Broken Skies [MSG]

"Warten, würde ich sagen...", antwortete Valt dem Dahkin. Das war zwar nicht genau das, was der Kapitän gesagt hatte, aber nachdem er überhaupt keinen Befehl mitbekommen hatte und auch sonst niemand geschäftig herum lief nahm Valt an, dass es das Sinnvollste war, in Rufweite des Leoniden - also schlichtweg an Deck - zu bleiben und abzuwarten, bis es etwas zu tun gab. Im Moment jedoch schien die Windfänger gut allein zurecht zu kommen. Gemächlich driftete sie aus dem Hafen hinaus. Links und rechts zogen sich die Häuser der Stadt dahin, flankierten in immer größerem Abstand ihre Fahrt, doch rings um sie war nichts als das magische Meer. Valt hatte sich mit beiden Unterarmen auf die Reling gestützt und blickte zurück zu Stadt. Er hatte sie nie wirklich geliebt, aber der Gedanke, sie für immer zu verlassen, ließ ihn melancholisch werden. So viele Erinnerungen gingen da dahin. Gute Erinnerungen. An seine Eltern. An seine Lehrzeit. An sie. Das alles lag jetzt hinter ihm. Aber so einfach, wie man über eine Laufplanke an Deck eines Schiffes ging konnte man ein Leben dann doch nicht zurück lassen. Ein unbestimmtes Gefühl, nicht Trauer, nicht Furcht, nicht Bitterkeit, sondern vielmehr irgendetwas dazwischen, schloss sich wie eine schwarze, kalte Faust um sein Herz. Ohne, dass er es bemerkt hätte, verhärteten sich seine Züge. Die Frage des Luhpin drang an sein Ohr und langsam wandte er ihm den Kopf zu, blickte ihn lange aus tiefen, traurigen Augen an. Aber er antwortete nicht.

Faint liess sich von dem Start nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil, er freute sich darüber, denn über dem Gedränge der Menge hatte er gerade zwei Elvair entdeckt, die die Kleidung des Instituts trugen. Sie blickten sich suchend um und obwohl es nicht so schien, als hätten sie ihn bemerkt, streckte er ihnen die Zunge heraus, während die Windfänger langsam aus dem Hafen auf das offene magische Meer hinausschwebte. Die konnten ihn lange suchen! Bis sie bemerkt hatten, dass er nicht mehr in der Stadt war, würden sie wahrscheinlich schon durch dieses Irgendwas-Tor fliegen, von dem der Kapitän in der Taverne gesprochen hatte. Und wenn es erstmal so weit war, würden sie ihm gar nichts können und er würde einfach nicht mehr zurückkehren oder nur, wenn er ein Held oder so etwas war, der es sich leisten konnte, einen kompletten Flügel des Technomagischen Instituts in die Luft zu sprengen.
Mit einem beständigen Kichern flog Faint hinüber zu einer kleinen Gruppe und setzte sich dort auf die Reling. Er achtete darauf, dass niemand seinem Faden zu nahe kam und ihn wieder hin- und herschubsen konnte. Dann grinste er den kleinen Hundemenschen an.
"Na, schon gespannt, was dort draussen so für Kräuter wachsen? Vielleicht wirst du ja ein Entdeckeralchemist, ein richtiger Pionier auf dem Feld von Was-weiss-ich? Oder vielleicht komme ich dir zuvor, wer weiss das schon."

