Broken Skies [MSG]

Faint verzog das Gesicht, als der Leonide ihn einfach ignorierte. Er hasste es, ignoriert zu werden! Und ausserdem hatte er ihnen Bier versprochen, da wollte er Faint gefälligst auch welches bekommen, genau wie die anderen Angeworbenen! Mit surrenden Flügeln plusterte er sich direkt vor dem Gesicht des Löwen auf und blitzte diesen so böse wie möglich aus den goldenen Augen an.
"Hey! Bekomme ich etwa nichts zu trinken? Willst du mich verdursten lassen, nur weil ich klein bin?!", wetterte er los und fuchtelte dabei wild mit den Armen umher. "Das ist rassistisch und überhaupt kein guter Start in ein Arbeitsverhältnis, wenn ich das mal anmerken darf!"
Natürlich hätte Faint sich ein Bier für seine Grösse auch selber kaufen können, Gold genug hatte er dabei, aber wen Ragnar es schon anbot, bestand er natürlich darauf. wo käme man auch hin, wenn alle Geschenke ausschlug. Einem geschenkten Flugtaul schaute man nicht ins Maul. Besonders nicht wegen der Zähne.

Erleichterung durchströmte Lésca wie angenehme Wärme. Nicht nur, weil ihn der Kapitän trotz seiner offensichtlichen Behinderung nicht ablehnte – im Gegenteil, Lésca war überrascht von der Wärme, mit der der Leonide ihm begegnet war. Der zweite Grund, wegen dem er sehr erleichtert war. Ragnar schien ein guter Mann zu sein, kein Schinder, der seine Crew quälte. Dafür hätte der junge Gatha ein viel zu gutes Ziel abgegeben, behindert, wie er war.
Wäre er ein Mensch gewesen, wäre er wohl rot geworden, aber das dichte Fell verhinderte, dass jemand seinen Gefühlsschub bemerkte – wenn er nicht gerade auf seine linkischen Bewegungen achtete, die gar nicht zu seiner sonstigen Katzenhaftigkeit passen wollten. Mit gesenktem Blick, damit niemand sehen konnte, wie naiv er grinste, bahnte er sich einen Weg zwischen den Caniden und einem fetten Elvair und sah sich nach der Liste um.
Mit wiedergekehrter Kontrolle über seinen Körper schlüpfte er durch die Barrikade der anderen Rekruten und setzte mit einigen entschlossenen Strichen sein Namenszeichen auf das Pergament. Er wusste nicht, ob Ragnar überhaupt Gatha lesen konnte, aber da andere einfach nur ihren Fingerabdruck als Unterschrift dorthin gesetzt hatten schien es auch nicht so wichtig zu sein. Das Zeichen wurde nicht ganz so schön, wie er gedacht hatte, denn mit der Linken war er doch ein gutes Stück weniger geschickt als mit der Rechten. Ein Grund mehr für eine neue Hand, dachte er, als er den Krakel kritisch besah.
Aber schon kurz danach sah er sich nach jemandem anderes um, einem anderen Mitglied der Crew, mit dem er reden konnte – erfahren, wie es auf den großen Luftschiffen so lief, wohin Kapitän Ragnar Grauprank flog. Worauf man achten musste. Er war noch nie in seinem Leben so auf sich alleine gestellt gewesen.
Rasch stellte er sich zu den beiden Caniden, denn die schienen die einzigen, die nicht mehr mit dem Kapitän beschäftigt waren und keine Fragen mehr hatten. Zuerst sah er sich den größeren an, aber der schien ihm ein wenig zu wild, also richtete er sich lieber an den anderen, der irgendwie ganz anders aussah als all die wilden Gesellen um ihn her.
"He, sag mal", plapperte er ein wenig unbeholfen, "weißt du, wie das alles hier abläuft? Ich hab' mich gerade eingetragen, aber wo liegt das Schiff? Und wann geht's los?"
Ein wenig verspätet und mit einem nervösen Grinsen setzte er noch nach: "Ich bin Lésca. Wer seid ihr?"

