GQ - [Die MSG]

Verflucht. Es tat weh. Eine Hand auf ihren Bauch gepresst, der sich anfühlte, als würden giftige Schlangen darin nisten, krümmte sie sich für einen Moment und unterdrückte ein Wimmern. Als sie den Arm hob, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen und zittrig einzuatmen, sah sie, dass er voller Blut war. Blut und Schwärze. Seit wann war Blut schwarz? Diese Schattenklinge...Sie hatte offenbar irgendetwas gemacht. Noch hatte sie keine Ahnung davon, aber es war auch nicht die Zeit, sich solche Gedanken zu machen. Stattdessen betrachtete sie Aldred, Amun, Sahin, Geralt und Iowreth dabei, wie sie ihr halfen, ihr Leben in Gefahr brachten. Für sie. Tränen stiegen in ihre Augen, eine Mischung aus Schmerz und Gerührtheit, dann biss sie sich auf die Unterlippe und hob ihre Waffe wieder. Da sie sich nicht wirklich aufrichten konnte, lief sie gebückt die paar Schritte auf den Reiter zu, welcher sich nunmehr einer Übermacht entgegengesetzt sah. Überall wabten die Fetzen seiner schattenen Rüstung in den Himmel hinauf, verloren sich ins Nichts. Und bald hörte man, wie er Schmerzensschreie ausstieß. Die Welt um Nicole begann zu verschwimmen, dumpf zu werden, als der Elementar ihn schließlich, sanft wie eine Mutter ein Löwenjunges, aus dem Auflauf klaubte und ihn fixierte. Ein Knacken war zu hören, dann fiel der Hauptmann wieder auf das Gras, die Beine grotesk verdreht. Nicole spürte, wie unter dem Helm sein Blick auf ihr lag, als sie sich ihm näherte. "Weline", keuchte er abermals, schwach, dann lauter. "WELINE! WELINE! WELIN---" Erst das Aufblitzen von Nicoles Klinge, welche sich in dessen Brustkorb grub und dort zitternd stecken blieb, während sich die Frau schwitzend und blutend über ihn beugte, ließ ihn gurgelnd, röchelnd verstummen. Eine Hand auf den Griff ihrer Waffe gelegt, die andere um ihre Mitte geschlungen, aus der immernoch Blut hervorquoll, welches die Schwärze verloren zu haben schien, die ihm innegewohnt hatte, hob die Sklavin den Blick. Überall platzten die übrigen Soldatenleichen zu Schemen aus Schatten, die sich verflüchtigten. Letztendlich standen nur noch die Reisenden auf der Lichtung, der Baum, und der Hauptmann, den die junge Frau mit bedauernder Miene ansah. "Nicole. Nicht Weline. Nicole."
Und dann knickten ihre Beine ein.

Man sollte meinen, all diese Ereignisse sollten doch im Stande sein, selbst einen erwachsenen Mann in gehörige Verwirrung zu stürzen: der schwarze Hauptmann, der sich mit einem mal im wahrsten Sinne des Wortes aufzulösen begann, der nach wie vor tobende und stampfende wandelnde Baum, die Leichen der Reiter, die zu Schatten zerflossen, und über alledem die Schreie des Anführers der Schwarzgepanzerten, der irgendetwas in Nicole zu sehen schien. Oder irgendjemanden. Seltsamerweise prallte das alles an Aldred ab, drang gar nicht bis zu seinem Verstand durch. Alles was er wahr nahm war das Blut, das aus Nicoles Bauch rann, und der Sturz der jungen Frau. Die Angreifer mochten geschlagen sein, aber die Gefahr war noch nicht gebannt. Nicht für alle von ihnen.
Kurzerhand ließ er sich auf die Knie fallen, beugte sich über die Verwundete. "Ruhig, ruhig... lass mich das sehen, Kind...", murmelte er vor sich hin während er Nicole mit sanfter Gewalt in das nieder getrampelte Gras drückte. So vorsichtig dies mit nur einer Hand möglich war versuchte er die Wunde frei zu legen, doch der Stoff ihres Hemds hatte sich mit Blut vollgesogen und die Ränder des Risses klebten im Fleisch des klaffenden Schnitts. Das würde unschön werden! Ohne den Blick von Nicole abzuwenden zog Aldred das Messer, das er hinten in seinem Gürtel trug.
"Wir brauchen Hilfe hier!", rief er nach den anderen, denen der Horror des Kampfes und die Erleichterung, überlebt zu haben, nach wie vor in den erschöpften Gesichtern stand, "Sie verblutet uns, wenn wir uns nicht hierum kümmern!"