"Ah was, du kommst mir nicht zuvor.", lachte Apfel, rüttelte leicht an dem Fayseil, und kicherte dann leise in sich hinein, "Ich habe ewig an der Uni studiert und nie was von einem Faint Copper gehört. Wenn du so eine heisse Nummer wärest, dann hättest du einen Doktorvater - so wie ich!"
Da das natürlich etwas aufsässig war, was er gerade gesagt hatte, und er eigentlich nichts gegen den Elvair hatte, setzte er versöhnlicher nach, nicht ohne weiter periodisch an dem Seil zu rütteln:
"Aber du kannst mir natürlich helfen, die Pflanzen zu sammeln, zum Beispiel an einer Felswand. Ich bin nicht so gut im Klettern. Du wirst dann lobend erwähnt - oder vielleicht sogar als Co-Autor? Wer weiss..."
Er tapste ein wenig über das Deck, rückte seine Brille zurecht, und starrte in die Ferne. Die Sonne stand hoch am Himmel, sie würden also noch eine ganze Weile segeln, bevor es dunkel wurde. Die Stadt hatten sie weit hinter sich gelassen, und er mochte nicht so recht wissen, ob das eine gute oder schlechte Sache war...

Obwohl die Sonne so langsam hinter dem Horizont versank, wurde dadurch die Sicht nicht weiter gemindert. Im Gegenteil erzeugten die glühenden Partikel des Meeres einen taghellen Zustand, der vom Tag nicht zu unterscheiden war. Solheym verschwand hinter ihnen und die Lichter und der Komfort der Stadt wären eine Weile nicht mehr erreichbar. Aber sie würden zurückkommen. Immerhin war dies die Windfänger. Und die Windfänger brachte immer alle zurück. Natürlich mussten sie erst das Sturmtor überwinden. Und dafür brauchten sie noch ein paar Dinge, die sich aber leicht besorgen lassen sollten.
Die See war ruhig, der Wind blies stetig von Achtern und die Magieleitsteine würden ein übriges machen. Ragnar ließ das Steuer los. Das Schiff ruckte kurz zur Seite, um sich beinahe sofort wieder zu beruhigen und seinen Kurs fortzusetzen.
"Alle zu den Kanonen!", brüllte der Leonide und kam aufs Deck herunter. Die Bedienung der Kanonen war noch wichtig. Direkt danach würde er einen Ausguck festlegen müssen.

Zu den Kanonen? Warum hatte die Windfänger überhaupt Kanonen? Sie war doch ein... ein Forschungsschiff, oder soetwas in der Art. Je länger er an Bord des Luftschiffs verbrachte, desto mehr zweifelte Valt daran, dass es eine kluge Idee gewesen war, dort anzuheuern. Doch er schob den Gedanken rasch beiseite. Es war allemal besser als in Solheym zu bleiben. Er wollte diese Stadt nicht mehr sehen. Wollte sie vergessen. Aber seine Neugierde konnte er dann doch nicht zurück halten. "Wofür brauchen wir die Kanonen, Kapitän?", fragte er nach während er sich nach dem nächsten Abstieg auf das Geschützdeck umsah, "Was ist da draußen, gegen das wir uns verteidigen müssen?" Andere Schiffe vielleicht? Aber denen konnte man doch auch davon segeln. War die Windfänger nicht für ihre Geschwindigkeit bekannt? Was gab es also noch da draußen? Hatte letztendlich nicht jedes Meer auch seine Seeungeheuer?

Ohh! Kanonen! Da musste er aber aufpassen, dass seine emfindlichen Ohren nichts abbekamen. Glücklicherweise hatte er gegen potentielles Schnarchen ohnehin ein paar Wachspfropfen mitgenommen, also kamen die zum Einsatz.Vorsichtig hob er die Ohrlappen, die seine Ohren ausmachten, hoch, und pfropfte das Wachs in den Gehörgang. Jetzt war er bereit! Er trat an den Kapitän heran, und da er seine Stimme nicht so recht einschätzen konnte, mit verstopften Ohren und allem, redete er sehr laut auf ihn ein.
"Ich kann euch Kanonenpulver zusammenmischen! Am Institut konnte ich die Reichweite der Treibladung um 25 Prozent vergrößern! Also, wenn ihr ... Feuerschlangenblut und Windwebersalz habt!"

