GQ - [Die MSG]

Finn blinzelte. Wieder. Noch immer war die weisse Decke über ihm, es war also kein Traum gewesen, dass sie das Reija-Kloster erreicht hatten und man ihn geheilt hatte. Diesmal war etwas klarer bei Sinnen und bemerkte die beiden Männer, die an seinem Bett sassen und leise miteinander sprachen. Er erkannte sogar die Stimme des Sprechenden. Aldred! Finn legte den Kopf auf die Seite und blickte zu dem Schmied, der sich mit einem breiten Lächeln zu ihm herabbeugte. Er sah ganz anders aus, rasiert und ohne sein Bärenfell, Finn hätte ihn fast nicht erkannt, aber er wusste schliesslich, dass es Aldred war. Auch sein eigenes Gesicht zierte ein schwaches Lächeln.
"Geht... geht es allen gut? Und... und weisst du... wo meine... Sachen sind... meine Tasche?", fragte er mit schwacher Stimme. Aldred war einer der wenigen, bei denen er sich nicht fürchtete, etwas falsch zu machen, wenn er ihn ansprach. Er vertraute dem Schmied wirklich, schliesslich hatte er ihn schon so oft gerettet, dass er wie Geralt als Held gelten sollte. Apropos Held, da drängte sich ihm noch eine andere Frage auf. "Und habe... sie hier Magier?"

"Keine Magier... Mönche...", versuchte Aldred sich darin, dem Jungen zu erklären was er selbst nur mit Mühe verstand. Dabei griff er mit seiner breiten, schwieligen Pranke nach der Hand des Jungen, die schwach auf der Decke des Bettes lag und drückte diese, weniger als Zeichen der Aufmunterung, sondern mehr um seiner Erleichterung, dass Finn wieder unter ihnen war, Ausdruck zu verleihen. "Sie... sind Grindyl... Kinder von Licht und Schatten... die Macht der Göttinnen ist stark in ihnen. Ich... denke nicht, dass man sie Magier nennen kann... jedenfalls sind sie keine Magier, wie du sie wahrscheinlich kennst... es ist keine Zauberei, die sie wirken... eher... nun... Wunder, wenn man es so nennen will." Er ließ Finns Hand wieder los und richtete sich auf seinem Schemel auf, blickte sich im Raum um. Die Sachen des Jungen konnte er nirgends sehen. "Deine Sachen... vielleicht sind sie noch in der Halle, in der die Grindyl für dich gebetet haben. Oder noch auf dem Wagen. Ich... kann nach ihnen sehen. Wenn du das möchtest..."

Für einen kurzen Moment trübte sich ein unzufriedener Ausdruck Finns Gesicht, doch einen Moment später war er schon wieder weg. Er wollte sowieso kein Heiler werden, auch wenn dies auch eine beeindruckende Form der Magie war. Dann würde er immer noch nach E'jin müssen. Er hoffte, dass die anderen mit ihm mitreisen würden. Oder zumindest Geralt. Jedenfalls musste er, sobald er wieder aufstehen konnte, einen der Grindyl fragen, wie weit das Kloster von der Magierstadt entfernt war und wie man am schnellsten dorthin gelangte.
"Hm... Wenn es.... dir nichts ausmacht?... Ich... ich würde... gerne etwas... lesen hier....", antwortete Aldred schliesslich. "Und die Grindyl... sie sind Schöpfungen... der beiden Göttinnen von Licht und Schatten und von ihnen mit Urmagie ausgestattet und zugleich mit dem Verlangen, beide zu nutzen, weshalb sie keine verraten können. Sie sind seit dem Erbau dieses Klosters hier und viele der Hohepriester waren Grindyl", er brach ab und errötete. "In... in... der Bib...Bibliothek habe ich mal ein... Buch darüber gelesen..."

