[MSG] Run for your lives

„Runter!“, brüllte der Sergeant und Corporal Leila Alexton zögerte – ebenso wie der Rest des Zugs – nicht lange, dem Befehl Folge zu leisten. Zwischen Schutt und stählernen Panzersperren warf sie sich der Länge nach in den Dreck, gerade rechtzeitig um der Garbe unheilvoll grün leuchtender Felmunition eines schweren Maschinengewehr zu entgehen, dass einen Herzschlag später über sie hinweg fegte. Der Sergeant selbst hatte weniger Glück. Er mochte daran gedacht haben, seine Kameraden zu warnen, aber soweit, dass er auch selbst Deckung suchen sollte, hatte er dann wohl doch nicht gedacht. Vor Leilas entsetzten Augen wurde er regelrecht von der großkalibrigen Munition durchsiebt, die sich gar nicht darum zu scheren schien, dass der Mann eigentlich eine Kugelschutzweste trug. Die leichte Rüstung mochte gegen die Feuerbälle der Wichtel und Sturmgewehre der Sukkubi und Gan'arg helfen, aber die Verdammniswache, die in ihrem Rücken aufgetaucht war und das Feuer auf sie eröffnet hatte trug eine Art Minigun, die jeder Paktsoldat, der nicht gerade ein Schrank von einem Tauren war, nur stationär hätte einsetzen können. Blut, Eingeweide und Teile des Rückgrats des Sergeants wurden großflächig über die rußgeschwärzte Straße verteilt und hätte Leila nicht bereits unter Schock gestanden, dann hätte spätestens dieser Anblick ausgereicht.
Trotz des lähmenden Horrors konnte Leila nicht umhin zu bemerken, dass dieser Tod nicht allein seiner Grausamkeit wegen gegenüber all den anderen gefallenen Kameraden der letzten beiden Tage eine andere Dimension besaß: das hier war ihr Führer ihres Zuges gewesen, ihr Unteroffizier, ihr Befehlshaber. Der Mann, der maßgeblich Verantwortung dafür trug, dass sie überhaupt noch am Leben waren. Aber auch ohne einen Kommandanten, der ihnen Befehle gab, war es wohl jedem im Zug klar, dass dies ein Feind war, mit dem sie es gar nicht erst aufzunehmen zu versuchen brauchten. Hier hieß es rennen!
Und genau das tat Leila. Als das mechanische Kreischen der rotierenden Läufe und das Trommeln der in die Trümmer einschlagenden Geschosse aussetzte sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf, den Schmerz in ihren überanstrengten Beinen gänzlich ignorierend, und sprintete los, einfach dem vordesten Kameraden hinterher und um die nächste Straßenecke. Noch während sie um diese schlitterte warf sie ein Schild aus heiliger Magie hinter sich, nicht zielend, einfach blind eine Barriere in ihrer aller Rücken aufrichtend. Und das Licht war ihr – wieder einmal – ein guter Ratgeber gewesen, denn keine Sekunde später ertönte erneut das Kreischen der Minigun. Leila konnte spüren, wie die Projektile auf ihre Barriere einprasselten und wäre beinahe vornüber gestolpert als die unheilige Munition den Schild schließlich zerriss. Zeit um nachzusehen, ob die Verdammniswache jedoch auch einen ihrer Kameraden erwischt hatte oder ob die Barriere lange genug gehalten hatte, blieb ihr jedoch nicht. Wenn sie am Leben bleiben wollte musste sie sich aufs Laufen konzentrieren.
Ein zorniges Brüllen war zu hören als der Dämon seine Flügel ausbreitete, sich in den Himmel erhob und seiner Beute nachsetzte. Erneut landete er in der Straße hinter dem flüchtenden Trupp und eröffnete das Feuer. Schreie drangen an Leilas Ohr als weitere Kameraden zu Boden gingen, aber sie konnte und wollte gar nicht heraus hören, wen es da erwischt hatte. Zu helfen war den Leuten ohnehin nicht mehr. Hier hieß es nur noch, die eigene Haut retten. Vielleicht zehn Meter entfernt befand sich eine weitere Straßenkreuzung, Rettung verheißende Deckung hinter den Stahlbetontrümmern eines eingestürzten Hochhauses. Leila hechtete über die Motorhaube eines ausgebrannten Autos und erhaschte aus dem Augenwinkel einen Blick auf die Verdammniswache, die sich nun mitten unter den flüchtenden Soldaten befand. Eben ließ sie den Arm mit der Maschinenkanone sinken um eine Felklinge zu ziehen. Brüllend sprang sie dem nächsten der auseinander stiebenden Soldaten hinterher. Leila, den Blick wieder nach vorne gerichtet, konnte nicht sehen, wie es dem Mann erging, doch sein Todesschrei war nur allzu vielsagend.
Und dann waren die donnernden Hufschläge plötzlich hinter ihr. Panisch schrie Leila auf, warf einen heiligen Schild zwischen sich und den Dämon und tatsächlich glitt der Schlag der Felklinge daran ab. Wertvolle Hundertstel waren gewonnen. Genug, dass Leila es um die Ecke schaffte, den Dämon freilich noch immer dicht auf den Fersen. Es dauerte einige Herzschläge, bis sie die Gestalt am Ende der Straßenflucht registrierte. Und das, was sie auf der Schulter trug. Mit einem Zischen, das im Lärm der Schlacht beinahe unterzugehen drohte, flog etwas über Leilas Kopf hinweg und schlug mit ohrenbetäubendem Knall in die Brust der Verdammniswache ein, die regelrecht zerrissen wurde. Die Druckwelle warf Leila zu Boden, ließ sie abermals durch Schutt und Staub rollen, aber als sie schließlich zum Liegen kam herrschte eine gespenstische Stille um sie herum.
Etwa zwanzig Meter entfernt kniete ihr Retter, ein junger Ork, der unmöglich schon erwachsen sein konnte, mit einem Raketenwerfer auf der Schulter und den Abzeichen eines Private auf dem Helm. Selbst auf die Entfernung konnte Leila erkennen, dass er mindestens ebenso stark zitterte wie sie selbst. Irgendwie kam sie schließlich wieder auf die Beine, nur um sich zugleich an einer Straßenlaterne zu ihrer Rechten festhalten zu müssen, um nicht sofort wieder zu stürzen. Unfähig, das Geschehene auch nur ansatzweise zu erfassen blickte sie sich um und erkannte die Reste des Zuges – oder besser gesagt: der Überreste der zahlreichen Züge, die sich zu ihrem Trupp zusammen gefunden hatten – die langsam, ebenso unsicher wie sie selbst sich fühlte, zu ihr und dem Jungen aufschlossen. Es waren erschreckend wenige.

