihn jetzt."
Der Ton, mit dem Kitsera sprach, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, das sie ihre Aussage nicht widerrufen würde.

Ras' Gesicht verfinsterte sich bei Kiteras Worten. Einen Moment lang hatte er tatsächlich geglaubt, die Göttin wäre zu echten Taten fähig. Möglicherweise hatte er sich da geirrt. Dennoch hatten sie seine Forderung erfüllt, und schon um seiner Ehre willen war er verpflichtet, seinen Teil der Abmachung einzuhalten. Sein Blick fiel auf den Elfen. In jedem Fall würde in dieser Nacht noch Sarvelgerblut fließen! Gierig hob er seine Axt...
...und senkte sie wieder. Hier konnte er den Elfen nicht töten! Man würde seine Leiche finden. Der Tavernenbesitzer würde zweifellos Ärger bekommen; vielleicht würde man ihn sogar hinrichten lassen! Ras schüttelte den Kopf.
"Nicht hier! Ihr habt ihn hierher gebracht - jetzt bringt ihn woanders hin, und mich ebenfalls. Irgendwohin, wo sein Blut fließen kann, ohne der Sarvelger Verdacht auf Unschuldige zu lenken!"

Die hohe Herrin nickte zustimmend. Immerhin dachte Ras nach, bevor er sich zu Taten hinreißen ließ. Wie Kurama, um den Elfen herbeizuholen, versetzte Kitsera sich in die Hohe Kammer. Gleich darauf ließ sie eine Illusion ihrer selbst dort erscheinen, wo sie gerade noch gestanden hatte.
"Diesen Wunsch werde ich dir gewähren", sagte die Illusion. "Dies ist eine sehr vernünftige Entscheidung."
Kurz darauf ließ sie Ras und den Elfen verschwinden und in einer kleinen, leeren Höhle in der Nähe der Stadt wieder auftauchen. Das Schwert eines Menschen lag neben den Beiden.
"Töte ihn nicht mit deiner Waffe. Nutze die Gelegenheit, Misstrauen unter den Feinden zu sähen", ließ die hohe Herrin ihre Stimme in der Höhle erklingen.

Die worte von Ariena schienen einfach an Ras und Kitsera abzuprallen, ob die beiden sie ignorierten oder einfach nicht darauf antworten wollten vermochte sie nicht zu sagen. Doch noch bevor sie ein weiteres mal die stimme erheben konnte, waren Ras und Kitsera verschwunden. Ein wenig war sie erleichtert. Ihr, und vermutlich auch Jitaj, war klar was nun mit dem Elfen passieren würde, aber Ariena war froh das die junge Madrai das nicht mitansehen musste. sanft strich sie Jitaj über den Kopf und blickte zu den verbliebenen wesen, die sie als ihre Götter betrachtete.
"Und was nun? Ich weis nicht was euch bewogen hat mich für die Rebellion auszuwählen, doch genau wie ihr möchte ich unsere Welt von den Sarvelgern befreit sehen, unsere Ziele sind die selben und darum möchte ich mich eurer Aufgabe stellen... aber dafür werde ich eure Hilfe brauchen... Ich habe höchstens kleine Jagdgruppen angeführt, doch eine Rebellion zu organisieren ist kaum damit zu vergleichen... Ich werde euren Rat, eure Weisheit und euer wissen benötigen wenn diese Rebellion erfolgreich sein soll."

