Broken Skies [MSG]

Die Windfänger war zurück. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch Solheym. Luftschiffe waren immer noch mehr die Ausnahme als die Regel und die Windfänger war eines der wenigen Schiffe, die Expeditionen über den Rand der bekannen Welt unternahm. Händler rieben sich die Hände angesichts der Waren, die die Windfänger sicher wieder bei sich trug. Gelehrte spitzten schonmal die Stifte, um die neuen Informationen festhalten zu können, die die Windfänger mit sich brachte. Die Stadtwache bezog Aufstellung am Kai, für den Fall, dass die Windfänger mal wieder irgendwas Gefährliches mitbrachte. Das letzte Wesen hatte ein Loch in die Hafenmauer gerissen, um anschließend zu entkommen und von Käpt'n Ragnar zur Strecke gebracht zu werden. Angesichts der Erwartungen war die Menge, die sich am Kai versammelt hatte ziemlich enttäuscht als nur eine verhüllte Fay in Begleitung Ragnars über die Planke Solheym betrat und beide zum technomagischen Institut spazierten. Keiner der beiden beachtete die neugierigen Blicke. Für eine Weile beobachteten noch einige Schaulustige die Mannschaft beim Ausladen, aber als nach einer halben Stunde immer noch nichts Interessantes passiert war, löste sich die Menge langsam auf.

"Was wissen wir?", fragte Kapitän Ragnar während sein Gegenüber ihm ein Glas reichte. Vermutlich enthielt es Wasser. Ragnar rümpfte die Nase. Er wollte was trinken. Von Waschen war nie die Rede gewesen. Wenigstens konnte die Fay ihn nicht vom Rauchen abhalten. Immerhin hatte sie ihm die Pfeife geschenkt. Die Fay setzte sich ihm gegenüber und förderte einen ganzen Stapel Papier aus ihrer Tasche hervor. Ragnar wartete ungeduldig, bis sie ihre Aufzeichnungen überflogen hatte und zu sprechen begann.
"Angesichts der Messungen kann ich den Herkunfsort der Welle triangulieren."
"Und?"
Ein schlanker Finger deutete auf einen Punkt der an der Wand hängenden Karte.
"Die Insel muss hier sein." Ragnar kniff die Augen zusammen und rief sich eine Karte der Welt vor der Katastrophe vor Augen. Mit Erstaunen in der Stimme stellte der Leonide fest: "Das ist mehr als tausend Kilometer vom Ursprungsplatz entfernt."
"Das stimmt. Die Insel muss nach der Katastrophe eine Weile in den unteren Schichten umhergeschwebt sein, bevor irgendwas sie wieder nach oben brachte."
"Oder irgendwer", merkte Ragnar an.
"Ragnar, eine so große Welle Magie kann nur von der alten Hauptstadt der Fay kommen. Man nannte sie einfach nur Die Enklave. Wenn die Insel wieder aufgetaucht ist, könnte dort noch jemand leben."
Mit einem Kratzen schob Rangar seinen Stuhl zurück und sah aus dem Fenster zum Hafen, wo die Windfänger ausgeladen und wieder beladen wurde. Die alte Enklave der Fay war also wieder aufgetaucht. Nur zwei Personen wussten derzeit davon. Was würde passieren, wenn es mehr erfuhren? Ein paar Narren würden sich auf den Weg machen, angelockt durch Verheißungen von Schätzen und magischen Artefakten. Die meisten Solheymer würden in der Stadt bleiben. Die Fay sprach jetzt leise als wolle sie den zwei Meter großen Leoniden nicht verschrecken: "Wenn dort noch jemand lebt, so könnten wir etwas über die unteren Ebenen erfahren und über das Herz von Jin."
"Was deine Theorie der Ebenen bestätigen würde. Der Popularitätsschub würde reichen, um dich zur Leiterin des Instituts zu machen."
"Wäre das denn schlimm? Bitte Ragnar."
Der Leonide ließ einen Seufzer hören und ließ den Kopf hängen. Es war nicht so, dass ihm das Ziel der Reise nicht gefiel. Auf dem Weg gab es grade mal zehn bekannte Inseln, danach wurden die magischen Strömungen zu tückisch für gewöhnliche Luftschiffe. Er hatte schon mehr als einmal überlegt das Sturmtor zu durchqueren. Und wenn er damit Missari einen Gefallen tat, umso besser.
"Ich werde eine Mannschaft zusammenstellen und deine verlorene Insel suchen." Das Leuchten in den Augen der Fay war Ragnar fast schon Belohnung genug, aber ein paar magische Artefakte konnten auch nicht schaden.