Verdammt, wo kamen diese Viecher nur alle her ? war hier irgendwo ein Nest?. Solche und ähnliche Gedanken spukten der Trollin durch den Kopf, als sie sich hinter einer Barrikade versteckte. Viele ihrer Gruppe waren bereits gefallen. Ein Mensch und eine Hochelfin waren noch an ihrer seite, als ein Legionswächter mit einer großen Kanone auf sie ballerte. "Verdammt!", schrie sie und brachte sich schnell in sicherheit. Hinter ihr ging die Barrikade in die Luft und mit ihr der Mensch. Doch Julaana hielt nicht an, sie lief so schnell wie ihre Füsse sie trugen. Die Hochelfe lief neben ihr her und die Legionswache lief hinter ihnen her. Als sie in Deckung sprang, grade ebenso, hörte sie wie die Hochelfe zerfetzt wurde. Nun war sie alleine. Sie lief weiter, weg von den vielen Dämonen und der legionswache. Einige Strassen weiter konnte sie einen Ork erkennen, sowie eine Frau, die auf ihn zuhielt.
Sie wurde von einer Verdammniswache verfolgt und der Ork sprengte diese mit einem granatenwerfer. Julaana winkte dem Ork zu, der darauf hin auf die Legionswache zielte und schoss. Mit einem lauten knall zerplatzte ihr verfolger und die Trollin blieb erschöpft stehen. "Die Totgeweihten grüssen euch," grüßte sie mit einem grinsen die überreste der anderen Züge, die sich hier zusammen fanden. "Die mistviecher da draussen müssen hier irgendwo ein nest haben, sind nen ganz schöner haufen, der da rumrennt," meinte sie dann und grinste wieder.

