GQ - [Die MSG]

Erleichtert blickte Neythani Finn an, als dieser sie und Aldred endlich von den Ketten befreite. Schlagartig umarmte sie den Jungen aus lauter Dankbarkeit. "Danke, danke, Danke," jauchzte sie und lies ihn dann wieder los. "Wir sollten vielleicht eine der Waffen der Paladine mitnehmen, für den fall der fälle," wandte sie sich dann an Aldred. Unsicher sah sie sich in dem dunklen Raum um, der nur durch die Laterne erhellt wurde, die Finn herumtrug.

Eine Gestalt trat urplötzlich aus den Schatten, kurz außerhalb des Lichtkreises der Laterne. Es sah beinahe so aus, als sei sie aus dem Nichts erschienen, doch das mochte auch Einbildung sein; zumindest aber hatte sie sich vollkommen lautlos genähert. Das änderte sich jedoch jetzt.
"Ich muß zugeben, daß ich hier nicht mit euch gerechnet hatte," sagte Trevin anstelle einer Begrüßung. In der vorherrschenden Finsternis und im Schatten seiner Kapuze liegend, war sein Gesicht kaum zu erkennen, doch an der Stimme konnten sie ihn problemlos erkennen. "In jedem Fall gut, daß ihr wohlauf seid."
Er deutete auf eine der herumliegenden Leichen. "Was ist hier passiert? Und wie seid ihr hierher gekommen?"

Zuerst Finn und nun auch noch Trevin! Aldreds Überraschung steigerte sich ins schier Unermessliche. Welcher bizarre Zufall führte aus dem Nichts ihre verschollenen Kameraden zu ihnen, hierher, wo sie am Wenigsten mit ihnen gerechnet hatten? Oder war es gar kein Zufall? Aldred war kein Geistlicher oder Gelehrter, doch für ihn sah es schwer aus, als hätte hier eine Göttin ihre Finger im Spiel.
"Die selben Fragen könnte ich auch dir stellen", entgegnete er Trevin, gegenüber dem Assassinen deutlich reservierter als zuvor noch Finn gegenüber, berichtete dann jedoch knapp von den Ereignissen, die sich seit dem Überfall der Söldnertruppe zugetragen hatten.

Trevin hörte sich Aldreds Erzählung mit unbewegter Miene an, was ihm gerade bei den Plänen der Hohepriesterin jedoch schwer fiel - sie hatten einen ganzen Trupp Kämpfer hierher geschickt, um ihm eine Falle zu stellen, und waren dabei, ohne es zu ahnen, selbst in eine Falle getappt. Er war sich nahezu sicher, daß Yragona diesen Teil amüsiert aufnahm, vorausgesetzt, sie bekam es auch mit, denn sie hatte sich seit seiner letzten Unterredung mit ihr, vorhin, nicht mehr bemerkbar gemacht. Aber wenn sie sogar gemerkt hatte, daß Aldred und Neythani hier waren, dann lauschte sie sicher auch diesem Gespräch, das sie nun führten.
Als Aldred auf seine und Neythanis Rettung durch Finn zu sprechen kam, warf Trevin dem Jungen einen gleichermaßen erstaunten wie anerkennenden Blick zu.
"Ich schätze, ich habe euch beiden Unrecht getan," bemerkte er, wobei er erst Aldred und dann Finn anblickte. "Keine Ahnung, wie du es geschafft hast, dem Wächter Einhalt zu gebieten, aber ohne dich wären die beiden jetzt wohl tot."
Er sah wieder Aldred an. "Dann bin jetzt wohl ich an der Reihe." In knappen Worten berichtete er den dreien, was er erlebt hatte, seit sie oben auf der Straße getrennt worden waren, und auch von seinem Gespräch mit Yragona. Lediglich den Teil mit der Erschaffung der Grindyl ließ er aus, da er diesen nicht für relevant erachtete.

