Tal der Sterne[MSG]

Naveen beobachtete Marejas aktion und nickte anerkennend. "Ich hätte sie nur mit wasser vollspritzen können," meinte er gedämpft zu Mareja. " Lasst uns verschwinden, solange die Soldaten gebunden sind." Die Mauer war ein hindernis, das überwunden werden musste. Es war auch kein Tor zu sehen, durch das sie entschwinden konnten. "Wie sollen wir darüber kommen?", fragte er dann.

Carima schluckte schwer, als sie sah, welche Kräfte ihre seltsame, der Natur so verbundene Begleiterin, gegen die Feuerländer hervor rief. Damit war es wohl beschlossene Sache, dass sie kämpfen mussten. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gehofft, die Sache friedlich lösen können, die Soldaten vielleicht ablenken oder überlisten zu können, an ihnen vorbei und aus der Stadt zu gelangen, ohne kämpfen zu müssen. In einem Kampf – das hatte sie erst an diesem Tag wieder unter Beweis gestellt, war sie von keinem Nutzen. Aber alles außer zu kämpfen war nun, da sie die Aggression eröffnet hatten, wohl ausgeschlossen. Unwillentlich gab sie ein hilfloses, kaum hörbares Wimmern von sich.
Und zu ihrer Überraschung war es Tandred, der es erhörte. "Ca... rima...", erklang es schwach von ihrer Seite her, wo sie die Bahre abgestellt hatten, "Werden... laufen müssen. Keine Chance zu fliehen... wenn ihr mich tragen müsst... Ich... kann laufen. Schneide mich hier los... Muss... es zu Fuß... schaffen..."

Die Aktion der Erdträne verschaffte ihnen einige Sekunden Zeit, die der fremdländische Mann dazu nutzte, sich in Richtung ihrer hoffentlichen Fluchtroute zu bewegen. Raik sah den angestrengten, schmerzerfüllten Gesichtsausdruck der Frau mit der Rüstung aus Baumrinde und machte ein paar erst zögerliche, dann entschlossene Schritte nach vorne. Das Blau in seinen Augen schien aufzuleuchten, als er die Hand zu einem nahestehenden Fass aufstellte, das dank des kürzlichen Regens wohlgefüllt mit Wasser war. In einer Drehung, eine Abfolge an geübten Kampfbewegungen, folgte der Strahl seinen Arm und verhärtete sich zu einer Kugel aus Eis, die mit einem befriedigendem Geräusch gegen den Kopf eines der Wächter knallte. Ein kleiner Sprenkler an Blut regnete auf den Boden, doch das Meiste der Kugel war am Helm zerschollen und hatte keinen größeren Schaden angerichtet. Erneut beschwor Raik, jetzt schon leicht keuchend, Wasser aus dem Fass und ließ es über die Fugen in den Pflastersteinen unter die Männer sickern, die sich gerade aus den Ranken zu befreien begannen. Eiszapfen schossen, einer Bewegung von Raiks Armen folgend, hüfthoch aus dem Wasser hervor und versperrten wie eine weitere Art von Dornenranke den Weg für die Soldaten - zumindest vorerst. Raik, vor ihnen stehend, eine Hand zur Pfütze, die andere zum Fass erhoben, schaute zu seinen Verbündeten, nickte in Tandreds Richtung. "Schnell, macht ihn mobil!"

Plötzlich spürte Raik, wie ihm jemand sanft eine Hand auf die Schulter legte. "Du hast Talent mein Junge, aber ich glaube nicht das sie uns einfach abziehen lassen, trotz deiner Eisstacheln." Denat hatte sich in den letzten paar minuten ruhig verhalten und anscheinend gar nichts gemacht, doch nun wirkte er anders. Ähnlich wie Raik's Augen vorher, glühten auch die seinen, allerdings in einem kräftigem Orange. Auch schien alle Musklen irgendwie angespannt zu sein, was den alten Mann nun gerade um einiges kräftiger und irgendwie auch jünger wirken lies, als noch vor wenigen minuten. "Wir müssen sie eine weile ausser Gefecht setzen, hilfst du mir dabei?" Die frage war eher retorisch gemeint und kurz darauf konnte Raik spüren wie Energie seinen Körper durchströmte und jegliche müdigkeit und erschöpfung wie fortgespühlt war. Danach machte sich Denat auf um sich den Soldaten zu stellen, jedoch nicht mit einem Sturmangriff. Auch wenn sie aussahen wie gewöhnliche Soldaten, konnten es trotzdem Feuerbändiger sein.

Eine beruhigende, stärkende Wärme wurde von Denats Hand in Raiks Körper gesendet. Der junge Mann konnte das Gefühl kaum beschreiben. Wie Feuer, das einem nach einem langen, harten Tag die müden Knochen wärmt. Wie der erste Sonnenstrahl, den man nach einem kaltem Winter abbekommt. Eine innere Wärme, eine stärkende Dosis Kraft. Einen Augenblick lang blieb Raik stehen, verdutzt, dann schüttelte er sich und trat hinter dem Mönch her auf die Soldaten zu. Sie trugen keine Waffen, und gerade war einer von ihnen dabei mit einer rot glühenden Hand Raiks Eisstacheln zu zerschmelzen. Prüfend blickte der junge Mann noch einmal zurück zu Carima und Tandred, hoffend, dass sie diese Ablenkung nutzen würden, um herauszukommen - und dass sie noch da sein würde, wenn sie nach draußen gelangen. Würden. Sie beide. Nicht nur Carima, natürlich.
Als die letzten Eiszapfen langsam schmolzen, verteilte Raik mit einer fließenden Bewegung eine dünne Schicht Wasser über die Pflastersteine und ließ diese mit einer Krümmung seiner Finger zu Eis werden. Dann rannte er darauf zu, machte einen kleinen Satz und schlitterte darüber, schnell an Geschwindigkeit gewinnend, direkt auf einen Soldaten zu. Als der Feuerbändiger ihm einen Feuerball entgegenwarf, sprang Raik in die Luft, unterstützt durch eine sich günstig lösende Eisscholle, machte eine halbe Pirouette um den Feuerbändiger, der sich langsam umdrehte, und knallte ihm einen zuvor hinter seinen Rücken verborgenen Diskus aus Eis in den Nacken, dort, wo der Helm eine Lücke zur Rüstung ließ. Der Mann stieß ein Stöhnen aus und brach in sich zusammen. Kurz darauf spürte Raik einen Lichtblitz, Rauch und unfassbare Hitze. Getroffen von einem Feuergeschoss verpasste er seine Landung und rollte über die Pflastersteine, was die Flammen auf seiner Kleidung ausgehen ließ, ihn aber auch die Luft aus den Lungen presste. Der Feuersoldat, der ihn gerade getroffen hatte, setzte schnell zu einem tödlicheren Schuss an, während Raik versuchte, sich keuchend aufzurichten.