Broken Skies [MSG]

Es wurde zunehmend anstrengender für ihn den Fortschritt zum Beladen und Abfeuern der Kanone zu beobachten. Trotzdem zwang er sich, nur um nachher dann keinen Fehler zu machen - Schwäche zu zeigen, weiter jeden Schritt genau zu beobachten, den die Anderen machten. Wären sie nun in einem Feuergefecht hätte ihr Schiff schon ein großes Loch, die Besatzung würde nach unten trudeln und die glücklichen wären schon durch umherfliegende Holzsplitter umgekommen, lange bevor sie von Bord geschleudert worden wären.
Abgesehen davon war die Metapher für diese Übung wohl ´´der Weg ist das Ziel´´, was bedeuten würde das es kein Ziel gab und das alleine machte es schon zu einer riesigen Verschwendung von Zeit für ihn.

Acha'az hielt sich zur Sicherheit noch die Hände auf die Ohren, und tänzelte nervös herum. Nein, dieser beissende Qualm, den Kanonen absonderten, das war gar nicht nett... Er hatte als Kind öfter mit Schiesspulver experimentiert, aber das hatte sein Interesse bald verloren, da es erbärmlich stank, und zum anderen einfach gefährlich war! Dabei war er gern dazu bereit, geflissentlich zu übersehen, dass es mindestens genau so gefährlich war, mit unbekannten Substanzen herumzuhantieren, gerade wenn einige davon magisch waren. Blei zu Gold? Wen kümmerte das? Er wollte etwas mischen, womit sogar ein Dahkin so stark würde wie Choraz, der nun vor ihm stand. In seiner Nervosität war er unbemerkterweise hinter den Luhpin getänzelt...

Während die Echsenfrau den nächsten Schritt der Beladung übernahm sorgte Valt dafür, dass das Pulver wieder sicher verstaut wurde. Er hatte das Zeug zwar noch nie in Aktion gesehen, doch er wollte sich trotzdem lieber nicht vorstellen was passierte, wenn ein Funke durch Zufall in das Fässchen gelangte. Natürlich war es bis auf das Pulverloch gut versiegelt und Valt gab sich Mühe mit dem Verkorken, damit dies auch so blieb. Einen Moment lang erwog er, das Fässchen auch direkt wieder im Laderaum zu verstauen, aber einerseits wusste er nicht, ob Ragner sie nicht gleich noch einmal schießen lassen würde und andererseits wollte er den Schuss nicht verpassen. Also deponierte er es einfach so weit wie möglich von Lésca und der Lunte entfernt.
Allerdings gab es da noch eine andere Sache, über die er sich Gedanken machte. "Kapitän!", wandte er sich an den bulligen Leoniden und trat an diesen heran, "Ist es denn sinnvoll, einfach nur ins Nichts hinaus zu schießen? Wäre es nicht wichtig, dass wir lernen zu zielen? Ist das nicht das schwerste am Schießen?" Er hatte nicht wirklich eine Ahnung, ob das tatsächlich so war. Aber es war das, was er sich am schwierigsten vorstellte. Laden und Zünden, das war doch keine Kunst gewesen...

"Hah! Guter Mann", merkte Ragnar gut gelaunt in Valts Richtung an. Solches Denken war gut. Aber natürlich hatte er an sowas gedacht. Einfach nur einen Salut abfeuern konnte schließlich fast jeder abfeuern, meistens sogar ohne sich selbst dabei zu verletzen. Aber das war kein Training. Sicher, schnelles Nachladen war wichtig, aber viel wichtiger war, dass die Schüsse auch trafen. Ein verschossener Kanonenschuss kostete nicht nur die Kugel und das Pulver, sondern vor allem auch eine Menge Zeit. Und in einem Feuergefecht hatte man die nicht.
Von Bug her kamen langsam aber sicher ein paar Felsnadeln in Sicht, auf die Ragnar deutete.
"Die Löwenzähne. Sind prima für Schießübungen. Sobald sie in Reichweite kommen, gibst du deinen Schuss ab. Lass dir Zeit zum Zielen."
Die erste Nadel hatte schon ein paar deutliche Einschlagsmale. Anscheinend wurden die Felsen öfter für Schießübungen missbraucht.

