GQ - [Die MSG]

Aldreds Mund schmeckte metallisch. Warm und metallisch. Es war ein Geschmack, den er nur zu oft im Mund gehabt hatte. Ein unangenehmer Geschmack. Nein, es ging ihm schon wieder nicht gut. Aber es würde gehen. Es musste gehen. Er spuckte zur Antwort auf Evelynns Frage aus und der Speichel lief ihm blutig und rot in den Bart. Aldred ignorierte es.
"Noch stehe ich, also wird es wohl gehen", bestätigte er und trat an Evelynn und Neythani vorbei auf das Haus zu, in dem Amun'Raak verschwunden war und in dem sich, wie er wusste, Finn befinden musste.

"Pah. Solange du deine Finger bei dir behälst." Schönheitsschlaf? Was dachte er denn, was sie für eine war? Sie mochte reich und adelig wirken, doch sie war selbstverständlich ebenso offen für die einfachen Arbeiten wie jeder andere Bürger Ruhtas. Vielleicht sogar mehr. Sie verzichtete schließlich wissentlich auf den Luxus, um wie die einfachen Leute zu leben. Dieser Tristan hatte keine Ahnung von ihren Opfern und ihren Leistungen. Und er hatte nur ein Zimmer bestellt. Was für ein Geizkragen! Eine Lady konnte doch nicht bei einem haarigem Rüpel nächtigen! Sie stand auf, besorgte sich vom Wirt einen Schlüssel und deutete dann einen leichten Knicks in die Richtung des Mannes an. "Ich gedenke nun zu ruhen. Ich betone noch einmal, dass jede Art von Übergriff schlimme Folgen haben wird." Ein Teil ihres ausgezeichneten Rufes war ihre selbstverständliche Unbeflecktheit.
Immernoch leicht von seiner Art irritiert, betrat sie das gemeinsame Zimmer und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass es tatsächlich nur ein einziges Bett gab. Nach Luft schnappend, musste sie sich kurz auf einen der Holzstühle setzen und sich sammeln. So nahe war sie noch nie einem Mann gewesen! Hoffentlich schlief er auf dem Boden! Und sie besaß keine adäquate Nachtwäsche für diesen Anlass ... Sie würde wohl im Unterkleid schlafen müssen. Das war skandalös. Immernoch mulmig bei der Sache schlüpfte sie unter die Decke und starrte die Tür des Zimmers an, darauf wartend, dass etwas passierte.

"Hör auf zu labern, Weib", ächzte Tristan, als die Dame endlich den Abgang machte. Was hatte er sich da nur eingefangen? Er war wirklich versucht, einfach das Haus zu verlassen und ohne sie weiter zu reiten. Doch er war unglaublich müde.
Auf den Konsum von Alkohol musste er ebenfalls verzichten. Sonst naja ... Er schwebte in grosser Gefahr und dessen war er sich nur zu sehr bewusst. Rekhyt und seine Gruppe war auf seinen Fersen und diese komischen schwarzen Typen ... Die jagten hoffentlich den Rest.
Irgendwann begab er sich auch nach oben, schloss leise die Tür, zog sich nur die Stiefel aus und legte sich zu der Frau ins Bett, wo er sie etwas weiter gen Rand schob. "Rück mal ein bisschen", brummte er, packte die Decke und schloss die Augen, ohne dem Weib mehr Beachtung zu schenken als nötig.

Als sie aufwachte, war es dunkel. Die Strahlen der Sonne schafften es noch nicht, sich durch die Vorhänge im Obergeschoss zu kämpfen. Aber sie war da. Wachsam. Lauschte den regelmäßigen Atemzügen ihres Peinigers. Bald würde sie ihn bezahlen lassen für alles, was er ihr angetan hatte.  Sie wusste es genau. Sie war zum Einkaufen in der Stadt unterwegs, und dann hatte er sie geschnappt, ihr die Hände auf die Brüste gelegt und ihr ins Ohr geflüstert, was er mit ihr anstellen würde, sobald sie alleine waren. Wollte sie zu seinen Kumpels bringen. Oh ja. Sie hatte alles gesehen, jeden Schritt hatte sie sich ganz genau in ihr Gedächtnis gebrannt, denn sie war ein gerissenes Biest, das war sie. Seine Morgenlatte bohrte sich ihr in den Rücken und erfüllte sie mit der Entschlossenheit, die sie brauchte, um ihm sein dümmliches Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Nur ein Kissen, dann war es vorbei. Ein weiterer dreckiger Mann würde tot sein! Und dann brachte sie die Pferde zurück zu der Edelfrau, der sie gestohlen worden waren. Und sie musste etwas essen. Er hatte sie die ganze Zeit gefesselt gehabt und ihr keinen Bissen abgegeben, während er vor ihr lachend ein Festmahl verspeist hatte. Ihr Kopf schmerzte beim Gedanken an die genauen Details. Immerhin hatte er sie geschlagen.
In einer einzigen, fließenden Bewegung saß sie auf ihm wie eine Reiterin und legte ihm die Hände an den Hals. "Aus der Traum, verdammter Drecksack", fauchte sie und drückte zu.