"Oh, ich bin auch noch nie so wirklich geflogen. Einmal.", plauderte Acha'az los, "Aber wenn das als Erfahrung zählt, dann werden wir in Hängematten schlafen und an Haken in der Takelage eines Schiffes hängen. Also, ich natürlich nicht. Ich bin zwar ein Prachexemplar für einen Dahkin, aber wir sind für harte Arbeit nicht geschaffen. Vielleicht kann ich beim Segel setzen helfen, aber ich kann mir wirklich geschicktere Sachen vorstellen, als einen untrainierten Alchemisten an die Unterseite eines Schiffes zu hängen." Er lachte. Dann bemerkte er den Armstumpf des Gatha. Ein mulmiges Gefühl kroch in seine Magengrube, und er ballte unwillkürlich seine rechte auf der Tischplatte zur Faust. Gut, die war noch da. Und der Gatha konnte nichts dafür. Bestimmt. Vielleicht war er ein Dieb, dem man die Hand abgehackt hatte. Puh, da musste er aber auf seinen Alchemiekram aufpassen! Viel Geld hatte er nicht dabei... Vielleicht half auch Fragen.
"Warum hast du denn nur eine Hand? Dachte, ihr Gatha habt in euren Stämmen keine mit dem Körperteil korrespondierenden Strafen? Und hier in Solheym auch nicht..."

So langsam schienen sich einige Rekruten anzusammeln. Und es waren eine Menge verschiedener Rassen vertreten. Naja, langweilig würde die Sache bestimmt nicht werden, das hatte Choraz im Gefühl. Er konnte sich eine schlechtere Truppe als Diese vorstellen, mit der er seinen Hals in den magischen Sphären riskieren würde. Würd schon werden.
Schließlich setzte sich der katzenhafte Einhändige zu ihnen und verwickelte den kleinen Caniden in ein Gespräch. Dabei verwendete Dieser, wie es sich für einen Dahkin gehörte, einen Begriff, den Choraz nicht kannte. Der Luhpin hatte noch nie von dem Wort 'korrespondieren' gehört. Das war auch ein sehr kompliziertes und langes Wort. Trotzdem verstanfd er, was der Andere sagen wollte. Es schien darum zu gehen, ob dem Gatha die Hand als Strafe abgehackt worden war oder nicht. Dazu konnte Choraz nichts sagen, er wusste nicht viel über die katzenhaften Gesellen. Naja, wer empfindlich und zerbrechlich war, der musste besonders auf seinen Körper achtgeben.

Mit einer Ruhe, die selbst Plattentektonik von ihrem Weg hätte abbringen können, schob Ragnar einen der Krüge auf dem Tisch beiseite. Dahinter offenbarte sich Faint und ihm ein voller Krug in Elvairgröße. Im Gegensatz zu dem Elvair hatte der Leonide aufgepasst und den Krug zwischen den anderen gesehen als der Wirt die zweite Ladung brachte. Der Elvair, Faint, wie Ragnar nach einem Blick auf seine Liste erfuhr, würde noch eine ganze Menge lernen müssen. Alle seiner neuen Rekruten mussten noch eine ganze Menge lernen, aber Faint am meisten. Respekt war der erste Punkt auf der Liste. Stumm deutete Ragnar auf den Elvairbierkrug, bevor er sich an Valt wandte: "Niemand weiß, was hinter dem Sturmtor ist. Entweder hat bis jetzt niemand geschafft das Tor zu durchqueren oder dahinter ist es so schön, dass niemand zurückwollte." Der Ton Ragnars machte ziemlich deutlich, dass er ersteres für wahrscheinlicher hielt.
"Wir werden also die ersten sein."

