GQ - [Die MSG]

Seline schwieg ebenfalls die meiste zeit während des Marsches und dachte nach. Ihre gedanken kreisten immernoch um die diskussion von vorher. Sie selbst hatte ja den vorschlag gebracht jemanden ins Dorf zu schicken um herauszufinden wo in etwa sie sich befanden. Doch als Nicole insistiert hatte war sie plötzlich nicht mehr in der Lage gewesen ihren vorschlag zu verteidigen oder durchzusetzen. Bei Aldred war es kein Problem gewesen, doch bei Nicole ging es plötzlich nicht mehr. Worte und Argumente waren ihr schon durch den Kopf geschossen, schlieslich sollte sich die Truppe ja nicht auflösen sondern nur für kurze zeit trennen, doch sie konnte die worte nicht aussprechen... und Seline wusste nichteinmal genau wieso, sie konnte es sich nicht erklären und das beschäftigte sie nun. Sie wusste zwar das es situationen gab wo man besser den Mund hielt, auch wenn man anderer meinung war, doch das war hier nicht der fall gewesen und trotzdem... ihr gefühl und ihr instinkt hatten geradezu aufgeschriehen als sie wiedersprechen und die diskussion fortführen wollte. Was war blos los mit ihr? Der Gedanke das mit ihr etwas nicht stimmen könnte belastete sie sehr, was wenn sie plötzlich auch später solche hemmungen haben würde? wenn es darauf ankam, im Kampf? Dort durfte sie sich kein zögern leisten....

Arale hatte weniger mühe mit der Hitze und das fliegen war weitaus weniger anstrengend als Laufen. Nachdem sie Nicole also von den grasbüscheln befreit hatte, flog sie unbekümmert zwischen den Leuten der Gruppe hin und her, musterte und beobachtete mal den einen mal den anderen, einzig von Sahin hielt sie etwas abstand, weil sie befrüchtete diser komische Flake würde auf sie herabstossen wenn sie ihm zunahe kam. Dennoch entgingen ihr dessen Blicke nicht, mit denen er Nicole musterte. Als sie nach einem weilchen auf der Schulter ihrer Freundin landete drehte sie sich kurz zu Sahin um und grinste Frech.

Iorweth brummte leise irgendwas. Er wusste noch immer nicht wo sie waren und dieses Dorf war anscheinend zu weit entfernt. Und es störte ihn das sie sich nicht entscheiden konnten wem sie folgen wollten. Momentan hatte Nicole die Führung wieder an sich genommen und ging vorne vorraus. Also weiter in Richtung Bauernhof.

"Menschen, alle verrückt", murrte Amun leise genug, dass es niemand hörte. Erst diskutierten sie, wogen das für und wider der ganzen Situation auf, nur um dann man Ende doch alle ziemlich schnell einer Meinung zu sein. Verrückt. Avior hätten sich eine Weile angeschrien und wären getrennter Wege gegangen, wenn sie sich nicht einigen konnten. Die Menschen blieben lieber zusammen als sich zu trennen. Verrückt. Und hier war er, ein Avior, auf dem Boden, auf den er nicht gehörte, bei Menschen, die er nicht kannte. Er war halt immernoch zu erschöpft zum Fliegen. Die Muskeln in seinem Rücken erholten sich halt nur langsam. Probeweise stellte Amun die Flügel auf, nur um schmerzerfüllt zu winseln und sie wieder einzuklappen. Sein letzter Flug war grade mal ein paar Stunden her. Da war nichts zu machen. Lautes Knurren lenkte Amuns Aufmerksamkeit auf Aldred. Der Avior kramte einen kurzen Moment in seinen Gürteltaschen und holte dann ein Stück Brot hervor. Wegrationen, die er aus den Wolkenbergen mitgebracht hatte. Es schmeckte vielleicht nicht besonders, aber es machte satt.
"Hier. Beim Jagen helfen kann ich später. Noch zu erschöpft bin ich."