"Wirt! Ein Krug von deinem besten Bier", brüllte Ragnar durch die Taverne. Wenn ein Leonide brüllt, so kann er erwarten gehört zu werden. Die Gespräche im Schrankraum verstummten schlagartig. Zwanzig Augenpaare beobachteten, wie Ragnar einen Tisch hochwuchtete und so abstellte, dass er die Tür im Blick hatte. Viele hatten bereits ein wissendes Lächeln im Gesicht. Andere, denen der Vorgang nicht vertraut war, starrten unverhohlen. Unbekümmert von allem holte Ragnar ein offiziell aussehendes Papier, sogar mit dem Siegel der Stadt, und ein Tintenfass mitsamt Feder hervor. Der Wirt eilte mit dem Bier heran. Ragnar machte es sich mit Bier und Pfeife hinter seinem Tisch bequem.
"Wo geht's denn hin, Ragnar?"
"Wo seid Ihr gewesen, Ragnar?"
Der Leonide ließ die Zähne aufblitzen, gab aber keinen Kommentar ab. Die Windfänger wird bald wieder auslaufen. Die Windfänger brauchte eine neue Mannschaft! Und wie jeder wusste rekrutierte Kapitän Ragnar in der "Goldenen Sonne". Und er nahm nicht jeden. Zufrieden lehnte sich Ragnar zurück und beobachtete, wie das Ungetüm namens Gerüchte die Flügel ausbreitete.

Valt hatte versucht die Blutflecken aus Wams und Hose zu waschen, doch natürlich war er daran gescheitert. Er hatte es mit Kernseife versucht und sich die Hände wund geschrubbt, doch die eingetrockneten bräunlichen Flecken hatten weiterhin anschuldigend auf seiner Kleidung geprangt. Schließlich hatte er sie in den Kamin geworfen. Wie sinnlos das war war ihm erst aufgegangen als beides schon zu arg verkohlt war um noch gerettet zu werden. Was brachte es, die Flecken vernichten zu wollen? Jeder hatte gesehen, was er getan hatte. Valt empfand keine Schuld deswegen. Das Schwein hatte es verdient zu sterben! Er hatte einen Mörder umgebracht. Das war nur recht. Aber das würden die wenigsten so sehen. Valt war sich nur zu bewusst, dass die Wache ihn früher oder später suchen würde. Und dann würden sie ihn hängen. Seltsam, einen solchen Gedanken derart ruhig, derart unbekümmert zu denken.
Also hatte Valt seinen Besitz zusammen gepackt. Viel war es ohnehin nicht. Ein wenig Kleidung, ein bisschen Geschirr und sein Werkzeug. Das Werkzeug machte den größten Teil aus und war das mit Abstand Wertvollste in seinem Besitz. Er hatte alles in einen ledernen Sack gepackt und diesen auf das Reff geschnürt, das er selbst gezimmert hatte. Dann hatte er sein Zimmer verlassen ohne sich auch nur umzusehen. Den Schlüssel hatte er stecken lassen. Er hatte nicht vor, jemals wieder zu kommen. Was hielt ihn nun noch hier?
Die Entscheidung, sein Glück im Luftschiffhafen zu versuchen war naheliegend gewesen. Es war der einfachste Weg aus der Stadt heraus zu kommen. Und der einzige, der ihn wirklich weit fort bringen würde. Die Vorstellung, auf einer dieser wahnwitzigen Konstruktionen fort zu segeln hatte sogar etwas reizvolles. Irgendwie. Im Hafen hatte Valt schließlich nicht lange herum fragen müssen. Die "Windfänger" hatte in diesem Morgen fest gemacht. Valt kannte den Namen vom Hörensagen, doch im Grunde war es ihm gleich. Er hätte auf jedem Schiff angeheuert, dass ihn fort brachte. Wichtiger war da schon, dass ihm auch der Name des Gasthauses, in dem er den Kapitän finden würde, etwas sagte. Valt bahnte sich zielstrebig seinen Weg dorthin und betrat es. Es war nicht schwer zu erraten, wer der Anwesenden der Meister der "Windfänger" war.
"Seid ihr der Kapitän?", sprach er den Leoniden dennoch nachforschend an, "Ich habe gehört, ihr heuert an..."