Sehr vorsichtig näherte sich Ahana der zerfetzten Teufelswache. Die herumliegenden Körperteile und Gedärme störten ihn nicht weiter. Der Taure hatte immer schon einen starken Magen gehabt und nur wenig Probleme mit Gewalt, aber das Blut dieser Dämonen brannte schlimmer als die stärkste Säure. Selbst gebückt war ein Taure immer noch gewaltig, was in dieser Umgebung ziemlich scheiße war. Gehetzt sah Ahana sich um, aber sie schienen einen Moment Ruhe zu haben. Und da fiel sein Auge auf das Ziel seiner Träume. Die Minigun der Teufelswache lag dort, nicht allzu stark beschädigt. Vorsichtig fegte Ahana ein paar Stücke Teufelswache beiseite. Die Haare an seiner Hand kräuselten sich und vergingen zischend. Mit beinahe so etwas wie Reverenz hob Ahana die Minigun auf, zielte auf ein Gebäude und drückte den Abzug. Das schreckliche Geräusch gequälten Metalls ertönte. Ahana ließ die Minigun fallen, noch während interner Schaden Ausbeulungen in deren Verschalung stanzte.
"Fuck."
Die Waffe wäre ihm grade recht gekommen. Die SMG, die die Büroheinis ihm gegeben hatten, konnte nicht einmal gegen die Wichtel wirklich was ausrichten. Ahana rückte Flammenwerfer zurecht. Wenigstens der war nützlich, aber ohne Manareaktor in der Nähe war dessen Ladung auch ausgesprochen endlich. Der Taure schnaubte und trottete zu jenem kläglichen Haufen zurück, der vor kurzem noch unter Beschuss gestanden hatte. Er gab es nicht gerne zu, aber er musste bei ihnen bleiben. Dieser Planet oder zumindest diese Stadt war verloren. Ihre einzige Chance bestand darin die Kampfzone zu verlassen oder irgendwie vom NMC evakuiert zu werden. Ahana freute sich nicht grade auf die Begegnung. Mit einer Hand rückte er das Halsband zurecht, das ihn unter Kontrolle halten sollte. Irgendwie ironisch, nicht? Er hatte jahrelang im Gefängnis gesessen, weil ihn diese Welt so angekotzt hatte. Und jetzt war Eicon am Arsch und er musste mit jenen zusammenarbeiten, die ihn seiner Freiheit beraubt hatten.
Der Taure versteckte sein ersticktes Lachen hinter einem Husten.
"Sollten wir nicht weitergehen? Anstatt blöde Witze zu reißen?", warf Ahana in die Runde.

Nachdem Torgan zum Stehen gekommen war, schnaufte er erstmal erschöpft und stützte die Hände auf die Knie, um irgendwie noch festen Stand zu wahren. Sein Herz schlug so heftig, dass es ihn nicht gewundet hätte, würde es gleich zerplatzen. Hastig sog der Zwerg die Luft ein, in lautem und geräuschvollem Atem. Und als er wieder einigermaßen zu klaren Gedanken kam, kehrte das Bild des Grauens, das sein Umfeld war, mit aller Macht zu ihm zurück. Überall Leichenteile und Trümmer. Der Stoff, aus dem Albträume gemacht wurden. Zum gefühlten millionsten Mal in diesen Stunden wünschte Torgan sich, dass er nur träumte, gleich aufwachte, und wieder mit seiner Familie vereint wurde. Aber da konnte er wohl kaum drauf hoffen. Alle Glieder taten ihm mittlerweile weh von der endlosen Rennerei und so war er dankbar für die kurze Pause.
"Sollen wir nicht weitergehen? Anstatt blöde Witze zu reißen?", fragte ein Tauren.
Prinzipiell hielt Torgan das für eine gute Idee, aber wenn ihn dann nicht die Dämonen umbrachten, dann die Anstrengung.
"Wir sollten erst mal zu Atem kommen.", schnaufte Torgan. "Wenn wir völlig verausgabt unseren Weg fortsetzen, können wir uns auch gleich erschießen, wäre nicht so ein schmerzhafter Tod."