Während Finn Amun dabei half, den Bogen zu finden, griff der Baumelementar erneut entscheidend in den Kampf ein. Der fliehende Hauptmann wurde von ihm zu Boden geschlagen und Nicole konnte in so erstechen. Mit der Vernichtung des Hünen war auch der letzte Angreifer gefallen und die Leichen lösten sich in dunkle Schatten auf. Finn beobachtete diesen Prozess fasziniert und entsetzt zu gleich. Waren das Elementare oder eine andere Art magische Wesen? Oder waren sie vielleicht gar nicht tot und kehrten irgendwo hin zurück, um sich zu erholen? Vielleicht würden sie das noch herausfinden.
Da Amun den Bogen wohl erstmal nciht brauchen würde, beendete Finn seine Suche und wandte sich dem Elementar zu, das knarrend neben Nicole stand. Aldred war bei ihr und rief nach Hilfe, doch Finn beachtete ihn nicht. Er konnte ihn nicht beachten, sein Blick war von dem Baum gefangen. Das war ein echter Elementar und es schien, als hätte Finn ihn beschworen. Dabei hatte er noch nie richtige Magie gewirkt, wieso hatte das plötzlich geklappt?
Nicht beschworen, kleiner Auserwählter, du hast mich aufgeweckt. Aber glaub mir, du wirst schon bald stärkere Wesen als mich beschwören. Grosses steht dir bevor, ertöhnte die Stimme des Baumes in seinem Kopf.
"Wieso... wieso nennst du mich Auserwählter? Und was... meinst du damit?"
Geduld. Geduld und Ruhe, erklang nur als Antwort. Ich werde jetzt gehen, ich danke dir noch einmal, dass du mich aufgeweckt hat. Ich werde dich nicht vergessen.
Nach diesen Worten begann der Baum, von innen her grün zu leuchten und löse sich auf. Finn blickte gefesselt auf die Stelle, wo der Elementar gestanden hatte und wusste nicht, was er nun tun sollte.

Iorweth lief zu Nicole und Aldred und betrachtete die Wunde. Ruhig begann er in seinem Beutel zu wühlen und zog einige stücke Stoff hervor. Einen Beutel trinkwasser hatte er auch dabei." Du musst das Blut abwaschen und dann müssen wir die Wunde wohl nähen." Iorweth machte eines der Stofftücher nass und fing vorsichtig an, die Wunde zu reinigen, damit Aldred ihr Hemd von der Wunde lösen konnte. "Ich habe noch nie eine Wunde genäht, ich weiss nicht so recht was ich tun soll. Aber erstmal müssen wir die Blutung stillen," sprach er Aldred an.

Der Bogen war irgendwo im verbliebenen Gras, das nicht durch den Ansturm der Reiter niedergetrampelt worden war, verschwunden. Der würde später gesucht werden müssen, falls er denn noch ganz war und nicht in zwei Hälften zertreten. Anspannung und Anstrengung forderten ihren muskelzerreißenden Tribut ein. Während des Kampfes mochte das Adrenalin ja die Schmerzen auf einer Woge der Konzentration hinwegtragen, aber jetzt wo es vorbei war, verlangten die Schmerzen mit aller Macht danach bemerkt zu werden. Verfluchte Magie. Sicher, sie komplimentierte Amuns Kampfstil, aber musste sie einen jedes Mal dermaßen fertig machen? Amun kratzte sich am Schnabel und überprüfte den Schnitt in seinem Arm. Der war nicht allzu tief und sah einigermaßen normal aus. Außerdem waren Avior ohnehin weitestgehend immun gegen viele Gifte, wie er in der großen Wüste festgestellt hatte.
Die Wunde band sich der Avior selbst mit einem Stück Bandage aus einer seiner Gürteltaschen ab. Das würde reichen. Erst dann wandte er seine Aufmerksamkeit zu Nicole, die blutend auf dem Boden lag. Konnte er irgendwas tun, um zu helfen? Wohl eher nicht, da seine medizinischen Kenntnisse sich auf das Anwenden von Alkohol und Bandagen beschränkten. Ein paar Meter entfernt löste sich der Baumgeist in einem grünlichen Licht auf. Amun stupste Finn an.
"Gesagt hat er was, heh?"