Kanonen? Die mochte er nicht so gerne. Die lauten Knalle beim Abfeuern der Kugeln tat Choraz in den Ohren weh. Allerdings war es klar, dass diese schon nützlich sein konnten. Er kämpfte zwar eigentlich lieber Mann gegen Mann, doch aus der Entfernung konnten die Dinger mächtig sein. Auch wenn er nicht viel davon hielt, Gegner von weit weg zu bekämpfen. Es war irgendwie so... unpersönlich. Das Gefühl, seinen Gegner direkt vor sich zu haben, was eigentlich zu jedem Kampf gehörte, fehlte dann. Aber was solls, sagte er sich und ging zu einer der Kanonen.

Bevor Faint dem Hundemenschen antworte konnte, rief der Kapitän sie wieder zusammen und zu den Kanonen. Kanonen! Faint mochte Kanonen. Die knallten wunderbar und wenn man die richtige Mischung hin bekam, knallten sie noch einmal eine ganze Ecke lauter. Wobei... vielleicht sollte er doch die Finger von Kanonen lassen. Das letzte Mal, als er mit knallenden Dingen zu tun gehabt hatte, war das bekanntlich nicht so gut ausgegangen. Oder zum Glück nicht so bekanntlich, sonst wäre er wohl nicht an Bord. Und jetzt wusste er ja schliesslich, wie man mit knallenden Dingen umgehen musste, also bestand keine Gefahr mehr. So ein Fehlelr würde ihm bestimmt nicht zweimal nacheinander passieren.
"Ich, ich, ich melde mich freiwillig, Kapt'n!", rief er, während er näher heranzischte, einmal eine Runde flog und dann den Kopf ins das Rohr der Kanone steckte. Das war ganz klar ein Fehler. Hustend mit mit schwarzem Kopf zog er ihn wieder raus. "Die...", Husten unterbrach ihn, "die Dinger sollte man mal richtig durchfegen, sonst schiessen wir nur mit Dreck auf... ja, auf was schiessen wir eigentlich?"

Kanonen waren eine teuflische Sache. Zielt man zu schlecht, dann macht man das Schiff nicht flug unfähig sondern lässt es gleich ganz verschwinden und damit war auch alles, was man an Bord hätte holen können, futsch. Einmal davon abgesehen das er seit ewigkeiten in einer stinkenden, kleinen Stadt vergammelt ist, hatte er bis jetzt noch nie den Umgang direkt mit Kanonen gehabt. Seine Aufgabe war es gewesen das Schiff zu befehligen was, wenn er nun daran zurück dachte, wohl eindeutig die leichteste Aufgabe gewesen ist.
Als das kleine, fette und fliegende Dinge in die Kanone kroch konnte man sehen wie sich ein verstohlenes Grinsen bei ihm abzeichnete und wenn man nun raten dürfte, sollte man nicht darauf setzen das sich seine Gedanken grade darum drehten wie er, oder man alles böse und schlechte von dem Elvair weghalten könnte.

Das Missgeschick des Elvair hatte etwas unfreiwillig Komisches an sich. Es brachte Valt, der den anderen inzwischen auf das Geschützdeck gefolgt war, nicht zum lachen - bei all den jüngsten Ereignissen in seinem zuvor so ereignislosen Leben würde es noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder lachen konnte - aber entlockte ihm zumindest ein schiefes Grinsen, ein unsicheres Schmunzeln. Das Problem, das Faint aufgezeigt hatte, war jedoch nicht von der Hand zu weisen. Eine Lösung lag allerdings nicht fern. Valt musste sich nicht lange umsehen um den mannslangen Stock mit dem dick mit schwarz verkrustetem Stoff oder Fell oder ähnlichen umwickelten Ende zu entdecken, der neben dem Geschütz an der Wand lehnte. "Der ist zum Saubermachen, oder?", rief er fragend über die Schulter hinweg in Richtung des Kapitäns während er zielstrebig auf den Stab zuging und ihn sich griff.