Er begann zu verstehen, wieso diese Fahrten so gefährlich waren. Ohne Zweife, der Leonide - der Kapitän - war wahnsinnig. Er wollte in unbekannte Reiche der Welt, mit einer Crew die nicht nur nicht kannte, sondern auch mit Leuten die so aussahen als hätten sie nur dann ein Schiff betreten um dort alles andere zu tun, nur eben nicht Fliegen. Der Gedanke von einem einfachen Gefallen verabschiedete sich und wurde von dem Gefühl ersetzt, betrogen worden zu sein. Keine einfache Fahrt. Kein schönes, entspanntes Abenteuer. Ein verfluchter Kampf um das eigene Überleben unter einem Haufen von Leuten auf die er sich genau so sehr verlassen konnte wie darauf das keiner in dieser Stadt ihn mehr dazu brauchte jemanden umzubringen.
"Ich fahre mit.."
Kaar löste sich von der Tür die zu seinem Glück, in der Zeit seines Beobachtens nicht in Benutzung gekommen war. Welchen Grund hatte der Leonide schon ihn nicht akzeptieren? Die Geschichte seines ganzen, verdammten Volkes drehte sich um das Fliegen. Wenn er schon einen fetten, herum schwirrenden Kupferklumpen in einem dämlichen Kleid aufnahm, dessen Anwesenheit er unter der Crew nur als Zeichen seines Aufgenommen-Seins deuten konnte, welchen verfluchten Grund hätte er dann ihn abzulehnen?

Eine Weile lang beobachtete Valt die Kapriolen des Elvair, zuerst verwundert, ein wenig belustigt sogar, dann doch eher entnervt. Die Anspruchshaltung des untersetzten kleinen Wesens stieß ihn ab. Und diese Respektlosigkeit... das war einfach keine Art. Doch ein überhöhten Selbstbewusstsein war nichts ungewöhnliches für klein gewachsene Rassen, wie die des Elvairs. Kompensationsgehabe... "Setz dich und trink dein Bier", übersetzte Valt die Gestik des Kapitäns unwirsch. Er war sich nicht sicher, ob der Elvair sie ansonsten verstanden hätte.
Während er von seinem eigenen Bier trank ließ er sich Ragnars Worte über das Sturmtor durch den Kopf gehen. Der Leonide klang zuversichtlich, aber für Valt klang es vielmehr nach einer Reise ohne Wiederkehr. Nun, ihm konnte es recht sein. Aber ob die anderen wirklich wussten, auf was sie sich da eingelassen hatten? Und ob sie es nicht vielleicht bald schon bereuen würden?

Zuerst hörte Lésca Acha'az nervös, aber fasziniert zu. Er hatte noch nie richtig mit einem Caniden gesprochen, obwohl er auf den Luftschiffen ein paar gesehen hatte, und er fand die Begegnung mit einer anderen Rasse aufregend. Ob seine Schlappohren wohl so gut hörten wie seine? Warum die Zunge wohl so zwischen den Zähnen hervorschaute? Ein zögerliches Lächeln stahl sich auf Léscas Gesicht, als der Canide über seinen Beruf scherzte.
Als Acha'az allerdings seine Hand ansprach schwand das Lächeln wieder. Auf einmal war er von seiner Aufbruchsstimmung abgestürzt, in eine Mischung aus Ärger, Verwirrung und Enttäuschung. Nicht nur, dass ihn seine neue Bekanntschaft gleich auf den Armstumpf ansprach, den er zu verbergen versucht hatte, er hielt es auch noch für eine Bestrafung. Er dachte, Lésca sei ein Dieb. Die Schroffheit traf ihn hart wie ein Hieb, und abermals schoss ihm das Blut nur vom Fell verborgen ins Gesicht. Einen Moment dachte er über eine Rechtfertigung nach stotterte etwas, eine ungeschickte Verneinung, wandte sich dann ab und ging rasch mit gesenktem Blick weg. Der Hundemensch sollte nach dieser Beleidigung nicht auch noch seine Schwäche sehen.