Als er erwachte lag Geralt in vielleicht dem weichsten Bett seines Lebens. Nicht nur die Füllung schien aus Eiderdaunen zu bestehen, auch das Tuch selbst war aus feinem Leinen, so weiß, dass die dezenten geometrischen Stickereien, die die Nähte ein wenig verschönerten, im Licht der Sonne zu glänzen schienen. Golden streute die schwache Reflektion der Mittagssonne an den feinen, hölzernen Jalousien einen Schein über den Raum, über die sehr sorgfältig gekalkten Wände, das bequeme Bett und Geralts bloßes Haupt und Schultern, die unter der Decke hervorschauten.
Er rührte sich nicht. Regungslos genoss er den Moment, atmete leise, als ob jede allzu rasche Regung den Augenblick zerstören, den Raum wie einen zu wunderbaren Traum zerstieben lassen konnte. Vor dem Fenster sang ein Vogel, immer wieder drang sein zögerliches Tschirpen durch das dünne Fenster; gespannt wartete Geralt auf jeden neuen Ton, hielt den Atem an und lauschte, bis das Vögelchen wieder rief.
Langsam drehte sich der Waldläufer auf die Seite, wandte sich ganz dem Fenster zu. Angenehm kühl koste das weiche Leinen seinen nackten Oberkörper, aber Geralt fragte sich nicht einmal, wo seine Kleidung abgeblieben war. Die Mönche würden dafür gesorgt haben. Sie sorgten für ihn, hier ihn ihrem Kloster. Der Gedanke an das Ende dieser Zeit kam ihm nicht. Es schien ihm eine goldene Ewigkeit zu sein, in der er andächtig da lag und auf die Jalousie sah, auf der langsam die Sonnenstrahlen wanderten, und er lächelte.

"Entschuldigung?", hauchte ein Mönch die Frage in die kalte Luft. Amun drehte um und wandte den Blick von den Gipfeln ab, um ihn auf sein Gegenüber zu richten. Die Mönche hier waren bis jetzt über sich selbst hinausgewachsen, was ihre Gastfreundschaft anging, was Amun zu einem ehrerbietigen Gruß veranlasste. Rechte Hand aufs Herz, linke in die Höhe: "Atme tief, flieg hoch."
Der Mönch lächelte und hob an: "Der Junge, Finn, ist aufgewacht. Ich dachte, Ihr wolltet vielleicht Bescheid wissen? Es scheint ihm gut zu gehen. Vielleicht wollt Ihr nach ihm sehen?"
"Danke für die Nachricht. Es gibt da aber jemanden, der sie ebenfalls wird bekommen wollen."
Mit einer Verbeugung verließ Amun den Mönch und suchte seinen Weg zu Geralts Quartier. Dort angekommen machte er sich mit lautem Klopfen an der Tür bemerkbar.
"Geralt? Aufwachen, heh! Finn ist wach." Wie er den Menschen kannte sollte das reichen, um ihn gleich aus der Tür schießen zu lassen. Vermutlich in vollem Gallop in Richtung Finn.

Iorweth hatte von einem der Mönche mitgeteilt bekommen, das Finn inzwischen aufgewacht war, aber er vermutete, das die anderen sicher schon bei ihm waren, und da wollte er nun auch nicht reinplatzen. Ausserdem hatte er ein anderes, für ihn wichtigeres Problem. Er hatte noch keine möglichkeit gefunden, seine inzwischen trocknenen Haare zu flechten. Alleine hatte er oft schwierigkeiten dabei. Wenn er in einer stadt war, bezahlte er ein Dienstmädchen dafür, die kannten sich mit haare flechten wenigstens aus. Aber hier gab es irgendwie keine person, der er sich anvertrauen wollte. Während er so herumwanderte, kam er auch an Selines zimmer vorbei. Kurz blieb er vor der Tür stehen und überlegte, ob er sie denn fragen sollte.
Nun, sie würden vermutlich länger herum wandern und er fragte lieber eine Frau, als einen der anderen. Kurz klopfte er an die tür und trat dann entschlossen ein. "Seid gegrüsst. "grüsste er sie mit einem leicht scheuen unterton. "Ich würde euch gern fragen, ob ihr mir vielleicht helfen könntet..Ich brauche hilfe, meine Haare in ordnung zu bringen." brachte er dann etwas sicherer hervor. Um sein Handgelenk waren einige Lederbändchen geschlungen, damit er sie nicht verlor. Die blonden Haare verdeckten ein wenig seine Ohren. Nur wer genauer hinsah, erblickte die hervor blitzenden Spitzen der Ohren.