Sahin atmete tief durch, als der Hauptmann niedergestreckt wurde und somit auch die anderen Schattenkrieger verschwanden. Erleichterung machte sich in ihm breit, dass sie diesen Angriff scheinbar ohne Verluste überstanden hatten, die jedoch sofort weggefegt wurde, als er Nicole zu Boden gehen sehen konnte. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ er seinen Bogen fallen und rannte zu ihr hinüber, um zu sehen, wie es ihr ging. Entsetzt betrachtete er die blutenden Wunde und schien überfragt zu sein. "Was...wie kann ich helfen?"

Die Wunde waschen? Wohl kaum, das erledigte das hervor quellende Blut auf eine makabere Art und Weise bereits ganz wunderbar. Und nähen? Auch diesem Vorschlag gab Aldred wenig Hoffnung. Natürlich konnte er nicht für den Elfen sprechen, aber er selbst hatte weder Nadel, noch Faden, noch Draht bei sich. Die Blutung stillen hingegen, das mochte schon mehr Sinn. Und auch Sahins zwar zögerliches aber ehrliches Hilfsangebot kam Aldred gelegen.
"Iorweth, bereite du Bandagen für sie vor. Wenn du nicht genug Stoff auftreiben kannst zerschneiden wir ein Hemd", erklärte er, wie üblich leise und tonlos vor sich her murmelnd, und setzte währenddessen die Klinge an den Saum von Nicoles Bluse an. Trotz der Schmerzen zwang er sich, die linke Hand zur Hilfe zu nehmen und so den Stoff zu fixieren. "Sahin, du hilfst mir hier. Sieh zu, dass sie sich nicht mehr bewegt als nötig. Und hilf mir mit dem Stoff während ich hier aufschneide..." Die Klinge des Messers war nicht wirklich scharf, doch mit genügend Kraft würde sie ihre Sache tun. Aldred schnitt weit von der Wunde entfernt, fast schon an der Naht. Doch der eigentlich kritische Teil würde es nicht sein, das den Stoff aufzutrennen. Sie würden ihn auch noch aus der Wunde entfernen müssen. Ohne diese weiter aufzureissen...

Seline war überrascht als ihr Gegner plötzlich in luft auflöste. Verwirrt blickte sie sich um und sah das dies anscheinend mit allen geschehen war, mit ausnahme des Anführers welcher erstochen am Boden lag... gut zu wissen, falls diese verfluchten Wesen erneut angreifen würden.
Doch als Aldred nach Hilfe rief schob sie diese Gedanken beiseite und rannte so schnell sie konnte zu ihm. Inzwischen waren auch Iorweth und Sahin dort und Seline konnte erkennen warum. Der anblick von Nicole schockierte sie, nicht wegen der Wunde ansich, sowas kannte sie zu genüge, es war das schwarzgefärbte Blut. "Was für schwarze Magie ist das?" Das war nicht gut, Seline wusste wie man eine wunde versorgte, doch was Magie anging, da war sie völlig machtlos.

Iorweth nickte leicht und zog sich zurück. Das Blutdurchtränkte stück Stoff ließ er bei Aldred liegen. Vielleicht konnte er es noch gebrauchen. Dann nahm er die anderen Stücke Stoff, die er aus seinem Beutel geholt hatte und begann daraus Bandagen zu fertigen. Kurz musste er doch schmunzeln. Die Kultur der Menschen und die der Quel`doreen schien sich doch sehr zu unterscheiden. Und auch wenn er sich selber nicht mehr zu dieser Kultur zählte, so konnte er doch nicht ablegen, was er nunmal war. Ein Elf. Er konnte sich ja noch nicht einmal dazu überwinden, seine Haare weiß färben zu lassen. Selbst die Vorstellung davon war ihm ein gräuel. Mürrisch zerrte er an dem Stoff, als wolle er diesen erwürgen. Er musste das Feuer unterdrücken. Jedenfalls solange bis Nicole ausser Lebensgefahr war.