Nachdem Ragnar die ganze Meute zu den Kanonen befehligt hatte, hatte sich natürlich auch Helena aufgemacht und nach kurzer zeit war die ganze Truppe unter Deck verschwunden. Während die meisten noch die Kanone betrachteten, blickte Helena sich um. Im Groben wusste sie wie man einen Kanone bediente, schliesslich waren die Dinger nicht nur auf Schiffen, sondern auch in Türmen oder Schlachten zu finden. Das Schwarzpulver entdeckte sie relativ schnell, lies aber die Finger davon. Als Salamander sollte man jeden unnötigen Kontakt zu leicht endzündlichem Material vermeiden. Stattdessen schnappte sie sich eine Kanonenkugel und machte sich schon mal bereit diese in die Kanone selbst zu befördern.

Als der Mensch mit einem dieser Putzstöpsel auftauchte, ging Faint gleich auf Abstand. Er schwirrte nach oben und setzte sich ans hintere ende der Kanone, während er sich noch den Russ aus Gesicht und Haaren wischte. Hier zeigte sich seine Teil-Magierausbildung als nützlich. Da er immer Dinge kaputt gemacht hatte, kannte er den einen oder anderen Putzzauber, den er nun auch auf sich selbst anwandte. Der Russ löste sich daraufhin ziemlich schnell und er pustete ihn von sich weg.
"Das mit dem 'Freiwillig melden' war übrigens aufs Kanonenschiessen, nicht aufs Putzen bezogen", begann er hastig zu reden. "Ich bin dazu ganz und gar nicht geeignet", sein sauberes Gesicht und der davonschwebende Russ straften seine Worte Lügen, "und der Stöpsel da ist sowieso viel zu gross für mich, ich könnte den gar nicht mal hochheben, geschweige denn damit etwas putzen."
Natürlich verschwieg er, dass er einigermassen mit Telekinese umgehen konnte. Musste ja keiner wissen, sonst würde er wirklich noch zum Kanonen putzen abkommandiert und aus Erfahrung wusste er, dass putzen überhaupt keinen Spass machte. Da schoss er lieber Eisenkugeln durch die Gegend!

Obwohl der Elvair langsam aber sicher eine metaphorische Reibe über Ragnars Hirnrinde zu ziehen begann, so hatten dessen Kapriolen doch irgendwo etwas lustiges an sich. Vielleicht war er der Schiffsclown. Jede Besatzung hatte so einen. Wenn es keinen gab entstand er einfach. Das schien irgendeine Art von Gesetz zu sein. Die Lefzen des Leoniden bewegten sich merklich nach oben während er das Treiben beobachtete. Da wollten sich ein paar Leute direkt nützlich machen. Wobei der Elvair wohl eher nur rumschießen wollte.
"Ist richtig, Valt", bestätigte Ragnar dessen Frage: "Mach dich gleich mal ran." Der Leonide drückte mit einer Pranke hinten auf die Kanonen und die Magie die sie hielt schien einen Moment nachzulassen. Das Kanonenrohr legte sich in die Schräglage, Öffnung nach oben.
"Tja, mal sehen. Hier draußen gibts es Blitzfresser, Wolkenschlangen, ein paar Piraten, Windmoloche, Sirenen und noch eine ganze Menge anderes Viechzeug. Wir werden schon dazu kommen die Kanonen einzusetzen. Wer möchte nen Probeschuss machen?"

Bei den Missgeschicken des Elvair und seinen Versuchen, sich vor dem Putzen zu drücken, obwohl er derjenige war, der es überhaupt gefordert hatte, musste Choraz unfreiwillig schmunzeln. Mit diesen quirligen, kleinen Kerl an Bord würde es jedenfalls nicht langweilig werden. Auch wenn er ganz und gar nicht nach Kraft aussah und Choraz ihn wohl davor schützen musste, in einen Nahkampf zu geraten, der ihm sicher nicht gut bekäme, wenn er ja sogar mit ein bisschen Ruß solche Probleme hatte. Sicher, der Geruch vom dem Ruß, den der Elvair an sich kleben hatte, zwickte den Luhpin sogar aus der Entfernung ein wenig unangenehm in der Nase, doch wenn er sich eine Kralle vor die Nase hielt und mit der Anderen mit dem Wischer hantierte, würde die Putzerei sicher nicht unmöglich sein.
Einen Probeschuss abgeben wollte er allerdings nicht. Sie waren einfach so laut, diese Kanonen. Er ließ einfach seinen Blick über die Menge schweifen und wartete, wer sich melden würde.