Aldred beschränkte sich auf ein schlichtes Nicken um dem Jungen zu verstehen zu geben, dass er seinem Wunsch nachkommen würde. Er wartete, bis dieser mit seiner Erzählung geendet hatte, nickte unterdessen noch ein paar mal leicht, dann stemmte er sich am Bettrahmen hoch. "Pass mir auf ihn auf", bat er Alexander, dann verließ er das Zimmer. Gedankenversunken wandelte er durch die hohen Gänge des Klosters während er darüber grübelte, wo Finns Sachen wohl sein mochten? Wo sollte er seine Suche beginnen? Er war sich nicht sicher, was sie mit Finns Sachen gemacht hatten, als sie hier angekommen waren. Sie hatten dringenderes zu tun, als sich um Kleiderbündel und Taschen zu kümmern. Hatten die Verwundeten in die Halle gebracht. Aber dann? Er entschied sich, zuerst auf dem Wagen nachzusehen. Die Grindyl hatten ihn mitsamt dem Ochsen in einem Stall an der Klostermauer untergebracht.
Und tatsächlich erwies sich Aldreds Gespür als richtig. Den dürftigen Proviant, den die Dörfler ihnen mitgegeben hatten, hatten die Mönche fort geräumt, doch die Decken und Säcke lagen noch immer auf der Ladefläche und unter ihnen fand der Schmied auch Finns Tasche. Als er sich jedoch mit dieser auf den Rückweg machte und aus dem Stall trat kam ihm auf dem Klosterhof ein Grindyl entgegen. "Meister Aldred!", grüßte er ihn. Alle Grindyl nannten ihn so. Aldred war sich nicht sicher, warum sie es taten, aber im Grunde war es ihm auch gleich. Der Titel war nicht falsch, schließlich war er ein Handwerksmeister. Aber Aldred hätte auch nie Wert darauf gelegt, als solcher bezeichnet zu werden. "Der Hohepriester hat mich nach euch geschickt. Er wünscht mit euch zu sprechen." Die Stimme des Grindyl war ruhig und freundlich, trug kein Zeichen von Ernst oder Besorgnis, dennoch weckten seine Worte mit einem mal die Befürchtung in Aldred, dass es eine ernste Sache war, deretwegen der Hohepriester ihn rufen ließ. War etwas mit Nicole geschehen? Wie benommen nickte er dem Mönch zu. "Ich komme sofort", antwortete er.
"Folgt mir, Meister Aldred", bot der Mönch an, "Ich bringe euch zu ihm." Das kleine Wesen ging voran und Aldred folgte ihm. Finns tasche hielt er noch immer in der Hand.

Finn lächelte, als Aldred losging, um seine Tasche zu holen, doch er zuckte zusammen, als er Alexander sah. Bisher hatte er den Mann noch gar nicht gesehen, viel zu sehr war er mit dem Schmied beschäftigt gewesen. Doch jetzt fiel ihm ihr Retter aus und er fühlte sich schlagartig unwohler, vor allem, da Aldred nun auch noch den Raum verliess. Unwillkürlich zog er die Decke höher und beulte sie aus, um grösser zu wirken als er war. Eigentlich wusste er, dass keine Gefahr von seinem Gegenüber ausging, schliesslich hatte Aldred seine Anwesenheit bedenkenlos akzeptiert und auch wenn er mit seiner Riesennarbe über dem Gesicht wirklich furchteinflössend aussah, hatte er sie gerettet. Dennoch konnte Finn seine irrationale Furcht vor dem Fremden nicht abschütteln.
"Du... du... Ihr... du... lebst... hier?", stotterte er eine Frage, weil er sich in der entstehenden Stille zunehmend unwohl fühlte. Verzweifelt wünschte er, dass jetzt Geralt oder Amun hinein kamen und ihn aus dieser Beengung erlösten, mit einem Fremden alleine zu sein, ohne Bücher hinter denen er sich verstecken konnte und ohne die Möglichkeit, davonzuschleichen. Irgendwie fühlte er sich unangenehm an die alljährlichen Besuche der Stadtältesten im Waisenhaus erinnert. Bei diesen Veranstaltungen hatte er auch nie weggehen können und hatte die Blicke der Fremden auf sich gespürt.

Natürlich bemerkte Alexander Finn's Unwohlsein. Natürlich war es verständlich - wer schaute schon gerne in ein, mit einer riesigen Brandnarbe versehrtes, Gesicht? Also konnte Alexander es nachvollziehen, doch es gefiel ihm nicht. Also blickte er Finn mit einem etwas finsteren Blick an. "Ja ich lebe hier" antwortete er schließlich und versuchte seinen Blick freundlicher zu erscheinen lassen. Noch mehr Angst konnte der Kleine nicht gebrauchen. Dann fügte er hinzu :" Die Mönche haben mich vor mehreren Jahren hier aufgenommen." Alexander versuchte das Gespräch in eine angenehme Richtung verlaufen zu lassen. "Mein Name ist Alexander und du bist doch Finn - oder?" Er hoffte, dass er Finns Angst etwas lindern könnte. Oder zumindest nicht zu steigern.

