[MSG] Rotes Gold

Natürlich hatte Nick kein Glück beim Plündern. Das war vermutlich auch einer der Gründe, warum er so wenig von dieser Tätigkeit hielt: er zog einfach immer die Nieten. Verschwendete seine Zeit mit tödlicher Präzision in genau den Häusern, in denen nicht mal im Kühlschrank etwas zu finden war. Außer Tofu! Warum zum Teufel hatten die hier Tofu im Kühlschrank? Wenn es etwas gab, wonach er während eines Einsatzes draußen im Outback wirklich keinen Appetit hatte, dann war das Tofu. Davon hatten sie schließlich selbst die Laderäume des Gunships voll.
Bei einem Abstecher auf die Toilette um seine schon seit Beginn des Einsatzes zwickenden Därme zu erleichtern - wenigstens eine bequeme Schüssel hatten sie hier! - ließ er dann doch noch zwei Fläschchen Duftwasser mitgehen, das er als teuer einschätzte. Besser als nichts war das allemal. Wobei... eigentlich war es auch nur eine sentimentale Angewohnheit des Australiers, solche kleinen, unauffälligen und doch wertvollen Dinge einzustecken. Einmal Straßenkind, immer Straßenkind...

"Ich dachte mir, dass du dabei bist", grinste Richard und reichte, nach einigen tiefen Zügen, die Tüte an Brad weiter. Der zusammengewürfelte Haufen, der den Korps bildete, war schon eine seltsame Truppe. Die Mehrheit hatte tiefgreifende psychologische Probleme, dafür umso weniger Moralvorstellungen. Genauso wie Richard. In der Zeit, in der der Chinese jetzt bei ihnen war, hatte er die vielmals unkomplizierte Stimmung genossen. Intellektuelles Gequatsche und philosophische Debatten kannte er aus seiner Vergangenheit zur Genüge. Sicherlich war er hier einer der Intelligentesten, doch Richard scherte sich nicht darum und würde dies auch nie von sich behaupten. Schließlich war die Summe aller Laster eines Menschen immer gleich.
"Hey Joe, fällt da noch ein Stück Schinken ab? Und apropos abfallen: Ich hab einige Flaschen hochprozentiges zeug gefunden. Widerlich. Ihr werdet es lieben.", sagte er und streckte sich genüsslich auf der Bank und genoss die Situation.
In Momenten wie diesen liebte er das Leben, das er führte.

"Hmmm, hochprozentig...", murmelte Brad nachdenklich. "Jo, das könnte ich mal wieder vertragen."
Im Grunde trag er eher selten etwas, das 'geringprozentig' war, eigentlich trank er Solches nur, wenn er kurz vor einem schwierigen Einsatz war und den Kopf frei halten mussten. Der Einsatz hier... wirklich schwierig war der nicht gewesen. Der Widerstand war doch eher klein ausgefallen - abgesehen von ein paar kleineren Reibereien mit einem Scharfschützen eigentlich keine Gegenwehr.

Der machte ihn noch arm! Steeler lachte und schnitt eine dicke Scheibe Schinken ab, hielt sie dem Chinesen hin.
"Saubere Arbeit, übrigens, Dick. Du hast uns eine Menge Blut auf unserer Seite erspart."
Er hielt inne. "Den Schinken kriegst du aber nur, wenn ich auch ein paar Züge von deinem guten Kraut bekomme." Der Georgier grinste und drückte seinem Gegenüber die dicke Scheibe Trockenschinken in die Hand. Einige Sekunden später wanderte die Tüte bei ihm vorbei.
"Großartiges Zeug.", musste er einfach feststellen, nachdem er zwei Züge genommen hatte. "Anders als meins, aber nicht übel."