Sahin nickte leicht und begann anschließend Aldreds Anweisungen auszuführen. Er selbst hatte kaum Erfahrungen im behandeln von Wunden, sodass er sich gänzlich auf das Wissen des Schmieds verließ. Während er sich um Nicole kümmerte, fiel ihm, ebenso wie Seline, das schwarze Blut auf, aber da das Blut um ihre Wunde herum rot war, nahm er an, dass es vom Schattenhauptmann kam, den sie gerade besiegt hatten. "Was sollen wir jetzt machen?" wollte er von Aldred wissen, als dieser den Stoff durchtrennt hatte und er selbst feststellte, dass dieser noch mit der Wunde verbunden war und man ihn vermutlich nicht so leicht davon lösten konnte, ohne sie zu vergrößern.

Nicoles Kehle war heiser, als sie versuchte den Schmerz herauszuschreien. Sie war zu schwach, und so krächzte sie nur, sich nicht bewegend. Ihre Sicht verschwamm unter einem Vorhang dicker Tränen, die ihre Wangen hinabliefen. Den Kopf hatte sie auf das Gras gelegt, wollte nicht sehen, was Aldred da tat. Erst, als sie etwas an den Rändern der Wunde zupfen spürte, schluchzte sie auf und griff nach dem ersten, was sich in ihrer Nähe befand: Sahins Arm. Obwohl es ihr gleich wieder Leid tat, ihn zu quetschen, konnte sie im Moment nichts dagegen tun. "M-macht es weg", stieß sie hervor, "Gebt mir etwas zum Draufbeißen und zieht es ab." Entschlossen erstarrten ihre Gesichtszüge, das Göttinnenmal auf ihrer Brust flackerte ein paar Mal, dann war sie wieder ruhig, spießte den Himmel mit ihren Blicken auf.

"Tut was sie sagt...", gab Aldred bestätigend weiter während er konzentriert die Klinge weiter durch den Stoff gleiten ließ, "Ein Stück Holz, oder ein gefaltetes Tuch, Stoff oder Leder..." Seine Bewegungen waren rasch aber genau, fast wie die eines Schneiders. Schließlich brach die letzte Faser unter seinen Schnitten. Aldred wischte die Klinge an seiner Hose ob ehe er das Messer zurück in seinen Gürtel schob. Inzwischen war sie ebenso blutig wie seine Hände und die Ärmelaufschläge seines Wamses.
"Es wird weh tun...", warnte er Nicole vor als er die Linke auf ihre Brust, kurz unter das Sonnengeflecht, legte um sie zu Boden zu drücken und mit der Rechten nach dem durch und durch blutgetränkten Stofffetzen griff. All das Blut machte den Stoff rutschig und Aldred musste seine Hand regelrecht zur Klaue formen um ihn überhaupt zu fassen zu bekommen. Mehrfach griff er zu, dann war er sich seines Halts sicher und begann langsam und gleichmäßig zu ziehen, bloß nicht ruckartig damit keine Fasern rissen und in der Wunde zurück blieben. Die Schmerzenslaute, die Nicole durch ihren Knebel hindurch ausstieß, ignorierte er gekonnt, doch die Zuckungen ihres Körpers übertrugen sich auf seinen wunden Arm und zwangen ihn selbst dazu, die Zähne zusammen zu beissen. Mitleid empfand er dabei keines: er tat ihr nichts übles an, im Gegenteil! Er tat das, was getan werden musste. Den Schmerz musste sie aushalten.
Letztendlich löste der Stoff sich leichter als Aldred angenommen hatte: ein etwa eine Elle langer, zerfranster Fetzen, so dunkel vom Blut, dass die ursprüngliche Farbe nicht einmal mehr zu erahnen war. Achtlos warf Aldred ihn beiseite. Damit war nichts mehr anzufangen. Seine Aufmerksamkeit galt nun vielmehr die Wunde. Durch all das feucht nachdringende Blut versuchte er zu erkennen, wie gefährlich die Verletzung war. Es wäre zuviel behauptet gewesen, hätte man gesagt er wäre versiert in solchen Dingen, doch zumindest traute er sich zu zu entscheiden, ob es eine ernste oder lediglich eine Fleischwunde war. Dieser Schnitt war - sämtlichen Göttinnen sei Dank! - nicht tief gegangen. Hätte Nicole eine Rüstung getragen, diese hätte den Streich wohl vollständig abgefangen. So hingegen hatte sie diesen Schnitt davon getragen, lang und klaffend, aber nicht so tief, dass er Organe verletzt hätte. Er würde heilen.
"Iorweth, die Bandagen...", murmelte er und hielt die Hand in Richtung des Elfen auf. Sie würden zusehen müssen, dass sie die Wunde sauber hielten. Das war alles, was sie im Moment tun konnten...