Seline lag auf ihrem Bett, ein Armpaar hinter dem Kopf verschränkt, das andere lag Däumchen drehend auf ihrem Bauch. Seit der Ankunft im Kloster war sie praktisch in ihrem Zimmer gewesen, einzig um sich zu waschen, hatte sie es verlassen. Diese Grindyl-Mönche waren ihr irgendwie nicht Geheur. Seline war sich sicher das Sie sofort erkannt hatten, was sie war, doch machten sich anscheinend nichts daraus. Seline war im Prinzip ja schon froh das Sie nicht gleich wieder aus dem Kloster geworfen wurde, schliesslich galt ihre Rasse als Ungläubige und streng genommen galt das ja auch für Seline, auch wenn sie erst gerade dinge erlebt hatte, die sie sicherlich dazu gebracht hätten die Sache noch einmal zu überdenken, wenn sie dafür Zeit gehabt hätte. Doch da war immer noch etwas anderes gewesen, zumindest kam es Seline so vor. Irgendwie verhielten sich die Grindyl in ihrer Gegenwart seltsam, so als ob sie sich in ihrer Gegenwart irgendwie unwohl fühlten. Aufgefallen war Seline das zum ersten Mal vor einem Tag, als sie bemerkte, wie einer der Mönche sie ansah und wohl dachte das Seline ihn nicht bemerkt hatte, doch darauf angesprochen stritt er alles ab und hatte Seline versichert, dass alles in Ordnung sei. Dieser merkwürdige Blick hatte Seline jedoch keine Ruhe gelassen, den sie glaubte nicht das dieses komische Verhalten wegen ihrer Rasse war, den das hätten die Grindyl nicht abstreiten müssen.
So in Gedanken versunken bemerkte sie nicht, wie jemand an ihre Türe klopfte und nur wenige Augenblicke später Iorweth in der Türe stand. Erst als Seline die Stimme des Elfen vernahm wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und schreckte hoch. Iorweth hatte Seline quasi kalt erwischt, den jetzt war es natürlich zu spät um nach ihrem Mantel, der auf einem Stuhl neben dem Bett lag, zu greifen und sich zu bedecken. Völlig überrumpelt blickte Sie zu dem Elfen, unfähig etwas zu sagen.

Iorweths blick fiel auf Selines Körper und erschrocken und peinlich berührt, weil er nicht damit gerechnet hatte, das sie nicht angezogen war, drehte er sein Gesicht in eine andere Richtung. "Entschuldigt bitte.. es tut mir leid. Ich hätte warten sollen.. Wenn ihr wünscht, komme ich in ein paar minuten wieder, wenn ihr etwas anhabt." Inzwischen war sein Gesicht vor verlegenheit puterrot und er wagte es gar nicht, sie anzusehen. Am liebsten wäre er rausgerannt, um sich zu verstecken. Es war ihm Peinlich, das er nicht gewartet hatte. Nun stand er däumchendrehend vor der Tür und wartete auf eine antwort von Seline.

Nach ein paar Sekunden, die Seline allerdings wie eine Stunde vorkamen, schaffte sie es, sich aus ihrer erschrockenen Starre zu lösen und Griff nach ihrem Mantel. "Was fällt dir ein!!" Hastig schlang Seline den Mantel um ihren Körper und bedeckte sich wieder. Sie war ebenfalls rot im Gesicht, wenn auch nicht ganz so extrem wie Iorweth, schliesslich war ihr das ganze auch peinlich. Ihre anfängliche Wut war bereits wieder verflogen, schliesslich war sie ja auch selbst schuld daran. "ist...ist schon gut... du konntest ja nicht wissen das... na ja.... ich wollte dich nicht anschreien." Im Nachhinein hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Was hatte sie dabei bloss gedacht, schliesslich hätte ja auch ein völlig Fremder hineinkommen können. Vorsichtig stand Seline auf und legte Iorweth eine Hand auf die Schulter. "am besten wir vergessen die ganze Sache und fangen noch mal von vorne an, einverstanden?"

Iorweth nickte leicht, blickte aber noch etwas unschlüssig auf den fussboden. Nach ein, zwei minuten hob er dann den Kopf und zeigte ihr die Lederbänder, die er sich um sein Handgelenk gewickelt hatte. "Ich wollte fragen, ob du mir mit meinen Haaren behilflich sein kannst. Es dauert recht lang, wenn ich es alleine mache." Vorsichtig blickte er nach oben in ihr Gesicht, darauf bedacht, nicht woanders hinzusehen.