Dass der Elvair sich vor dem Putzen drückte verwunderte Valt gar nicht, auch wenn dessen Argumente in diesem Fall sogar Sinn ergaben. Wobei er nicht daran zweifelte, dass Faint auch dann eine Ausrede gefunden hätte, wenn er größer und kräftiger gewesen wäre. Ihm selbst hingegen machte diese Art von Arbeit wenig aus. Letztendlich war sie so gut wie jede andere auch. Valt war Handwerker, er war daran gewohnt das zu tun, was getan werden musste, nicht allein das, was angenehm war. Also packte er den Rohrputzer mit beiden Händen und stieß ihn in den Lauf der Kanone. Der Dreck saß fester als er angenommen hatte, hatte dicke, rußige Krusten an der Innenwand des Rohrs gebildet, aber des Stoffbündel am Kopf des Putzers war dicht gepackt und gut verschnürt und brach glatt durch den Dreck hindurch. Es war dennoch Knochenarbeit. "Um eine Kanonenkugel hoch zu heben bist du dann aber auch nich kräftig genug", gab er in Richtung des Elvair zu bedenken während er das Rohr auswischte, "Geschweige denn um die Kanone auszurichten. Vielleicht kannst du die Lunte anstecken..."

Natürlich war Lésca den anderen Crewmitgliedern auf das Kanonendeck gefolgt; auch ihm gefiel die Vorstellung, direkt neben einer feuernden Kanone zu stehen, nicht besonders, aber er war schon dabei gewesen. Mit ein bisschen Wachs in den Ohren war der Knall auszuhalten. Es war beinahe schlimmer, danach wieder das Wachs aus dem Pelz zu fummeln.
Aber als es dann darum ging, einen Probeschuss abzugeben, drängte Lésca nach vorne; endlich ergab sich eine kleine Gelegenheit, den anderen zu zeigen, was er konnte, was er für die Crew wert war – auch als Krüppel. Das war ihm wichtiger als ein Klingeln in den Ohren, das in ein paar Stunden wieder verschwunden sein würde. Rasch trat er in Ragnars Blickfeld vor.
"Sir? Ich könnte einen Schuss abgeben."

"Nein, ich will, ich will!", rief Faint dazwischen, als der eine Katzenmensch sich meldete. "Ich kann die Kanone mit Magie bewegen, das ist einfach, wirklich. Und viel genauer als mit einem Haken. Und Kugeln kann ich damit auch anheben. Und Lunten mit einem Feuerzauber anzünden ist auch ganz einfach. Ich bin sozusagen dazu prädestiniert, mit der Kanone herumzuschiessen!"
Seine kleine Ansprache bekräftigte er mit beständigem Nicken, während er sich vom hinteren Teil der Kanone erhob und aufgeregt kleine Kreise flog. Er hatte schon als Kind mal mit einer Kanone schiessen wollen, aber seine Eltern waren dagegen gewesen, dass er Pirat wurde, da sie damals noch die Hoffnung gehabt hatten, dass er ihre magische Begabung geerbt hatte. Jetzt würde ihm diese halbfertige Ausbildung bei der Erfüllung dieses Kindertraums helfen!
"Also... wie funktioniert das Ding?"