Sahin zuckte leicht zusammen, als etwas nach seinem Arm griff und wollte diesesn aus der Umklammerung lösen, beruhigte sich jedoch wieder, nachdem er erkannt hatte, dass Nicole ihn festhielt. Seine Augen wanderte hin und her, als er in der näheren Umgebung nach etwas suchte, auf das sie beißen konnte, während Aldred das Hemd entfernen würde. In Griffweite konnte er weder Holz, noch etwas anderes finden, was er hernehmen hätte können. Fieberhaft dachte er darüber nach, was er nutzen konne und bei sich hatte. Sein Bogen? Der lag irgendwo zwischen dem Keller und seiner jetzigen Position rum. Einen Pfeil wollte er nicht nutzen, da er sich nicht sicher war, ob er die Belastung überstehen würde. Sein Rucksack war ebenfalls zu weit entfernt, als das er nützlich hätte sein können, sodass er nach einem seiner Messer griff und ihr den Griff zum Draufbeißen hinhielt. Sobald der Schmied begann, am Stoff zu ziehen, drückte Sahin die Sklavin erneut zu Boden, damit er seine Arbeit machen konnte. Nachdem ihr Körper aufhörte zu zucken und Nicole ruhig dalag, ließ er sie wieder los und nahm den Dolch aus ihrem Mund. "Wie siehts aus? Wird es ihr bald wieder besser gehen?"

Iorweth reichte Aldred einige der fertigen Bandagen und beendete noch die eine, an der er zugange war. Dann blickte er zu Sahin, Aldred und Nicole und hoffte, das alles gut geht. Um sich etwas abzulenken, begann er die Wasserbeutel zusammen zusammeln und diese auf einen Haufen zu legen. Dann wußte er nicht mehr weiter und blickte wieder zu Nicole.

"Das liegt nicht in unserer Hand", erklärte Aldred während er eine der Bandagen zur Kompresse wickelte und das blutige Bündel dann in die Wunde drückte, "Wenn sie stark ist, dann wird sie sich erholen. Wenn nicht... tja, wer vermag das schon zu sagen. Hilf mir sie aufzurichten, damit ich die Verbände anlegen kann." Er packte Nicole mit der Rechten unter die Schulter um ihren Oberkörper ein Stück weit in die Senkrechte zu ziehen und bedeutete Sahin, sie so zu stützen. Inzwischen hatte die Kompresse sich vor lauter Blut tiefrot verfärbt und glänzte feucht dort, wo die Finger seiner Linken auf sie drückten. Zügig doch ohne Hast griff er sich eine weitere Bandage, fixierte sie und begann dann, sie um Nicoles Bauch zu wickeln.