Die Ruhe, in der Geralt schwebte, wurde jäh zerrissen, als Amun an die Tür klopfte und mit seiner sonderbar kreischenden Stimme rief. Aber der Junge nahm es ihm nicht übel, brachte er doch gute Neuigkeiten. Einen Moment sah er noch den goldenen Streifen, die die Sonne auf die Wand malte, hinterher, dann rollte er sich aus dem Bett und stand auf. Rasch zog er sich die Hose an, die über einem Hocker für ihn bereitlag. Sie war ungewohnt glatt und steif, frisch gewaschen. Wo seine eigenen Sachen war wusste er nicht – vielleicht wurden sie gerade gereinigt oder waren noch da, wo man ihn von seinen Wunden geheilt hatte. Selbst die angekohlten Stellen im Haar waren sorgsam herausgeschnitten worden, stellte Geralt fest, als er sich durch die Haare fuhr.
Barfuß lief er zur Tür und öffnete, trat hinaus zum Vogelmenschen. "Danke", sagte er, während er sich wünschte, die Mönche hätten ihm zumindest noch ein Hemd hingelegt. Vielleicht hatten sie nichts in seiner Größe da gehabt, immerhin waren sie alle mehr als einen Kopf kleiner als Geralt. Amun schien es ohnehin nichts auszumachen. Unschlüssig blickte er in beide Richtungen den Gang hinab. "Wo? Ich … habe geschlafen."
Tatsächlich war er, während sich die anderen anscheinend schon auf den Aufenthalt im Kloster eingestellt hatten, zum ersten Mal wirklich in ihm unterwegs. An seine Behandlung erinnerte er sich nicht – er musste geschlafen haben, erschöpft von der Reise.

Seline blickte auf die Lederbänder. Ihr erster Impuls war zu fragen ob Iorweth Sie für ein Zimmermädchen oder so was hielt oder nicht bemerkt hätte das Sie eine Söldnerin und keine Hausfrau sei. Doch wenn sie sich recht überlegte, wen sollte er dann fragen? Nicole sicher nicht und ansonsten hatte Seline im ganzen Kloster keine Frau gesehen, von daher schien es ihr schon wieder logisch das Iorweth einfach einmal bei ihr nachgefragt hatte. Sie nickte kurz und deutete auf den Schemel, auf dem zuvor noch ihr Mantel gelegen hatte. "setz dich. Ich helfe dir, aber nur, wenn du nicht gleich ausrastest, wenn ich dir ausversehen ein Haar auszupfe." Im Prinzip war es keine grosse Sache, Iorweth gab Ihr die Lederbänder und mit vier Händen war es für Seline kein grosses Problem dem Elfen die Haare zurecht zu machen, musste aber zwischendurch nachfragen ob Sie es so richtig machte. Seline war die ganze Zeit jedoch ein wenig unruhig, einfach weil sie ihre Rasse bisher geheim gehalten hatte und Iorweth das natürlich nicht übersehen haben konnte. Doch sie war sich auch unschlüssig, ob sie ihn nochmals drauf ansprechen sollte, wegen des peinlichen Zwischenfalls, der damit verbunden war.

Iorweth versuchte sich zu entspannen und ließ Seline seine Haare flechten. Hin und wieder ziepte es leicht, aber der Elf regte sich nicht. Als sie fertig war betastete er kurz das ergebnis und lächelte zufrieden. "Vielen dank." Elegant erhob er sich von dem Schemel und blickte Seline kurz an. "Es tut mir leid, das ich dich so überrumpelt habe. Ich verspreche dir, den anderen nichts zu sagen, wenn du das willst." Verlegen blickte er nochmal drein und rieb sich unbewusst den nacken.

"Komm, heh! Folge Amun. Ist nicht weit", erklärte Amun und eilte auch sogleich. Seit sie hier angekommen waren, hatte sich sein Schritt geändert. Der Avior lieg seltsam beschwingt und schlug beim Laufen ab und an mit den Flügeln. Das Ergebnis war eine Gangart, die halb Laufen halb Hüpfen war. Mit lautem Klacken von Amuns Klauen schwenkten die beiden in den Gang ein, auf dem Finns Zimmer lag. Amun verlangsamte, um Geralt den Forttritt zu lassen. Ein knappes Nicken in Richtung der Zimmertüre war sein ganzer Kommentar zu der Sache.
"Werde draußen warten, heh. Für eine Weile. Nur nicht zu lange. Will Finn auch sehen."

Finn nickte nur und duckte sich noch ein wenig mehr unter seine Decke. Der Mann wollte sich nur mit ihm unterhalten, doch sein finsterer Blick sagte etwas anderes. Finn konnte sich kaum gegen Drang wehren, sich ganz unter seiner Decke zu verkriechen. Alexander war ihm einfach zu fremd, zu gross, zu gefährlich. Er wusste, dass dieser man ein guter Kämpfer sein musste, schliesslich hatte seiner Truppe das Dorf unter seiner Leitung gerettet und seine Vergangenheit schien hart gewesen zu sein, doch Finn fand einfach nichts, was ihn mit diesem Mann verband und wieso er hier war. Wenn er irgendetwas erfahren wollte konnte er doch mit Aldred oder Gerlat oder Amun sprechen. Es gab einfach keinen Grund, wieso er hier in diesem Zimmer bleiben sollte und das machte Finn misstrauisch.
"I... i... ich bin mü.. müde...", murmelte er, in der Hoffnung, dass Alexander die Lüge schlucken würde und das Zimmer verliess.