Langsam kehrte das Gefühl in Leilas Beine zurück. Es war zuallererst ein fürchterliches Brennen, ein schmerzhaftes Aufjaulen der übersäuerten Muskeln. Auch in ihrer Flanke verpürte Leila ein Stechen und das Atemholen fiel ihr schwer. Dennoch: es war ein Schmerz, den auf sich zu nehmen sie verhältnismäßig gewillt war. Es war allemal besser als das, was ihr geblüht hätte, wären sie nicht auf diesen Jungen getroffen und hätte dieser nicht so geistesgegenwärtig reagiert.
"Danke, Mann, das war knapp", sprach sie den Burschen an, in dessen geweiteten Augen sie den selben Schock erkennen konnte, der auch in ihr saß. Trotz der naturgemäß kräftigen Hautfarbe seiner Rasse wirkte er furchtbar käsig um die Nase. Und so bestand seine Antwort auch lediglich aus einem Nicken mit leicht offen stehendem Mund. Leila war sich nicht sicher, ob er die Bedeutung ihrer Worte wirklich registriert hatte.
"Wie heißt du?", fragte sie stattdessen, freundlicher, das eigene Gefühlschaos herunter kämpfend und versuchend, ruhig und herzlich zu klingen. Letztendlich war sie schließlich noch immer eine Priesterin. Das Licht hieß sie, stark für jene zu sein, die ihre Hilfe benötigten. Auch wenn die im Moment aus nicht mehr als ein paar warmen Worten bestand.
"Gorgar... ich meine: Private Zornhau", antwortete der Junge stammelnd und versuchte soetwas wie militärische Haltung anzunehmen.
"Gorgar ist in Ordnung", erwiderte Leila mit einem Lächeln, zwang ihre Beine, sie zu ihm hinüber zu tragen und legte ihm eine Hand auf die Schulter, "Bist du verletzt? Ist alles in Ordnung mit dir?"
"Mein ganzer Zug ist tot", antwortete der Junge und blickte zu Boden. Dann jedoch spielte ein leichtes Lächeln um seine Züge. Er musste es nicht erklären, damit Leila es verstand. Vermutlich war er stundenlang allein durch die Stadt gestreift. Andere Überlebende zu treffen – und mochten sie auch noch so herunter gekommen sein – musste einer Erlösung für ihn sein.
Leila ließ ihren Blick dem seinen über ihre Schulter folgen, zu den Resten ihres Zugs. So wenige, die noch auf den Beinen waren! So viele Gesichter, die fehlten! Dieser unsägliche Hexenmeister war noch bei ihnen. Leila fürchtete und verabscheute ihn gleichermaßen, aber es ließ sich nicht leugnen, dass der Mann einer der wesentlichen Gründe war, dass es überhaupt noch Überlebende im Zug gab. Und dieser fürchterliche Taure, der Straflegionär, hatte es ebenfalls geschafft. Ansonsten: eine Handvoll verängstigter Rekruten. Was sie noch an Unteroffizieren und erfahrenen Soldaten bei sich gehabt hatte, hatte es erwischt. Bis auf einen.
"Corporal Streithammer, sie sind der Ranghöchste", wandte Leila sich an den Zwerg, der gerade mit dem Strafgefangenen diskutierte. Das war natürlich nicht ganz korrekt. Sie selbst war ebenfalls Corporal. Aber sie war eine Sanitäterin, keine Kämpferin. Und das letzte, was sie war, war eine Anführerin. Außerdem war Streithammer dienstälter als sie. "Entscheiden sie, wie wir weiter fortfahren. Aber selbst wenn wir eine Verschnaufpause einlegen, dann sollten wir versuchen von der Straße runter zu kommen."

"W-Was? I-Ich?", stammelte Torgan geschockt. War er wirklich jetzt zum ANFÜHRER auserkoren worden? Wo er doch definitiv nur ein unterdurchschnittlicher Soldat war! Wie sollte er das schaffen? Einen Moment lang hatte Torgan das Gefühl, unter der Last der Verantwortung zusammenbrechen zu müssen. Doch wie es aussah, hatte er keine andere Wahl, als sich in diese Rolle zu fügen. Jeder weitere Tod wäre allein seine Schuld. Bei dieser Erkenntnis, hämmerte Torgans Herz wieder heftiger.
Schließlich zeigte Torgan in Richtung einer kleineren Seitenstraße. "Ich würde sagen, wir gehen da lang. Dort sind vielleicht nicht so viele Dämonen wie auf der großen Straße."

Julaana grinste kurz. "N Zwerg soll uns führn, ja? Den muss ich ja dann immer suchen, wenn er was sagt," meinte sie und lachte kurz. Das war echt absurd. "Aber keine sorge, Kurzer. Julaana passt auf deinen Arsch auf. Aber du musst aufpassen, das du mir nicht vor die füsse läufst, nicht das ich noch über dich stolper." Über diese aussage musste sie wieder lachen. Aufmerksam sah sie sich um, in der hoffnung, das kein Dämon sie gehört hatte. Mit sicherem Griff hielt sie ihr Sturmgewehr im Anschlag, immer bereit auf diese verdammten mistkerle zu ballern.

Schnaubend stapfte Ahana in die gewiesen Richtung. In der Gasse herrschte ein ekelhaftes Zwielicht, immer mal wieder unterbrochen von dem Widerschein von Explosionen in der Ferne. Was dort grade in Luft aufging oder wer fragte sich Ahana lieber nicht. Mit ein bisschen Glück würde es das zentrale Munitionslager erwischen, bevor die Legion sich daran bedienen konnte. Noch mehr Waffen in deren Händen hatten ihnen grade noch gefehlt.
Ein herabgefallenes Rohr blockierte den Weg. Zunächst griff Ahana nur mit einer Hand danach, aber das Ding hatte sich in beiden Wänden verkantet. Also mussten beide Hände ran. Mit einem Schnauben stemmte Ahana das Hindernis in die Höhe.
"Kommt ihr dann?"

