GQ - [Die MSG]

Nun waren nur noch Amun'Raak und Eve als letzte von der Gruppe im Speisesaal. Die Priesterin seufzte und sah den Vogelmann an.
"Wie sieht es mit Euren Verletzungen aus? Sind sie schon verheilt?"
Eve konnte sich das schwer vorstellen, hatte sie doch gesehen, wie schlimm der Avior zugerichtet gewesen war. Andererseits... Wie viel Ahnung hatte sie schon vom Heilen?

"Nein. Aber weiter mussten wir", murmelte Amun als Antwort. Der Avior legte sich müde eine Klauenhand an jene Stelle, an der ihn das Pferd getreten hatte. Das Zeichen der Göttin glühte an der selben Stelle, durchschnitt den Abdruck des Hufes an einigen Stellen. Die Knochen darunter fühlten sich immer noch nicht wirklich fest an und die Stelle schmerzte. Seltsam, bis eben hatte er das nicht einmal bemerkt.
Amun drehte die Maske in seinen Händen. Manchmal machte ihm das seltsame Ding Angst, als wäre es lebendig.
"Zäh sind wir Avior. Keine Sorgen müsst Ihr Euch machen, wenigstens um mich nicht."

Zögerlich griff Milas unter sein Hemd und zog ein kurzes Messer hervor, das er Neythani hinstreckte.
„Du kannst es wahrscheinlich besser brauchen als ich. Aber du solltest wirklich nicht rausgehen.“

Es dauerte fast eine Minute, bevor sich die Tür einen Spalt breit öffnete. Durch diesen Spalt sah Aldred das Gesicht der Studentin, die Finn mit sich genommen hatte. Feuchte Haarsträhnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und klebten an ihrem schweissüberzogenen Gesicht. Sie atmete heftig und musste einige Male blinzeln, bis sich ihre Augen auf den Mann vor ihr fokussieren konnten.
„Was ist? Hat Milas nicht gesagt, dass ich euch informiere, wenn ich fertig bin?“, fragte sie schliesslich, als sie ihr Gegenüber erkannte.

Als die Priesterin die Wachen befragte, konnte ihr zuerst niemand eine Antwort geben. Dann fand sie aber einen Mann in den Barracken, der ihr erzählte, dass einer der Paladine für die Wachablösung nie aufgetaucht war und die Miliz hatte einen Ersatz angefordert. Ein anderer warf dann ein, dass er den Mann mit drei anderen hatte ausreiten sehen.

"Um ehrlich zu sein, Amun'Raak, so mache ich mir um Euch Sorgen. Um Euch und den Jungen, denn ihr seid ebenso wie ich von der Göttin auserwählt. Ihr solltet Euch ebenfalls nocheinmal untersuchen lassen."
Die Sorge, die in ihren Augen stand, unterstrich ihre Worte und bestätigte deren Ehrlichkeit, auch wenn ihre Worte wohl deutlich machten, das Neythani und Aldred ihr egal waren.

Der Avior gab ein glucksendes Geräusch von sich, das vielleicht ein Lachen war.
"Vielleicht sollte ich das. Wenn Finn wieder aufgewacht ist, ja?", murmelte Amun leise. Ihm fielen beinahe die Augen zu als er wacklig aufstand. Mit einer Krallenhand hielt sich Amun am Tisch fest.
"Vielleicht ein wenig schlafen, heh."

"Verzeiht, aber ich wollte nach dem Jungen sehen", brummte Aldred in seinen Bart, von der schroffen Begrüßung überrumpelt und unsicher, "Er bedeutet mir viel. Wäre... wäre es in Ordnung, wenn ich herein komme?" Ihm war wohl bewusst, dass er nichts für Finn tun konnte. Nicht mehr, jedenfalls, als die Heilerin ihre Arbeit tun zu lassen. Dennoch verspürte er den Drang, dabei zu sein. Zumindest zuzusehen. Sich selbst zu vergewissern, wie es Finn ging.