"Was ist denn mit dem los...", murmelte Apfel, und blickte dem Gatha hinterher, "Ist wohl ein persönliches Thema. Naja." Er hielt inne. Dann rief er über den Lärm der Taverne hinweg: "Tschuldige, Gatha! Habs nicht so gemeint! Komm wieder her!"
Hinter ihm herzulaufen, beschied er, würde nichts bringen. Der kam jetzt entweder oder nicht, aber er hatte zumindest eine ehrliche Reaktion auf seine Frage gezeigt. Dann war er kein Dieb. Aber die Hand hatte er verloren? Wie komisch. Naja, vielleicht war sie ihm unter den Wagen oder zwischen zwei Baumstämme gekommen. Konnte ja passieren. Plötzlich fühlte sich der Dahkin irgendwie blöd. Da hatte er so lange studiert, seine Weltsicht geschärft, und seine Vorurteile hatten ihn jetzt trotzdem dazu gebracht, den armen Gatha, der schon zerlumpt genug aussah, vom Tisch zu vertreiben. Und selbst wenn er ein Dieb war, was sollte er schon mit seinen Kolben und Kräutern anstellen? Auf dem Schiff nutzten sie ihm nichts, und verstecken konnte er sie dort auch nicht. Es lag also an ihm, sich zumindest zu entschuldigen, und im Zweifelsfalle für den Angeklagten zu plädieren. Er fasste sich ein Herz und stand auf, ging zu dem Katzenmenschen herüber, der nur noch da sass, und von ihm weg in das Gewühl und Getümmel der Kneipe blickte, und legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Entschuldige. Ich bin ein Depp. Zuviel studiert. Da passiert sowas manchmal. Deine Hand, oder dein Mangel daran geht mich gar nichts an. Komm doch wieder rüber, ich geb dir einen Schnaps aus. Und wenn du dann noch willst, kannst du mir ja en detail erzählen, was passiert ist."

Faint strafte den Menschen mit einem missmutigen Blick, schwebte dann aber wortlos zu dem kleinen Krug und setzte sich im Schneidersitz davor. Er hatte den Kapitän natürlich schon verstanden, schliesslich war er nicht dumm. Und es war ja wohl sein gutes Recht, Versprechen ihm gegenüber einzufordern. Doch davon liess er sich nicht lange ablenken. Nachdem er etwa drei Sekunden lang missmutig in das Bier gestarrt hatte, prostete er Valt zu und trank einen grossen Schluck und schwebte dann gleich zu dem Menschen rüber, um sich ungefragt auf dessen Schulter niederzulassen, wo er fröhlich weitertrank und den Menschen von der Seite angrinste.
"Schlechten Tag gehabt? Meiner war... nun, sagen wir er hat sich explosionsartig verändert? Wieso willst du eigentlich mitfliegen? So ein... Holzmachmensch wie du muss ja irgendwo gelernt haben und du könntest da bestimmt weiterarbeiten, nicht? Und so eine Luftschiffreise ist schon was Grosses, nicht? Ich meine, für mich noch mehr als für dich, wortwörtlich", Der Elvair kicherte über seinen eigenen Witz und verschüttete dabei einige Tropfen seines Getränkes über die Schulter seines Gesprächspartners, "aber es wird bestimmt lustig. Und spannend. Lustig und spannend."

Der Katzenhafte hatte beleidigt darauf reagiert, auf seinen großen Makel angesprochen worden zu sein, und hatte die Flucht ergriffen. Der Dahkin allerdings war ihm nachgeeilt, um sich wieder zu versöhnen. Choraz war nicht danach, ihnen hinterherzugehen, das sollten die Beiden unter sich ausmachen. Aber ein wenig verstand er den Gatha schon. Ein Stück von sich zu verlieren war eine echte Strafe, die er niemandem wünschte und der Luhpin war heilfroh, dass sein perfekter, trainierter und gesunder Körper nicht dadurch entstellt wurde. Dass es durchaus noch passieren konnte, daran dachte er jetzt nicht. Man konnte sich ja auch kaputtmachen mit überzogenen Befürchtungen.
Choraz wandte sich nun dem Schnaps zu, den er sich bestellt hatte, der war nun etwas härter als das Bier. Trotz seiner Größe wollte er nicht übertreiben, daher würde es warscheinlich der letzte Alkohol sein, den er heute trank. Der Canide schnüffelte an dem Schnaps - und bereute es so gleich. Schon für andere Rassen mochte der Geruch stark sein, aber für seine feine Nase war es fast schon ein Schock. Dennoch trank er das starke Getränk - seine Zunge war schließlich nicht ganz so empfindlich wie die Nase.