"Sieht so aus, als wären wir hier fertig", kommentierte Nick. Es kam nicht oft vor, dass er sich irgendwem unbemerkt nähern konnte - dafür war er einfach eine zu auffällige Erscheinung und stilles Auftreten gehörte nun wirklich nicht zu seinen Spezialitäten - doch diesmal waren alle anderen zu, naja, beschäftigt, als dass sie sich groß um sein Kommen geschert hätten. Sie saßen vor dem Gunships zusammen und ließen einen Joint kreisen. Und Steeler hatte, wie es schien, bei seiner Suche prompt das gefunden, wonach er, Nick, vergeblich gesucht hatte: eine schöne Schinkenkeule, echtes, gutes Fleisch, geräuchert und getrocknet. Nick konnte nicht umhin, einen Anflug von Neid zu verspüren. Nicht, dass er nichts von dem Schinken abbekommen würde - aber er würde Joe anbetteln müssen und das war entwürdigend. Lieber wäre er derjenige gewesen, der mit großer Geste darüber entscheiden durfte, wer von dem Prachtstück zu essen bekam.
Schwerfällig wie immer ließ er sich wieder auf die Bank nieder und richtete den Blick in die Runde. "Wie geht's weiter?", fragte er ohne sich dabei an eine bestimmte Person zu wenden, obwohl es doch letztendlich nur Steeler sein konnte, der entschied, "Bleiben wir für heute hier und warten, wie das Fundi-Pack reagiert? Oder fliegen wir gleich weiter und nehmen uns in der Dämmerung noch so ein Kaff vor?"

"Kommt wohl auf den Alkoholkonsum unserer Leutchen an." Ben war letztendlich doch sitzen geblieben. Er hatte einen Zug von der Tüte abbekommen, bei der Erwähnung von Alkohol die Stirn gerunzelt und sich dann dazu entschlossen, gar nichts zur Abendplanung beizutragen. Egal, was sie taten, er würde sich mit den Verwundeten abgeben und das Gunship auf Vordermann bringen, wie immer eigentlich. Saufeskapaden waren einfach nicht seins. Es feierte sich so schlecht, wenn man buchstäblich den Tod im Kopf hatte. Aber er würde sich nicht beschweren. Das tat er nie. Vielleicht konnte er aber auch ein bisschen Spaß haben...er hatte schon lange keinen Spaß mehr gehabt. Der tagtägliche Umgang mit den Wehwehchen des Trupps raubte ihm zunehmend die Libido. Traurig... "Aber egal was ihr anstellt, heute bin ich dabei. Es mag an diesem italienischem Zeug liegen, aber ich bin ganz wild darauf, einen zu heben..." Das klang weniger begeistert, als er wollte. Lag vermutlich daran, dass er davon, was die anderen hoben, vielleicht ein halbes Glas drinken konnte, bevor er komplett weg war. Aber naja. Einmal durfte man das.

"DAS ist doch ein Wort!", lachte Brad und klopfte Ben auf die Schulter. "Dann müssen wir auf jeden Fall abfeiern! Mit mindestens zwei Promille!"
Wann war denn der eher freundliche und partyunfreidige Ben bei ihren Saufgelagen dabei gewesen? Brad wusste es so spontan gar nicht.
Nick jedenfalls schien dem Arbeitswahn verfallen zu sein. Wollte der gleich noch ein Nest von der Landkarte fegen! Brad fühlte sich weniger nach Arbeit, sondern mehr nach Party.

"Ich mach jetzt erstmal Meldung ans Oberkommando.", gab Steeler halb scherzend zu verstehen, "Die freuen sich bestimmt auch, mal wieder von uns zu hören. Er drückte Nick den Schinken in die Hand und stieg mit großen Schritten die Rampe des Gunships hinauf zu dem schweren Empfänger, tippte auf der Konsole herum, bis ein grünes Licht aufleuchtete und der Hörer ein Knacksen von sich gab.
"MSA-Leitstelle. Was gibt's, wer spricht?" - ertönte eine Männerstimme aus dem Hörer, relativ gelangweilt.
"Joe Steeler. Unsere Ortschaft ist sauber."
"Steeler, Steeler ... wo haben wir sie denn hingeschickt. Ah, da unten in den Süden. Alles klar, ist notiert. Machen sie sich einen schönen Abend, neue Befehle für den Quadranten gibt es morgen früh."
"Ich habe gehört, Derek ist in der Gegend. Ist schon ein Preis ausgeschrieben?"
"Mal nicht so eifrig. Ja, Gerüchten nach. Aber sicher ist das nicht. Kopfgeld ist dementsprechend auch noch nicht raus. Dürfte aber eine nette Überraschung und ein hübsches Sümmchen sein. Da wünscht man sich fast bei euch draußen zu sein. Aber nur fast. Ihr armen Säcke. Over"
Sein Gesprächspartner lachte und legte auf, bevor Steeler leicht irritiert sein Over erwidern konnte. Arrogante Ärsche da oben. Aber das war ja so in der Befehlskette. Wenn man nach oben sah, nichts als Ärsche. Wenn man nach unten guckte, nichts als Scheisse. Er schaltete den Empfänger ab und stapfte nach außen.
"Yo, Leute. Morgen früh gibt es neue Befehle. Heut Abend machen wir Party, als wäre es 2220!"