Die Priesterin schluckte leer, als sie das hörte. Sie hatte es eigentlich schon gewusst, aber dennoch nicht glauben wollen. Es passte alles nur zu gut und dennoch war nichts davon erwünscht. Sie liess sich auf einer Karte Kilaths und Umgebung, die in den Baracken hing, zeigen, in welche Richtung man die Männer in etwa fortreiten gesehen hatte. Es war die gleiche Richtung, in die sie die Auserwählte und ihre unfreiwilligen Gefährten gewiesen hatten. Olnhalf besass einige starke Zauber, er würde sein Ziel sicher nicht verfehlen. Und irgendwie war ihr klar, dass er nicht gegangen war, um der Erwählten der Reija eine Unterstützung zu sein.
"Ich danke euch. Leistet weiter einen so guten Einsatz und hm.. erschreckt nicht, falls die Verstärkung demnächst auch aus.. zwielichtigen Gestalten bestehen könnte. Die momentanen Umstände erfordern die Zusammenarbeit der ganzen Stadt und nicht nur der halben und wir beten dafür, dass Kilath dem Druck entwachsen wird", verabschiedete sie sich von den Männern und verliess die Baracken dann wieder.
Sie musste irgendwie vor Olnhalfs Männern an Evelynn gelangen und sie warnen, Olnhalf vielleicht sogar von seinem Vorhaben abbringen. Als sie den Proviant für die Truppe vorbereitet hatten, hatte Evelynn auch einen kleinen Schutzstein erhalten, war sie doch die Auserwählte ihrer Göttin. Doch ihre Kräfte reichten bei weitem nicht, über solch eine weite Entfernung eine Verbindung aufzubauen. Sie war leider nicht Kassandra. Sie musste die Stadt verlassen und ihnen nach.
Die Priesterin wartete noch bis zum Morgengrauen, da ihr das Risiko, bei Nacht von der Heerschar angegriffen zu werden, doch zu gross war. Als mit den ersten Sonnenstrahlen die Lage relativ sicher wirkte, machte sie sich mit einem einzelnen tiefer stehenden Paladin und zwei Pferden auf. Jeder Mann und jede Frau, die aus der Stadt geholt wurden, waren ein Mann und eine Frau zu wenig. Aber die Göttin verlangte nunmal Opfer.

Nachdenklich sah Eve den Vogelmann an, bevor sie nickte.
"Einverstanden. Ich will es nicht riskieren, Euren Groll auf mich zu ziehen."
Sie lächelte sanft.
"Aber noch weniger will ich riskieren, Euch an den Tod zu verlieren. Auch wenn ich sicher bin, dass ihr einen besonderen Platz an Wujans Seite erhalten würdet."

"Wujan? Von Deria bin ich gezeichnet. Und wenn die Göttin meinem Volk inzwischen verzeihen konnte, so werde ich einen Platz an ihrer Seite erhalten", antwortete Amun langsam. Wujan war keine der acht Göttinnen. Hatte Evelynn nicht schon vorher andere Götter neben den Acht erwähnt? Amun war sich nicht sicher, die Gedanken schwommen durch sein Hirn wie durch Molasse.
"Euch grolle ich nicht, Evelynn. Sterben werde ich nicht. Noch nicht. Zuviel zu tun. Die Avior wieder auf den richtigen Pfad leiten. Ablehnen hätte ich die Krone vielleicht nicht sollen, heh? Zu spät."

Als der Avior von Schlafen sprach, griff der Student, den Urnesso beauftragt hatte, dies als Aufforderung auf. Er erhob sich von der Bank und trat zu Amun’Raak und Evelynn heran.
„Dann kann ich euch zu den Gästezimmern bringen? Wenn ihr schlafen wollt?“, fragte er.

Sinna blickte ihn für einen Moment an und trat dann von der Tür zurück. Dabei stiess sie diese an, so dass sie aufschwang und er eintreten konnte. Die Heilerin kehrte zu einem kahlen Schreibtisch zurück, auf dem eine halb gegessene Platte mit Essen sass. Regale standen entlang der Wände des kleinen Raums, gefüllt mit Büchern, Kräutern und Tinkturen aller Art, was den starken, süssen Geruch erklärte. In der Mitte des Raumes stand ein Bett mit einigen Schemeln darum. Auf diesem Bett lag Finn, die Augen geschlossen und die Robe, die er getragen hatte, an der Front bis zur Hüfte aufgeschnitten. Er war immer noch bleich, aber ein wenig Farbe war wieder zurückgekehrt, so dass er nicht mehr weiss wie die Laken war, auf denen er lag. Wunden waren keine sichtbar und er atmete regelmässig, aber an seiner entblössten Brust konnte man erkennen, dass er gefährlich mager war. Seine Rippen traten hervor und sein Bauch war eingefallen.
Sinna setzte sich hinter den Schreibtisch und begann, zu essen. Zwischen Bissen sprach sie zu Aldred.
„Es geht ihm besser. Nicht gut, aber besser. Ich kann ehrlich gesagt nicht versprechen, dass er überleben wird, auch jetzt nicht“, sagte sie. „Der Junge hat ein absurdes Reservoir an magischer Energie, ich weiss nicht, wieso er überhaupt noch am Leben ist, wenn er bis jetzt noch nicht gelernt hat, damit umzugehen. Ich weiss nicht einmal, ob er damit umgehen kann. Was ist mit ihm passiert?“