"Vielleicht ist es weniger der Hunger, als vielmehr der Durst, der mich quält..." Nicole seufzte und drehte sich einmal um die eigene Achse, auf der Suche nach irgendetwas, das nach Wasser aussah. Nichts. Hoffentlich war dieser Bauernhof wirklich da. Oder führte Sahin sie in eine Falle? Prüfend musterte sie den jungen Mann und bekam dabei zufällig mit, wie dessen Augen sich in ihrem Ausschnitt verloren. "Gucken kannst du, aber für's Anfassen musst du zahlen." Ihre Worte waren flötend, fröhlich. Sie hatte sie schon lange nicht mehr benutzt und dennoch gingen sie ihr immernoch so leicht von der Zunge wie jeher. Und spendeten ihr Kraft. Früher, als Sklavin, war sie viel längere Märsche gewohnt gewesen, hungernd und geschunden. Das Leben in Heavens Glade hatte sie weich werden lassen. Sie musste sich zusammenreißen! "Wie auch immer. Weitergehen. Hoffentlich besitzt dieser Bauernhof eine Wasserstelle. Ich würde alles für ein Bad geben..."

Stumm wanderte Geralt etwas seitlich neben dem Rest der Truppe her. Ja, auch er konnte jagen. Ja, Aldred hatte Recht, hier gab es derzeit nichts zu jagen. Und auch Geralt hatte Hunger. Vielleicht noch schlimmeren Hunger als die Anderen: Am Morgen noch war er vor Schwäche fast zusammengebrochen, bis er schließlich mit Sahin gemeinsam den Hirsch erlegt hatte. Aber den hatten sie wieder verloren; jetzt lag der Kadaver irgendwo im Wald herum und verfaulte sinnlos. Aber Geralt trauerte ihm nicht nach. Dafür war er zu sehr Realist, zu sehr daran gewöhnt, angenehme Möglichkeiten und Wünsche beiseite zu schieben und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich war.
Der Hunger nagte tief, kratzte irgendwo im Inneren seiner Eingeweide, aber etwas anderes biss tiefer; Nicht nur Nicole sah Sahins Blick. Und die Art, auf die er sie ansah, traf ihn noch viel mehr als jeder Hungermarsch. Er wusste selbst nicht, weshalb, aber ein mächtiger Stich ging durch sein Herz, als Sahin der jungen Frau, die sie führte, in den Ausschnitt sah, und dabei wohl kaum mehr sah also dort zu sehen war. Starr sah Geralt geradeaus und versuchte nicht daran zu denken, was gerade passiert war. Dabei wusste er noch nicht einmal, warum ihm das überhaupt etwas ausmachte: Was hatte er denn schon mit Nicole zu tun? Und das erste oder schönste Mädchen, das er sah, war sie jedenfalls nicht.
Aber bevor er auch nur halbwegs eine Antwort finden konnte antwortete stattdessen Nicole. Fragte nach Wasser. Und ...
Ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerken können, wie an Geralts Armen und Händen auf einmal Muskelstränge und Sehen, plötzlich angespannt, hervortraten, nur für einen Moment und ohne eine Regung seines Gesichts. Und wieder musste er sich denken – was hatte er mit einer Hure zu tun, die er auf dem Weg getroffen hatte? Weshalb machte es ihm etwas aus, dass sie eine Hure war?
Geralt beschleunigte seinen Schritt ein wenig, driftete undwillkürlich ein wenig zur Seite ab, weiter von der Gruppe weg. Kurz antwortete er noch auf Nicoles Frage, wie um sich wieder ins Gedächtnis zu bringen. "Kommt man nicht dran. Ans Wasser."
Rasch wandte er den Kopf wieder ab. Er meinte das Grundwasser, das unter den weiten Ebenen von ganz Ruhta floss und das saftige Grün bewässerte – das aber für einen Wanderer unerreichbar blieb. Der Bauernhof würde einen Brunnen haben, sicher. Ohne Brunnen konnte man in einer Gegend wie dieser nicht überleben.