Im Grunde hatte Valt nicht die geringste Lust dazu, sich von diesem Gnom als Sitz missbrauchen zu lassen. Der Kapitän mochte solchen Kapriolen mit Langmut begegnen, er nicht. Der Elvair war vielleicht klein, aber auch ziemlich fett. Valt spürte sein Gewicht deutlich. Und auch wenn dessen Geplauder ganz nett und umgänglich klang wollte er es nicht unmittelbar neben seinem Ohr haben. Also packte er ihn am Kragen und setzte ihn wieder zurück auf die Tischplatte.
"Ich bin ausgelernt...", antwortete er schließlich auf die Fragen des Elvair, "... und die Werkstatt meines Meisters werden dessen Söhne übernehmen. Ich könnte natürlich zu Fuß durchs Land gehen und mir Arbeit auf Baustellen suchen, aber ob ich auf einer Baustelle oder einem Luftschiff arbeite - das ist doch gleich. Arbeit ist Arbeit." Die Gleichgültigkeit, die seine Worte verkündeten, war auch deutlich dem monotonen, halb abwesenden Klang seiner Stimme zu entnehmen. "Schätze, es ist eine gute Sache, dass der Kapitän so unvoreingenommen ist. Macht es leichter für einen wie mich. Und es heißt ja auch, er würde seine Mannschaft gut behandeln..." Auf die kryptische Bemerkung des Elvair über dessen eigenen Tag ging er ebenso wenig ein wie auf die Frage nach dem seinen. Er verspürte nicht den Drang, diesem kleinen Kerl seinen ganzen Kummer darzulegen. Im Grunde wollte er ja nicht einmal selbst daran denken...

Zuerst hörte der Gatha nicht auf Apfels Ruf, starrte weiter erbost die Wand an, versuchte beleidigt die Entschuldigung zu ignorieren. Als der Canide ihm doch noch folgte war er zuerst trotzdem ein wenig eingenommen. Anscheinend meinte es der Dackel doch ernst. Ein wenig mürrisch noch hörte er sich an, was Acha'az zu sagen hatte. Anstatt ihn zu beruhigen machte ihn das aber nur wieder zornig. Wütend wischte Lésca Apfels Hand von seiner Schulter. Er hatte ihn respektlos auf seine Schwäche angesprochen, auf das einzige, dessen er sich schämte. Als ob das nicht offensichtlich genug gewesen wäre! Konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand, der eine Hand verloren hatte, keine blöden Fragen wollte? Und erst recht nicht als Dieb beschimpft werden? Und jetzt bat er um Entschuldigung, noch nicht einmal dafür, dass er ihn einen Dieb genannt hatte, ja, er schien sogar dabei zu bleiben.
"Es geht dich also nichts an, ob ich ein Dieb bin?", fauchte Lésca ihm entgegen, inzwischen so wütend, dass seine Unsicherheit halb dahinter verborgen blieb.
"Pass nur auf, am Ende stehle ich noch deinen beschissenen Alchemie-Kram."
Rasch blickte er wieder weg, denn er wusste genau, dass jeder genauere Blick hinter seinem trotzigen Zorn seine Verletztheit offenbaren würde. Und als Weichling dazustehen, der sich gegen keinen Vorwurf verteidigen konnte, sondern dankbar jede noch so geheuchelte Entschuldigung vom Boden auflecken würde, konnte er ganz am Anfang der Fahrt am allerwenigsten gebrauchen. Und seine gönnerhaft herablassende spendable Art konnte ihm erst recht gestohlen bleiben. Anscheinend meinte der Canide, an seinem Aussehen schon seinen Mangel an Barem erkennen zu können. Böse verzog Lésca das Gesicht; dass ihn jemand derart andauernd beleidigte würde er sich nicht gefallen lassen.

Naja, das konnte ein Blinder sehen, und ein Tauber hören, dass Apfel da auf einen wunden Punkt gestossen war. Brachte nichts, jetzt dem Kerl noch am Rockzipfel zu hängen. Wenn er nicht mit ihm klarkam, dann kam er halt nicht mit ihm klar. Aktuell war der Gatha angepisst, und der Dahkin hatte keine große Lust, sich für nichts und nichts eine blutige Schnauze zu holen. Ausserdem hatte der Kerl anscheinend keinen großen Bedarf an Alchemie, oder auch gar nur Respekt für seine Profession - Also, was tun. Nichts, entschied er. Der Kerl war ein Depp, würde abkühlen, und er würde früher oder später ohnehin mit ihm auf dem Schiff sein. Da würden sie genug Kontaktstrecke haben. Ein Dieb war er jedenfalls nicht, nur ein bisschen zu stolz für seinen Geschmack. Das hatte er jetzt für sich entschieden. Falls der andere ihn jetzt enttäuschen sollte, wäre es seine Schuld.
Wortlos ging er zurück zum Tisch, wo ein dicklicher Elvair gerade Rabatz machte. Er entschloss sich, den kleinen Fee anzusprechen, und setzte sich hin.
"Hallo, Elvair, was ist dein Beruf?"