Sie ritten durch die Nacht. Im Moment wusste Olnhalf noch, wo sie sich befanden, aber das konnte sich ändern. Vielleicht starb der Junge oder die Magier fanden den Leuchtfeuerzauber und setzten ihn ausser Kraft. Eile war geboten, auch wenn sie sich dadurch in Gefahr begaben. Die Schwarze Heerschar war hier draussen, aber zum Glück hatten sie sie zum grössten Teil vermeiden können. Bis auf eine kleine Gruppe Reiter, auf die sie kurz nach Mitternacht trafen und wieder abschütteln konnten, fanden sie keine der Schattenkreaturen. Einige Stunden vor der Dämmerung entschied Olnhalf schliesslich, dass sie Lager aufschlagen würden, um einige Stunden zu Ruhen. Am nächsten Tag sollten sie die Gruppe Verbrecher und ihre falsche Auserwählte aufgeholt haben.

Es war knapp nach Mittag, als die Priesterin eine Stelle in den Wäldern um Kilath fand, an der nur vor wenigen Stunden jemand gerastet haben musste. Sie war noch schwer ausser Atem und ihre Pferd jammerte kläglich, denn auf halbem Weg waren sie und ihr Gefährte düsteren Gestalten begegnet. Sie hatte gehofft, am Tage von der Heerschar verschont zu bleiben, doch drei von ihnen hatten im Wald ihren Weg gekreuzt. Der junge Paladin hatte sich ihnen gestellt und sie abgelenkt und sie.. sie hatte ihrem Tier die Sporen gegeben und war einfach nur weg, so weit weg wie möglich. Sie waren ihr nicht gefolgt, so weit sie es beurteilen konnte. Jedoch war auch von dem Paladin keine Spur und erspüren konnte sie ihn ebenfalls nicht. Hatte er die Männer besiegt und war dann zurück in die Stadt, oder..?
Mit einem schweren Seufzen beugte sie sich über die erloschene Feuerstelle und berührte mit den Fingern die Asche. Sie war noch leicht warm. Auf ihrem Weg waren ihnen keine Wandersleute begegnet und die Priesterin bezweifelte, dass die Heerschar Feuer benötigte. Also musste es von jemandem stammen, der die Stadt verlassen hatte.
Sie setzte sich auf einen grösseren Stein und wischte sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihr aus Frisur gerutscht waren. So wie sie Olnhalf kannte, war er so früh losgezogen, wie es nur ging. Er hatte also einen halben Tag Vorsprung, mindestens. Es war ihr nicht geheuer, alleine im Wald zu verharren, aber sie musste auch zugeben, dass sie niemandem eine Hilfe wäre, wenn sie ihren Weg jetzt schon fortsetzte. Bis sie Olnhalf erreicht hätte, wäre der schon lange an seinem Ziel und sie wollte nicht wissen, was er sich für die Auserwählte und ihre Begleitung ausgedacht hatte.
Nach einigen Schlücken Wasser zog die Priesterin einen Kristall aus ihrer Tasche, ähnlich dem, den sie für den Kommunikationszauber bei Evelynns Rede benutzt hatte, nur kleiner. Er glühte leicht in einem goldenen Schein, als sie nach der Magie darin griff. Sie legte ihn sich auf die Knie und konzentrierte sich darauf, schirmte die Aussenwelt völlig von ihrem Bewusstsein ab. Sie musste Evelynn finden und mit ihr Kontakt aufnehmen. Sie kannte den Schutzstein, den Evelynn besass und würde seine Wirkung erkennen, wenn sie denn nur schon genug nahe war.
"Reija, verschaffe mir eine klare Sicht. Leuchte, Reija. Weise mir den Weg. Leuchte. Zeig mir deine Auserwählte Evelynn und lasse sie mich erhören, die Warnung annehmen", dachte die Priesterin, während sie die Magie nach Eve ausschweifen liess.