Im Grunde keine schlechte Vorgabe, die der Corporal ihnen da ausgab. So kamen sie von der offenen Hauptstraße hinunter und in Deckung, aber blieben dennoch in Bewegung. Konnte beides nicht schaden. Hätten sie in einem der zerstörten Gebäude Schutz gesucht wäre es wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Legion sie dort gefunden hätte. Und hier in den Gassen... wohl auch. Leila seufzte leise. Das hier war eine Situation, in der nicht einmal das heilige Licht ihnen noch helfen konnte. Die Verzweiflung saß tief, hatte sie alle erwischt. Sie konnte es in den Augen der anderen sehen. Noch ein Grund also, in Bewegung zu bleiben, auch wenn sie alle müde und erschöpft waren. Solange sie marschierten hatten sie wenigstens etwas zu tun. Wenn sie rasteten würde es nichts mehr geben, was ihnen die Verzweiflung fern hielt.
"Das hier war die Villeroy-Allee. Wenn wir der Straße hier folgen und dann in die Crystallgaze-Straße einbiegen kommen wir in Richtung Orphal-Werke", schlug Leila vom Ende ihrer kleinen Kolonne her vor. Sie kannte die Gegend, weil sie gar nicht weit entfernt aufgewachsen war. Und es war einen Versuch wert. Die Werke waren ein ausgedehntes Industriegebiet. Und die Legion, die es weniger auf Plünderung, denn vielmehr auf die Vernichtung der Bevölkerung abgesehen hatte, hielt sich bevorzugt an die Wohngebiete. Außerdem mochten sie in den Orphal-Werken leichter Deckung finden als in den hohen, offenen Straßenfluchten. Sie teilte ihre Überlegungen dem Trupp mit. Aber so zuversichtlich, wie sie dabei zu klingen versuchte, fühlte sie sich keineswegs.

"Dann los!", rief Torgan und stapfte zielgerichtet die Straße entlang. Wenn sie wirklich ins Industriegebiet gelangten, hatten sie vielleicht wirklich eine Chance. Seine erschöpften Muskeln beschwerten sich wieder mit unangenehmen Schmerzen, doch der Zwerg ignorierte dies und trieb seinen Körper wieder zur Eile an. An der Spitze des Zuges marschierte er hastig über den Beton. Die schrecklichen Kampfgeräusche in der Entfernung versuchte er auszublenden, so gut es ging. Einfach nur weg von hier, mehr wollte er gar nicht! Weg und zu seiner Familie zurück!

Leilas Plan hatte ihr simpel erschienen, doch die Realität sah, obwohl sie auf keine Legionäre trafen, anders aus. Zahlreiche Gebäude auf ihrem Weg waren zerstört, Schutt und Trümmer türmten sich teils meterhoch auf der Straße und machten ein Durchkommen so unmöglich. Immer wieder mussten sie auf Seitenstraßen ausweichen und Umwege in Kauf nehmen um überhaupt ein Durchkommen zu finden. Das Ausmaß der Zerstörung war furchterregend, doch nach all dem, was ihnen in den letzten Stunden und Tagen widerfahren war, war Leila zu abgestumpft, als dass es einen großen Eindruck auf sie gemacht hätte.
Dann jedoch kamen sie auf eine Straße, deren Anblick selbst sie zu schocken und mit offenem Mund scharf Luft einsauge ließ: etwas, das einstmals ein Einkaufszentrum gewesen sein musste, stand vor ihnen in Flammen. Der Asphalt der Straße war aufgerissen, Wasser und Gas gleichermaßen schossen daraus hervor. Aus den rissigen Betonwänden des Zentrums bröckelten immer wieder ganze Klumpen von Mauerwerk.
"Beim Licht, was ist denn hier passiert?!", entfuhr es Leila erschrocken.

"Das sieht ziemlich übel aus. Als hätte hier ein meteor eingeschlagen, oder die haben irgendwo eine ihrer riesen kanonen aufgebaut. Wir sollten aufpassen, wo wir hintreten." Aufmerksam sah sich Julaana um. Dabei hielt sie ausschau nach etwas, wo sie sich verschanzen konnten, um auf Rettung zu warten. Vielleicht kommt ja mal irgendjemand, der hier aufräumt. Dieser kleine trupp hier, der würde nicht weit kommen, aber vielleicht konnten sie es schaffen, zu überleben.