Jitaj gab kein Wort von sich, als Sera mit Ras und dem Elfen verschwand, doch ihre Züge füllten sich mit Bitterkeit. Sie wusste genau, was nun geschehen würde. Ras würde den Elfen töten. Und so wenig sie Mitleid mit diesem arroganten, rüpelhaften Fremdling hatte, so sicher sie sich war, dass er den Tod verdient hatte: es war falsch. Es war falsch, ihn hierher zu bringen und es war falsch, ihn nun zu töten. Hätte Ras ihn auf offener Straße, auf einem großen Platz hingerichtet, unter den Augen der Stadtbewohner, Jitaj hätte Verständnis dafür gehabt. Es wäre ein Zeichen gewesen. Seht her, tapfere Söhne und Töchter von Lonais, wir sind stark! Wir müssen nicht vor diesen räuberischen Eindringlingen buckeln. Sie bluten wie wir! Zu den Waffen, Brüder und Schwestern! Die Götter von Lonais sind auf unserer Seite! Es wäre das Signal gewesen, auf das all diese Leute hier warteten. Der Funke, der die Rebellion entfacht hätte. Es wäre kein sinnlos vergossenes Blut gewesen. Aber nun? Nun würde dem Elfen irgendwo, wo ihn niemand finden würde, die Kehle durchschnitten werden. Und niemand würde etwas davon haben. Wem nutzte der Tod dieses Elfen schon? Ein kleines Rädchen im Getriebe, ein einzelner Mann in einem Heer. Sein Tod wäre bedeutungslos! Er nutzte nicht der Rebellion, nicht den Völkern von Lonais, er nutzte nicht einmal Ras etwas. Jitaj war keine Kriegerin und sie wusste nicht, wie eine Rebellion auszusehen hatte. Aber eines war sicher: so nicht!

Ras betrachtete das Schwert mit Bedauern. Nur zu gern hätte er seine eigenen Waffen mit dem Blut eines Sarvelgers benetzt! Doch er wußte, daß dieser Zeitpunkt noch früh genug kommen würde, wenn sie dem Wunsch der Götter nachkommen würden.
Er nahm das Schwert in beide Hände und trat neben den Elfen, der ihn aus angstgeweiteten Augen an starrte.
"Tu das nicht," keuchte der Elf. "Du wirst es bereuen!"
"Ich würde es bereuen, wenn ich es nicht täte!" knurrte Ras. Ohne ein weiteres Wort stieß er die Klinge tief in die Brust seines Opfers, mitten durch das Herz. Der Elf war sofort tot, hatte nicht einmal mehr die Zeit, einen Schmerzenslaut auszustoßen. Ras wußte nicht so recht, wieso er seinem Feind die Gnade eines schnellen Todes gewährt hatte, doch er dachte jetzt gar nicht weiter darüber nach. Er nahm die Hände vom Schwertgriff und drehte sich dann zu Kitsera um, nickte ihr zu.

Lotis hätte am liebsten geseufzt, aber das hätte die ganze Angelegenheit noch verkompliziert. Er war kein großer Freund von Rache, aber ihm war klar das Ras anders kaum zu überzeugen war. Aber Jitaj? Hatte Kitsera sich am Ende geirrt?
Egal, die Entscheidung war gefallen und nun galt es alles nur mögliche zu tun, um diese drei zum Erfolg zu führen.

Langsam ging er zu Ariena und Jitaj herüber und ging vor ihnen in die Hocke. Obwohl diese Geste normalerweise etwas vertrauensvolles und beruhigendes hatte, wirkte er eher so als würde er Beute belauern. Er blickte die beiden aus seinen dunklen Augen einen Moment an, bevor er ruhig an Ariena gewandt zu sprechen begann.
"Wir haben unsere Gründe, warum wir gerade Euch diese Bürde auferlegen und bevor es zuende geht, werdet ihr sie verstehen. Bis dahin denke daran: Nutze was du weißt und kannst. Am Anfang wird es nicht viel anders sein als auf Jagd zu gehen, nur das die Beute anders ist."
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: "Dieses Schlamassel habt ihr Sterblichen Euch selbst eingebrockt. Ihr drei könnt selbst nichts dafür, darum helfen wir Euch: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig."