"Der Junge hat recht", pflichtete Aldred Geralt bei. Der Bauernhof würde einen Brunnen haben, aber in jegliche andere Richtung würden sie lange suchen müssen ehe sie Wasser fanden. Ein Fluss, ein Bach, ein Tümpel war weit und breit nicht zu sehen und der Blick trug hier weit. Sie würden bis zum Abend durchhalten müssen. Wobei... "Ich habe hier noch..." Er griff an seine Seite, wo der Wasserschlauch baumelte. Aldred wusste, dass er fast leer war, aber bis zum Abend würde er es aushalten und am Brunnen konnte er ihn nachfüllen. Nur war der Schlauch nicht mehr da. Lediglich ein gerissener Riemen baumelte noch an Aldreds Seite. "... doch nicht. Vergesst es. Wir werden es so aushalten müssen."
Es war ärgerlich, dass er den Schlauch verloren hatte. Er musste irgendwann während der Kämpfe oder ihrer Flucht abgerissen sein. Andererseits machte Aldred sich schon lange nichts mehr aus so etwas. Er würde auch ohne Wasserschlauch klar kommen. Dann mussten sie eben schneller laufen. Sie zügiger sie voran kamen, desto eher würden sie den Hof und dessen Brunnen erreichen. Er zog die linke Schulter hoch - und hielt inne. Nein, das musste er natürlich auch nicht mehr. Mit dieser Bewegung hatte er immer den Schild auf seinem Rücken zurecht gerückt, der stets dazu neigte ihm ins Kreuz hinab zu rutschen, aber den Schild hatte er ja auch nicht mehr. Der war gesplittert als der Reiter ihn mit seiner Lanze erwischt hatte. Langsam konnte Aldred wirklich nicht mehr umher sich einzugestehen, dass er ziemlich abgerissen wirken musste. Und den Schild würde er vermissen wenn es das nächste mal zu einem Kampf kam. Doch er würde nicht klagen. Solange seine Göttin ihn führte hatte er keinen Grund zu klagen. Er schritt aus, setzte sich an die Spitze des Zugs und ermutigte auch den Rest der kleinen Gruppe, zügiger zu laufen. Es wäre gut, wenn sie die nieder gebrannten Ruinen noch vor Einbruch der Nacht erreichten.

Sahin errötete und ließ den Blick sinken, als Nicole ihn auf seine Blicke ansprach. "Ich...ich wollte...Tut mir Leid." stotterte er, bevor er sich wieder auf die anderen Gruppenmitglieder konzentrierte. Gerade stimmte Aldred Geralts Aussage zu, dass hier in der Ebene kaum Wasser zu finden sein würde. Während sie weiterzogen versuchte er sich an Rhischas Erkundungsflug zu erinnern. "Rhischa hat vorher auch keine Wasserquelle gefunden..." bestätigte er die Aussage der beiden anderen. "...aber vielleicht gibt es beim Bauernhof einen Brunnen oder etwas ähnliches."

Nachdem die Frage nach Essen und Trinken geklärt war, wanderte die Gruppe mehr oder weniger schweigend weiter über die leere Weite des Graslandes. Die Sonne versank bereits am Horizont und tauchte die ganze Landschaft in ein sanftes, oranges Licht, als sie die niedrige Steinmauer erreichten, die den Bauernhof eingrenzte.. Obwohl man kaum noch von einem Bauernhof sprechen konnte. Das Haupthaus war bis auf die Grundfesten niedergebrannt, nur der steinerne Kamin war noch intakt, wenn auch russgeschwärzt. Auch von der Scheune und dem Stall waren nur noch einige verkohlte Balken übrig. Das einzige, was das Feuer überstanden zu haben schien, waren eine riesige Eiche und der Brunnen daneben. diese beiden Dinge standen etwas abseits vom Haus und etwas erhöht auf einem Hügel. Das Feuer hatte sie nicht erreicht. Auf Nahrung konnten sie eigentlich nur noch unterirdisch hoffen, denn das ganze Gebäude war dem Erdboden gleichgemacht worden. Auch seine Bewohner waren weit und breit nirgends zu finden. Entweder hatte das Feuer sie verschlungen oder sie waren entkommen. Aber sie konnten davon ausgehen, dass sie alleine in dieser Gegend waren.
Finn hielt sie etwas im Hintergrund, als sie auf das Gatter zugingen, durch das man das Grundstück betreten konnte. Wieso hatte es hier ein solches Feuer gegeben? Und wieso bauten die Bewohner ihr Heim nicht wieder auf. Für ihn bestand nur die Möglichkeit, dass sie im Feuer umgekommen waren. Irgendwie hoffte er, dass dieses die Knochen auch gleich mitverzerrt hatte. Obwohl er aus einer gefährlichen Gegend stammt, hatte Finn nur wenige Tote gesehen: Tote, das war etwas für ausserhalb der Mauern und für die Angriffe der Lyarden, bei denen Finn sich immer versteckt hatte bis alles vorbei war. Die wenigen Toten, die er gesehen hatte, waren alles Alte gewesen, die friedlich entschlafen waren. Nicht einmal wenn ein Kind krank war, bekam man dieses zu Gesicht, die Matronen hatten sie dann immer vorsorglich getrennt.
Nein, Finn wollte nicht in den verbrannten Überresten des Hauses nach essen suchen. Das sollten die anderen übernehmen.