"Unterschreib oder setz einen Abdruck", beschied Ragnar dem Rakkish, den er mit einem breiten Grinsen bedachte. Es gab schlicht keine Rakkish, die keine Erfahrung mit dem Fliegen hatten. Also musste dieser zumindest irgendwann einmal das Fliegen gelernt haben. Und je mehr erfahrene Leute in der Crew waren, desto weniger Arbeit hatte er selbst diesen Haufen Flöhe in eine Crew zu verwandeln, die das Sturmtor überstand. Denn in einer Sache hatte Ragnar gelogen. Es hatten schon Schiffe das Sturmtor durchquert. Um genauer zu sein: Zwei Schiffe hatten das Sturmtor durchquert. Und eines davon war die Windfänger. Das andere war abgesoffen, weil der Faykapitän, Shar Dinar, wie sich Ragnar erinnerte, ein verdammter Vollidiot gewesen war und einen anderen Kurs eingeschlagen hatte. Als wäre es gestern gewesen sah Ragnar die gesplitterte Takelage vor sich, unfähig zu helfen, würde das doch das Ende seines eigenen Schiffes bedeuten.
Hinter dem Rakkish stand erstmal niemand mehr, weswegen sich Ragnar erst einmal wieder an seine Crew wandte. Der aufdringliche Elvair hatte ein neues Opfer gefunden. Der Gatha stand weiter entfernt und schmollte anscheinend. Was für eine Truppe! Ragnar musste grinsen. Es würde eine Weile brauchen, aber das hier würde seine Crew sein. Und er sollte verdammt sein, wenn er sie nicht alle wieder herbringen würde!

Mit flatternden Flügeln und quietschenden "Hey!"-Lauten versuchte er sich gegen die unsanfte Behandlung zu wehren, doch kaum hatte er ihn abgesetzt, beruhigte Faint sich wieder und von seinem Bier war auch kaum etwas verschüttet. Er wollte gerade weiterplappern, doch die Miene des Menschen hielt selbst ihn davon ab. Und seine Antwort liess darauf schliessen, dass er nicht sehr gesprächig war. Also beschäftigte Faint sich ein wenig mit seinem Bier und trank diesen leer. Danach war jegliche Ablenkung aufgebraucht und aufgrund mangelnder Gesprächspartner wollte er seine Unterhaltung mit Valt dennoch weiterführen, doch dann sprach ihn der dackelhafte Hundemensch - ein Dahkin oder so - an und fragte nach seiner Berufung. Faint setzte sein breitestes Grinsen auf, schmiss den leeren Krug über die Schulter und flatterte vor das Gesicht Apfels.
"Ich bin Magier und nebenbei auch noch Alchemist, gelernt bei den besten der Besten am technomagischen Institut und jetzt will ich mein Wissen natürlich anderen zur Verfügung stellen", prahlte er mit vorgestrecker Brust. "Und du?"

"Alchemist, Pflanzenkundler, und Philosoph, vor einem halben Jahr ausstudiert, und jetzt auf Suche nach neuen Pflanzen und Gelegenheiten mit der Windfänger. Sieht so aus, als wären wir jetzt Freunde.", lachte Apfel, und hielt dem Elvair seinen Finger hin.
"Ich hab dich aber noch nicht in der Alchemie gesehen. Andererseits hab ich meinen Kopf eh immer irgendwo anders, also mach dir nichts draus. Bei welchem Dozenten hast du denn gelernt? Meiner lässt mich hier gerade mitfliegen weil er meint, dass ich noch nicht zum Doktor tauge. Eigentlich wollte ich gleich meinen Doktor machen, aber ... naja, einem Cohllin widerspricht man schwer. Selbst als Dahkin."
Der kleine fette Putto machte einen etwas impulsiven Eindruck. Er würde ihn nicht an seine Reagenzien lassen, aber Zutaten sammeln könnte er für ihn. Ohne Probleme.