Mit einem breiten Grinsen um Gesicht und zwei Klappstühlen unterm Arm kam Kaoru wieder aus dem Gunship getigert. Die Klappstühle hatte sie irgendwann einmal mitgehen lassen. Die Dinger waren einfach bequem und, noch viel wichtiger, sie hatten eine Halterung für Gläser/Becher. Zu etwas hochprozentigem sagte schließlich auch Kaoru nicht nein. Wobei sie sich mäßigen musste. Wenn das Gunship morgen aus welchem Grund auch immer gewartet werden musste, wollte sie das nicht mit Watte im Schädel machen. Außerdem musste sie das Gebiet sichern. Kaoru lehnte die Stühle an die Hülle des Gunship und verschwand im Innern. Kurz darauf kam sie, Chatikka im Schlepptau, die Arme um sechs Stangen geschlungen nach draußen.
"Chatikka: Order 5." Die Drohne koppelte eine der Stangen an und sauste los. Bewegungsmelder. Einfach, effektiv. Und sie würden nicht bei jedem Käfer losgehen, dafür hatte sie selbst gesorgt. Zufrieden schnappte sich Kaoru einen der Klappstühle, ließ ihn aufschnappen und sich selbst darauf fallen. Die Party konnte losgehen.
"Ich hab gehört, hier gibt's was zu trinken."

Inzwischen war der Korps bei guter Laune, der Auftrag erledigt und die Aussicht auf eine ausgelassene Nacht war einfach erheiternd. Sogar Ben, der "kleine Ben", sagte quasi einen Abschuss an. Gerade kam Kaoru aus dem Gunship, bepackt mit zwei Klappstühlen und einigen Stangen. Eine kurze Anweisung zu ihrer Drohne und diese nahm eine der Stangen an sich und flog davon, dann schnappte sich die Japanerin einen der Stühle und setzte sich zu der Männerrunde, gerade als Richard den letzten Zug des Joints nahm und ihn ausdrückte.
"Ich hab gehört, hier gibt's was zu trinken."
"Korrekt, ich hab da was gefunden. Außerdem irgend ein Schmiermittel, musst du dir mal anschauen.", antwortete Richard, "Und bevor wir hier noch durstiger werden, hol' ich das Zeug mal."
Dann stemmte er die Hände auf die Knie und stand auf. Während er auf halben Wege zum Gunship war, drehte er sich um und fragte in die Runde: "Kann in der Zeit noch jemand einen wickeln? Nicht das das Zeug noch schlecht wird."
Mit einem Lachen ging er durch die Ladeluke ins Innere des Schiffes und kramte seine Tasche aus seinem Fach hervor.

Da hatte er den Schinken doch noch in die Finger bekommen. Und sogar ohne Betteln. Es kostete Nick einiges an Mühe, sich seine Zufriedenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Mit dem selben Messer, dass er auch in Nahkämpfen einzusetzen pflegte, schnitt er sich ein schönes Stück Fleisch vom Knochen und begann mit Hingabe darauf herum zu kauen. Echtes Fleisch! Köstlich! So ließ es sich doch leben.
Als Steeler dann zurück kam und verkündete, dass sie es für heute hinter sich hatten und der Alkohol augenblicklich zu fließen beginnen konnte zeichnete sich endgültig ein selig glückliches Grinsen auf Nicks Gesicht. Ja, das Söldnerleben war doch das einzig Wahre! Die Nacht würde heute wieder einmal lang werden und das einzige, wovor sie sich fürchten mussten, war der nächste Morgen, doch der war noch fern. Ungewöhnlich bereitwillig trennte Nick sich wieder von der Keule und griff nach Dicks Tabak. Mit für ihren Umfang erstaunlich geschickten Fingern begann er zu rollen.
"Lasst später wenn es dunkel wird noch ein bisschen Feuerwerk veranstalten", schlug er mit zwischen die Lippen gepresstem Filter nuschelnd vor. Was er dabei mit 'Feuerwerk' meinte, war wohl jedem hinreichend klar...