"Irgend eine Artillerie der Legion vielleicht? Scheiße. Für sowas brauchts ne dicke Bombe", antwortete Ahana, der nicht minder geschockt auf das Gebäude starrte und für einen Moment sein Ressentiment gegenüber dem Rest dieses Haufens vergaß. Hatte die Legion überhaupt Artillerie. Vielleicht hätte er Ol'Halffoot Bill doch besser zuhören sollen. Der hatte immer von seinen Kämpfen gegen die Legion erzählt, bevor man ihn unehrenhaft wegen Schmuggels entlassen hatte. Bill hatte es wahrscheinlich längst erwischt. Mit dem Klumpfuß konnte er doch nicht mehr schnell genug laufen. Und er war nicht wichtig genug, dass man ihn evakuiert hätte. Verdammter Pakt!
"Ich will nicht in das Visier von was auch immer kommen, das dieses Loch gerissen hat. Wir sollten weiter. Hier gibt es nichts mehr, was wir tun können."
Nicht zum ersten Mal wünschte sich Ahana wenigstens die Möglichkeit alleine losziehen zu können. Aber dann würde ihn entweder die Legion oder das Killerhalsband um seinen Nacken erwischen. Wahrscheinlich wäre die Legion schneller. Da musste er noch hoffen, dass er einfach sterben konnte.
"Oder wollt ihr den Ameisenhaufen lieber anstoßen, bis irgendwas zurückbeißt, hm?"

Torgan wusste nicht, ob er weinen oder sich übergeben sollte (wobei wahrscheinlich beides momentan nicht angebracht war). Das war das Einkaufszentrum gewesen, wo seine Frau fast jeden Tag einkaufte und das er auch schon unzählige Male gesehen hatte. Und was war mit seiner Familie? Lebten die überhaupt noch? Das fragte er sich nicht zum ersten Mal. Es war aus. Das war das Ende der Welt, wie er sie kannte und liebte. Warum dann überhaupt noch weitermachen? Wäre der Tod nicht wesentlich angenehmer, als sich weiter zu quälen? Dann fiel ihm wieder der Haufen ein, der ihm folgte. Noch hatte er hier Verantwortung. Er hatte immer versucht, davor davonzulaufen, doch nun musste er eine Truppe anführen. Der Tauren hatte Recht. Sie mussten dieses Grauen hier möglichst schnell hinter sich lassen.
"Ja! Lass uns weitergehen!" Seine Kräfte zusammennehmend stapfte er los. "Unser Ziel heißt: Orphal-Werke!"

Voll Grauen blieb Leilas Blick an den teils schwelenden, teils noch lichterloh brennenden Ruinen hängen als sie sich wieder in Bewegung setzten. Ihr war nicht wohl dabei. Eine innere Stimme drängte sie dazu, dieses Chaos näher zu untersuchen. Herauszufinden, weshalb die Legion so schwere Waffen gegen eine zivile Anlage wie ein Einkaufszentrum eingesetzt hatte. Etwas erschien ihr hier nicht richtig. Gleichwohl musste sie Corporal Streithammer recht geben: hier weiter zu verweilen war gefährlich und sie strebten ein anderes Ziel an. Man musste Prioritäten setzen. Und aus schierer Neugierde ein unwägbares Risiko wie das Betreten dieser tückischen Ruinen einzugehen, dass wäre unverantwortlich.
"Warum tun sie so etwas nur?", offenbarte Leila dennoch ihre Gedanken, wenngleich mehr ins Leere gesprochen, denn an die Gruppe gewandt, "Warum fahren sie derart schwere Geschütze gegen so einen harmlosen Ort auf?"

"Weil ein Dämon nicht stirbt, wenn man ihn tötet", murmelte Ahana und versuchte sich daran zu erinnern, was der Nachtelf im Gefängnis ihm erzählt hatte. Das war einer von den alten gewesen. Bestimmt schon tausend Jahre alt. Hatte ihn nicht vor einer lebenslangen Haftstrafe gerettet.
"Ihre Essenz fließt zurück in den Nether und formt sich dort neu, oder so. Kommt schon, Priesterin. Ich hab' keine Lust eine weitere Leiche zu werden."
Außerdem konnte was auch immer dieses Loch gerissen hatte noch in der Nähe sein. Der Anblick dieser Zerstörung schmerzte Ahana. Er wollte weg. Wollte seine Augen nicht auf die Zerstörung richten, die die Legion anrichtete.

