GQ - [Die MSG]

Auch, wenn ihr Angriff nicht leise war, so war Eve doch schnell genug, um ihre Hellebarde in den Rücken des ganz rechten Feindes zu stoßen, bevor dieser Zeit hatte, zu reagieren. Die Wucht der Geschwindigkeit ausnutzend, rempelte sie den Schwarzen daneben an, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und bekam dadurch genug Zeit, die Spitze ihrer Hellebarde aus dem zusammengesackten Körper zu ziehen. Rasch wich sie einen Schritt zurück, bevor sie versuchte, dem gerade wieder aufstehenden Feind die Spitze dieses Mal in die Brust zu rammen, doch dieser parierte den Angriff, setzte dann mit einem Kurzschwert, auf dem beim Knien wohl die Arme geruht hatten, die Priesterin anzugreifen. Evelyn hatte damit bereits gerechnet und so fing sie den Hieb mit ihrer eigenen Waffe ab.

Dem Schnellen der Sehne folgten rasch weitere unverkennbare Geräusche: das Kreischen von über Stahl gleitendem Stahl, das plötzliche Klirren reissender Kettenglieder, der dumpfe Aufschlag eines Körpers auf harten Stein, das Stöhnen, Schnaufen, Grollen von Kämpfern. Zweifelsohne: irgendwo den Gang hinunter wurde gekämpft. Nur wer gegen wen? Unmöglich zu sagen, solange keine Schreie, keine Stimmen zu hören waren.
Aldreds Miene verfinsterte sich, als er die Fackel in die Linke wechselte – den Schild mussten vorerst seine Riemen allein halten – und die Türe öffnete, welche den Gang versperrte, aus dessen Richtung die Geräusche kamen. Sie war unverschlossen. Aber war das gut oder schlecht?
Der Gang, der sich vor ihnen öffnete, war schmal, so schmal, dass niemand an einem entschlossenen Mann mit Schild hätte vorbei gelangen können. Die Geräusche des Kampfes klangen nahe, nicht mehr als drei, vier Dutzend Schritt entfernt. "Bleib dicht hinter mir", wies er Vathra an, löste seinen Hammer vom Gürtel und setzte sich raschen Schrittes in Bewegung.

Mit einem erstaunlich leisen Geräusch versenkte sich Amuns Pfeil bis zu den Federn im Nacken des Schwarzen Kämpfers, den er anvisiert hatte. Zu seiner Überraschung sauste ein weiterer Pfeil durch den Raum und versenkte sich in dem Kämpfer, der wie der vorherige zusammenbrach. Aldred und Vathra kamen in den Raum, allerdings für ihn grade in Zeitlupe. Die Überraschung hatte ihn allerdings langsamer reagieren lassen, als er das vorgehabt hatte. Der Ellenbogen des Kämpfers war schon zu nahe heran. Und traf mit der Kraft eines Bullen. Amun fühlte sich zurückgestoßen und rauschte durch den Raum. Klauen kratzten über den Boden als der Avior versuchte sich abzubremsen. Federn flogen umher als die Flügel wild flatterten. Luft hatte er keine mehr in den Lungen, sodass er auch keine Warnung ausstoßen konnte.
Der Kämpfer, der im Gegensatz zu den anderen Hörner am Helm trug, hatte sich schneller aufgerichtet als es einem Menschen möglich sein sollte. Amun umklammerte den Speer kräftiger, aber seine Magie ließ bereits nach. Die Welt nahm ihren vertrauten Farbton an und die Leute bewegten sich wieder in normaler Geschwindigkeit.

Nicht von Aldreds Seite weichend, schoss Vathra, sobald ihr Blick auf einen Streiter der schwarzen Heerschar fiel. Der Pfeil fällte ihn, und noch während sie einen weiteren auf die Sehne legte, huschte ihr Blick über den kleinen Raum, in dem sich Amun und Eve mit den finsteren Gestalten schlugen. Gerade noch bekam die Elfe mit, wie der Vogelmann durch den Raum geschleudert wurde und fixierte sich auf den Mann mit dem Hörnerhelm. "Dies scheint der Anführer zu sein", erklärte sie, wahrscheinlich überflüssigerweise, und legte an ihm an. Der Pfeil fuhr durch schwarz wabernde Schatten, schien dann jedoch kurz vor dem tödlichen Treffer abzuprallen und rollte klackernd über den Boden. Stutzig hielt Vathra kurz inne, darauf hoffend, dessen Aufmerksamkeit für einen Moment gewonnen zu haben. Ihre Position dicht hinter Aldred verschaffte ihr eine ausgezeichnete Position, um auf die Schwarzen zu schießen, doch wenn Amun in die Enge getrieben wurde, würde all dies nur wenig nützen.