Steeler wuchtete den Heizkubus hoch, stemmte ihn auf die Hüfte, und trug ihn die Ladeluke herunter. Unten angekommen, setzte er ihn unsanft in den Sand ab. Dann ging es weiter in eines der Häuser, und er kam mit einem Ohrensessel an, der auch seinen Weg auf den roten Marsboden fand. Nick hatte mittlerweile den Joint angezündet und ihn herumgehen lassen, und das Marihuana kam genau rechtzeitig bei ihm an. Freudig nahm er es entgegen und tat einen tiefen Zug. Er würde es nie zugeben, aber das Schlitzauge hatte besseres Gras als er. Besser noch einen Zug nehmen. Irgendwann würde der Killer schon bei ihm ankommen und bei ihm schnorren, und das würde ihm eine gewisse Satisfaktion bereiten, auch wenn er dieses Wort nie und nimmer jemals verwendet hätte. Er gab den Joint weiter.
"Rrreizend. Nick, Schinken. Dick," er wurde lauter, "Ich hab dich da drinnen mit Schnaps hantieren sehen. Kommst du?"

Richard hörte beim Verlassen des Gunships, wie jemand nach Schnaps verlangte. Grinsend ordnete er den Ruf Steeler zu.
Verdammt, wo hatte er den Sessel her? Der ist edel!
Die Jacke, die sich der Chinese für kältere Stunden mitgenommen hatte, wurde kurzerhand als Ersatztuch eines Kellners über den Arm gelegt, er trat seitlich an Steeler heran, welcher in den Sessel gefletzt einen Joint rauchte.
"Guten Abend Mr. Steeler", begann Richard und verbeugte sich ein wenig, "Ich hoffe das Ambiente sagt Ihnen zu. Wir haben heute Abend eine heimische Spezialität auf unserer Spirituosenkarte. Traditionell hergestellter Brandwein, oder ein Obstler. Alles aus ländlichem Anbau und mit Liebe und Sorgfalt weiter verarbeitet." Er zeigte ein Lächeln und reichte dem Korpschef nicht einfach eine Flasche, nein, er kredenzte sie.
"Lass es dir schmecken, Chef", lachte Richard und ging wieder zur Bank. Auf dem Weg drückte er eine Flasche Brad und eine Ben in die Hand und als er sich setzte fügte er hinzu: "Ladies und Gentleman, der Feierabend ist eröffnet."
Einen Blick auf die Tüte in Steelers Hand werfend, gab er ein kurzes "Nein" von sich, als er sich erinnerte, dass er einen Joint wollte, wenn er schon Schnaps anbrachte. Egal, er hatte vergessen zu fragen und der erste Dübel, den sie geraucht hatten, war Grund dafür, dass er nicht sofort aufstehen wollte. Also griff er zum Drehzeug, das neben Nick lag und begann von vorn.

Mit einer Verrenkung von ihrem Klappstuhl aus angelte sich Kaoru die zweite Flasche Branntwein. Ein Glas hatte sie eben erst aus dem Gunship geholt und in den dafür vorgesehenen Halter buchsiert. Soweit so gut. Der Branntwein floss angenehm warm die Kehle hinunter und machte es sich in ihrem Magen gemütlich. So langsam bekam sie sogar wieder gute Laune. Oder zumindest war sie nicht mehr schlecht gelaunt. Was schonmal ein Fortschritt war. Kaoru nippte noch einmal an dem Branntwein und reichte dann die Flasche weiter.
"Solange du dabei keines meiner Geräte triffst, Nick", gab Kaoru zu bedenken. Sie war wahrscheinlich die einzige, die es interessierte dafür zu sorgen, dass die Ausrüstung der Söldner nicht beschädigt wurde. Ohne sie wäre das Gunship schon mehr als einmal auseinander gebrochen. Das dachte sie zumindest.