Helena hatte sich die ganze Zeit zurückgelehnt und ein wenig die Leute beobachtet, mit denen sie von nun an wohl eine ganze Weile unterwegs sein würde, schlieslich war das eine grosse Expedition und keine einfache Handelsfahrt. Die Crew war bunt durchgemischt und es hatte nicht lange gedauert bis zu den ersten Reibereien. Früher hätte dies Helena noch beunruhigt, doch auf ihren Reisen als Söldnerin hatte sie das schon öfters erlebt, wenn sich eine Gruppe neu bildete, es gehörte schon irgendwie ein bisschen dazu. Früher hatte Helena nicht selten selbst solche Zwischenfälle ausgelöst und war nun froh das dies mittlerweilen nicht mehr der Fall war. Stattdessen genoss sie es noch einfach am Tisch zu sitzen und in ruhe ihr Bier, Mittlerweilen ihr Drittes, geniessen zu können.
Erst als sie den Rakkish erblickte war es mit ihrer ruhe teilweise vorbei. Helena hatte einmal die Bekanntschaft mit diesem Volk gemacht.. ein Volk von Piraten und dazu noch von der übelsten Sorte. Sie hatte keine gute Meinung von diesem Volk und das färbte nun natürlich auf den Rakkish ab, der sich gerade eintrug. Das konnte ja noch heiter werden.

Den Stau von Trotz und Wut den er kurzzeitig in sich aufgebaut hatte platzte wie ein Blase in seiner Brust. Er hatte mit viel mehr Widerstand gerechnet, wenn es auch eine bestätigung für ihn war, das der Leonide wirklich wahnsinnig ist. Nach einem Moment in dem er realiseren musste das ihm grade ohne Unschweife gesagt wurde das er nur zu unterschreiben brauchte, löste sich die Starre und er bewegte sich ganz natürlich zum Tisch. Zwar konnte er nicht lesen und schreiben, dafür kannte er die Bedeutung ein par weniger Wörter und auch wie sein Name, in Form von Buchstaben ,aussehen zu hatte. Langsam, mit etwas zu viel druck schrieb er die vier Buchstaben in die Zeile wo sein Name hin gehörte. Jeden Buchstaben einzeln, nicht verschnörkelt, keine gewundenen Anfänge oder Enden - einfach nur sein Name. ´´Kaar´´.

Choraz sagte nichts, während der Dahkin und der Gatha ihren Konflikt austrugen und einer dieser seltsamen Elvair ein Scharmützelchen mit dem Menschen hatte. Den Luhpin interessierte dies nicht besonders, auf dem Schiff würden sie alle miteinander auskommen müssen. Egal, wem das passte oder nicht. Schließlich hätte sich die Windfänger nicht ihren legendären Ruf erarbeitet, wenn der Käpt'n Streitereien auf seinem Schiff nicht unter Kontrolle hätte, da war Choraz sich fast sicher. Naja, würde schon werden, wenn sie sich erstmal ein bisschen besser kannten. Aber auf jedenfall würde es interessant werden...

Faint ergriff den Finger und schüttelte ihn kräftig - nun, verhältnismässig kräftig. Gleichzeitig rasten seine Gedanken. Einen anderen Alchemisten hatte er hier nicht erwartet, eigentlich gar niemanden vom Institut. Aber scheinbar war der Dahkin aufgebrochen, bevor der Alchemieflügel in die Luft geflogen war. Aber wenn er wirklich ausgebildet war, würde Faint mit seinem Wissen nicht mehr punkten können, das hiess, er würde sich auf Magier verlegen müssen.
"Ich bin hauptberuflich Magier, das Alchemiezeug habe ich nur später mal gelernt, ist also gut möglich, dass du mich übersehen hast, obwohl ich eigentlich ziemlich ins Auge steche, wenn ich das so erwähnen darf. Gelernt hab ich bei... Theri Grey, auch ein Elvair, irgend ein hohes Tier, ich kenne mich da nicht so gut aus,", antwortete er schliesslich. "Und naja, ich hatte das Gefühl, mal was Neues machen zu müssen, wohin den Wind einen so trägt, wenn man nicht gerade in einem Kahlfressernest landet, nicht?"