Kitsera erwiderte das Nicken von Ras knapp, bevor sie den Madran wieder in den Raum des Gasthauses zurückbrachte - von jeglichem Blut, das ihn befleckt hatte, gereinigt, um Jitaj nicht noch mehr Angst zu machen, als das Mädchen sowieso schon hatte. Sie selber betrachtete den toten Elfen voll Abscheu. Langsam ließ sie ihre Illusion neben den Elfen treten, obwohl sie genau wusste, das niemand sie sah.
"Dein Volk mag ursprünglich das Opfer gewesen sein", klang ihre Stimme leise durch die Höhle. Obwohl sie als Göttin bezeichnet wurde, so hatte sie doch keine Ahnung, was nach dem Tod mit einer Seele geschah. Vielleicht hörte sie ja noch, was Kitsera sagte. "Doch auch ihr wart einmal Täter. Der Kreis scheint sich zu schließen. Welche Ironie, das gerade ich für eine Niederlage eurerseits sorgen darf."
Ein kaltes Lächeln umspielte die Züge der Illusion, bevor sie verschwand und Kitsera wieder in dem Gasthauszimmer erschien.

Jitaj hob den Kopf, der Blick voller Bitterkeit, als Ras wieder im Zimmer erschien. Da waren keine Zeichen an ihm, doch es war auch so offensichtlich, was er getan hatte. Mit einem mal fühlte sie sich dem Madran, der ihr auf der Reise fast soetwas wie ein Bruder geworden war, seltsam fremd. Es war - das war ihr tief in ihrem Inneren bewusst - im Grunde nichts schlechtes, das er getan hatte. Die Sarvelger waren Feinde, Usurpatoren, die den Tod verdienten. Und es war das animalische Erbe ihres Volkes, das Madrai wie Ras nur zu schnell die Klinge in die Hand springen ließ. Die Gier nach Blut war teil ihres Wesens. Der Tod war ein Teil des Lebens, unausweichlich, und ihn zu bringen war ebenso normal wie wenn ein wildes Tier ein Schaf oder auch ein Kind riss. Was sie störte war nicht, dass Ras den Elfen getötet hatte. Was sie störte war, wie er es getan hatte. Hätte er ihn im Kampf nieder gerungen, ja, selbst wenn er ihm im Schlaf die Kehle durchschnitten hätte, sie hätte nichts gesagt. Aber es war falsch, dass die Götter ihre Macht hierfür genutzt hatten. Es war falsch, dass sie Ras hierzu verführt hatten. Und es war falsch, dass er so leicht der Verführung nachgegeben hatte.
Als Jitaj schließlich den Mund öffnete lag eine Kälte, wie man noch nie bei ihr gehört hatte, in ihrer Stimme. "Wie wird es weitergehen?"

Das erste, was Kitsera zurück im Gasthaus wahr nahm, war Jitajs Frage - und ihre Bitterkeit. Unter dem Fell nicht zu sehen, runzelte die "Fuchsgöttin" die Stirn, doch ihre Stimme klang ruhig, als sie antwortete.
"Ihr werdet einen Widerstand organisieren. Ihr müsst die Völker einen und zum Kämpfen überreden und dann die Sarvelger aus dieser Welt vertreiben. Wir werden Euch helfen, soweit wir es für richtig halten."
Sie sah von Jitaj zu Ras, von Ras zu Ariena und schließlich von Ariena wieder zu Ras. Etwas sagte ihr, das diese Drei schaffen würden, wofür die hohen Herren sie auserkoren hatten.

So, einen Widerstand organisieren? Es hätte nicht viel gefehlt und Jitaj wäre ein geradezu blasphemisches Schnauben entfahren. Ihr Verständnis für Ras' Ablehnung der Götter stieg mit jedem Wort, das diese von sich gaben, mehr und mehr an. Wie stellten sie sich das vor? Was erwarteten sie eigentlich? Jitaj hatte nicht den leisesten Schimmer, wie man einen Widerstand organisierte, zumal hier, wo sie fremd war, wo sie niemanden kannte. Daheim im Dorf wäre es etwas anderes gewesen. Sich im Geheimen mit ein paar anderen zusammen tun, sich gegen die Älteren auflehnen, das war eine Sache. Aber das hier war ein ganz anderer Maßstab und noch dazu waren die Bedingungen ungleich härter. Sie konnten das nicht schaffen!
"Helft uns!" Es war keine Bitte, die Jitaj an Sera richtete. Es war eine Forderung. Die Götter konnten sie nicht einfach auf sich allein gestellt ihre Revolution anzetteln lassen. Sie würden sich selbst ebenfalls die Hände dreckig machen müssen.