"Ich schieße nicht auf unsere Ausrüstung", beteuerte Nick und lächelte Kaoru dabei so charmant an, wie ihm das nur möglich war. Was allerdings nicht sonderlich viel hieß. Vermutlich lag die Wirkung des schiefen Grinsens eher zwischen dämlich und bedrohlich. Aber es war noch die die Rolle des galanten Gentleman gewesen, mit der Nick bei den Frauen gelandet war. "Zumindest...", fügte er hinzu während er die Schinkenkeule zurück an Steeler reichte und sich selbst am Schnaps bediente, "... nicht absichtlich. Ich dachte eigentlich, ich zünde irgendwas da drüben an..." Er wedelte mit der noch verschlossenen Pulle grob zum anderen Ende der Siedlung hinüber ehe er sie entkorkte und sich einen tiefen Schluck genehmigte. "Wenn du deine Geräte also nicht gerade dort abstellst sollte schon nichts passieren."

"Ah, danke, alter Kumpel!", röhrte Brad, öffnete die Flasche und nahm einen gewaltigen Schluck von dem Alkohol. Die Flüssigkeit brannte in der Kehle, ging aber trotzdem runter wie das Wasser der Niagarafälle. Sofort stellte sich ein äußerst wohliges Gefühl ein. Alkohol machte immer gut Laune. Mit einem Blick auf die Flasche bemerkte er, dass er mit diesem einen Schluck sie zu einem Viertel geleert hatte. Oh, hätte das auch für die Anderen reichen sollen?
"Danke schön, Guys!", sagte Brad, als er den Joint entgegennahm und kräftig daran zog, bevor er ihn weiterreichte.

Ein kräftiges Husten war von Ben zu hören, als die Flasche ihn passierte. Er hatte schon gewusst, warum er Alkohol nicht wirklich leiden konnte, doch manchmal musste das eben sein, und wenn die Kehle nicht wollte, dass etwas runterging, musste man eben nachspülen. "Ich hoffe, ihr baut heut Nacht keinen Mist, Jungs....", murmelte er halbherzig und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ethanol betäubte seine Kopfschmerzen, doch am nächsten Morgen würde er vermutlich ein bisschen sterben. Abwarten. Heute war heute und morgen war morgen.

"Keinen... Mist...?" Hätte Ben in einer fremden Sprache gesprochen, die ehrliche Verwunderung im Blick des Australiers hätte nicht größer sein können. Lediglich das Funkeln der Belustigung hätte wohl gefehlt. Der junge Arzt hatte da doch sehr abwegige Vorstellungen! "Du glaubst doch nicht etwa, dass wir heute Nacht ruhig am Kubus hocken bleiben und brav um Mitternacht ins Bettchen hüpfen. Heute wird die Sau raus gelassen! Ich schieß' mich heute noch hemmungslos ab. Das hab' ich mir verdammt nochmal verdient!" Er setzte die Flasche an die Lippen und gönnte sich einen großzügigen Schluck, wobei die Gier ihm den Schnaps in zwei dünnen Rinnsalen die Wangen hinunter laufen und auf sein Hemd tropfen ließ. Nick bemerkte er jedoch gar nicht. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und ließ den Blick die Runde entlang wandern. "Ich hätte jetzt Bock auf Musik!", erklärte er und blickte die Söldner einen nach dem anderen auffordernd an. Irgendwer würde doch wohl aufstehen und etwas in diese Richtung organisieren...

Die unausgesprochene Aufforderung Musik zu organisieren hing einen Augenblick in der Luft. Kaoru seufzte leise und stand dann auf. Der Becher wurde in der Tasche des Stuhls deponiert. Mit den Worten "Dass mir niemand den Stuhl wegnimmt" verschwand Kaoru im Gunship. Die Anlage war recht schnell gefunden. Und Strom nach draußen zu kriegen wäre nicht grade schwierig. Kaoru hievte die Anlage in die Höhe, nachdem sie sich noch eine Kabeltrommel auf den Arm gehangen hatte. Die Anlage wurde draußen abgestellt. Sollten sich die anderen darum prügeln, welche Musik aufgelegt wurde, ihr war das gleich. Kaoru stöpselte die Anlage ein und ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder.
"Such dir was aus, Nick."