"Okay . Wird gemacht."
Mit konzentriertem Blick und gerunzelter Stirn rückte Lésca an der Kanone herum. Eine Aufhängung wie diese hatte er noch nie gesehen; anstatt nur ein wenig nach oben und nach unten bewegt werden zu können ließ sich das Kanonenrohr ausrichten, bis es an die Ränder der Luke stieß. Ds machte das Rohr aber nicht weniger schwer. Wie groß genau die Feuerkraft war, wie sehr der Wind die Kugel ablenken würde, wie schwer die Kugel war – das alles hätte er wissen müssen, um einen genauen Schuss abgeben zu können, ganz davon abgesehen, dass es ihm an jeglicher Erfahrung mangelte. Er konnte nicht viel mehr machen, als frei nach Sicht das Rohr auf die Zacken zu richten. Er beeilte sich und hielt mit angehaltenem Atem die zischelnde Lunte an das Zündloch. Ein dumpfer, aber nichtsdestotrotz sehr lauter Knall zerriss die erwartungsvolle Stille. Lésca machte einen erschrockenen Schritt zurück, als die Kanone unter seiner Hand zurückzuckte, aber die Magie ihrer Aufhängung fing den Rückstoß größtenteils ab. Rasch sah er aus der Feuerluke, um zu sehen, was er getroffen hatte – und tatsächlich, von einer ziemlich weit rechten Felsnadel stieg eine dünne Staubwolke auf. Dass er eigentlich auf die Mitte der Gruppe gezielt hatte behielt der Gatha lieber für sich.

Choraz verzog das Gesicht, als der Lärm der Kanone an seine Ohren gelangte. Nein, das war gewiss nicht etwas, was ihm gefiel. Naja, damit musste er sich wohl arrangieren, so unangenehm es auch sein mochte. Während Choraz' Ohren sich wieder ein wenig erholten, bemerkte er, dass jemand hinter ihm stand, er drehte sich um und erblickte den kleinen Dahkin.
"Grässlich, dieses Geräusch, nicht wahr?", bemerkte er.

Valt hatte sich, kurz der Gatha seine Flamme zum Pulver hinab gesenkt hatte, die Hände auf die Ohren gepresst - vermutlich die klügere Entscheidung, wenn er sich die Gesichter so mancher anderer ansah, die das nicht getan hatten. Die würden nun vermutlich eine Weile lang ein fieses Pfeifen hören. Für Valt selbst war der Knall auch so noch beeindruckend genug gewesen. Ein wenig schade war es nur, dass dabei so viel Qualm oder Pulverdampf oder was immer es sein mochte entstand. Die ganze Luke war damit verhangen und bis der Rauch sich verzogen hatte war die Kugel schon längst eingeschlagen. Nur die aufsteigende Staubwolke an den Felszacken verriet, dass Lésca getroffen hatte. "Guter Schuss!", lobte Valt nichtsdestotrotz, nur um sich direkt danach erneut an den Kapitän zu wenden. "Und jetzt?", fragte er, "Sollen wir gleich weiter machen?" Sein Fuß tippte dabei gegen das Pulverfässchen. Er wäre bereit.

Faint grinste mit Vorfreude, seine Schmollerei von vorhin war schon wieder vergessen, während er den Gatha dabei beobachtete, wie er die Kanone auf die Felszacken ausrichtet. Dann ertönte der laute Knall und dieser liess den Elvair zusammenzucken. Er hätte nicht erwartete, dass das so laut werden würde, in den Büchern, die er gelesen hatte, war davon nie die Rede gewesen. Und das unangenehme Surren in den Ohren erinnerte ihn wieder an den Knall, mit dem der Alchemistenflügel im Institut in die Luft geflogen war. Das eine so kleine Explosion einen fast eben so lauten Lärm verursacht, hätte er nicht erwartet.
Bevor er sich von seinem Trudeln erholen konnte, traf ihn dann auch schon der Rauch. Russ und aufgewirbelter Staub liessen ihn husten und er schlug wie wild mit den Flügeln, damit das Zeug nicht daran hängen blieb. Flügel zu reinigen war nicht nur eine mühsame, sondern auch eine langwierige Arbeit und darauf hatte er überhaupt keine Lust. Doch es half nichts. Er flog knapp unter der Holzdecke und der Russ wurde davon abgehalten und rieselte wieder nach unten und blieb an den Flügeln hängen. Das zusätzliche Gewicht auf diesen machten es schwer, sie so schnell zu bewegen, wie es fürs Fliegen nötig war und der Elvair trudelte, verzweifelt mit den verdunkelten Flügeln flatternd, zu Boden.