Ras reagierte ähnlich wie Jitai, doch er gab sich keine Mühe, ein abfälliges Schnauben zu unterdrücken.
"Das ist alles?" fuhr er Kitsera an. Er hatte für sich bereits beschlossen, der Forderung der Götter nachzugeben, aber - so nicht! Wie stellten sie sich das vor? "Einen Widerstand organisieren? Ganz allein? Einfach so? Ein wenig Starthilfe werdet ihr uns wohl geben müssen, oder eure... Rebellion... verläuft schneller im Sande als ein Wassertropfen in der Mittagssonne!"

Kitsera sah zu Ras und einen Moment lag Kummer in ihrem Blick. Der junge Madran verachtete die Götter derartig, es würde wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis diese... Krankheit sich in allen Völkern ausbreiten würde. Doch einen Augenblick später war ihr Blick wieder so unnahbar und gütig, wie zu vor, als wäre die Trauer nie da gewesen.
"Was erwartest du, Ras? Das wir dir jeden Schritt nennen, den du gehen musst? Wir mögen diese Welt und ihre Bewohner geschaffen haben, doch wir denken nicht wie sie. Du wirst besser wissen, wie du sie für die Sache gewinnen kannst. Nur dies kann ich euch mitgeben: Fangt klein an. Mit euren Freunden. Bekannten. Dort, wo keine Sarvelger sind. Bereitet sie auf die Kämpfe vor, doch lasst sie nicht übereilt handeln. Und so musst ihr euren Einfluss ausweiten, bis ihr eine Streitmacht hinter euch habt, die es wert ist, auf ewig in die Geschichte einzugehen. Wir werden euch sagen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zuzuschlagen."

Das war immerhin schon mal ein Anhaltspunkt, wenn auch kein sehr großer. Ras kannte in seinem Heimatdorf den einen oder anderen, der möglicherweise bereit sein würde, sich einem Aufstand anzuschließen - doch würden sich diese von ihm führen lassen? Einem Madran, der dem Welpenalter noch nicht lange entwachsen war? Er seufzte. Nun, er würde es wohl sehen.
"Besser als nichts," murrte er leise.

Ariena nickte, mitlerweilen hatte sie die umarmung um Jitai etwas gelockert, so das sich die junge Madrai aus der umarmung befreien konnten, wenn sie es denn wollte. "Das ist gut... die grossen Handelsstädte werden zu stark überwacht, schlieslich machen sie hier auch am meisten profit." meinte Ariena leicht verbittert. "In den kleinen provinzen ist die überwachung am schwächsten, also können wir dort ihre kontrolle unterwandern und sie dann dort Treffen.. und zwar so das es wehtut."

Kitsera nickte Ariena leicht zu.
"Aber denkt daran: Wir werden euch sagen, wann der beste Zeitpunkt ist, die gesammelte Kraft zum Angriff zu bringen. Doch nun solltet ihr schlafen. Sammelt eure Kräfte. Je eher ihr beginnt, Krieger zu sammeln, desto eher wird diese Welt wieder euch gehören und die Ungerechtigkeiten werden aufhören. Alles wird wieder so werden, wie es einmal war und wie wir es geschaffen haben."
Sie sah die drei Auserwählten an.
"Schlaft wohl, meine Kinder. Wir wachen über euch."
Mit diesen Worten löste sich Kitsera wie in Luft auf.

Lotis blickte sich im Raum um und musterte die drei eindringlich, dann begann er noch einmal zu sprechen:
"Ich gebe Euch noch drei Ratschläge mit auf den Weg: Haltet Euch bedeckt, Schlagt zu wenn der Feind nicht damit rechnet und achtet ansonsten sehr genau auf Eure Taten...und eure Worte."
In den letzten Worten schwang eine kaum verhohlene Warnung mit, während er seinen undeutbaren Blick auf Ras richtete.
Dann, ohne eine Reaktion abzuwarten sprang er auf die Wand zu und tauchte einfach darin ein und war verschwunden, nur ein sich rasch verflüchtigender Duft nach Waldboden blieb zurück.