"Ja. Ja. Gut ist schlafen. Geht vor, geht vor", murmelte Amun und ließ sich von dem Studenten zu den Gästezimmern führen. Bevor er eintrat wandte sich der Avior noch einmal nach dem Studenten um.
"Mit der Heilerin würde ich morgen gerne noch einmal sprechen. Bescheid sagt Ihr bitte?"
Der Student nickte und hastete davon, während Amun grade einmal die lederne Rüstung und die Beinschützer loswurde, bevor er ins Bett fiel und selig einschliefen.

Die Magierin sah aus, als könne sie die Mahlzeit vertragen. Aldred verstand nichts von Zauberei, aber zweifelsohne war sie ebenso schwere Arbeit, wie die, die er in der Schmiede zu verrichten gepflegt hatte. Nicht körperlich, aber dennoch anstrengend. Und der jungen Frau stand die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Was auch immer mit Finn geschehen war: es war schlimmer als ein paar gebrochene Rippen oder eine Fleischwunde. Ihn zu heilen musste ein Kampf sein, auch, wenn Aldred dessen Regeln nicht verstand.
Ein wenig unsicher sah er sich um Raum um und nahm dann, nachdem die Magierin ihn nicht bat, sich zu setzen, auf der Kante des Bettes Platz, eine Hand geistesabwesend auf die Decke legend, unter der er Finns Knie spüren konnte.
"Es ist schwer zu sagen, was mit ihm passiert ist", antwortete er und versuchte, sich die Bilder aus der Gruft in Erinnerung zu rufen, "Wir wurden angegriffen und Finn hat wohl versucht, uns zu helfen. Die Magie in seinem Inneren hervor zu rufen. Er hat das schon ein paar mal getan. Hat Frost und Kälte beschworen. Aber diesmal ist er dann einfach zusammen gebrochen, ganz leblos und kalt." Es kostete ihn Mühe, die richtigen Worte zu finden. Er hatte doch keine Ahnung von all dem hier. Diese Magie überstieg sein Verständnis.

Neythani nahm den Dolch entgegen und lächelte scheu. "Ich werde für heute nacht hierbleiben. Aber morgen werde ich wohl raus gehen," erwiderte sie dann doch.

"Es kümmert mich nicht, was Eure Intention war. Ihr mögt ein Dieb sein, aber Ihr scheint ebenso Hilfe zu brauchen. Und ich habe geschworen, dass ich niemals jemanden zurücklasse, dem ich helfen kann. Ich werde euch begleiten, bis ich Euch auf den Grund gegangen bin." Nina sagte dies mit erhobenem Haupt, entschlossen, kein Nein in dieser Angelegenheit zu akzeptieren. Nicht nur würde sie alleine nie wieder in die Stadt zurückfinden ... Mit einer geheimnisvollen Person zu reisen war schon immer einer ihrer Träume gewesen. Und nun würde er sich vor ihren Augen erfüllen! Wie aufregend!

Tristan schaute sie etwas ungläubig an. Die meinte das ernst! Die wollte ihm jetzt tatsächlich einfach hinterherreiten und würde ihn wohl nie wieder in Ruhe lassen.
Womit hatte er das verdient?!
Aber nun gut. Möglicherweise konnte sie ihm trotzdem noch nützlich werden. Man konnte ja nie wissen und voreilige Schlüsse zu ziehen wäre auch nicht wirklich sein Ding.
"Wie gnädig von Euch", spottete er
"Ich könnte auch ein brutaler Vergewaltiger, Schänder und Mörder sein. Habt Ihr darüber schon nachgedacht?" Er grinste breit.
Mal sehen ob sie sich einschüchtern liess. Wenn nicht, auch gut. Er hatte nicht vor sie sich zu nehmen. Zumindest jetzt noch nicht.
Er begann seine Gedanken in eine andere Richtung auszulegen. Sie würden eine andere Ortschaft aufsuchen müssen. Am besten eine Stadt oder zumindest etwas, wo es einen guten Schmied oder Händler gab. Er musste dringend seine Schwerter schleifen. Möglicherweise würde er auch sein eigenes verkaufen und dann ausschliesslich nur noch jenes benutzen, das er einem dieser schwarzen Pisser abgenommen hatte. Dieses Schwert hatte ihm bisher gute Dienste geleistet und er war sich sicher, dass es das auch weiterhin tun würde.
Und er fragte sich irgendwie auch, wo seine Gruppe abgeblieben war. Stimmt ... Waren die noch in der Stadt? Oder nicht? Ach, wer wusste das schon. Und eigentlich konnte es ihm egal sein. Die Kerle hatten ihm ein paar Mal den Arsch gerettet, er ihnen, sie waren eigentlich quitt. Vielleicht war es auch besser, wenn sie einander nicht mehr über den Weg liefen. Immerhin klebte an seinen Händen das Blut dieses süssen kleinen Jungen, den er eigenhändig abgemurkst hatte. Es war wohl besser, wenn er ganz weit weg war, wenn die Gruppe das rausfand.
Erneut musste er grinsen.
"Weisst du, ob hier irgendwo in erreichbarer Nähe ne weitere Stadt gibt? Ich hab irgendwann die Orientierung verloren ..."