"Got it.", kam schneller aus Steelers Mund, als man erwartet hätte. Er hatte halt Lust! Auf besoffene irische Musik. Großartig.
Der Georgier stand auf, frickelte an der Eingabekonsole des an den Kanten metallisch verstärkten Plastikkompositkubus herum.
Kurz darauf ertönte dann auch der erste Titel von Death Dies Young in einem nicht unbeträchtlichen Volumen aus der Anlage, und er ließ sich in den Stuhl zurückfallen.
Herrliches Gesöff war das! Er hatte wohl eine halbwegs gute Flasche erwischt. Aber allzu voll war sie von Anfang an nicht gewesen. Das ließ ihn nicht lange zögern - er trank die Flasche auf ex und griff nach dem Gewehr zu seiner Seite.
"Kleines Feuerwerk, bitte nicht erschrecken." - Warf die Flasche in Richtung Ortzentrum und ballerte zwei Schüsse in Sukzession darauf. Der Erste traf, und Glassplitter verteilten sich über den Marssand. Schön war das, konnte man nicht anders sagen. Und heute Nacht würden sie nicht einmal Zelte aufbauen müssen. Grandios!

Brad stand nicht auf, als es um Musik ging, die war ihm relativ egal, die Anderen würden schon den passenden Titel finden. Und er behielt Recht, denn eine gute Melodie drang an seine Ohren. Die versetzte ihn in gute Laune.
Steeler vertrieb sich unterdessen seine Zeit damit, die leere Flasche zu zerschießen. "Gut getroffen, Bro.", grinste er und nahm sich noch einen großzügigen Schluck aus seiner Flasche. Wenn Joe seine Flasche leersaufen durfte, dann durfte er es auch. Schluss, aus, ende. Wer jetzt jammerte, der hatte halt Pech gehabt. Als Brad die Flasche halbleer gesoffen hatte, hielt er erneut inne. Er hatte jetzt schon eine recht gute Laune. Den Rest würde er später leeren. Später, das konnte bei ihm ne Viertelstunde sein, oder auch nur ein paar Minuten.

Die Stimmung wurde lockerer und ausgelassener je weiter der Nachmittag voran schritt und je großzügiger der Alkohol floss und es wäre falsch gewesen zu behaupten, dass Nick sich nicht ebenfalls amüsiert hätte. Im Gegensatz zu den anderen jedoch, die sich scheinbar ganz und gar dem eitlen Vergnügen hingaben, soffen, kifften und in die Luft schossen, wurde er mit jedem Schluck, mit jeder Zug an der Tüte grüblerischer. Anstatt verschwommener zu werden schien seine Sicht klarer zu werden, seine Sicht auf Dinge, um die er sich normalerweise kaum scherte. Auf die Zukunft. Auf das, was sie hier gerade taten...
"Wisst ihr, eigentlich habe ich keinen Bock, den Scheiß hier bis an mein Lebensende zu machen...", verkündete er, seine Aussprache von den diversen Rauschmitteln schon arg undeutlich, "Vor allem, wenn das mit dem Lebensende hier so plötzlich kommen kann. Und was kriegen wir dafür, dass wir hier den Kopf hinhalten? Einen Hungerlohn!" Das war natürlich nicht ganz korrekt: die MSA zahlte ihren Söldnern ein geradezu fürstliches Gehalt, wenn man bedachte, was diese bei ihrer Qualifikation anderswo verdienen konnten. Aber wenn man bedachte, was die Dienste der Agency die Kunden kostete, dann war da doch noch eine ordentliche Gewinnspanne inbegriffen. "Wird Zeit, dass wir mal den großen Coup landen! Dass wir wo zu schlagen, wo es wirklich was zu holen gibt, nicht nur Futter und Ersatzteile. Sondern was, wofür man satt Schotter bekommt. So, dass man eben nicht mehr weiter arbeiten muss... Oder, dass wir uns mal ein ordentliches Kopfgeld krallen!"