Der niedergebrannte Bauernhof war schon auf weite Entfernung ein bedrückender Anblick gewesen und dieser Eindruck verstärkte sich aus der Nähe nur noch. Es war ein tristes Bild der sinnlosen Gewalt - sei sie nun hervor gerufen durch grausame Fremde oder eine bösartige Laune der Natur, die das Feuer entfacht hatte. Dennoch ging das Bild der verkohlten Überreste des Gehöfts, der verbrannten Balken und rußgeschwärzten Ziegel, Aldred nicht wirklich nahe. Vielleicht lag es daran, dass er schon so viel Grausamkeit und Gewalt in seinem Leben gesehen hatte, vielleicht auch an der Isolation, die ihn sowohl physikalisch als auch in seinem Herzen immer weiter von der Gesellschaft entfernt hatte. Der Teil seiner selbst, den dieser Anblick wie die meisten Menschen wohl in Schock versetzt hatte, war irgendwo in den eisigen Einöden gestorben. Dieser Hof hier war nichts weiter als eine weitere Station auf seinem Weg, der Suche nach seiner Göttin. Das Schicksal der bedauernswerten Leute, die hier einmal gelebt haben mochten, war Vergangenheit.
Völlig frei von jenen Hemmungen, die Finn umtrieben ohne dass Aldred davon ahnte, stieg der Schmied tiefer in die ascheschwarzen Bruchstücke, die kaum den Namen 'Ruinen' verdienten. Es war dabei noch nicht einmal der dringliche Wunsch, etwas Essbares unter den Trümmern zu finden, der Aldred antrieb. Es war vielmehr die bloße Neugier. Würde es noch Zeichen geben, die verrieten, was hier vorgefallen war? Mochte es etwas sein, was vielleicht auch sie betraf? Asche stob unter Aldreds schweren Stiefeln auf als er mit langsamen Schritten zwischen den verbliebenen Grundmauern des Gehöfts umher wandelte, ziellos, hier und dort mit dem Kopf seines Schmiedehammers in der Asche scharrend. Doch wie es schien hatte das Feuer aufs Gründlichste alles verzeht, was von Interesse hätte sein können.

Ohne sich von jenen Emotionen, die einen Menschen davon abhalten mochten, das Gemäuer zu betreten, stakte Amun schnurstracks in die Ruine. Avior hatten keine Angst vor Asche und Steinen und ein Fernauge schonmal garnicht. Vorsichtig durchsuchte Amun die Asche. Aber anscheinend war wirklich alles von Wichtigkeit verbrannt und zu Staub reduziert. Schade eigentlich. Irgendetwas zu finden wäre gut gewesen.
"Keine Leichen", stellte Amun fest. Selbt, wenn die Inhaber des Hofes verbrannt waren, hätten sie Knochen gefunden, irgendwo unter der Asche. "Entweder nicht hier gestorben oder Knochen weggebracht. Komisch. Leichen erwartet. Geflüchtet vielleicht? Aber wovor? Hätten Hof nicht wegen eines Brandes aufgegeben. Sind vertrieben worden, heh."

Seline beobachtete kurz wie die anderen begannen in den verkohlten überresten zu stöbern und machte sich dann selbst auf die suche. Sie ging dabei methodisch vor, der Stall war vermutlich nur aus holz gewesen und somit völlig abgebrannt, während vom Bauernhaus noch einige Steinfundamente und Mauern zeugten. Seline versuchte den Brunnen zu finden, die man normalerweise ja aus stabielem Stein Baute. Es dauerte jedoch einen moment bis sie etwas vielversprechendes entdeckte. neben ein paar eingestürzten Brettern konnte sie eine kleine Runde Steinmauer entdecken. Schnell waren die Bretter beiseite geschoben und da es nicht übel oder so roch, schien es sich wirklich um einen Brunnen und nicht um ein Jaucheloch zu handeln. Seline blickte sich um, auf der suche nach einem Eimer, fand jedoch nichts.... vieleicht war er in den Brunnen gefallen als das Holzdach darüber zusammenbrach. "Ich glaube ich hab den Brunnen, aber ohne Eimer und Seil werden wir wohl kaum an das Wasser ran kommen."