„Nun, es ist kein Wunder, dass es ihn aus den Latschen gehauen hat, wenn er versucht hat, damit umzugehen“, meinte Sinna. „Es wäre wahrscheinlich gewesen, dass er das Innere seines Körpers über die Wände verteilt. Wirklich seltsam.Mir sind übrigens noch zwei weitere seltsame Dinge aufgefallen. Auf seiner Schläfe hat er ein verschlungenes Symbol, das ich nicht identifizieren konnte und jemand hat einen Leuchtfeuerzauber auf den Jungen gelegt, damit man ihn jederzeit finden kann. Soll euch jemand folgen?“
Sie schob den letzten Bissen in ihren Mund und musterte Aldred.
„Ihr seht auch nicht besonders gut aus. Wenn Ihr auch irgendwelche Wunden, habt, die ich mir anschauen sollte, dann mache ich das lieber gleich jetzt, dann hab ich’s hinter mir.“
 
Milas liess den Stab erleichtert sinken und drehte sich gemeinsam mit Neythani wieder zum Hauptgebäude um.
„Dann bringe ich dich besser in die Gästeräume, damit du Magister Urnesso nicht über den Weg läufst“, sagte er. „Und wenn du ihn nicht brauchst, kann ich den Dolch wieder haben?“
 
Es war nach Mittag, als die kleine Truppe Paladine um Olnhalf die weissen Mauern der Magierschule erreichte. Sie stoppten im Schatten der Bäume und näherten sich nicht. Stattdessen gab Olnhalf den Befehl, ein Lager aufzuschlagen. Sie würden die Tore im Auge behalten. Er wusste, dass der Junge im Inneren war und sie würden nicht lange dort drinnen verweilen können. Sobald sie die Sicherheit der Mauern und den Schutz der Magier verliessen, würden sie zuschlagen.

"Ihr seid also aus der Stadt geritten, ohne Wissen, wohin Euer Weg Euch führen wird?" Nina seufzte leicht, aber das bestätigte sie im Endeffekt nur darin, dass dieser Kerl wirklich Hilfe benötigte. Wenn er sich nicht einmal alleine in Joeh zurechtfand, konnte er ja gar nicht so brutal und gefährlich sein. Sie lächelte sanft, vielleicht einen Hauch arrogant, und gebot ihrem stolzem Ross sich vor Tristans zu schieben, welches streng genommen ja auch ihr stolzes Ross war. "Natürlich kenne ich die Geographie in diesem Land. Ich bin schließlich eine gelehrte Frau. Folgt mir und ich werde Euch zur nächsten Ortschaft führen." Er konnte nicht schnell genug erfahren, wie nützlich sie war. "Und wie heißt Ihr eigentlich? Mein Name ist Nina Perilia."

Bedächtig nickte Aldred auf die Worte der Heilerin hin. "Aye, ich bin verwundet", bestätigte er ihr und legte die Linke vielsagend, wenngleich so sachte, dass der Druck kaum zu spüren war, auf seine Rippen. Der Schmerz blieb dennoch nicht aus und ließ ihn für einen Herzschlag das Gesicht verziehen. "Ein Schlag von der Klinge einer Kreatur, deren Existenz ihr wohl kaum glauben würdet. Die Göttinnen müssen mir beigestanden haben, dass es nur die Rippen sind, die sie mir gebrochen hat." Er versuchte sich in einer zynischen Lächeln und entblößte dabei – ohne es zu bemerken – blutige Zähne. Den Geschmack von Eisen in seinem Mund bemerkte er nicht einmal mehr. Er hatte sich bereits daran gewöhnt.
"Was Finn betrifft...", fuhr er fort, "Ich wüsste nicht, wer uns folgen wollen würde. Oder wen der Junge getroffen haben mag, der zu solcher Magie fähig ist..." Das Zeichen auf Finns Stirn dagegen ließ er unerwähnt. Es beunruhigte ihn wenig. Amun'Raak trug ein solches. Tristan trug eines. Und Nicole hatte eines getragen. Es waren gute Zeichen. Zeichen der Göttinnen. Aber dieser Leuchtfeuerzauber, der auf Finn haftete, konnte nichts Gutes bedeuten. "Sagt", wandte er sich an die junge Heilerin, "Könnt ihr den Zauber von ihm nehmen? Ihn brechen?"