Tief in seinen Träumen war Tristan ein strahlender Held. Er tötete schwarze Wesenheiten, die das Land heimgesucht hatten und dafür lagen ihm die Leute zu Füssen. Er wurde behandelt wie ein Held und besonders die Frauen prügelten sich regelrecht um ihn.
Als er die zankenden Weiber beruhigen wollte, griff eine davon an ihren Hals und begann zuzudrücken. Er versuchte sie wegzuschieben, doch es ging irgendwie nicht.
Und dann schlug er die Augen auf und blickte in eine wutverzerrte Fratze. Er keuchte auf und versuchte die Frau bei den Armen zu packen und von sich runter zu werfen. Was fiel der dummen Hure denn ein?!

Da Tristan natürlich viel stärker war als sie, konnte er sie mit Leichtigkeit von sich werfen, doch sie krallte sich trotzdem an ihn wie ein Puma und fauchte auch mindestens genauso wie einer. Er wollte sich also mit ihr anlegen? Das konnte er gerne haben! Knurrend kratzte sie ihm mit der Hand über die Wange und hatte das Gesicht zu einer entschlossenen Maske des Hasses verzogen, die so gar nichts mit Ninas neutraler Höflichkeit zu tun hatte. "Heute stirbst du endlich", zischte sie, die Augen weit aufgerissen und spuckte bei jedem S-und Ch-Laut Geifer. "Ich habe so lange warten müssen, aber heute hat Perry dich!"

Er rollte sich zur Seite, fing sich auf und griff nach seinem Schwert, das da an der Wand lehnte.
"Noch einen Schritt näher und ich murks dich ab, Kleine!", knurrte er, als er ihr die pechschwarze Klinge entgegen hielt. "Was hab ich denn gemacht du kleine dämliche Fotze?! Ich interessiere mich nen feuchten Scheissdreck für dich oder irgendwas an dir, also beruhig dich!"
Was in aller Welt lief falsch mit der Kuh?!

Mit großen Augen starrte sie die Klinge an. Einen kurzen Moment lang war sie versucht, sich einfach dagegen zu stürzen, denn eine richtig große Blutlache hätte er nicht verhindern können, ein richtiges Gemetzel, oh ja. Sie hätte ihn drangekriegt, selbst wenn sie gestorben wäre, aber mit dem Samen von diesem Mistkerl hätte sie sowieso nicht leben wollen, sie war nämlich nicht irgendeine Hafendirne, sie war ...
... Sie war Nina Perilia, eine Edelfrau. Und dieser Rüpel saß auf ihr und bedrohte sie mit einem Schwert. Ihre Augen weiteten sich plötzlich vor Schrecken und sie sog die Luft ein, als sie die pechschwarze Klinge sah. Panik schnürte ihr die Kehle zu und sie konnte nicht schreien, nur verwirrt von einer Seite zur anderen blinzeln und erstickt flüstern. "Bitte tu mir nicht weh."

"Dir nicht weh tun?!", fauchte er und deutete auf sein Gesicht. "Was ist in dich geraten, du verdammte Furie?!"
Er schnaubte.
"Wolltest mich töten und ausrauben, häh? Dumm gelaufen, dreckige kleine Diebin! Da musst du dich schon geschickter anstellen!"
Am liebsten hätte er sie wirklich getötet. Doch das hätte wieder nur Fragen und Verfolger aufgeworfen. Und das war das Letzte was er nun gebrauchen konnte.

Würde er sie jetzt töten? Ihr Herz klopfte so heftig gegen ihre Kehle, dass sie das Gefühl hatte, es würde gleich ihren Körper verlassen und explodieren. Wieso? Was hatte sie ihm denn getan? Wieso dachte er denn, dass sie ihn ausrauben wollte? "Bitte ... Ich weiß nicht, wovon du redest!" War er verrückt geworden? Bestimmt hatte sie sich irgendeinen Irren angelacht, der sie ausweiden wollte. Oder er war auf Lösegeld aus. Dabei wusste doch niemand, wo sie waren! "Lass mich gehen, du Vagabund!"