Ein breites und triumphierendes Lächeln erschien auf Zeckkers Gesicht. Na endlich! Es waren starke Verhandlungspartner gewesen, aber sein süsses Gesicht hatte einmal seinen Zweck erfüllt.
"Ich danke Euch herzlichst, Verehrteste", sagte er zu der Paladine und deutete eine Verbeugung an, ehe er sich dem Avior widmete.
"Hm.. Kleidung für einen.. Avior? Da Eure Heimat dieser doch ein Stück fern liegt und wohl kaum ein direkter Handelspartner ist.. wird das nicht gerade einfach, muss ich sagen. Bestimmt würdet Ihr jemanden finden, der Euch passende Kleidung andrehen würde und das zu einem teuren Preis.. und am Ende wär sie doch nicht das, was Ihr sucht."
Er musterte den Avior von oben bis unten und nickte dann.
"Da Ihr die Flügel sowieso frei haltet und die Füsse auch sehr.. praktisch aussehen, würde ich sagen, Ihr besorgt normale, aber robuste und gut verarbeitete Kleidung und schafft Euch die kleinen, nötigen Änderungen selbst. Natürlich ist es dann sicher nicht genau das, was Ihr bei Euch zuhause als modisch bezeichnen würden, aber es hält und würde euch auch hier weniger auffallen lassen. Das kommt nicht nur günstig, es garantiert auch sicher, dass nichts geschleift wurde. ..Ich bin übrigens sehr gut mit Nadel und Faden, wenn ich das anmerken darf."

"Gute Kleidung brauche ich, heh. Nicht einfach nur Lederkleidung armer Leute soll es sein. Stoffe und Goldfäden, vielleicht? Prachtvoll soll es wirken. Ein Gewand für einen König. Vielleicht du kannst es nähen ein wenig, heh?", gab Amun zu hören und holte einen Beutel hervor, aus dem er eine Goldmünze fischte, die er dem Jungen hinhielt.
"Dein Lohn, wenn du mir einen guten Preis erzielst, heh."
Rasch ging Amun durch, wie viel Geld er zur Verfügung hatte. Die Börse, die die Windsprecher ihm gegeben hatten, war noch fast voll. Immerhin hatten sie nicht viel Gelegenheit gehabt Geld auszugeben. Wie viel mochte solche Kleidung wohl kosten?

Geduldig hatte Aldred Trevins Ausführungen gelauscht, der Geschichte des Kriegs zwischen Licht und Schatten, von dem er noch nie zuvor gehört hatte, und von der Einkerkerung Yragonas. Während der Assassine sprach verhärteten sich die Gesichtszüge des Schmieds mehr und mehr. Diese Sache hier war größer, ernster, als er angenommen hatte. Kilaths Problem lag tiefer als in den verblendeten Herzen einer Sekte von Sterblichen. Gegen die Paladine, die sich für Diener der Lichtgöttin hielten, hätten sie kämpfen können. Doch nun erschien es, als läge eine weit größere Herausforderung vor ihnen. Aber da war noch etwas anderes, das Aldreds Miene grimmiger und grimmiger werden ließ. Trevins Göttin hatte zu ihm gesprochen. Sie hatte diesem zutiefst dubiosen Kerl zuerst ihr Mal verliehen, ihn zu ihrem Auserwählten gemacht. Und nun sprach sie persönlich zu ihm. Aber was war mit seiner eigenen Göttin? Was war mit Topan? Aldred zweifelte nicht daran, dass sie aus einem bestimmten Grund ihm damals, vor Jahren bereits, jene Vision gesandt hatte. Diese Sicherheit war es, die ihm die Kraft verliehen hatte, all diese Jahre hindurch durchzuhalten, zu kämpfen. Und doch schien es, als wäre er nichts weiter als ein schlichter Bauer in diesem großen Spiel, achtlos von seiner Göttin am Straßenrand verlassen. Tristan trug ein Mal, das er nicht wollte. Amun'Raak war der Sturmkönig, erfüllt von Derias Segnung. Dass in Finn mehr steckte als dieser glaubte hatte sich mehr als einmal gezeigt. Und Trevin sprach mit der Dunklen Fürstin. Nur er, er folgte nach wie vor einem Traum, einem kurzen Blick auf die Erhabenheit, die er nun auch in seinen Gefährten erahnen konnte. Es nagte an Aldred. Er hatte sich immer Mühe gegeben, der treueste, ergebenste Diener Topans zu sein. Der Wanderer, der die Welt nach seiner Göttin absuchte. Aber wo der Rest der Gruppe einer nach dem anderen auf Spuren der Göttinen stießen befand er sich keinen Schritt weiter als zu Beginn seiner Reise. Warum? Wie konnte das sein? Hatte die Herrin der Winde sich von ihm abgewandt? Oder war ihr Schlimmes widerfahren, Schlimmeres noch als ihre Schwestern, die sich Champion um Champion auserkoren? Es waren quälende Gedanken. Schmerzende Vorstellungen. Und doch zwang Aldred sich dazu, sie beiseite zu schieben. Sein eigener Kummer musste für den Moment zurück stehen.
"Und dieser... Wächter...", hakte er auf Trevins Bericht hin nach, "War er ein Diener von Urayos? Was hat er hier getan?"