Finn blinzelte und starrte immer noch auf die Stelle, wo gerade eben noch der Elementar gestanden hatte. Er hatte ihn nicht einmal entlassen. Das hiess wohl, dass es nicht seine Magie gewesen war, die ihn in seine physische Form geholt hatte, er hatte ihn nur aufgeweckt. Verstohlen rieb er sich die Augen, damit niemandem auffiel, dass sie feucht waren, dann wandte er sich Amun zu, der die Suche nach dem Bogen scheinbar ebenfalls aufgegeben hatte.
"Ich... er hat mich als... Auserwählter... hat er mich genannt", antwortete er mit zittriger Stimme und räusperte sich, um wieder klar zu sprechen. "Unsinn, nicht? Schliesslich ist Nicole diejenige, die von einer Göttin auserwählt wurde. Wer würde denn schon mich auswählen... einen kleinen Jungen, der nicht mal zaubern kann..."
Von Wort zu Wort wurde seine Stimme immer leiser und leiser, bis sie am Ende nur noch ein tonloses Flüstern war. Eine Träne tropfte zu Boden. Verdammt, er hatte doch nicht weinen wollen! Dann war es eben wieder ein Misserfolg, er hatte wieder keine echte Magie gewirkt. Ein schlafender Elementar hatte nur auf seine Notlage reagierte und die hatte ihn aus seinem Schlaf geweckt. Aber immerhin hatte er einen echten Elementar gesehen und dieser hatte sogar mit ihm gesprochen. Das war doch auch etwas Gutes!
Finn schniefte, rieb sich übers Gesicht und blickte den Vogelmann mit zusammengekniffenen Lippen an.
"Die anderen... geht es... niemand wurde... verletzt, oder?"

Abgewandt ließ Geralt den Speer sinken, als die schwarzen Gestalten zusammensanken und wieder zu Schatten wurden. Zuerst wollte er sich um Nicole kümmern, aber als sich gleich vier andere auf sie stürzten wusste er, dass er trotz seines Wissens nur noch hinderlich sein würde. Also ging er langsam zur Leiche des Anführers, um sie zu untersuchen, hörte aber nach den ersten Schritten Finns Frage.
"Nicole. Nicht schwer."
Es schien nicht so, als hätte sich Geralt einmischen wollen. Eher so, als ob er gar nicht erkannt hatte, dass Finn Amun'Raak angesprochen hatte, nicht ihn. Schließlich hatte er sich inzwischen fast daran gewöhnt, dass Finn mit seinen Fragen zu Sahin und ihm kam. Er blieb stehen und drehte sich nach dem Jungen um, als erwartete er, dass dieser weiterredete; da allerdings erkannte er, dass Finn eigentlich mit dem Vogelmenschen redete. Unschlüssig blieb Geralt stehen und sah die beiden an, beschloss dann, einfach zuzuhören, denn etwas Anderes gab es ja nicht zu tun. Außerdem lenkte es ihm von dem Geschehen um Nicole ab. Ihr Aufschrei unter der groben Behandlung zerrte schon genug an seinen Nerven. Was eigentlich überraschend war. Es war ja nicht so, dass er noch nie einen Schmerzensschrei gehört hätte. Aber bei Nicole war es etwas Anderes – es machte ihm etwas aus, sie schreien zu hören, er wollte nicht, dass sie litt. Und es trieb ihm eine ungewohnte, unbewusste steile Falte auf die Stirn, nichts dagegen tun zu können. Vielleicht hätte er schneller zu ihr laufen sollen. Was, wenn die anderen pfuschten? Geralt hatte ja keine Ahnung, wie erfahren die im Umgang mit Wunden waren.

Finn atmete schwerer und sein Kopf wirbelte herum, um mit grossen Augen zu beobachten, wie sich ein Pulk um die Frau gebildet hatte. Ihr Geschrei tat sein übrigens, um Finns Schuldgefühle in die Höhe zu treiben.
"Und was genau ist mit ihr? Sie wird nicht sterben, oder?", fragte er Geralt, während seine Augen wieder feucht wurden. "Ist... es meine Schuld, dass die Reiter aufgetaucht sind? Ich... ich habe nur dieses Wort übersetzt und... als ich es ge... gesagt habe, sind sie plötzlich aufgetaucht."
Finn konnte dieses Gefühl der Schuld einfach nicht abschütteln. Wenn er dieses Wort nicht erkannt hätte, dann wären die Reiter nicht aufgetaucht und Nicole wäre nicht verletzt. Vielleicht starb sie gerade und er wäre schuld daran. Die Schultern des Jungen sackten herab und er fiel förmlich in sich zusammen. Am Boden zog er die Knie an und verbarg das Gesicht dahinter. Man konnte ein unterdrücktes Schluchzen hören.
"Es ist meine Schuld... ich mache immer alles falsch", flüsterte er zwischen zwei Schluchzern. "Es ist immer meine... meine Schuld..."