"Du hast mir mein Gesicht zerkratzt, du dumme Hure!", fauchte er. "Hast wohl gemerkt dass du gegen mich nicht ankommst!"
Er schnaubte und erhob sich dann.
"Tu nicht so als wüsstest du es nicht. Blöde Fotze, verdammte ..." Missmutig griff er nach seinen Stiefeln und zog sie an, ehe er den Rucksack schulterte und zur Tür stapfte. Die konnte ihm echt gestohlen bleiben.

"Bitte!" Sie rannte hinter ihm her und griff mit einer Hand nach seinem Arm, um ihn irgendwie zu sich umzudrehen. Sie war doch keine Kämpferin! Was in aller Welt war in diesen Mann gefahren?! Verzweifelt hielt sie sich an ihm fest und schüttelte energisch den Kopf. "Ich habe nichts getan! Du musst mir glauben! Als ich aufgewacht bin, lagst du auf mir!"

"Ja und als ich aufgewacht war, lagst du auf mir und wolltest mich erwürgen. Also könntest du mir das bitte erklären?!"
Er traute dieser kleinen Furie nicht mehr über den Weg. Es gab schönere Arten zu sterben als durch eine Frau erwürgt zu werden. Ganz ehrlich. Aber warum spielte sie dieses Theater? Hatte sie nicht damit gerechnet zu versagen?
"Was planst du? Warum wolltest du meinen Tod? Habe ich dir irgendetwas getan?"

Empört zuckte sie zurück. Warum log er so offensichtlich und dumm? Sie wüsste doch, wenn sie versucht hatte ihn zu erwürgen. Vollkommene Verwirrung breitete sich in ihrem Gesicht aus und sie schüttelte sehr energisch den Kopf. "Ich habe nichts dergleichen getan. Wieso sollte ich dich umbringen? Ich hatte heute morgen Kopfschmerzen und bin erst aufgewacht, als du mich bedroht hast."

"Ach, behaupte doch was du willst. Ich weiss was ich gesehen habe. Auf alle Fälle kannst du mir mal getrost den Arsch lecken. Mach dich vom Acker!"
Damit entriss er sich ihrem Griff und verliess das Zimmer. Sollte die dumme Hure doch selber schauen wo sie blieb. Sollte sie doch die Beine breit machen wenn ihr das Geld ausging.
"Bring mir von deinen Fleischvorräten und Brot nach draussen", schnaubte er den Wirt an, während er ihm eine Münze zuschnippte. "Ich reise ab."

"Du verdammter ... arroganter ...!" Sie drückte sich ihre Decke auf die Brust, als ihr einfiel, dass sie nur ihr Unterkleid trug und warf vor Wut ihren Schuh gegen die Tür, dass es nur so klatschte. Was dachte er sich eigentlich?! Mit zornesgeröteten Wangen kleidete sie sich an und zwang ihre Haare in einen etwas wilden Zopf, ehe sie den Rock lüftete und nach draußen rannte, wo Tristan gerade dabei war, das Gasthaus zu verlassen. "Ohne mich kommst du doch nirgendwo hin! Ich weiß nicht, was ich dir angetan haben soll, aber du hast mich mit einer Waffe bedroht! Und meine Pferde gestohlen!" Sie deutete auf ihn, ihre Brust hob und senkte sich schnell und ihre Augenbrauen furchten sich zusammen. Rote Flecken entstanden auf der elfenbeinfarbenen Haut ihres Halses. "Du brauchst mich." Heftig trat sie mit dem Fuß auf, die Fäuste zu beiden Seiten ihres Körpers geballt.

"Hör mal Schatz. Ich brauche niemanden der mich nachts erwürgen will!", fuhr er sie an. "Also würdest du mich bitte mal in Ruhe lassen du verdammte Hexe?!"
Langsam riss ihm echt der Geduldsfaden mit der verdammten Tusse. Aber die war echt stur mit ihrem blöden "Ich kann mich an nichts erinnern"getue. Was war nur falsch mit ihr?
"Was willst du eigentlich?"