Arale war neugierig geworden, flatterte von Nicols Schulter und folgte dem Avior einfach. Sie mukreiste die Stelle an der der Vogelmensch die Asche durchwühlte und blickte neugierig, in der hoffnung das was zu vorschein kam, doch da war nichts. "Wieso sollte jemand die Knochen wegbringen?"

"Keine Spuren wollten sie hinterlassen vielleicht?", merkte Amun an: "Vermutungen sind es nur. Geflüchtet könnten die Bewohner sein, Windschwester." Lustlos durchwühlte Amun noch ein wenig die Asche, ließ dann aber davon ab. Hier war nichts zu finden. Nachdenklich kratzte sich der Avior am Kopf. Der Federkranz um seinen Hals stellte sich auf. Das hier machte ihn zunehmend nervös. Ein Hof abgebrannt? Einfach so? Verdammt unwahrscheinlich. Wenn die Inhaber noch leben würden, wären sie hier und würden den Hof aufbauen. Angesichts der Tatsache, dass sie nicht hier waren, konnte man auf einiges schließen. Hrmph.
"Wundere mich... Nicht wichtig."

Iorweth schaute sich, während die anderen die asche durchwühlten, etwas um. Vielleicht war ja irgendwo ein unterirdisches Lager oder ein Keller, der noch heil war. Vielleicht könnte er auch wasserbeutel auftreiben. Neugierig lief er um die ruine herum und fand einen Keller eingang. Er zog an den griffen der Tür und als sie sich öffnete, zog er diese komplett auf und verschwand darin. Das Licht, das durch die Luke einfiel, erhellte den Kellerraum etwas. Iorweth konnte einige Beutel, Kisten und Fässer erkennen. Interessiert blickte er sich um und begann zu suchen.

Das Licht der Sonne, dass noch warm und feurig geschienen und lange Schatten gezeichnet hatte als sie den Hof erreicht hatten, schwand zusehens und beraubte die Welt rasch sämtlicher Farben. Dunkelheit legte sich über die verbrannten Ruinen und zeichnete das Schwarz des rußes nur noch dunkler, als es ohnehin schon war. Aldred, an dessen Augenlicht der Zahn der Zeit bereits genagt hatte - insbesondere seit ihn in den Einöden des Nordens der Knüppel eines Kobolds gegen den Schädel getroffen hatte und er tagelang auf dem linken Auge blind gewesen war - kam bald zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hatte, weiter durch die Asche zu streifen. Vor dem nächsten Morgen würde zumindest er nichts von Interesse mehr entdecken.
"Wir sollten ein Lager aufschlagen!", verkündete er mit erhobener Stimme. Sie trug weit über das Gelände des Gehöfts hinweg, auf dem die kleine Gruppe sich verstreut hatte. "Nicht hier unten im Dreck. Aber vielleicht finden wir dort drüben bei den Mauern ein bisschen Windschatten um ein Feuerchen zu machen bevor es richtig kalt wird. Und wir sollten Wachen aufstellen. Seline, du siehst mir noch wach genug dafür aus. Und der Elf... wo ist der eigentlich?" Verwundert blickte Aldred sich um. Eben war der Krieger doch noch bei ihnen gewesen "Iorweth?"

Iorweth hatte sich tief im Keller vergraben und betrachtete die "Schätze" die er da entdeckt hatte und die anscheinend nicht gestohlen worden waren. Gerade war er dabei die Beutel die er entdeckt hatte mit Wasser zu füllen als er seinen Namen hörte.
Also stiefelte er zum eingang des Kellers schaute raus und rief,"Ich bin hier. Ich habe einen Keller gefunden."

"Vielleicht haben auch die Dorfbewohner die Knochen weggebracht, um den Toten eine Anständige Beerdigung zu geben." wandte sich Sahin an Amun und Arale, deren Gespräch er mitangehört hatte. "Was mich eher interessieren würde ist, wer oder was diesen Brand verursacht hat." Während er sich den Hof genauer ansah, konnte er Seline hören, die einen Brunnen gefunden hatte. "Da drüben ist auch einer...kann sein, dass dort noch ein Eimer vorhanden ist." meinte er auf den Baum deutend und ging zu ihn hinüber, um den Brunnen genauer in Augenschein zu nehmen.