Sie brachen in vollem Lauf in den Raum herein und fanden Evelynn und Amun'Raak im Handgemenge mit drei Streitern der Heerschar. Zwei am Boden liegende Gestalten taten kund, dass ihre beiden Gefährten das Überraschungsmoment nicht ungenutzt hatten verstreichen lassen. Die Lage war dennoch ernst.
Vathra ließ einen Pfeil von der Sehne schnellen und riss einen Mann von den Beinen, während Aldred seine Fackel auf den nächsten Schwarzen warf, mehr um den Schildarm frei zu bekommen, denn um wirklich Schaden anzurichten. Mühelos wich der Krieger aus, aber als Aldred dann auf ihn zu stürmte und ihn gemeinsam mit Evelynn in die Zange nahm, geriet er in arge Bedrängnis. Ein paar Herzschläge lang verteidigte er sich erfolgreich gegen Hammer und Hellebarde zugleich, dann glitt das Axtblatt der Klerikerin in seine Schulter, zerschmetterte die Panzerung und was auch immer darunter lag. Lautlos ging der Schwarze zu Boden. Kurz um Atem ringend gewann Aldred seine Haltung zurück und ging dann den letzten Soldaten der Heerschar an, der Amun'Raak bedrängte.

Der Kämpfer bewegte sich schneller als es ihm möglich sein sollte. Hastig duckte sich Amun unter einem Hieb hinweg. Die schwarze Klinge bohrte sich in die Wand, kerbte ein Stück Stein heraus. Und wurde weiter geführt, in seine Richtung. Der Avior verschwamm kurzzeitig und tauchte neben dem Kämpfer wieder auf. Wieso war der so schnell? Die Schwarze Heerschar passte sich an, das wussten sie. Im Gebirge hatten sie Schwingen gehabt. Vielleicht kopierten sie nach und nach alle Fähigkeiten ihrer Gegner? Oder sie hatten es einfach mit einem schnellen Exemplar zu tun.
Die Klinge sauste bereits wieder heran, sodass er erneut ausweichen musste. Aber so langsam ging ihm der Boden zum zurückweichen aus. Blieb nur noch eine Option. Funken sprühten über Amuns Gefieder als seine Magie ihre Wirkung entfaltete. Der nächste Hieb kam heran. Diesmal wich er nicht so weit aus, sondern legte die Hand auf den Arm des Schwarzen Kämpfers. Blitze zuckten über die Rüstung hinweg, verästelten sich in Richtung Boden. Der Geruch verbrannten Gefieders erfüllte die Luft. Tot war der Kämpfer nicht, aber auf jeden Fall für den Moment betäubt. Amun zuckte zurück, das Gefieder des linken Arms schwarz und verkohlt.
Der Speer lag außer Reichweite.
"Tötet ihn!", erklang es beinahe flehentlich aus seinem Mund.