"Atmest, redest. Nicht alles scheinst du falsch zu machen", stellte Amun nonchalant fest. Es war ziemlich klar, dass der Avior nicht viel von Kindern oder gar Gefühlsausbrüchen verstand. Wie ging man mit weinenden Kindern um? Avior begnügten sich damit besagtem Kind Fleisch in den Rachen zu stopfen. Bei Finn hingegen dürfte das keine Option sein. Menschen hatte da etwas gegen, wie gegen so viele vernünftige Dinge. Aber Menschen waren schließlich auch verrückt. Da konnte man nichts machen.
"Solche Reiter an ein Wort gebunden? Unwahrwscheinlich, unwahrscheinlich. Macht in Worten, sicher. Magische Macht, aber keine Macht über solche Dämonen. Es ist bekannt."

"Ahhh."
Das Entfernen des Hemdes hatte höllisch wehgetan, das Aufrichten war allerdings auch nicht viel besser. Nicole biss sich auf die Unterlippe, fragte sich, wieso diese Wunde dermaßen schmerzte. Sie war früher verprügelt worden. Noch nie hatte man sie wehleidig nennen können und nun flennte sie vor Aldred, Sahin und dem Elf wie ein kleines Mädchen. Das machte sie wütend. Die Männer würden sie für eine Belastung halten. Von nun an würde sie sich keine Schmerzen mehr anmerken lassen, so stark sie auch sein mochten. Als Verantwortliche der Gruppe musste sie stärker sein als die anderen. Schließlich, als die Bandage saß, atmete sie tief durch und zog sich an der breiten Schulter des Eisbärmannes nach oben, taumelnd, aber stehend. Ihre Muskeln waren Pudding, nur ihr Wille hielt sie dort, wo sie war. "Also...Wir haben ein Ziel. Keine Müdigkeit vorschützen." Gekrümmt wie ein altes Hexenweib stolperte sie auf ihr Schwert zu, zog es unter großer Anstrengung aus dem Boden und torkelte auf die Straße, ein ernstes Gesicht aufgesetzt, was in einer Steinwand sicher nicht weiter aufgefallen wäre. "Wir müssen noch ein ganzes Stück laufen, ehe wir Pause machen können. Hoffentlich haltet ihr das aus." Mit jedem Wort, welches sie sprach, wurde Nicole sicherer. Schließlich blieb sie auf der Straße stehen einen Arm um ihre Mitte geschlungen, die blonden Haare verschwitzt. Das noch junge Sonnenlicht schien in ihren Rücken und spiegelte sich glitzernd auf ihrer Schwertscheide. Für einen Moment blickte sie zu Boden, dann hob sie ihren Blick zur Sonne hin, reckte das Kinn empor, wie sie es in ihrem Dorf unzählige Male getan hatte, um stolz zu wirken. "Packt zusammen."

"Wirst du es denn aushalten, auch nur mehr als ein paar Schritte zu laufen?", erwiderte Aldred und gab sich dabei Mühe, ausnahmsweise wirklich etwas in seine Stimme zu legen: Skepsis. Egal was die junge Frau sich zutraute, er hatte seine ganz eigene Meinung hierzu. Sie sollte nicht laufen. Die Wunde würde nicht abheilen, würde nur ein ums andere mal aufs Neue aufreissen. Abgesehen davon, dass er nicht glaubte, dass irgendein Mensch den Schmerz aushalten konnte. Sie würde sich umbringen. Was der schwarze Hauptmann nicht geschafft hatte würde ihre Unvernunft vollenden. Ein wenig hilflos ließ Aldred den Blick schweifen. Einen Karren würden sie hier kaum finden, aber vielleicht etwas, woraus sich eine Trage bauen ließ...