"Ein Keller?" Aldred wurde hellhörig. Wenn ein Keller den Brand unbeschadet überstanden hatte, dann würden sie vielleicht wirklich noch mehr als Wasser hier finden. Er hatte bereits damit gerechnet, dass sie im Mondlicht die letzten Kartoffeln auf dem Acker ausbuddeln müssten um heute Abend etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Gleichzeitig beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Die Tatsache, dass der Keller noch nicht eingestürzt war, bedeutete nicht, dass er auch stabil war. So gründlich wie der Hof niedergebrannt war hätte Aldred nicht darauf gewettet, dass die Fundamente noch intakt waren. Zumindest die Möglichkeit, die Nacht im vermeindlichen Schutz des Kellers zu verbringen, schied für ihn kategorisch aus. Vielleicht könnten sie ihn sich jedoch im ersten Licht des neuen Tages genauer ansehen. Mit Vorsicht...
"Wir sollten jetzt dennoch zusehen, dass wir ein Nachtlager aufschlagen und ein Feuer entfacht bekommen ehe wir im Dunkeln tappen", entschied er. Die rationale Seite in ihm übernahm wieder die Kontrolle. "Seht mal nach, ob ihr irgendwo Brennholz auftreiben könnt. Und dann kommt am besten... am besten hier rüber... in den Schutz der Mauerreste dort!" Er wies auf ein kaum zwei Fuß hohes Stück rußiger Umfriedung. Das würde ihnen für die Nacht zumindest Schutz vor dem Wind bieten.

Finn hatte sich, statt den anderen in die Ruinen zu folgen, zum Baum und dem Brunnen aufgemacht. Er wollte gar nicht trinken, er war überhaupt nicht durstig. Aber irgendwie hatte der Baum eine seltsame Wirkung auf ihn. Er fand ihn beeindruckend. So etwas hatte er noch nie gesehen. Die Eisige Einöde war eine kahle Schneewüste und der Wald, in dem sie gewesen waren, hatte keinen solchen Baum zu bieten. Mit der gewaltigen, ausladenden Krone und dem Stamm, der so breit war, dass Finn wohl nicht dreimal hätte drum rum fassen können, wollte irgendwie nicht in diese eben so kahle, wie leere Graslandschaft passen. Weit und breit war sonst nichts zu sehen, dass sich über die Ebene erhob, nur die Baum thronte hier, einsam, aber majestätisch.
Gerade wollte Finn noch einen Schritt näher gehen, um die gefurchte Rinde des Riesen zu berühren, als er aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie sich jemand näherte. Er drehte sich um und erblickte - erleichtert - Sahins Gesicht. Von dem Brunnen, den Seline gefunden hatte, hatte er nicht mitbekommen, doch er zwang sich ein Lächeln ab und seinen erschrockenen Gesichtsausdruck weg.
"Sahin... beeindruckend... der Baum... nicht?", nuschelte er und zog den Kopf zwischen die Schultern.

Nichts an den verkohlten Ruinen des Bauernhofes zog Geralt in irgendeiner Weise an. Er hatte nicht viel Ähnlichkeit mit dem, auf dem er früher gelebt hatte – jedenfalls nicht so, wie er ihm in Erinnerung geblieben war. Er hatte ihn selbst angesteckt, sichergestellt, dass er ebenso gründlich abbrennen würde wie dieser hier, aber auf das Ergebnis nie einen Blick geworfen.
Fantasie genug hatte er dennoch, um sich auszumalen, dass er genausogut vor den Ruinen seiner Kindheit hätte stehen können. Erinnerungen kratzten an ihm, unangenehm, aber zu schwach für mehr als das.
Es gab andere Dinge. Nicht wichtigere Dinge, aber Dinge, die ihn ablenken konnten, an die zu denken ein einfacherer Weg war. Der Abend war schön, wenn man den Blick einmal von der Ruine abwenden konnte. Die Sonne ging als gewaltiger Feuerball unter, und ihr warmes Blutrot ließ beinahe vergessen, wie unnahbar und fremd sie eigentlich war; der Abendwind strich, wie faul, nur alle paar Minuten über die Ebene, ließ das Gras träge rascheln und vertrieb für einen Moment die Wärme von der Haut; leise knarrten die Äste des gewaltigen Baumes, als klagte er monoton um die Bewohner des Hofes, den er bewacht hatte. Mit dem Rücken zu der Ruine und Blick auf den Baum ließ er sich nieder. Wohl nur für einen Moment, bis es kühler wurde. Brennholz suchen, so sagte ihm eine rasche Überlegung, brauchte er nicht. In der Ruine würden sie nichts finden, im Keller suchte bereits jemand, und der Baum stand im vollen Saft. Er konnte sich Zeit lassen.