Helena war froh das ihre grossen Klauen es ihr relativ einfach machten ihre Ohrlöcher und den umgebenden Kamm abzudecken, den der Schuss war, auch so schon laut genug gewesen. Die Russwolke war zum Glück eher weniger das Problem und Helena spähte ebenfalls zu den Fellnadeln um die getroffene Stelle zu begutachten. "Nicht schlecht, gleich beim ersten Mal ein Treffer." Wenn man dann noch bedachte das keiner von ihnen Erfahrung mit den Kanonen auf der Windfänger hatten, so war das doch recht beeindruckend.
Wer war als Nächstes dran? Vermutlich würde sich der ­Elvair wieder melden, er war ja ganz scharf darauf gewesen mit der Kanone zu schiessen. Die Salamanderfrau blickte sich um und entdeckte das kleine geflügelte Wesen, wie es versuchte sich knapp über dem Boden in der Luft zu hallten. Helena ging in die Knie und bot Faint ihre ausgestreckte Klaue an, quasi als Landefläche.

"Feuert ruhig. Wir werden Pulver und Kugeln nachkaufen. Wir kommen bei der Lunteninsel vorbei. Und die Jungs haben die richtig guten Sachen. Die Kugeln hab ich hierfür gekauft, also verballert sie ruhig. Die im zweiten Frachtraum sind für den Notfall, nicht drangehen."
Es versprach ein guter Tag zu werden. Das magische Meer lag ruhig da und keine Welle regte sich. Die Zähne des Löwen würden sie noch eine Weile begleiten. Also konnten die Jungspunde ihren Spaß haben. Ragnar begab sich an Deck und rollte seine Seekarte aus. Das Papier war schon ein wenig angefressen und die Karte mit Notizen übersäht. Die hier würde noch ein paar Jährchen halten, dann würde er eine neue brauchen. Erneut ging er ihre Route durch. Das Sturmtor wäre das erste große Hindernis. Danach kamen auf jeden Fall die Sirenenfelsen. Weiter war bisher noch niemand gekommen. Geistesabwesend korrigierte Ragnar den Kurs, um das Schiff parallel zu den Zähnen zu halten.

Der Kapitän verschwand wieder an Deck und ließ seine Rekruten allein mit der Kanone zurück, nicht ohne ihnen zuvor frei zu stellen, weiter zu schießen. Valt nahm das Pulverfässchen wieder auf, entkorkte es und näherte sich dem Kanonenrohr, zögerte dann aber als er sah, dass noch immer ein dünner Dampffaden aus dieser empor stieg. Was nun? Valt hatte noch nie zuvor mit Kanonen zu tun gehabt. Skeptisch beäugte er den Kanonenlauf, spähte in die schwarze Tiefe des Rohrs. "Meint ihr, ich kann gleich wieder Pulver einfüllen?", fragte er in die Runde.

Noch nie war Faint so panisch gewesen wie jetzt. Seit er ein kleiner Junge gewesen war, war er nie mehr abgestürzt. Wobei Absturz das falsche Wort war, es war mehr ein sanftes Zu-Boden-Trudeln, auch wenn es ihm etwas anders vorkam. Abrupt wurde der Sturz von ein paar Klauenhänden unterbrochen, was den quiekenden Elvair verdattert zum Verstummen brachte. Er hätte mit einem härteren Aufprall gerechnet. Nachdem er seine Verwunderung überwunden hatte, liess er einen Schwall von Flüchen los, zusammen mit einem penetranten Quietschen, das erste ziemlich undeutlich machte. Nachdem er fertig war, den Dreck, dessen Eltern, Grosseltern und weitere Verwandte zu verfluchen, stand er auf, klopfte sich den Russ vom Fliegeranzug und blickte der Echse, auf deren Hände er stand und die wahrscheinlich langsam Schmerzen hatte, schliesslich war er nicht unbedingt ein Leichtgewicht.
"Kannst du mich mal absetzen?", fauchte er. "Dieser verdammte Russ -gnade ihm irgend ein Gott, denn ich werde es nicht - klebt in meinen Flügeln. Ich muss das putzen!"