Trevin schüttelte den Kopf. "Diese Bestie war ein Nachtmahr," erklärte er. "Die Kleriker der Yragona beschwören sie im Kampf, oder, um ihr Territorium zu schützen. Ygnaz erwähnte einen unvollendeten Schutzzauber, der hier gewirkt worden war, als die Lichtbeter den Tempel angriffen. Durch die Nähe des Mals muß er wohl beendet worden sein, und die Bestie wurde beschworen."
Er wog nachdenklich den Kopf. "Ihr hattet Glück, daß Finn gerade eingetroffen ist. Selbst, wenn ich rechtzeitig gekommen wäre - ich weiß nicht, ob der Wächter meinem Befehl gehorcht hätte."

Trevins Worte waren nicht eben das, was man hätte beruhigend nennen können. Wenn bereits der Eingang des Yragona-Tempels von so einer Kreatur bewacht wurde, was für Schutzzauber mochten dann weiter im Inneren warten? Und wenn dieses Monster lediglich ein beschworener Wächter gewesen war, was für eine Macht mochte dann dieser Urayos darstellen?
"Ich nehme an, du hast einen Plan, was wir nun tun müssen", fragte er Trevin ungeachtet dessen. Irgendeinen Grund musste es schließlich haben, warum er sie in diesen Tempel geführt hatte. Nun waren sie hier. Aber was hatten sie nun zu tun?

"Ich weiß zumindest, daß wir hier fertig sind," erwiderte Trevin und sah auf die zertrümmerte Tür, durch die Aldred und Neythani kurz zuvor gekommen waren. "Wir müssen Urayos' Gruft erreichen und Yragona befreien, bevor sie ihn wieder erwecken können... ansonsten war's das."
Er trat vor die Tür und beseitigte das, was von ihr noch übrig war, mit ein paar kräftigen Fußtritten. Sein Blick fiel auf die breite Tür am anderen Ende des Vorraumes.

"Oh, wenn es prächtig sein soll, dann wird es natürlich ein wenig teurer, aber gerade an einem Ort wie Kilath lässt sich natürlich viel herausho-", erwiderte Zeckker, ehe er aber beim Anblick des grossen Beutels, der anscheinend voll mit Goldmünzen war - wäre seltsam gewesen, wenn er ihn mit Kieselsteinen aufgefüllt hätte -, das letzte Wort grad zu beenden vergass. Wenn dieser Avior so leichtsinnig mit einem Beutel voller Gold in den Strassen dieser Stadt herummarschierte, musste er wirklich äusserst wohlhabend sein. Wohlhabend oder einfach nur dumm. Beides brachte seine Vorteile.
"Ihr werdet nicht von mir enttäuscht sein, werter Herr", verkündete Zeckker mit breitem Grinsen und deutete sogar eine Verbeugung an. Eve erhielt einen schelmischen Seitenblick. Und die Oma dachte, er könne nicht für sich sorgen, pfs.

Die Gruft erreichen... das klang so einfach. Dass es dies wohl kaum sein würde, diesen düsteren Verdacht musste Aldred gar nicht erst aussprechen. Er hing schwer und drückend im Raum. Jedem von ihnen musste klar sein, was Trevins Plan bedeutete. Sie würden sich Hals über Kopf in einen unabwägbare Gefahr stürzen, sich wohl oder übel mit einem ganzen Kult von Fehlgeleiteten und Fanatikern anlegen müssen. Es würde Blut fließen. Viel Blut! Und die Chancen standen gut, dass es das ihre sein würde. Zumal, wenn man bedachte, dass Trevin der einzige von ihnen vieren war, der noch etwas besaß, das man als Ausrüstung hätte bezeichnen können. Aldred und Neythani hatten nicht einmal mehr Stiefel!
Der Blick des Schmieds glitt – auch wenn der Anblick ihn noch immer verstörte – durch den Raum. Die Paladine der Reija hatten Rüstzeug besessen. Gutes Rüstzeug. Sicher, ihre Rüstungen wären kaum noch zu verwenden. Die hingen ihnen in Fetzen von den Leibern, zerrissen von der unmenschlichen Kraft des Wächters. Aber sie hatten Schwerter gehabt. Schilde. Stiefel. Aldred schauderte beim Gedanken, durch Blut und Gedärme zu waten und die Toten auszuplündern. Aber es war allemal besser, als sich halbnackt in die nächste Schlacht zu werfen. Da musste man pragmatisch sein.
"Warte kurz, Trevin!", bat er und bückte sich zu einem Paladin, der nicht viel mehr als ein blutiger Torso war, hinab.