Iorweth brummte irgendwas unverständliches und verschwand wieder im Keller. Einige leere Kisten standen dort herum, die er leicht zu brennholz verarbeiten konnte. Also griff er sich zwei der Kisten, legte die Wasserbeutel hinein und trug diese hinaus zur Gruppe. "Im Keller habe ich noch einiges mehr gefunden, neben dem Fass mit Frischwasser. Irgendwie seltsam das den keiner ausgeplündert hat."

"Feuerholz hole ich. Gut im Dunkeln sehe ich", gab Amun zu hören, der angesichts von Sahins Vermutung nur mit den Schultern gezuckt hatte. Menschen, heh? Dachten zuviel nach. Aldred war da schon besser. Der dachte immerhin daran, dass sie Schutz für die Nacht brauchten. Andererseits war Amun grade nicht besser gewesen als die anderen Menschen. Kleiner Hypokrat, heh? Außerdem knurrte Amun der Magen. Wie lange hatte er nichts mehr gegessen? Er hatte auf dem Marktplatz in Hells Gate ein Brot gekauft. Das war irgendwo da geblieben. Und davor war er zwei Tage geflogen. Das alles ließ sich ziemlich gut mit Mordshunger zusammenfassen. Amun schlich über die Ebene, hob hier und dort einen Zweig oder Ast auf, der ihm trocken genug erschien. Vor ihm bewegte sich ein Strauch. Ein Rebhuhn kam arglos vor ihm aus dem hüfthohen Gebüsch. Für einen Moment sahen sich Avior und Vogel stumm an als wollten sie abschätzen, welche Gefahr ihr jeweiliges Gegenüber darstellte. Rebhuhn und Avior machten gleichzeitig einen Satz. Mit lautem Kreischen rollten die beiden ein Stück den Hügel runter, bevor Amun es schaffte dem Rebhuhn den Kopf umzudrehen. Das Genick brach mit hörbarem Knacken.

"Ein ruhiger Abend, nicht?"
Eine noch immer von Gräsern durchflochtene Lockenflut ergoss sich über Geralts Schulter wie schmutziges Gold. Nicole lächelte, ehe sie sich neben ihn setzte, die Beine in sehr unfemininer Weise von sich gestreckt. Kurz strich ihr Blick über den Jungen neben ihr, flüchtig, wie um sich zu vergewissern, dass er sie überhaupt bemerkt hatte, ehe sie wieder zur Sonne sah. Der Waldläufer war schweigsam. Woran seine wortkarge Art wohl liegen mochte? War er fremd in dieser Welt, wie Amun, oder hatte ein hartes Leben hinter sich, Aldred ähnlich? "Darf ich dich etwas fragen?" Mit einem leichten Hüpfer war sie auf den Knien, in die Richtung des Bogenschützen gedreht, langte auf den Boden nach seiner Hand. Für einen Moment zögerte sie, doch dann hob sie den Arm auf Augenhöhe und rieb mit zwei Fingern über dessen Zeigefinger. "Mir fiel auf, du hast hier Schwielen, aber auch dort..." Ihre Finger glitten weiter zur Innenseite seiner Hand, sanft. "Ich frage mich - weshalb hast du dich meinem Ziel angeschlossen, wo du doch offenbar sowohl Krieger als auch Arbeiter sein könntest?" Ihre Augen suchten die des Jungen, fürchteten für einen Moment, er würde ihr seine Hand entziehen und sie schlagen. Sie wusste nicht, wann sie zu weit ging. Ihre Scheu vor Berührungen war längst verblasst. Dennoch, eine ehrliche Antwort mochte das Mysterium der Gruppe lösen und ihr etwas Zeit verschaffen, in der sie nicht an ihren Hunger, die Nacht und den zerstörten Hof denken musste.