Grinsend über seinen Erfolg trat Lésca zurück, um die anderen an die Kanone zu lassen. Das Grinsen wurde nur noch breiter, als er sah, wie der Elvair langsam zu Boden trudelte. Er bemühte sich, es ihn nicht sehen zu lassen – anders als Faint hielt er nichts davon, andere für ihre Missgeschicke auszulachen. Nicht nur aus Hilfsbereitschaft, sondern auch um sich geschäftig zu zeigen, suchte er rasch einen Lappen und fand auch ein mehr oder weniger sauberes Stück Tuch, wohl ein Putzlumpen. Als sich Faint wieder halbwegs gefangen hatte warf er ihm den Lappen zu.
"Vielleicht geht's damit ab, sonst vielleicht mit Seifenwasser. Ich hab auch was abbekommen …"
Die dicke Rußwolke hatte auch ihm einen grauschwarzen Film auf den Armen hinterlassen, und sein Gesicht fühlte sich ganz so an, als ob eine noch dickere Rußschicht darauf klebte. Sein Pelz machte das Ganze nicht unbedingt angenehmer – je mehr er rieb, desto tiefer schmierte er den Ruß die feinen Haare hinab.

Eigentlich hätte man erwarten können, dass Ragnars Alarmglocken gleich losschrillten als er die merkwürdige Stille bemerkt hatte. Aber seine Sinne waren wohl etwas rostig geworden. Mit einem Ruck schoss Ragnars Kopf in die Höhe. Keine Wellen und kein Schwallen auf dem Ozean? Das konnte nur bedeuten, dass sich ihnen etwas näherte und das etwas großes war. Alle Nackenhaare des Leoniden stellten sich auf. Blitze zuckten über den Bug. Wolken sammelten sich neben dem Schiff. Ragnars Schwanz zuckte nervös. Die Wolken verdichteten sich und die Blitze formten ein Maul und zwei geschlitzte Augen, nur ab und an sichtbar. Ein Knacken von Donner kündigte den Angriff der Blitzschlange an. Ragnar warf sich zur Seite als die Zähne auf ihn zurasten und kam polternd auf dem Deck auf.
"An die Kanonen! Das Biest wird wiederkommen! Backbordseite. Feuert nach eigenem Ermessen!"
Wolkenschlangen waren durchaus in der Lage einen Leoniden mit einem Biss zu töten. Ragnar stolperte auf das Unterdeck, wo die Jungspunde die Kanonen beluden.
"Zielt auf den weißen Klumpen im Leib der Schlange. Ich versuche euch nen guten Winkel zu geben."

Gar nicht gut! Ganz und gar nicht! Apfel war von der Erschütterung des Schiffes gegen die Wand geworfen worden, und hatte sich gerade wieder gefangen, als die Nachricht eintrudelte, dass es sich um eine Blitzschlange Handelte. Blitzschlangenschuppen waren begehrt in der Alchemistenszene, hatten sie doch die Eigenschaft, den Konsumenten lange und sicher konzentriert zu halten. Irgendein Sekret, das von innen nach aussen trat und die Schuppen formte. Schön wärs das jetzt zu haben, aber es war wohl erst einmal an der Zeit, das Vieh zu erledigen. Er hastete einem Pulverfass , zog den Deckel ab und schüttete hastig das Pulver in eine Kanone. Er hatte ein Händchen für die Schwere von Zutaten, und als er es für gut befand, stopfte er schnell nach. Aber die Kanonenkugel war zu schwer! Das musste Choraz machen. Oder sonstwer, der Kraft in den Armen hatte... Hilfesuchend blickte er sich um.

Und schon waren sie in eine ernste Situation hineingeraten. Wolkenschlangen, wie unschön. Und sie gehörten, zu den Wesen, die man nicht mit bloßer Körperkraft besiegen konnte, so hart und unerbittlich man auch trainierte, was Choraz ausgesprochen ärgerte. Aber das war nun eher zweitrangig, denn im Team würden sie diesen Feind besiegen können.
Er erblickte Apfel, der erst Schießpulver in die Kanone füllte und dann eine Kugel hineinlegen wollte, aber sie war ihm zu schwer. Wissend, was man von ihm erwartete, ging Choraz in großen Schritten zu ihm hin und hob die Kugel, welche er durch die Mündung in die Kanone schob.
"So, jetzt ist das Ding geladen.", brummte er. "Den Schuss gibst du ab." Dann wandte er sich zur Kanone daneben und begann, diese ebenfalls zu laden. Obgleich er diese lärmenden Dinger hasste, er wollte auch zu denen gehören, die dem Feind direkten Schaden zufügten.