"An die Arbeit solltest du dich dann machen, heh? Der Sturmkönig braucht seine Gewändern", scherzte Amun, machte sich aber trotzdem in Richtung Tür auf. Der Wirt hatte sein Geld bereits bekommen. Den Beutel mit den Münzen versteckte Amun wieder in seiner Gewandung. Unter der Brustplatte würde niemand so schnell daran herankommen. Immerhin war die Stadt Heimat von Dieben und Mördern, nicht wahr?
"Möchtet Ihr mich bei meiner Narretei begleiten, mh? Wobei, Tristan, du solltest nicht mit in den Tempel kommen."

"Warum? Also nicht, das es mich allzu sehr reizt. Aber warum sollte ich da nicht rein? Das kann mir ja wohl niemand verbieten", meinte Tristan mit gerunzelter Stirn.
"Wegen dem Mal? Meinst du deshalb?"

"Nein, ich meine, weil ich den Tempel des Lichtes betreten werde. In besserer Kleidung. Und dann werde ich einfordern zu erfahren, was mit dem Eisbärmann und der Katzenfrau geschehen ist. Und weil das eine ziemlich dumme Idee ist, deshalb", führte Amun aus und klopfte mit einem Krallenfuß ungeduldig auf den Boden. Hatte er das nicht schon erklärt?
"Falls du woanders suchen willst, kannst du das tun. Komm, kleiner Mensch. Heh. Großer Mensch, bist ja schon flügge, mh."

Neythani schaute zwischen Aldred und Trevin hin und her und wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Als sie sah, das Aldred zwischen den leichen rumkramte, musste sie sich schütteln, doch als ihr eine Stangenwaffe ins Auge fiel , ging sie dort zielstrebig hin und nahm die Waffe vom Boden auf. "Wird es schlimm dort unten? Ich weiss nicht, ob ich euch eine grosse hilfe sein werde," wandte sie sich schließlich an die Männer.

Eve stutzte. Der Vogelmann hatte allen Ernstes vor, sich als Verbündeter, zweier "überführter" Mörder, beziehungsweise Mördersgehilfen, zu erkennen zu geben? Die Priesterin konnte nur verständnislos den Kopfschütteln, doch dann gab sie sich einen Ruck und stand auf. Rasch bezahlte sie das Essen des Jungen beim Wirt, bevor sie sich zu Amun gesellte.
"Ich werde Euch begleiten. Vielleicht hilft Euch meine Anwesenheit. Ansonsten... Werde ich wohl meinen Kopf in die gleiche Schlinge stecken, wie Ihr."

Finn zuckte zusammen, als Trevin scheinbar aus dem nichts auftauchte und obwohl er den Mann erkannte, beruhigte sich sein heftig klopfendes Herz nicht. Der Mann war ein Mörder und er wollte nichts mit ihm zu tun haben. Deshalb trat er einen Schritt zurück, da er diesmal aber nicht einfach weglaufen konnte, blieb er unruhig stehen und hörte zu, während die anderen erzählten. Scheinbar war viel passiert, während er in diesem Keller gefangen gewesen und durch die Kanalisation geirrt war. Aldred und die Katzenfrau waren von den Paladinen verurteilt worden für einen Mord den Trevin begangen hatte, während der Assassine selbst dem Geheimnis dieser Stadt auf die Spur gekommen war. Als Trevin in ansprach blickte er nur finster zurück und antwortete nicht. Sein Herz beruhigte sich erst ein wenig, als Trevin sich abwandte. Schnell bemerkte er, was Aldred vor hatte und folgte ihm zu den Toten, um ihnen mit der Laterne bei der Waffensuche zu helfen. Er deutete auf eine Leiche.
„Der da sieht ziemlich unberührt aus, vielleicht taugt seine Rüstung noch was.“