Finn versuchte seinen Atem zu beruhigen und kämpfte die Tränen nieder. Wieso weinte er überhaupt? Nicole hatte viel mehr Grund zu weinen, schliesslich war sie es, die verletzt worden war. Ihm war nicht einmal etwas passiert, nur sie war verletzt. Wieder kamen die Tränen hoch, doch diesmal kämpfte er sie nieder. Er stemmte sich hoch, wischte sich mit der einen Hand übers Gesicht und biss sich auf die Lippe. Dann drehte er den Kopf zu Amun, auch wenn er ihn hängen liess und den Vogelmenschen nicht anschaute.
"Du... hast bestimmt... bestimmt recht. Ich kann das nicht gewesen sein, ich kann schliesslich... kaum zaubern... wie sollte ... ich da ein... eine Armee von schwarzen Reitern beschwören?", stotterte er und drehte sich dann um. Er blickte zu der Gruppe um Nicole hinüber und bemerkte, dass sie aufgestanden war. Es ging ihr also gut! Oder zumindest den Umständen entsprechend gut. Und sie redete auch wieder. Finn drehte den Kopf wieder zu Geralt und Amun. "Es scheint ihr einigermassen gut zu gehen, los... wir sollten zu den anderen... gehen."

Iorweth blickte Nicole besorgt an, als sie einfach so losgehen wollte. Sie war verletzt worden und nun wollte sie einfach weiter, als wäre nichts passiert ? "Ich weiß nicht, ob das eine Gute Idee ist, Nicole," wandte er sich an die junge Frau. Sie hatte ja recht. Sie mußten hier weg. Aber Nicoles verletzung machte ihm sorgen. Was, wenn sie anfing stärker zu bluten. Soviele Tücher hatte er auch nicht dabei. Den größten teil seines vorrats hatte er vor ein paar minuten zu Bandagen verarbeitet.

"Es ist mir egal, ob es eine gute Idee ist oder nicht. Ich dachte, ich wäre die heilige Auserwählte der Göttinnen! Die werden mich sicher nicht abkratzen lassen, oder?" Es tat ihr weh, den Elf so anzufahren. Körperlich und geistig gleichermaßen. Er konnte nichts dafür, dass sie sich wie eine Last fühlte. Nur ihretwegen waren sie angegriffen worden. Nur ihretwegen mussten sie nun eine Trage bauen...Dabei hatte sie sich doch gewünscht, eine Heldin zu werden, eine Schwertkämpferin. Kein Ballast. Wieso hatte nicht besser aufgepasst? "Ich...Iorweth." Sie schaute zu ihm hin, die Augenbrauen zusammengezogen, als wäre sie noch immer wütend - auf sich selbst. "Ich möchte lernen mit dem Schwert zu kämpfen, sobald es mir besser geht."

"Fordere sie nicht heraus!", rief Aldred aus und zum ersten mal seit langem lag soetwas wie Furcht in seiner Stimme, "Sie, die dich gesegnet hat, hat dich mehr als einmal gerettet. Zwinge sie nicht, es noch einmal zu tun!" Nicole mochte auserwählt sein, doch das machte ihre Göttin noch lange nicht zu einer Dienerin, die sich einzig um deren Belange kümmerte. Es stand keinem Sterblichen zu, solche Forderungen zu stellen. Aldred hatte oft genug gekämpft und geblutet, stets für seine Göttin. Doch er hatte es nie gewagt, sich auf deren Beistand zu verlassen. Es erschien ihm nicht richtig. Es erschien ihm wie etwas, was die Götter erzürnen mochte.
"Was du brauchst ist Ruhe, keine göttliche Hilfe. Wenigstens für zwei oder drei Tage. Gib der Wunde Zeit...", versuchte er, die junge Frau zu überzeugen. Gerade weil sie die Auserwählte der Göttinnen war durfte sie ihre Gesundheit nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Es wäre der Göttin ein schlechter Dank, würde sie nach allem, was diese für sie getan hatte, ihr nun einfach wegsterben.