Lag es an diesen nieder gebrannten Ruinen? War es der Anblick all dieser Zerstörung? Die Vorahnung, die finsteren Stunden der Nacht an diesem Ort des Todes verbringen zu müssen? Etwas schien die Gruppe nervös zu machen. Schien sie instinktiv von diesem Ort fort zu drängen, wie die unsichtbare Kraft, die zwei Magneteisensteine von einander abstieß. Sie trieben auseinander, verstreuten sich über die umliegenden Hügel, mieden den asche- und rußbedeckten Boden als drohte die Schwärze, sie aufzufressen. Die Notwendigkeit, ein Nachtlager aufzuschlagen, etwas Essbares aufzutreiben oder auch nur ein paar Schluck Wasser aus dem Brunnen zu fördern, ignorierten sie gekonnt, standen lieber untätig herum als irgendwo Hand anzulegen, hilflos, ratlos. Aldred war sich nicht ganz sicher, woran es liegen mochte. Ihn selbst ließ der Anblick der zunehmend in den Schatten versinkende Szenerie kalt, vielleicht, weil er schon zu viel Tod, zuviel Zerstörung gesehen hatte. Er versuchte sich zurück zu erinnern an die Zeit, als er als unbedarfter Mann die Stadt verlassen hatte, versuchte sich in die Köpfe seiner teils viel zu jungen Begleiter hinein zu versetzen. Schockte dieses Bild sie? Machte es ihnen Angst? Es wollte ihm nicht recht gelingen, diese Fragen zu klären.
Wenigstens Iorweth schien sich seine Vorschläge zu Herzen zu nehmen und tat das, was nötig war. Mit schiefem Lächeln stellte Aldred fest, dass sein Respekt vor dem Elfen anwuchs. Er mochte kein sonderlich gesprächiger Zeitgenosse sein, mochte bisweilen beinahe ein wenig spröde wirken, doch man schien sich auf ihn verlassen zu können. "Hier rüber!", rief er und winkte Iorweth hinüber zu jener Stelle, die er für das Lager auserkoren hatte. Hinter den Resten des Mäuerchens lag eine natürliche Bodensenke, rußig aber trocken und sie würden ebenso gut vor unfreundlichen Blicken wie vor dem Wind geschützt sein. Aldred nahm dem Elfen das zerschlagene Holz ab und begann es mit ruhiger Routine aufzuschichten. Aus seiner Tasche kramte er mit der unverletzten Rechten Feuerstein und Eisen und ein Stück trockenen Zunder, den er ein wenig zerkrümelte ehe er sich daran machte, einen Funken heran zu züchten.

Sahin betrachtete einige Zeit lang den Baum und fuhr anschließend über die furchige Rinde. Vermutlich stand diese bereits seit mehreren Generationen hier und wachte über das Land. "Ein schöner Baum." murmelte er mehr zu sich selbst als zu Finn, kurz bevor er spüren konnte, wie Rhischa sich von seiner Schulter abstieß und höher stieg, um sich einen geeigneten Schlafplatz auf den Ästen zu finden. Anschließend wandte er sich vollkommen zu dem Jungen um. "Wieso findest du ihn den so beeindruckend?" wollte er wissen. Für ihn war dieser Baum keine wirkliche Sensation, dafür hatte er bereits zu viele andere gesehen.

Finn drehte sich um sich selbst, während er dem Flug des Falken folgte, bis dieser sich in den Ästen niederliess. Der Junge blickte wieder verträumt den Baum an. Es musste grossartig sein, in einer Welt aufzuwachsen, in der solche riesige, schöne Dinge überall zu sehen waren. Andererseits, vielleicht wäre er dann gar nicht so besonders und grossartig. Für die anderen hier war es vielleicht etwas Seltsames, wenn man sich nur dick eingehüllt draussen bewegen konnte und man sich Tag für Tag vor einem Angriff eines anderen Volkes fürchten musste. Sahin schien es jedenfalls seltsam zu finden, dass er sich so sehr von diesem Baum beeindrucken liess. Es war ja schliesslich nur ein einfacher Baum. Aber so gross...
"Er...", begann Finn, brach dann aber ab, um seinen Blick von den ausladenden Ästen zu lösen und Sahin wieder ins Gesicht zu schauen. "Er ist... so gross. Und grün. Ich habe noch nie so einen riesigen, grünen Baum gesehen. Um ehrlich zu sein habe ich vor heute morgen noch gar nie einen Baum gesehen..."
Finn wurde gegen Ende hin immer leiser und sein Gesicht wurde rot, weil es ihm peinlich war, so etwas zuzugeben. Bestimmt hielt Sahin ihn jetzt für ein komisches Kind. Noch bevor er seinen Satz beendet hatte, liess er seinen Blick schon wieder sinken und beendete die Worte in Richtung seiner Stiefelspitzen.