Rasch und glücklich folgte Geralt dem Vogelmenschen über den kalten Steinboden. Niemand begegnete ihnen, was ihm auch nur recht war; mit Finn nur in Hosen zu reden war etwas ganz anderes, als den Mönchen oder sogar einem fremden Gast des Klosters zu begegnen. Der das vermutlich nicht nur für unangemessen, sondern auch noch für erbärmlich halten würde.
Mit einem leichten Lächeln bedankte sich Geralt noch einmal bei Amun dafür, dass er ihn hergeführt hatte, bevor er vorsichtig die Tür aufschob. Finn lag da, unter der Decke, sah aber nicht sehr glücklich aus – eher verängstigt. Rasch schob der Jugendliche die Tür ganz auf, und sah Alexander am Bettrand stehen. Er sah nicht böswillig aus, aber doch, mit seiner breiten Gestalt und seinem vernarbten Gesicht, bedrohlich. "Geht", sagte Geralt, bevor er sich genau bewusst war, was er da eigentlich tat. Er, ein Junge ohne Rechte oder Familie, nicht einmal mit einem Hemd am Leib, sagte jemandem, der nicht nur ein mächtiger Krieger war, sondern wahrscheinlich auch noch adelig, er solle verschwinden.
Beinahe instinktiv aus Furcht vor einem Schlag zurückweichend trat Geralt wieder halb aus der Tür heraus. Kurz war Angst in seinem Blick zu sehen, bevor er ihn auf den Boden richtete. "Bitte."

Seline blickte kurz verlegen zu Boden und erneut wurde sie wieder etwas rot im Gesicht. "Hör zu Iorweth... das, was eben passiert ist, dass ist... sagen wir einfach mal, das ist dumm gelaufen... war einfach Pech... vergeben und vergessen..." sie versuchte zu lächeln, aber irgendwie gelang ihr das nicht so richtig. "­Aber... wenn du das Ganze irgendjemandem erzählst, das würde ich dir nicht ­verzeihen..."

Alexander blickte Geralt verwirrt an. Langsam stieg Zorn in ihm auf - wie konnte er es wagen so mit ihm zu sprechen? Er lebte hier im Kloster, hatte ihn und die anderen gerettet und was bekam er dafür? Er wurde förmlich aus dem Zimmer geworfen. Wütend richtete er sich vom Stuhl auf und wandte sich an Geralt. Erst wollte er ihn zurechtstutzen, doch als er sah wie dieser unterwürfig und wahrscheinlich auch etwas ängstlich die Augen zum Boden richtete, besann er sich. Augenscheinlich waren Finn und Geralt verängstigt von ihm. Diese Reaktion hatte Alexander schon öfters bei Fremden gesehen - seine Statur und sein enstelltes Gesicht sorgten dafür. Nach einem kurzen Moment der Überlegung seufzte Alexander und wandte sich zur Tür. "Nun gut" meinte er. " Ich werde euch beide erst einmal alleine lassen." Er trat aus der Tür und sah Amun. Mit einem kurzen Nicken grüßte er diesen und wandte sich dann zum Gehen. Seine ungewöhnlich freundliche und rede aktive Laune war verflogen.

"Ich werde niemandem was sagen, ich schwöre es,"erwiederte Iorweth. "Ich werd mal nach Finn schauen. Er ist aufgewacht." Dann verliess er Selines zimmer und ging dann in die Richtung von Finns Zimmer. Vor der Tür stand Amun und ein anderer Mann kam gerade heraus. Er erkannte ihn als denjenigen, der ihnen bei dem Dorf zu hilfe gekommen war. "Asha fella, Amun," begrüsste er den Avior freundlich.

Beklommen blickte Geralt Alexander hinterher, der, anscheinend erbost, aus dem Zimmer stürmte. Geralt fühlte sich schlecht; Trotz seiner grimmigen Erscheinung hatte er sicherlich keine boshaften Absichten gehabt, und er hatte ihn so vertrieben, wie er selbst oft genug schon vertrieben worden war. Eine Zeit stand er da und sah dem Mann mit arbeitenden Gedanken nach, dann wandte er sich wieder Finn zu. Um ihn zu besuchen war er schließlich gekommen. In ein paar Schritten war er am Bett seines kleinen Freundes und kniete sich zu ihm. Er wusste nicht genau, was er sagen sollte – ob er überhaupt etwas sagen sollte – ob er nicht vielleicht genauso unerwünscht war wie Alexander. Nervös spielten seine Finger an der Bettkante herum, unsicher, ob er nicht einfach wieder gehen sollte.
"Ich hoffe … Das war nicht falsch."
Eigentlich hatte er fragen wollen, wie es dem Jungen ging, ob ihn die Mönche auch gut behandelten, ob sie seine Wunde behandelt hatten. Aber so unglücklich, wie Finn blickte, wollte er erst einmal wissen, ob er sich nicht lieber wieder rasch entfernen sollte.