Die Götter verschwanden, einer nach dem anderen, doch Jitaj fühlte sich deshalb nicht wirklich besser. Das, was eben geschehen war, konnte man nicht einfach abschütteln wie einen bösen Traum. Was dachten diese Götter sich überhaupt? Wie konnten sie ihnen nur so eine Aufgabe auflasten? Ras und sie, sie waren doch fast noch Kinder! Warum konnten sie sich für ihre Rebellion nicht die Rudelführer und Könige der Völker ausersehen? Jitaj verstand die Welt nicht mehr. Bisher hatte sie stets geglaubt, die Götter würden es gut mit den Völkern meinen, die ihre Kinder waren. Sie hatte sie ebenso verehrt wie die Ahnen. Nun jedoch kamen ihr ernste Zweifel, ob diese merkwürdigen Gestalten, die nicht das geringste Interesse zeigten, etwas für Lonais zu tun, diese Verehrung verdienten. Sie blickte zu Ras, versuchte in dessen Gesicht zu lesen, wie er sich fühlte.
"Das ist doch Wahnsinn...", flüsterte sie schließlich, "Ich mach' da nicht mit. Ich kann das nicht..."

Ariena seufzte. "Jitaj... Ras... einer von euch beiden meinte anfangs das doch eher die Könige, Priester oder andere Anführer besser geeignet wären eine Rebellion zu leiten... Das klingt im ersten moment vernüftig... doch wenn ich mir überlege... in den drei Jahren gab es vieleicht höchstens kleinere Aufstände, aber nie soetwas wie eine Organisierte Rebellion... keiner dieser besser geeigneten Personen hat einen Wiederstand auf die beine gestellt... und nun... unsere Götter haben uns nun diese Aufgabe übertragen, wenn wir es nicht tun, wer dann? Die Götter sind uns direkt erschienen, von angesicht zu angesicht und nicht in verschwommenen Visionen wie bei den Priestern, ein deutlicheres Zeichen können wir nicht kriegen. Wenn wir es nun nicht zumindest versuchen, dann werden unsere Brüder und Schwestern wohl für immer Sklaven der Salverger sein... und das möchte ich nicht. Wir haben heute gesehen wie sie uns Behandeln und das war wohl nur die spitze des Eisbergs, irgendwann werden sie auch noch den letzten kläglichen rest des Respekts verlieren den sie momentan uns gegenüber noch haben... Ich habe auch zewifel an meinen eigenen fähigkeiten und das ich die richtige dafür bin... doch ich vertraue darauf das die Götter in mir und auch in euch beiden etwas gesehen haben was uns zu den Leuten macht die es nun für eine Rebellion braucht... etwas das wir selber nicht verstehen oder erkennen können... Ich für meinen teil werde es sicher versuchen, alleine wenn es sein muss, doch ich hoffe das ihr beiden euch nicht so entscheidet." Ariena löste sich aus der umarmung mit Jitaj und stand auf. Sie wollte das Zimmer der beiden bereits wieder verlassen, drehte sich aber nochmals zu ihnen um. "Ich werde morgen im Schankraum auf euch warten, um eure devinitive entscheidung zu hören. Wenn ihr nicht mitmachen wollt werde ich das akzeptieren... gute nacht."

Augenrollend wandte sich Ras ab, als Ariena ging. Er wünschte, er könnte ebensoviel Vertrauen in die Götter setzen! Doch wie hilfreich sie tatsächlich waren, mußten sie in seinen Augen erst noch beweisen. Auch an seiner Eignung und der von Jitai und Ariena hegte Ras ernste Zweifel. Doch im Augenblick konnten sie ohnehin nichts weiter tun als zu schlafen. Morgen würden sie weitersehen.