Als Aldred dem Toten vor sich die blutverschmierten Waffengurte, die Schwert und Dolch hielten – der Mann war, wie es schien, nicht einmal dazu gekommen, das eine oder andere zu ziehen – zitterten seine Finger noch, doch es ging erstaunlich schnell, dass er den Schocki überwand. Sicher, diese Toten waren Menschen, denkbar grausamst dahin geschlachtet. Aber sie waren auch Feinde gewesen, Verblendete, denen gegenüber er nicht den geringsten Grund hatte, Mitleid oder Trauer zu empfinden. Und nun waren sie nichts weiter als totes Fleisch. Es war nur Blut, dass den gesamten Raum hier besudelte. Und Aldred hatte in seinem Leben wahrlich genug Blut gesehen und vergossen. Es war wenig dabei, den Leichen ihre Ausrüstung abzunehmen. Sie würden sie kaum noch benötigen.
Als Finn ihn auf einen Paladin hinwies, dessen Rüstung weitgehend unversehrt wirkte trat Aldred – inzwischen mit neuen Stiefeln, neuem Gürtel und einer Klinge an jeder Seite – beinahe schon ungerüht auf diesen zu und drehte den Leichnam mit dem Fuß auf den Rücken. Ein verächtliches Schnauben entwand sich seinem Kehle. Die Rückenplatte des Harnischs hatte gut ausgesehen, doch von der Brustplatte konnte man das keinenfalls sagen. Die Klaue des Wächters musste den Mann am Bauch erwischt und dann brutal nach oben gerissen haben. Von dem Harnisch waren nicht mehr als zerfetzte Bruchstücke über. Aber darunter hatte der Mann ein Kettenhemd getragen, das es ihm nach oben geschoben hatte. Die Bauchpartie war zerrissen, aber der Teil darüber mochte noch zu gebrauchen sein.
"Hilf mir eben, ihm die Platten abzunehmen, Finn", bat Aldred, neben dem Mann in dessen Blut nieder kniend und sich an den Riemen zu schaffen machend. Allein wäre es eine Plackerei, den Toten auszuziehen, doch gemeinsam sollte es sie nicht lange aufhalten.

Finn zögerte beim Anblick des Paladins. Das war eine Menge Blut. Natürlich nichts im Vergleich dazu, was sonst noch im Raum um ihn herum herumlag, aber trotzdem eine Menge. Er hatte gedacht, diesen Paladin hatte es nicht so übel erwischt, im Rückblick auf den Nachtmahr keine besonders helle Idee, wie ihm jetzt auffiel. Wie sollte es mit diesen Klauen auch ohne eine Ladung grosszügig verteiltes Blut töten?
Zumindest rebellierte sein Magen nicht, was Finn zugleich als gutes und schlechtes Zeichen nahm. Einerseits wäre es problematisch, wenn er sich jetzt übergeben musste, andererseits machte er Sorgen, was das für ihn bedeutete, wenn ihn der Anblick von Toten und Blut nicht mehr beunruhigte... Nun, nicht nicht beunruhigte, aber zumindest nicht mehr verstörte. Es fühlte sich nicht wie ein gutes Zeichen an.
Für den Moment schob er diese Gedanken aber zur Seite und stellte die Laterne neben dem Toten ab. Dann half er Aldred dabei, die zerstörte Rüstung des Paladins zu entfernen und ihm das Kettenhemd abzustreifen. 
"Ich hoffe, das wird dir besser dienen", kommentierte Finn und hob die Laterne wieder hoch. "Jetzt sollten wir uns aber beeilen."

"Es wird ganz sicher schlimm werden," antwortete Trevin, Aldred kurz zunickend. "Und jeder, der mit einer Waffe umzugehen weiß, wird uns eine Hilfe sein. Immerhin habe ich noch ein paar Asse im Ärmel, mit denen sie wohl nicht rechnen werden."
Während Aldred und Finn versuchten, eine noch einigermaßen intakte Rüstung aufzutreiben, durchquerte Trevin den Vorraum und blieb vor der weiterführenden Tür stehen, die er nicht aufbekommen konnte. Von der anderen Seite verriegelt, eindeutig. Und sie sah so massiv aus, daß es ihm zweifelhaft erschien, ob sie sie einfach so aufbrechen konnten. Wobei Aldred es mit einer Waffe der Paladine vielleicht sogar schaffen konnte. Vielleicht gab es aber noch eine andere Möglichkeit...
Er drehte sich um und sah zu den anderen zurück, die mit ihren Bemühungen scheinbar erfolgreich waren.
"Finn!" rief er, laut genug, daß die anderen ihn hören konnten. "Schau doch mal, ob du dich um die Tür hier kümmern kannst."
Trevin hatte keine konkrete Vorstellung, was der Junge gegen dieses Hindernis ausrichten sollte, aber immerhin hatte er es geschafft, den Wächter der dunklen Fürstin auszuschalten - dann sollte er doch wohl auch etwas gegen diese Tür hier unternehmen können.