Der Ruck, der plötzlich durch das Schiff lief, hätte Valt beinahe von den Füßen gerissen und nur der Tatsache, dass er geistesgegenwärtig die Hand auf das Loch des Pulverfasses presste, verhinderte, dass das Schießpulver sich großflächig über das halbe Geschützdeck verteilte. Nur einen Augenblick später war dann auch der Ruf des Kapitäns über das Schiff geschallt, der die plötzlichen Turbulenzen erklärte. Sie wurden angegriffen!
Nach Valts Verständis erübrigte sich damit auch die Frage, ob es sicher war, die Kanone bereits neu zu laden. Es war allemal sicherer, als es nicht zu tun und zu riskieren, dass dieses Monster noch einen Angriff gegen sie flog. Jeder auch nur halbwegs erfahrene Kanonier hätte Valt erklären können, dass man den Lauf nach dem Schuss erst einmal mit einem Schwamm reinigte um eventuell übrig gebliebene Funken zu ersticken, die das Pulver ansonsten bereits beim Laden zünden könnten, doch Valt selbst war freilich kein solcher und im allgemeinen Durcheinander, das gerade unter den Rekruten herrschte, konnte auch kein anderer ihn warnen. So hastig ihm seine zittrigen Finger das erlaubten füllte Valt also Pulver in den Lauf der Kanone...

Was ihn an Vorsicht fehlte machte er zumindest damit wieder wett das er schnell wieder auf seinen Füßen war. Der Stoß des Schiffes hatte ihn überrascht und seine, eigentlich unkluge Idee einen gewissen Abstand zwischen sich und den meisten anderen zu halten, so dezent er auch sein mochte, bewahrheitete sich als unklug. Nun wagte er auch einen Blick und ignorierte dabei vollkommen was an der Kanone geschah. Er könnte es sowieso nicht besser.

Apfel zögerte nicht lange, wartete darauf, dass die Schlange neu auftauchte, um einen Schuss abzugeben. Die wenigen Sekunden zogen sich wie eine halbe Ewigkeit. Das Ding wollte einfach nicht vorbeiziehen... Er griff sich eine der brennenden Lunten, die die anderen bereit gemacht hatten, und wartete.
Da war sie! Majestätisch zog das Monstrum an seinem Schott vorbei, und er richtete die Kanone darauf aus. Schwere Arbeit, das... Bald würde der weiße Kern in Sichtweite kommen. Er stopfte die Lunte in das Loch und hoffte das Beste.
Der Knall ging los, selbst durch das Wachs in seinen Ohren mehr als deutlich hörbar. Die Druckwelle der Explosion furh ihm durch Mark und Bein, aber es schien, als ob er getroffen hatte: Das Biest war zusammengezockt. Tödlich war der Treffer allerdings nicht gewesen. Wohl knapp am Herz vorbei. Schade. Aber das war aktuell auch mehr als genug für ihn. Er trat hinter die Kanone und überließ es Choraz, den nächsten Schuss abzugeben.

Léscas Fellpflege wurde abrupt durch den Auftritt der Schlange unterbrochen. Mit panisch geweiteten Augen starrte er aus der Kanonenluke, vor der majestätisch das gewaltige Tier vorbeiglitt. Er fing sich rasch wieder. Fieberhaft überlegte er was er tun sollte, entschied sich schließlich dafür eine weitere Kanone zu laden, da der Rest der Crew sich um ein einzelnes Rohr drängte.
Eine Kanonenkugel zu heben war mit dem Eisenhaken ein Ding der Unmöglichkeit, aber irgendwie schaffte er es, den Eisenball zwischen Hand und die Rundung des Hakens zu klemmen. Es zerrte an den Riemen und es zerrte im Rücken, als er die Kugel zur Kanone schleppte, und er war verärgert, als er den Echsenmenschen nichts tun sah – aber irgendwie gelang es ihm, die Kugel neben der Lafette abzusetzen. Rasch holte er sich das Pulverfässchen und lud. Er war nicht so sorgfältig wie er hätte sein sollen, und ein wenig ging daneben, aber für den Moment war ihm das egal. So rasch er konnte lud er die Kugel hinterher und feuerte, sobald die Schlange vor den Lauf kam. Eine Loderzunge schoss aus der Kanone und entflammte das Schießpulver auf den Deckplanken, das in einer zweiten Stichflamme verschwand. Dicker Qualm breitete sich aus, und Lésca sah nicht, wie er getroffen hatte. Ein weiterer Angriff folgte allerdings erst einmal nicht.