Entlang der Hauptstraße musste eine Gas- oder Manaleitung explodiert sein, denn so weit sie sehen konnten war der Asphalt aufgerissen und deformiert, eine Schneise wie von einem Erdbeben, aus der immer wieder zischender Dampf schoss und völlig unpassierbar. Nicht, dass einer von ihnen noch das Bedürfnis verspürt hätte, sich im Offenen aufzuhalten. Aber auch die Nebenstraßen, durch die sie auswichen, waren zunehmend in Mitleidenschaft gezogen worden. Schmal wanden sie sich zwischen den ausgebrannten Skeletten von Geschäften und Boutiquen hindurch, übersäht von Trümmern und den Fetzen dessen, was einmal die Auslage der Schaufenster gewesen sein mochte. Glas knirschte unter jedem Schritt der schweren, militärischen Stiefel des Trupps. Immer wieder blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu klettern.
Und dann öffnete sich die Gasse mit einem mal in Richtung eines Platzes und eine grausige Abwechslung tat sich in dem Bild, das sich ihnen darbot: jemand hatte gegen den Platz hin eine Barrikade aus Trümmern und Sandsäcken errichtet, frisch, wie es schien, jedenfalls frischer als die Zerstörung hier. Ein einsames schweres Maschinengewehr hing noch immer von den Befestigungen herab, ein halb verschossener Patronengurt eingespannt. Denjenigen, die sich hier verschanzt hatten, war es jedoch nicht gut ergangen. Ein halbes Dutzend Toter in den Uniformen und Schutzwesten der planetaren Verteidigungskräfte lag mehr oder weniger übel zugerichtet über die Gasse verstreut. Zwischen ihnen kauerte, sich an den Leichen gütlich tuend, eine bullige Kreatur von der Größe eines Esels: ein Höllenhund der Legion.

Nicht schon wieder! Torgan konnte diese widerlichen Abscheulichkeiten einfach nicht mehr sehen. All die Zerstörung war schon schlimm genug. Während er sah, wie diese degenerierte Kreatur an etwas rumfraß, was scheinbar mal eine Menschenfrau gewesen war, war der Zwerg mit einem Mal mit Wut, wenn nicht gar blankem Hass, erfüllt. Er zog sein Garona, visierte das Vieh an und betätigte den Auslöser. Mehrere Schüsse lösten sich und bohrten sich in den Hund. Dieser hörte plötzlich auf zu kauen und brach reglos zusammen.

"Idiot", murmelte Ahana. Die Schüsse hatten bestimmt alle Dämonen in der Nachbarschaft alarmiert. Damit blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Ahana wuchtete den Leib des Teufelshundes beiseite. Ein wenig des Blutes der dämonischen Kreatur tropfte auf sein Fell. Es brannte schmerzhaft. Ahana zuckte zurück. Sogar tote Soldaten der Legion waren gefährlich. Wobei man den Hund kaum als Soldaten bezeichnen konnte. Es war eine hirnlose Kreatur, soweit Ahana das wusste.
"Hier", schnaufte Ahana und warf dem Soldaten, der eben geschossen hatte ein Magazin zu in dem sogar noch ein paar Kugeln waren. Die Panzerwesten der hier liegenden Soldaten waren angefressen vom Sabber des Teufelshundes.
Nach einem Blick auf das montierte Maschinengewehr versuchte Ahana gar nicht erst das Ding aus seiner Halterung zu heben. Es war zu schwer.
"Hey, Priesterin. Einen Segen vielleicht?"

"Einen Segen?", fragte Leila verdutzt, für einen Moment überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet der Strafgefangene sie darum bitten würde. Sicher, das Licht stärkte jene, denen sein Segen zuteil wurde und als Priesterin stand es in ihrer Macht, einen solchen auszusprechen. Aber es bedurfte mehr als der Worte eines Priesters. Der Gesegnete musste schon selbst auf das Licht vertrauen, wenn der Segen seine Wirkung zeigen sollte. Und Ahana war der Letzte, dem Leila zugetraut hätte, ein frommer Anhänger des Heiligen Lichts zu sein. Aber andererseits: warum nicht? Viele Leute wurden gerade durch ihre Verfehlungen zum Glauben geführt. Viele, die im Gefängnis einsaßen, hatten sich dem Licht verschrieben. Vielleicht also auch dieser hier?
"Das Heilige Licht leuchte in dir und stärke...", setzte sie an, als mit einem mal ein ohrenbetäubendes Kreischen vom Himmel her erschallte. Inmitten ihres Segens innehaltend riss Leila den Kopf zum Himmel und erkannte nicht weniger als fünf in schwarze Kampfanzüge gehüllte Gestalten mit Jetpacks dort oben. Die eleganten, dämonischen Silhouetten waren unverkennbar. Sukkubi-Sturmtruppen! Und sie befanden sich im Sturzflug auf sie hinab. Instinktiv riss Leila die Hände nach oben und rief eine schimmernde Barriere herauf, eben noch rechtzeitig, ehe die ersten felverseuchten Kugeln auf sie herab zu prasseln begannen.

Julaana blickte erschrocken nach oben, als plötzlich die Sukkkubi angeflogen kamen. Schnell riss sie ihre Gamona hoch und fing an wie blöd loszuballern. "Sterbt, ihr verdammten mistviecher!," schrie sie ihnen entgegen. Ein paar der Geschosse trafen auch tatsächlich, doch der größte teil flog einfach durch die gegend.