"Lesca wird den Schuss abfeuern", stellte Ragnar in seiner gewohnten Befehlsstimme fest. Dem Jungspund fehlte eine Hand und es würde Ragnar nicht weiter wundern, wenn er das als Schwäche ansah. Bis er irgendwann einmal gezwungen war, seinem Gegner mit dem Haken den Bauch aufzureißen. Danach würde er schon mehr Selbstvertrauen haben. Aber im Moment konnte er jeden Schub gut brauchen.
"Ladet die Kanone. Erst Schießpulver in den Lauf, gut festdrücken, dann die Kugel reinrollen lassen. Dabei auf die Finger aufpassen, hab keine Lust jemanden zu verarzten. Die Kanonen wird durch Magie gehalten, also zielt ihr am besten einfach, indem ihr das Rohr auf das Ziel richtet. Die Magie fängt auch den Rückstoß ab. Haben eine ganze Stange Geld gekostet, die Schätzchen. Gut, Lesca kriegt den ersten Schuss. Bevor wir bei Nirn, der ersten Insel ankommen, wird jeder einmal schießen. Kann immer sein, dass jemand ausfällt und ihr den Posten an den Kanonen übernehmen müsst."
Ragnar nahm Abstand von der Kanone und überließ seiner Mannschaft das Feld, wobei er auf Eisenscharniere im Deck deutete.
"Die Kugeln sind darunter. Dann lasst mal sehen."

Dass Lésca den Schuss ausführen durfte, war eine gute Lösung. So konnte er trotz seines vorhandenen Mangels seinen Wert beweisen, womit er sicher etwas Selbstvertrauen gewann. Und das war absolut überlebensnotwendig, egal wie schwach oder verstümmelt man war. Nun, Choraz selbst war natürlich stark und ihn erfüllte das mit Stolz, aber er wusste, dass die anderen Wesen, die zwar schwächer, aber auch intelligenter als er waren, ihm durchaus ebenbürtig waren, zwar nicht im Kampf, wohl aber in anderen Dingen.
"Nur Mut.", versuchte er den Katzenmensch zu ermuntern.

Mit wenig Kenntnis aber zumindest viel Engagement machte Valt sich daran, den Anweisungen des Kapitäns nachzukommen. Vielleicht war es das schlechte Gewissen wegen der wenig schmeichelhaften Gedanken, die er sich seit ihrer Abreise über dieses Unterfangen machte, vielleicht der Wunsch sich durch Fleiss mit dem Rest der Mannschaft gut zu stellen, vielleicht auch einfach nur der Versuch, sich durch die Arbeit von seinen düsteren Gedanken abzulenken. Das Pulverfässchen, das er unter Deck bei den Kugeln fand, wirkte nicht sonderlich groß, aber schwer war es dennoch und da er wusste, dass der Blick des Kapitäns auf ihm ruhte, gab er sich besondere Mühe, nichts von dem merkwürdig riechenden schwarzen Pulver daneben rieseln zu lassen, was das Ganze jedoch nur weiter in die Länge zog. Vor allem aber hatte Valt keine Ahnung, wieviel Pulver man für einen Schuss brauchte. Er ließ also langsam immer weiter rieseln und hoffte, dass ihm irgendwer schon bescheid geben würde, wenn es genug war.

Während Valt sich schon mal um das Schiesspulver kümmerte schnappte sich Helena eine der Kanonenkugeln und hob sie Hoch. Hätte sie gewusst das sich Valt mit dem Pulver zeit lies, hätte sie die Kugel wohl erst später geholt, doch einfach wieder absetzen wollte sie das schwere Stück auch nicht. "Wie viele solcher Kanonen hat die Windfänger eigentlich?" Helena wusste nicht, wie viel auf einem Schiff dieser Grösse üblich war, doch sie schätzte einfach mal das ein kleineres wendiges Schiff nur so um die sechs Kanonen hatte, vielleicht sieben, wenn noch eine am Bug oder dem Heck platziert war. Das war zwar nicht gerade üblich, aber damit konnte man manchmal den Gegner gehörig überraschen.