"Nun, wenn ihr einen Stock habt, denn ich zu einem speer umwandeln könnte, wäre das schon toll. Ansonsten brauch ich euren Dolch nicht. Habt trotzdem vielen dank," antwortete Neytani.

Tristan verzog den Mund. Die Kleine drängte sich ihm ja regelrecht auf. Was lief nur schief mit der?
"Schön, Nina. Mein Name lautet Theodor."
Die musste ja nicht wissen, wie er wirklich hiess. Am Ende laberte sie noch zu viel über ihn mit irgendwelchen ominösen Menschen, die noch eine Rechnung mit ihm offen hatten. Nein danke.
"Und eine gelehrte Frau hat nichts Besseres zu tun als einem Mann hinterher zu reiten? Warum wart Ihr in der Stadt?"

"Ich bin Heilerin. Ich reise durch die Welt, um Menschen zu helfen. Das ist meine Bestimmung, Herr Theodor." Sie freute sich, dass er ihr seinen Namen genannt hatte. Zwar wirkte er sehr abwesiend, aber sie hatte es noch geschafft, jeden weichzukochen. Schließlich wusste sie eben genau, was die armen Menschen dachten. Sie arbeitete schon ein paar Jahre mit ihnen zusammen. Sie war quasi selbst aus dem Ghetto. "Und dementsprechend ist es auch meine Bestimmung, Euch zu helfen."

"Ah. Natürlich..."
Er nickte und hüllte sich dann in Schweigen. Eine Weile lang ritten sie also schweigend nebeneinander her, da vor allem Tristan einfach keine Lust hatte zu reden.
Irgendwann erreichten sie ein kleines Kaff, sodass Tristan kurzerhand beschloss bei der kleinen Gastwirtschaft eine Pause zu machen. Er stieg vom Pferd und riss dem erstmal alle Wappen vom Reithzeug.
Sie gingen hinein und Tristan bestellte sich eine Gerstensuppe mit Schmalz und Speckschwarte. Dazu ein grobes Stück Brot und ein Bier.
"So. Wie lange dauerts noch bis zur nächsten Stadt?", fragte er seine Begleitung.

Sinna nickte und legte einen Finger auf Finns Stirn. Sie sprach ein Wort und ein Lichtblitz und der Geruch von Zimt erfüllten den Raum für einen Moment, dann kehrten die Lichtverhältnisse wieder zum vorherigen Zwielicht zurück.
„Wer auch immer diesen Zauber gewirkt hat, wird ihn jetzt nicht mehr finden“, meinte sie, dann streckte sie eine von grünem Licht umspielte Handfläche in Aldreds Richtung aus. „Und was auch immer dir deine Wunde zugefügt hat, ich bin sicher, dass ich dir helfen kann. Ich heile seit fast dreissig Jahren alle möglichen Wunden, ich habe schon das meiste gesehen.“
Sie trat näher und wartet darauf, dass er seine Wunde enthüllte, damit sie sich darum kümmern konnte.
 
„Einen Stock?“, fragte Milas verwundert. „Ich denke… wir haben einen Besen in der Küche? Aber wenn du einen Speer willst, ich kann dir auch einen machen. Ich lerne Erdmagie und Dinge wachsen zu lassen ist, was ich gerade lerne. Ein Speer ist ziemlich unkompliziert.“

Zusammen mit Amun hatte sich auch die Kriegerpriesterin ihr Zimmer zeigen lassen. Mit einer knappen Verabschiedung für die Nacht hatte sie sich dann auch zurückgezogen und sich auf das Bett gesetzt. Nun saß sie da und überlegte, wie viel ihrer Rüstung sie ablegen sollte. Wer konnte schon sagen, wann die schwarzen Männer das nächste Mal angreifen würden...? Schließlich legte sie sämtliche metallenen Rüstungsteile ab und vorsichtig auf den Boden, bevor sie es sich so gut wie möglich im Bett bequem machte.