Die Kammer des Hohepriesters unterschied sich in keinerlei Hinsicht vom Rest des Klosters: kahle, kalte Ziegelwände, eine hohe, gewölbte Decke. Ein fadenscheiniger, einst wohl in schwarz und weiß gewebter, nun jedoch durchgehend grauer Teppich bedeckte den Großteil des Bodens. Der Hohepriester selbst war ein altes, verhunzeltes Männchen von einem Grindyl, gebeugt von der Last der Jahre, mit hellen, trüben Augen. Er saß mit unterschlagenen Beinen auf dem Teppich, den Rücken gegen ein hohes, storchenbeiniges Schreibpult gelehnt, dass abgesehen von einem Bett und den die Wände zierenden Regalen das einzige Möbelstück im Raum darstellte. In seinen Händen hielt er eine Schüssel aus emailliertem Ton, aus dem eine duftende Flüssigkeit dampfte.
"Nehmt Platz, Freund Aldred", begrüßte der Hohepriester den Schmied mit langsamen, ausgesucht höflichen Worten und wies mit einer Hand auf ein großes Kissen, das jemand bereit gelegt hatte. Aldred, der in der Tür stehen geblieben war, rührte sich nicht von der Stelle.
"Es geht um Nicole!", erwiderte er, die Stimme voller Sorge, "Was ist mit ihr? Stirbt sie?" Wie konnte dieser alte Grindyl nur so ruhig da sitzen? Was auch immer er zu sagen hatte, sollte er gleich sagen. Wenn es ihr schlecht ging, dann mochte es zu spät sein, wenn er sich weiter Zeit ließ. Wenn es wichtig war, dann musste Aldred es jetzt erfahren, sofort, ohne die Formalität des Austauschs von Höflichkeiten.
"Ich bitte euch darum, Platz zu nehmen", entgegnete der Hohepriester ungerührt dessen, doch deutlich bestimmter nun, und deutete erneut auf das Kissen, "Ich bin ein alter Mann, der nicht mehr gerne steht und spreche ungern mit Leuten, die mich so weit überragen wie ihr. Nicht, dass ihr das nicht auch im sitzen noch tätet..." Dagegen ließ sich wenig erwidern. Aldred blieb nichts über als einzusehen, dass er sich hier den Wünschen des Hohepriesters beugen musste. Langsam, mit sichtlichem Widerwillen, nahm er eine Elle neben dem Kissen Platz. Der Grindyl selbst hatte kein Kissen, da würde auch er keines brauchen.
"Diese Sachen werdet ihr hier nicht brauchen. Sie gehören dem jungen Finn", erklärte der Hohepriester und wies auf die Tasche, die Aldred noch immer umklammert hielt. Er nickte dem Grindyl, der den Schmied hergeführt hatte und noch immer in der Tür stand, zu und dieser trippelte in den Raum und ließ sich die Tasche aushändigen. Nur nicht weniger widerwillig als er sich gesetzt hatte ließ Aldred sie los. Er hatte Finn versprochen, dass er sie ihm bringen würde, nicht, dass er irgendeinen Mönch schicken würde. Der Hohepriester entließ den Grindyl mit einem Wink und der Aufforderung, dem Jungen sein Habe zu bringen. Dieser verneigte sich leicht und schloss hinter sich die Tür. Nun waren sie allein. Doch der Hohepriester machte keinerlei Anstalten, zu erklären weshalb sie hier waren. Stattdessen griff er nach der emaillierten Schale, die er abgestellt hatte, und trank einen langen Zug daraus. Unruhig trommelte Aldred mit den Fingern auf den Teppich.
Schließlich setzt der Grindyl das Gefäß wieder ab und stellte es sorgsam vor sich auf den Boden. Er faltete seine Hände im Schoß und blickte zu Aldred auf. "Die, die ihr Nicole nennt, wurde von keinem einfachen Reiter verwundet", erklärte er, "Es war ein Schwarzer Hauptmann, ein mächtiger Held der finsteren Mächte, mit denen wir es hier zu tun haben. Ihre verderbten Klingen schneiden mehr als nur Fleisch. Er hat nicht allein das Mädchen verletzt, sondern auch die Göttin in ihr. Ihr müsst wissen, dass sie nichts weiter als ein Gefäß ist... ein Gefäß mit eigenem Bewusstsein, eigener Seele, eigenem Geist... aber doch nur ein Gefäß. Was zählt ist einzig die Göttin in ihr. Welines Gefäß wandelt auf dem langen Pfad hinüber, seine Kraft schwindet. Die Seele des Mädchens ist nicht verloren, meine Brüder und ich haben alles in unserer Macht stehende getan um sie zu retten und wie es aussieht hatten wir Erfolg. Doch ihr Körper ist zu geschwächt, als dass sie in ihn zurück kehren könnte. Bald werden wir sie ziehen lassen müssen. Grämt euch jedoch nicht, Freund Aldred... es ist ein guter Tod. Sterben müssen wir alle. Weint um die Toten, doch bedenkt, dass der Tod nicht das Ende ist."
Wieder griff er nach der Schale, nahm einen weiteren Schluck. Über den Rand hinweg blickte er Aldred mit diesen großen, hellen Augen an. Der Schmied sprach kein Wort. Er gab sich Mühe, ein steinernes Gesicht zu wahren, doch die Gefühle, die die Worte des Priesters in ihm hervor gerufen hatten, ließen sich kaum verbergen. Auch wenn er seinen Mund, seine Züge unter Kontrolle hatte, loderten sie doch in seinen Augen auf. Trauer, Schmerz... und Wut. Verachtung. Hass. Also war alles umsonst! Die Priester hatten nichts getan um Nicole zu retten! Und die Worte dieses alten Grindyl waren ein schwacher Trost. Der erbärmliche Versuch, das eigene Versagen schön zu reden. Warum? Das Wort brannte auf Aldreds Zunge. Warum war alles so gekommen, wie es gekommen war? Hatten sie nicht genug gelitten? Hatten sie nicht das Recht, auf ein wenig Hilfe? Auf mehr als warme Worte? Die Worte klangen nach Weisheit, doch Aldred sah sie nicht. Er konnte sie nicht sehen. Er wollte sie nicht sehen! Es war leichter, diesen Mönch dafür zu hassen, dass Nicole starb, als es mit Langmut und Schicksalsergebenheit aufzunehmen. Wer konnte einen Verlust schon so aufnehmen? Wer, der noch etwas menschliches in sich hatte?
Der Hohepriester setzte die Schale wieder ab. "Ich spüre euren Schmerz, Freund Aldred", sprach er ruhig, doch die Worte drangen nicht bis zu Aldred durch, "Ich fühle mit euch. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, stark zu sein. Aber das müsst ihr auch nicht. Es ist Zeit, das andere an eurer Stelle stark sind. Vertraut nicht euch allein..." Aldred antwortete nicht. Das Lächeln auf den Zügen des Mönchs schwand als Aldred ihm Blicke wie Dolche zuwarf. Er zögerte. Dann hob er mit beiden Händen die Schale auf und reichte sie Aldred wortlos.