Der Dahkin gesellte sich zu ihnen und Valt musste rasch feststellen, dass das Gespräch rasch eine Thematik annahm, die ihn effektiv ausschloß. Er hatte nie mehr als die Außenmauern des Instituts gesehen und konnte ja nicht einmal lesen. Dieses akademische Gespräch war nichts für ihn. Er griff sich seinen Bierkrug und blickte sich in der inzwischen auf beachtliche Größe angeschwollenen Runde um. Er würde doch wohl kaum der einzige Handwerker hier sein. Gerade für die unteren Schichten der Gesellschaft, die Handlanger und Tagelöhner, die kleinen Handwerker und Gesellen, sollte die Aussicht auf ein Abenteuer doch besonders verlockend sein. Der Luhpin und die Salamanderfrau sahen ihm allerdings eher wie Krieger aus, Söldner, käufliche Klingen. Die Rakkish waren nach allem, was man in Solheym so von ihnen hörte, ohnehin nichts weiter als ein Volk von Piraten. Und der Gatha? Ja, was war der eigentlich? Kurzerhand beschloss Valt, es heraus zu finden. Mit dem halbvollen Krug in der Hand schlenderte er zu diesem hinüber. "Ich bin Valt", stellte er sich vor, "Sieht so aus, als würden wir jetzt zusammen segeln. Ich bin Zimmermann, aber ich hoffe natürlich, dass das Schiff meine Arbeit nicht nötig hat. Und du? Wer bist du?"

Apfel machte keine weiteren Umstände. Der Elvair war ein Dummschwätzer, aber vielleicht hatte er wirklich was auf dem Kasten. Das würde man sehen müssen. Auf jeden Fall würde er nützlich sein, um an Kräuter und Zutaten für seine Alchemie zu kommen, an die er ohne Flügel halt nicht rankam.
"Du kannst mir bestimmt trotzdem helfen, auch wenn es mit deiner Alchemie nicht weit her ist! Irgendwas kriegen wir schon gedeichselt, keine Sorge."
Da kam auch schon wieder eine Fuhre Bier. Großartig! Der Dahkin schnappte sich einen Krug, stellte ihn auf den Tisch, nahm Faints kleinen Krug, tauchte ihn unter, und stellte ihn vor dem Elvair ab.
"Auf eine gute Zusammenarbeit."

"Wenn es meine sonstigen Aufgaben zulassen, kann ich dir bestimmt mal unter die Arme greifen, wenn du Hilfe brauchst", antwortete Faint mit einem Nicken. Er mochte diesen Hundskopf und er würde wohl der einzige Intellektuelle an Bord der Windfänger sein, der einzige, mit dem man tiefgreifende Gespräche führen kann und bisher auch der einzige hier, der ihn nicht nach einer Minute zum Schweigen hatte bringen wollen.
Bevor er weiterreden konnte, kam eine neue Fuhre Bier und der Dahkin war so aufmerksam, ihm gleich den Elvairkrug zu reichen. Faint prostete Apfel zu und einen tiefen Schluck, um dann mit einem Schaumbart, den er nicht bemerkte, mit dem Reden fortzufahren.
"Übrigens, ich bin Faint, Faint Copper. Wie soll ich dich nennen?"

"Acha'az La'achisch ist der werte Name, aber das kann man in 'Apfel' übersetzen. Also such dir was aus."
Der Dahkin trank aus seinem Krug und stellte den Humpen unsanft auf dem Tisch ab. Wann würde dieser Kapitän denn endlich mit ihnen losziehen? Das Sturmtor ... Klang gefährlich. Aber auch spannend! Und dumm war der Leonide nicht, also alles ... ganz ... entspannt.
"Gilt übrigens auch für dich.", sprach er den Luhpin neben sich an, "Wie heißt du denn?"
Mit einem Blick auf die mächtige Statur des Wolfsmenschen versicherte sich Acha'az, dass der andere ihn bemerkt hatte.