Waren ihm nun alle Beleidigungen ausgegangen, die er aufbringen konnte? Konnte er sie nicht einfach mit ihrem Namen ansprechen? Immernoch vor Wut bebend, zuckte sie physisch zusammen, als er sie "Schatz" nannte. So herabwürdigend würde sie sich von niemandem behandeln lassen! Sie war nicht irgendeine Tussi, die er aufgegabelt hatte. "Ich ... Hah. Was ich will, das ist doch wohl klar! Ich will nicht alleine sein!" Nein ... Das war eigentlich nicht, was sie sagen wollte. Aber jetzt war es schon draußen. Schnell schüttelte sie den Kopf. "Ich meine. Natürlich würde ich alleine überleben. Aber was auch immer hinter dir her ist, ist jetzt auch mein Problem." So einfach war das. Dass er vor irgendetwas floh, sah ein Blinder. Außerdem war da dieses pechschwarze Schwert. "Ich weiß wirklich nicht, was du mit erwürgen meinst."

Eve nickte Aldred zu, auch wenn dieser sich bereits dem Heilerzimmer wieder zuwandte, und trat, mit Neythani auf den Armen, neben das Schwert des schwarzen Ritters, das sie fallen gelassen hatte. Vorsichtig ging sie abermals in die Hocke, dieses Mal, um das Schwert aufzunehmen und es festzuhalten, so gut es mit der Katzenfrau in ihren Armen ging. Sie wollte nicht noch einmal unbewaffnet einem Gegner gegenüberstehen müssen. Dann folgte sie Aldred in das Heilerzimmer hinein, in der Hoffnung, Amun'Raak oder den Jugen dort vorzufinden. Im Idealfall natürlich Beide.

Neythani spürte, das sie getragen wurde. Was war passiert? Sie konnte sich nicht entsinnen. Langsam kehrte ihr Bewusstsein zurück und als sie die Augen aufschlug blickte sie in Eves Gesicht. Mit einem leichten stups ihrer Hand an Eves arm machte sie sich bemerkbar.

Tristan verdrehte reichlich genervt die Augen.
Was sollte er denn machen? Eigentlich sollte er sie hier zurücklassen ...
"Du kannst dich also nicht daran erinnern mich gewürgt und gekratzt zu haben?", fragte er skeptisch nach, während er den Sattelgurt des Sattels stramm zog.
"Schlafwandelst du?"

"Natürlich nicht. Was für einen Grund sollte ich denn haben, dich zu erwürgen?" Ein klein wenig Erleichterung begann ihren Zorn einzuholen. Tristan schien sich beruhigt zu haben. Er beschimpfte sie nicht mehr und war zwar immernoch unfreundlich, doch das schien soweit Nina das bisher einordnen konnte irgendwie ein ihm eigener Wesenszug zu sein, der nicht von seiner Gemütsfassung abhing. "Ich weiß es nicht. Ich habe natürlich noch nie mit jemandem in einem Zimmer geschlafen." Die letzten Worte sprach sie stolz aus, denn Reinheit und Unschuld waren schließlich zwei der wichtigsten von allen Tugenden.

Mit Mühen humpelte Aldred auf das zerstörte Gebäude zu, kletterte unter Schmerzen durch das Loch in der Mauer. Staub, Trümmer und Zerstörung. Und Frost. Eis und Reif, die sich weit in den Raum ausgebreitet hatten. Was war hier passiert? Wo war der Magier? Wo war Amun'Raak? Und wo Finn? Es war ruhig hier. Zu ruhig. Aber drohte hier noch Gefahr?
"Amun'Raak?", fragte Aldred heiser in die Dunkelheit des Raumes hinein.

"Bin hier ich", ertönte es von weiter drinnen. Amun stolperte auf den Hof, auf den Speer gestützt wie ein Veteran vieler Schlachten. Ungefähr so fühlte er sich grade auch. Der Arm, in dem die Nadeln gelandet waren, schmerzte wie verrückt. Außerdem blutete er aus der einen oder anderen Wunde.
"Der Magister ist tot. Aber Finn geht es gut. Er hat ihn getötet. Komm, Finn."
Amun schob den Jungen vor sich nach draußen. Mangels Gesichtmimik konnte er nicht wirklich lächeln, aber er versuchte es trotzdem.
"Verschwinden sollten wir, heh."

Ungläubig schüttelte Tristan den Kopf. Was um alles in der Welt hatte er sich da schon wieder angelacht.
"Komm mir einfach nicht mehr zu nahe, du blödes Stück."
Damit schwang er sich in den Sattel seines Pferdes. Wohin auch immer er jetzt reiten würde. So genau wusste er das noch nicht einmal.Weiter fliehen. Fliehen, rennen, so weit weg wie er nur immer konnte - und hoffte, dass seine Wahnvorstellung einer nonexistenten Gottheit sich einstellen würden, wenn er nicht mehr mit diesen Freaks zusammen reiste, die die ganze Zeit nur von ihren Göttinnen laberten.