"Amun!" Den Bogen fallen lassend, stürzte die Elfe an den stürmenden Aldred vorbei, der sich den letzten, betäubten Gegner vornehmen wollte, trat rings um ihn herum, bis sie den Vogelmann erreicht hatte. Ihm eine Hand um die Schultern legend, zog sie ihn vom Gefecht weg, was aufgrund seiner geringen Körpermasse nicht weiter schwer war. Wahrscheinlich hätte sie ihn mit einer Hand heben können. Mit großen, von Sorge erfüllten Augen untersuchte sie seinen verbrannten Arm, der gar nicht gut aussah. Auf die Schnelle konnte sie nichts dagegen tun, aber sie hatte irgendwie das Gefühl, dass sie sollte? Warum? Wieso hatte beim Geruch des Feuers irgendetwas in ihrem Inneren aufgeschrien, wieso hatte es das Gefühl geweckt, dass sie gebraucht wurde? Schwach erschien das Bild von vorhin vor dem geistigen Auge der Elfe. Der Junge, der sie mit seinen kalten Augen angeschaut hatte. Die Kälte, die von dem Bild ausgegangen war. Die schneebedeckten Wipfel eines Landes, das sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, sich aber auf eine eigenartige Art und Weise beinahe wie Zuhause anfühlte. Eine Kälte begann von Vathras Hand, die sie vorsichtig auf das verbrannte Gefieder und den angesengten Arm gelegt hatte, auszugehen - als hätte sie diese eine Weile in Eiswasser gehalten. Sie bemerkte es kaum, achtete stattdessen darauf, den Avior mit ihrem eigenem Körper vor weiteren Angriffen abzuschirmen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Aldred und Eve mit dem gelähmten Kämpfer nicht kurzen Prozess machten. Seit sie das Bild gesehen hatte, in dem Amun von der Göttin der Blitze geweiht worden war, verstand sie plötzlich Aldreds Opferungsbereitschaft für ihre Gruppe. Sie arbeitete mit einem der Puzzlestücke zur Erneuerung der Welt. Das hier war das Gefühl, dass man ihr jahrhundertelang in ihrer Ausbildung für die Schlacht hatte einzubläuen versucht. Wer hätte gedacht, dass alles, was es brauchte, um sie zu einer richtigen Elfe zu machen bloß der Beweis war, dass sie für das Gute kämpfte?

Aldred drang vorwärts, doch nicht schnell genug um zu verhindern, dass der hünenhafte Kämpfer mit den Hörnern am Helm Amun'Raak gegen die Wand der Kammer drängte. Mit unheiliger Stärke ließ der Schwarze Hiebe auf den Avior nieder regnen, denen Aldreds Auge kaum zu folgen vermochte und mal um mal war es allein seiner Flinkheit zu verdanken, dass Amun'Raak nicht der Länge nach gespalten wurde. Aldred war kaum noch einen Schritt entfernt, als dem Vogelmann keine andere Wahl mehr blieb, als sich in den Hieb seines Feindes zu werfen, seinen Schwertarm mit beiden Klauen zu greifen, die erhobene Klinge in der Luft zu stoppen. Und plötzlich brachen Blitze aus Amun'Raak hervor, trennten beide Kämpfer, ließen sie rücklings taumeln und erfüllten den Raum mit dem beissenden Geruch verbrannten Horns. Aldred selbst wich ebenfalls zurück, erschrocken über das grelle Licht, die unbegreiflichen Mächte, die sich da vor ihm manifestierten. Doch er erlangte seine Fassung rasch genug zurück. Mit einem unartikulierten Schrei ließ er den Hammerkopf auf gehörnten Helm nieder gehen, brach eines der Hörner ab und riss den Kopf des Kriegers darunter herum. Aldred wartete nicht ab, versuchte gar nicht erst, sich im Halbdunkel zu vergewissern, ob der Stahl seinem Hieb standgehalten hatte, sondern ließ den Hammer erneut nieder gehen, zweimal, dreimal, viermal, ohne jedes Gefühl, jede Zurückhaltung, allein mit schierer Wucht. Bis der Krieger aufhörte zu zucken.
Schwer atmend ließ er den Schild sinken, wandte den Blick zum am Boden liegenden Amun'Raak, zu Vathra, die ihn in ihren Armen hielt, zu Evelynn. "Seid ihr... seid ihr verletzt?", presste er hervor.

Schneller als erhofft war der Kampf auch schon wieder zu Ende... Doch nicht ihrer Überlegenheit wegen, sondern weil sie unerwartete Hilfe erhalten hatten. Aldred und Vathra waren zu Hilfe gekommen. Erleichterung durchströmte die Priesterin. Beinahe kam sie sich überflüssig vor, als die Elfe sich um Amun kümmerte, während der Schmied den letzten Feind tötete. Als er sich schließlich ihr zuwandte, schüttelte sie zunächst nur den Kopf, schluckt, bevor sie antwortete.
"Nein. Ich habe Glück gehabt." Ihr Blick glitt zum Avior. "Es tut mir Leid, dass ich ihm nicht helfen konnte", meinte sie dann. Die Göttin gab ihr nunmal nicht Kraft, um Ungläubigen zu helfen...