"Kein' Stress. Jonny Derek... Derek, der ist ... Derek ... Der soll hier in der Gegend sein. Wenn wir den kriegen, gibt's ein sattes ... sattes Kopfgeld."
Steeler war mittlerweile richtig breit. Breit wie sonstwas. Irgendwoher war ihm die Information gekommen. Aber woher, das hatte er schon längst freudig vergessen.
Ah ja, es war der Kerl in der Leitstelle gewesen! Diese arrogante Sau.
Wieder fand der Rest in einer Flasche in seine Kehle. Lecker. Oder? Vielleicht war er schon zu breit. Ja, das musste es sein. Er schwang die Flasche in die Luft. Ein schiefer Wurf, aber die Zielaugmente halfen. Das Gewehr ertönte mit einem tiefen Puls, die Flasche zerbarst in tausend kleine Teile.
"OI! Treffer!", lachte Steeler, "Genial!"
Nick schien ein bisschen neben der Spur. Der Georgier klopfte dem Dicken auf die Schulter.
"Na, freu dich doch mal! Dickerle! Wir fahren nach Hollywood!"

"Derek ist hier?" Trotz seines zunehmend berauschten Zustand gelang es Nick, etwas zustande zu bringen, das wie ein überraschter Gesichtsausdruck aussah. Das war in der Tat eine Neuigkeit. Und eine interessante noch dazu. Nick konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie hoch das Kopfgeld auf Derek war, aber als er das letzte mal nachgesehen hatte stand der Anführer der selbsternannten Republik auf Platz 1 der Liste der valueable targets. Und das war schon eine Weile her. Wenn Derek noch immer da draußen war - wie Steeler es hier offenbarte - dann war das Kopfgeld inzwischen höchstwahrscheinlich noch einmal verdoppelt worden. Das war gängige Praxis. Wenn es also einen kopf dort draußen gab, der richtig was wert war, dann war es der von Johnny Derek.
Unwillkürlich breitete sich ein diabolisches Grinsen auf Nicks Gesicht aus. Der Alkohol und die Aussicht auf eine Belohnung, die sich sehen lassen konnte, ließen ihn übermütig werden. "Joe!", stieß er aus, "Joe, lass auf die Befehle scheißen und morgen auf Kopfgeldjagd gehen! Lass uns diesen Republikanerarsch abknallen! Das werden wir doch wohl hinkriegen! Und überleg doch mal, was wir mit dem ganzen Schotter machen könnten..."

Brad hatte in den folgenden Momenten immer ein wenig weitergesoffen und und seine Flasche schon zu drei Vierteln geleert. Da war er schon durchaus recht angetrunken, doch seine Größe kompensierte das ein wenig und sorgte dafür, dass er weniger besoffen war als ein kleinerer Mann.
Währenddessen redeten Nick und Joe weiter und offenbarten ihre hochtrabenden Pläne. Die waren ja (größen-)wahnsinnig! Oder einfach nur so zu, dass sie einfach gar nicht mehr schnallten, was sie überhaupt laberten.
"Leute!", rief Brad und begann, ein wenig überdreht zu lachen, ja der Alkohol brachte ihn leicht zum Lachen, auch wenn er immer noch recht lange einen klaren Gedanken fassen konnte, da musste wirklich noch ein wenig mehr fließen, um ihm das Gehirn zu verhageln. "Leute, redet mal etwas weniger Scheiße und setzt euch eure Ziele 'n bisschen weniger krass! Warum glaubt ihr, dass ausgerechnet WIR diesen Derek erledigen? Den dicksten der dicken Fische? Ehrlich mal, das is' doch hirnamputiert hoch zehntausend! Morgen könn' wir wieder 'n Dörfchen erledig'n, aber halst euch bloß nicht in eur'm übertrieb'm Ehrgeiz was auf, das euch nix als Trän'n der Frustration einbringt..." Er nahm einen weiteren Riesenschluck. "Oder... haha... euch so viel sauf'n lässt, dassa nich' mal mehr wisst, wo eure Aug'n un' wo eure Eier sin'! Ahaahhahahahahahaha!" Mit einer eleganten Handbewegung führte Brad die Flasche erneut zum Mund und schüttete den letzten Rest Alkohol in sich hinein, dann schleuderte er die Flasche hoch in die Luft, dass sie mehrere Meter hoch, sodass sie wieder in Richtung Boden fiel und schließlich mit ein schallenden Scheppern mehrere Meter entfernt von ihnen in tausend Stücke zerschellte.