Die Ausrüstung der Paladine war über und über mit Blut besudelt, die Teile saßen nur mäßig gut – waren sie doch für andere Männer als Aldred angefertigt worden – und der verwertbare Teil des Kettenhemds endete irgendwo oberhalb des Bauchnabels. Dennoch musste Aldred sich eingestehen, dass er selten solider ausgestattet gewesen war als nun mit dem zusammen geplünderten Rüstzeug der Paladine. Neben den Waffen und dem Kettenhemd gelang es, ihm ein Paar einigermaßen passende Panzerhandschuhe, einen Helm mit Visier und sogar eine noch intakte Halsberge aufzutreiben, dazu einen massigen Dreiecksschild. Das war mehr als die selbst befertigte Ausrüstung eines Schmieds, der sich zu einer gefahrvollen Reise entschlossen hatte. Das war eine Rüstung, die eines Ritters würdig war. Oder zumindest des Gefolgsmanns eines solchen. Dermaßen in Eisen gehüllt zu sein half, Aldreds Zuversicht wieder aufzubauen. Der vor ihnen liegende Kampf erschien ihm sogleich ein ganzes Stück weniger aussichtslos. Mit ein wenig Verzögerung folgte er Trevin, der sich bereits auf die Suche nach einem Ausgang gemacht hatte.

"Der Vogel war schon immer sehr seltsam", stellte Tristan für sich fest.
"Ich halte das ehrlich geagt nicht für so ne gute Idee, was du da vorhast. Mal abgesehen davon, dass du wohl kaum was bewirken wirst ..."
Er schüttelte den Kopf.
Einer irrer als der andere.

"Und eine gute Idee hast du, heh?", hakte Amun scharf nach. Tristan nervte ihn langsam ein wenig. Niemandem hier fiel etwas besseres ein. Und natürlich war es eine dumme Idee, eine Idee bei der er die Hilfe aller Göttinnen brauchen würde, damit sie funktionierte, aber immerhin tat er etwas. Der Avior straffte seine Gestalt, wodurch er ein wenig größer wirkte als er das normalerweise tat.
"Ich werde in diesen Tempel gehen und meine Freunde finden. Mit eurer Hilfe oder ohne. Und wenn es darin endet, dass ich in den selben Kerker geworfen werde wie sie, dann soll es so sein. Kommt, ich gehe zum Hafen. Die Luftschiffer werden am ehesten etwas haben, das ich brauchen kann."
Und diesmal setzte Amun seine Worte gleich in die Tat um und verließ das Gasthaus.

Aldred war ausgerüstet und sah schon deutlich mehr so aus, wie Finn ihn kannte. Auch die Katzenfrau hatte eine Waffe für sich gefunden und Trevin war bereits weitergegangen. Finn hob die Laterne hoch und warf noch einen Blick über die Toten. Eigentlich könnte er sich eines der Schwerter nehmen, damit er auch bewaffnet war, aber er hatte keine Ahnung, wie man mit den Dingern umging. Wahrscheinlich würde er nur sich selbst verletzen, ganz zu schweigen davon, dass er nicht wusste, ob er es überhaupt anheben konnte. Er wäre wahrscheinlich von mehr Nutzen, wenn er einfach die Laterne für die anderen hochhielt.
Mit diesem Gedanken folgte auch er den anderen zur Tür, die Trevin inspiziert hatte. Der Assassine rief seinen Namen und Finn trat näher, um die Tür betrachten zu können. Sie sah massiv aus, von aussen verriegelt. Bestürzt blickte er zu Trevin auf.
„Kann ich nicht“, antwortete Finn schliesslich, einen verwirrten Unterton in der Stimme. Was erwartete er von ihm?