Wieder startete die Schlange einen Anfang von Backbord und wieder erwarteten sie die Kanonen der Windfänger. Ein Knall, ein Feuerstoß, eine Pulverwolke, kurz darauf ein zweiter Knall, ein dritter, ein vierter. Der Pulverdampf schlug durch die Luken zurück und verhing dicht das Geschützdeck, doch die Crew, die sich inzwischen gleichmäßig auf die Kanonen verteilt hatte, machte sich ungeachtet dessen sofort ans Nachladen. Von draußen her drang das zornige Brüllen der Bestie, das Valt einen kalten Schauer den Nacken hinab jagte. Was war das nur für eine Kreatur, die sich nicht von Feuer und Lärm einschüchtern ließ, die es immer und immer wieder versuchte? Immer und immer wieder gegen das Schiff anflog und von der Kanonade zurück getrieben wurde. Die Windfänger - das musste man ihren Erbauern lassen - war geschickt konzipiert worden. Es gab kaum einen Winkel, aus dem man hätte angreifen können ohne im Schussfeld wenigstens zweier Kanonen zu sein. Und Valt bezweifelte, dass die Schlange stark genug war, um durch den Rumpf zu brechen. Hier unter Deck konnte sie ihnen kaum etwas anhaben. Insofern hatte sich auch seine anfängliche Furcht rasch gelegt und war jenem Gefühl von Empörung gewichen, dass man einem besonders gierigen Hund gegenüber verspürte, der immer und immer wieder versuchte, das Fleisch vom Tisch zu stehlen. Und so wie man einen solchen Hund immer und immer wieder fort treten würde machte er sich bereit für den nächsten Schuss. Mit dem Rohrputzer stieß er in das noch qualmende Rohr, wischte hastig aber doch gründlich darin herum. Funken ersticken. Jemand hatte ihn den Stab mit dem Lappen in die Hand gedrückt, nachdem er das erste mal unvorsichtigerweise einfach so nachgeladen hatte. Das hätte sie gut eine Kanone und ihn das Leben kosten können. Langsam verzog sich der Pulverdampf. Valt warf einen Blick aus der Luke heraus. War die Schlange überhaupt noch da?

Der Lappen hätte Faint wahrscheinlich zu Boden geworfen, wenn er ihn getroffen hatte. Doch das Zu-Boden-Werfen übernahm schon die mächtige Erschütterung, die das Schiff erfuhr, als die Wolkenschlange es rammte. Der Elvair stürzte von den Klauen der Echsen und knallte gegen eine Wand. Er quietschte einen aufgeregten Fluch, musste sich aber gleich darauf am Boden festkrallen, um nicht durch weitere Erschütterungen weiter herumgeschleudert zu werden. Panisch wirkte er einen Zauber, der ihn an die Wand band. Während er noch versuchte, herauszufinden, was sie da überhaupt angriff und wie er etwas dagegen unternehmen konnte, knallte es mehrfach im Raum und Russwolken flogen durch die Luft. Faint kreischte panisch und formte einen kleinen Schutzschild um sich. An die Wand geheftet und unter einer schimmernden Kuppel verborgen wartete er das Ende des Angriffs ab. Mit so viel Russ in der Luft und mit den Flügeln voll von diesem konnte er nicht fliegen und er bezweifelte, dass er zu Fuss eine grosse Hilfe war. Wahrscheinlich würde er es kaum bis zur nächsten Kanone schaffen, ohne völlig ausser Atem zu sein. Elvair waren nicht zum Laufen konzipiert.

BUMM!
Choraz biss die Zähne heftig zusammen, denn ein jäher Schmerz jagte durch seine Ohren. Das war laut, zu laut. Verdammte Kanonen! Doch wenigstens hatte sein Schuss das Biest voll getroffen, die Schmerzen hatten sich also gelohnt. Leider war das Schlange nun aus dem ausrichtbaren Bereich der Kanone verschwunden, dass er sie mit dieser Kanone nicht mehr treffen konnte. Also wartete er ein paar Sekunden, sein Blick schweifte herüber zu den Anderen, die emsig die Kanonen bedienten, oder wie er und Apfel sich eine kurze Verschnaufpause gönnten.