"Kratzer...", brachte Amun krächzend hervor. Ein paar seiner Ausweichmanöver waren schlicht zu knapp gewesen, hatten eben nicht ganz verfehlt. Hoffentlich hatte Kämpfer seine Klinge nicht vergiftet. Zuzutrauen war es der schwarzen Heerschar auf jeden Fall. Kälte legte sich wie ein Umschlag um seinen linken Arm. Es half nur wenig, aber wenigstens konnte er wieder tiefer durchatmen.
"Danke, Vathra. Es hilft das", bedankte er sich schließlich und versuchte sich aufzurappeln. Mit dem gesunden Arm hochstemmen ging jedenfalls noch. Der linke Arm hingegen fühlte sich an als würde er bei jeder Bewegung komplett abgeschält werden. Amun wimmerte leise, versuchte die linke Hand anzuspannen, wimmerte lauter und ließ es dann sein.
"Gut...gekämpft. Brauchen eine Pause werde ich. Nicht kämpfen kann ich so. Nicht wirklich."
Für seinen Speer brauchte er eigentlich beide Hände, auch wenn er mit einer Hand würde zustechen können. Effektiv war das nicht. Hoffentlich war das erst einmal der letzte Kampf.
"Kann laufen."

Einen Moment lang verharrten sie einfach, warteten, reglos, harrten, ob Amun'Raak es wieder auf die Beine schaffen würde. Er schaffte es. Das war beruhigend. Aber dass er vorerst nicht mehr in der Lage war zu kämpfen, war ein herber Schlag. Denn kämpfen würden sie müssen. Noch immer saßen sie in diesem von Kriegern der Heerschar verseuchten Labyrinth fest und auch der Wanderer würde sich wohl kaum kampflos ergeben. Einer weniger also, auf den sie zählen konnten. Und doch: es hätte schlimmer kommen können.
"Wir sollten zusehen, dass wir hier fort kommen", ergriff Aldred schließlich das Wort, "Wir haben einen Raum mit einer Menge Spiegel gefunden. Und ebenso vielen Türen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wo ist Neythani?"

Großartig...
So langsam ging Eve dieser Ort gehörig auf die Nerven. Statt dass sie sich Stück für Stück vorkämpften, schienen sie eher nur herumzuirren. Und nun fehlte auch die Katzenfrau.
"Göttin... Gib mir ein Zeichen", whisperte die Priesterin still, ohne an ein Zeichen zu glauben. Ein Zeichen, das sie dennoch erhielt, in Form eines subtilen ziehens in ihrem gezeichneten Fuß. Kurz zögerte Eve überrascht, bevor sie der eingabe folgte, direkt auf die dunklen Kerzen zu. Ohne lange darüber nachzudenken hob sie ihre Hellebarde und stieß sie in eine der Kerzen. Mit erfüllender Zufriedenheit betrachtete Eve, wir die Kerze erlosch und die seltsame, rote Dunkelheit ein Stück weit schwand. Im gleichen Moment hörte sie hinter sich Schritte. Sie drehte sich um... und sah Neythani, die aus einem der Gänge stolperte.

Ganz, als habe seine Frage sie beschworen, erschien Neythani am Rand der unwirklichen Dunkelheit, taumelte aus einem der rötlich glimmenden Gänge auf sie zu. Schwer zu sagen, wo sie her kam, was sie erlebt hatte, doch zumindest wirkte sie unverletzt. Und die Gruppe war wieder vollständig. War das ein Fortschritt? Sie waren wieder beisammen – aber einen Ausgang hatte sie noch immer nicht gefunden. Standen sie damit nicht wieder eben so da wie zu Beginn, als sie sich aufgeteilt hatten? Es war kein Gedanke, der Zuversicht in Aldred hätte aufkommen lassen.
"Priesterin...", wandte er sich an Evelynn, "Dies ist der Tempel eurer Göttin. Wenn jemand uns aus dieser Finsternis ins Licht führen kann, dann seid ihr es."

Neythani blickte die anderen verblüfft an. "Wie...was..??..", murmelte sie. "Ich hatte eine kammer gefunden gehabt und kam dort nicht mehr raus.. und jetzt bin ich plötzlich wieder bei euch," erklärte sie. "Ich will hier raus.. gegen das hier, war der Tempel von Luhane erfreulicher."