Mit einer Mischung aus Murren und Quietschen schoss Faint an die Decke und blieb dort oben hängen. Sie liessen ihm ja gar keine andere Wahl als zu schmollen! Und wie er schmollen würde, tagelang, wochenlang! Dabei hätte er so gerne mit der Kanone geschossen. Dass Ragnar gesagt hatte, dass sie alle einmal schiessen würden, überhörte er einfach gefliessentlich. Dieser Katzenmensch mit seinem Haken durfte als erster schiessen, das war einfach nicht fair. Bestimmt könnte Faint es viel besser. Elvair hatten bestimmt ein noch nicht entdecktes Gen, dass sie perfekt fürs Kanonenschiessen machte. aber dann eben nicht. Er würde jetzt einfach hier oben mit surrenden Flügeln schweben bleiben, bis Lésca geschossen hätte und dann würde er ihn auslachen. Ja auslachen würde er ihn! Pah!

Nervös leckte sich Lésca die Lippen, als er die Gelegenheit zugesprochen bekam, die Kanone abzufeuern. Er wollte sich des in ihn gesetzten Vertrauens unbedingt als würdig erweisen. Er drehte sich nach dem Pulverfass um, aber Valt hatte es schon an den Lauf gesetzt und begann, Pulver einzufüllen; er sah nach den Kanonenkugeln, aber Helena hatte bereits eine in den Händen. Eigentlich war das auch besser so, denn er hätte es zwar schon irgendwie geschafft, aber darüber, wie er genau mit einem Haken anstatt einer Hand die Eisenkugel hätte tragen sollen, hatte er sich nicht wirklich Gedanken gemacht.
Schon hatte Valt ein wenig mehr in das Rohr gekippt, als einem normalen Schuss gut tat, also winkte er dem Handwerker rasch.
"Das reicht, das reicht … Jetzt die Kugel. Aber vorsichtig, setz sie hier an den Rand, und dann reinrollen lassen… und die Hand weg, dann."
Rasch sah er beim Zündloch nach, ob das Pulver auch richtig lag, und streute ein wenig aus dem Fass hinterher, als er sah, dass Valt es zu weit nach unten gekippt hatte. An einem Haken hinter ihm hing eine lange Lunte, und darunter, in einer Eisenschale, ein Feuerstein. Rasch und geübt schlug er Funken und entzündete den Wollstrang. Atemlos unter all dem Blicken, die auf ihn gerichtet waren, wartete er darauf, dass Helena die Kanone lud.

Schweigend beobachtete Choraz den Vorgang, der sich vor ihm abspielte. Sicher hätte er auch die Kanonenkugel tragen können, aber wenn das Echsenwesen schneller war und sich abmühen wollte - ihm sollte das recht sein. Der Mensch unterdessen füllte das Pulver ein. Dem war Choraz dankbar - dem grässlichen, stinkenden Pulver wollte er sich nicht unbedingt nähern, da es ihm ein Brennen in seiner hypersensiblen Nase beschert hatte. Jedenfalls war es gut, dass dem Einarmigen zur Hand gegangen wurde, wenn er selbst die Kugel hätte schleppen müssen, dann wäre der Schuss vermutlich erst nächste Woche abgegeben worden. Nun würde es interessanter werden. Ein bisschen schmerzhaft für seine Ohren zwar, aber auch interessanter.

Nachdem die Kanone mit genügend Pulver versorgt worden war, bekam Helena bescheid gesagt, dass sie die Kanone laden konnte und dem Wunsch kam sie natürlich nach. Zum Glück musste sie sich keine Sorgen machen, dass sie sich ein Finger einklemmen könnte, schlieslich hatte sie ja Klauen und die waren ein bisschen stabiler. Sie setzte die Kugel an die Kanonenmündung und lies das runde Geschoss danach einfach hineinrollen. Sofort machte sie einen Schritt zur Seite, den sie wollte ja nicht in die Schusslinie geraten. "Na dann leg los." Im offenen magischen Ozean hatten sie zwar kein Ziel auf das sie schiessen konnten, aber darauf kam es jetzt ja auch nicht an.