Chaos, Blut und Zerstörung. Das war alles, woran Moth sich in den letzten Stunden erinnern konnte. Und davon er hatte eindeutig genug für die nächsten paar Jahre gesehen. Von jemandem, der täglich als Hexenmeister arbeitete, würde man eigentlich etwas anderes erwarten, aber im Labor fand alles unter kontrollierten Bedingungen statt. Das hier? Das war einfach nur ein Durcheinander. Und dazu noch ein mörderisches. Vielleicht hätte er vor ein paar Jahren doch für die Exekution entscheiden sollen, dann würde er jetzt nicht in den nächsten Stunden von einem Dämon in Stücke gerissen. Wobei das eigentlich ein Berufsrisiko war. Scheissjob.
Und jetzt ballerte ein Haufen viel zu gut aussehende Sukkubi auf sie nieder. Für einen Moment überlegte Moth, wie er sich bei einem solchen Anblick konzentrieren sollte, aber die Kugeln, die im nächsten Moment auf sie niederballerten und nur von einer Barriere aus Licht blockiert wurden, zerstreuten jegliche feuchtfröhlichen Fantasien und als die Luft sich ein wenig klärte und einige Soldaten um ihn herum zurückschossen, hob auch der Hexenmeister eine Hand und sprach ein Wort aus, bei dessen Klang alleine bei den meisten Leuten bereits Zungenschmerzen aufkamen. Hoffentlich erschrak niemand und schoss aus Versehen zur Seite. Oder absichtlich.
Schwarze Flecken breiteten sich auf dem Körper einer Sukkubus aus und sie schrie herzzerreissend. Der Fluch konzentrierte sich auf ihre Flügel und frass Löcher in diese, was zu einem schnellen Höhenverlust führte. Die Höllenmistress fiel aus dem Himmel und klatschte mit einem feuchten Geräusch auf den Asphalt, bei dem Moth das Gesicht verzog. Ew.

Eine Sukkubus ging getroffen zu Boden, dann eine zweite. Leilas Barriere brach, doch da befanden die verbliebenen Dämonen sich bereits auf dem Rückzug. Eine Handvoll Kugelgarben peitschte noch von oben auf sie hinab als die Sukkubi mit ihren Jetpacks höher stiegen, doch diese waren wenig gezielt, deckten wohl nur den Rückzug. Leila spürte einige Einschläge an ihrer Schulter, doch die Kugelweste hielt stand.
"Sie werden wieder kommen", prophezeihte sie schwer atmend, "Und sie werden Verstärkung mitbringen." Unterdessen ließ sie den Blick über die Reste des Trupps wandern. Gab es Verletzte, die ihrer Hilfe bedurften?

Da hatte Torgan wohl nicht schnell genug geschaltet. Ein Sukkubus-Angriff war nach wenigen Sekunden wieder vorbei. Hoffentlich hatte keiner seine Angststarre bemerkt, das wäre ja wirklich peinlich.
"Allen scheint es einigermaßen gut zu gehen.", sagte Torgan, nachdem er einen Blick über die Gruppe schweifen gelassen hatte. "Kommt, lasst uns rasch weiter! Sonst werden noch mehr kommen!"

Leila zögerte als der Corporal den Befehl gab, weiter auszurücken. Etwas in ihr hielt sie davon zurück, ihre momentane Position aufgeben zu wollen. Zwar war sie weit davon entfernt, sich als eine vollwertige Soldatin zu sehen, aber ein gewisser militärischer Sachverstand hatte sich im Lauf der Jahre und mehr noch innerhalb der letzten Stunden und Tage eingestellt. Das hier war eine gute Stellung. Trotz der Toten, die hier herum lagen und diese grausige Szenerie schufen. Aber die Gasse war schmal, schmal genug, dass man sie weder umgehen, noch wirklich gut von oben her angehen konnte. Und am Ausgang der Gasse hatten sie Barrikaden. Und ein schweres Maschinengewehr. Wenn sie dagegen weiter gingen, dann kämen sie auf den offenen Platz, wo es nichts gab, das ihnen hätte Deckung bieten können. Was, wenn die Sukkubi zurück kamen? Oder weitere Dämonen auftauchten. Sie blickte zum Himmel. Die Dämoninnen mit ihren Jetpacks kreisten noch immer über ihnen, hoch oben, jenseits jeder Reichweite. Aber langsam entfernten sie sich.
"Sollten wir nicht wenigstens warten, bis diese Aasgeier fort sind?", schlug sie vorsichtig vor, "Sonst verfolgen sie unsere Spur und greifen uns bei jeder Gelegenheit an, bis sie uns alle erledigt haben."