Zuerst war Finn erleichtert, als Geralt auftauchte und Alexander bat, zu gehen, doch dann blickte er ihm nach, zum Teil erleichtert, zum Teil verunsichert, weil der Mann einen wirklich verärgerten Eindruck gemacht hatte. Eigentlich hatte er ihm Unrecht getan, doch er konnte sich nicht gegen seine Unsicherheit wehren. Als nun aber Geralt zu ihm trat, war der Gedanke verflogen- Er hatte sich bereits Sorgen um ihn gemacht, schliesslich war der Waldläufer verletzt gewesen, als er ihn das letzte Mal klar gesehen hatte. Doch es schien ihm gut zu gehen, auch wenn er seine Kleidung verlegt zu haben schien. Finn schob die Decke von seinem Kopf weg und entspannte sich wieder, lächelte sogar.
"Ich... weiss nicht. Vielleicht sollten wir... er hat uns immerhin gerettet", versuchte er eine Antwort auf Geralts Frage zu geben, ihm fielen jedoch nicht die rechten Worte ein. Er schüttelte den Kopf, hielt dann aber inne, da sein Freund das vielleicht als Verneinung auf seine Frage aufnehmen würde. "Ich weiss es nicht."
Eine unangenehme Stille entstand und obwohl Finn normalerweise nichts gegen Stille hatte, fühlte sich diese gerade seltsam an. Also suchte er nach einem Gesprächsthema.
"Du... dir geht es gut, nicht? Was ist... mit Nicole?"