Na, da hatte Choraz doch wieder einmal Glück gehabt und eine Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Ausgerechnet, wo er mal wieder in der Gegend war - selten genug kam es vor - war die Windfänger hier. Und der Luhpin witterte das, wofür es sich lohnte, sich in blutige und brachiale Kämpfe zu stürzen, en masse: Kohle. Ein solches Schiff bezahlte sicher gut, wenn es einen solchen Ruf hatte. Aber auch etwas Anderes trieb ihn an. Es war eine besondere Ehre, auf so einem Schiff anzuheuern, und würde seine Söldnerkarriere sicher steil nach oben katapultieren, da war er sich sicher.
Der Canide streifte durch die Gassen und seine feine Nase brachte ihn mal ausnahmsweise nicht zum Ziel. Schließlich hatte Choraz keine Ahnung, wie der Kapitän der Windfänger roch. Nun gut, musste er fragen. Na super...
Naja, das Gasthaus, wo Choraz fündig werden würde, kannte er. So stapfte der Canide in Richtung von Diesem und trat schließlich ein. Den Käpt'n hatte er schnell ausfindig gemacht, dieser graue Leonide war nun mal bekannt. Und einer dieser Unbehaarten sprach schon mit ihm. "Ich habe gehört, Ihr heuert an.", sagte Dieser.
"Ich ebenfalls.", fügte der große Luhpin hinzu - dadurch dass er so dicht hinter dem eher kleinen 'Menschen' stand, war seine Größe noch auffälliger als normalerweise schon.

Acha'az, oder Apfel, wie seine nichtcanischen Freunde ihn nannten, stierte hochkonzentriert über den Rand seiner Teetasse. Vor ihm saß Da'an, sein Mentor, ebenfalls mit Teetasse und gediegener Kleidung gewappnet. Nun! Die Jasminblüten waren lieblich, und alles im Raum des alten Cohllin roch nach Wissen und Wissensdurst. Der junge Dahkin aber liebte den Geruch frischer Kräuter mehr als den alter Wälzer, doch der Jasmintee musste jetzt genügen. Immerhin hatte der alte Canide ihm augenscheinlich und wohlfeil etwas zu sagen.
Was, das war ihm auch nicht klar, oft genug hatte er angesichts der Rätsel des Alten keine gute Figur gemacht. Aber was wollte man machen, irgendwie hing er doch an ihrer Freundschaft, und auch wenn das hier gerade ein Geduldspiel war, das er nicht so recht nachvollziehen konnte, war es doch kein gesteigertes Problem, nur ein kleiner Aufenthalt vor einem Voranschreiten. Wohin, das war ihm zwar auch nicht klar, aber auch nicht so recht wichtig.
"Die Windfänger ist wieder da.", begann Da'an endlich, nach einer halben Ewigkeit. Allein dieser Satz genügte, um Apfels Ohren zucken zu lassen. Die Windfänger, das war wohl das berühmteste Schiff der Stadt. Immer fuhr sie an die Grenzen der bewohnten Welt... Das bedeutete Forschung! Und er liebte Forschung. Vor allem an Kräutern und Elixieren. Ob sie etwas mitgebracht hatten, das sein Interesse finden würde? Hoffentlich! Oder sollte er gar selbst auf Abenteuerfahrt gehen?
"Das ist ja hochinteressant.", murmelte der Dahkin und trank ein wenig von dem Tee. Lecker. Nur dass seine Brille beim Trinken beschlug. Er setzte sie ab. Nun war die Welt ein wenig näher am Kunststil der moderneren Künstler der Stadt. Auch nicht schlecht, nur ungewohnt für jemanden, der direkt nach dem Aufstehen eine Brille aufsetzte.
"Fahr da mit. Der Kapitän ist Leonide. Ich gebe dir ein Empfehlungsschreiben mit. Du wirst dir dort ein bisschen Geld verdienen und Erfahrungen sammeln. Wenn du zurück bist, hast du beste Chancen auf eine Stelle zum Doktor Rerum Naturarum, Acha'az. Aktuell bist du mir dafür aber bei aller Freundschaft noch zu hibbelig."
Eigentlich lief das alles ganz prächtig, und Apfel konnte es auch kaum erwarten, diese langweilige Stadt hinter sich zu lassen, zumindest für einige Zeit. Klar, eine gewisse Gefahr war dabei, aber er konnte auch beim in die Luft gucken von einem Ochsenkarren überfahren werden, was sollte also alle Besorgnis. Aber einen kleinen Kommentar konnte er sich doch nicht verkneifen.
"Hibbelig bedeutet, dass ich noch Energie habe.", er fummelte seine Brille wieder auf den Kopf, mit den runden Bügeln hinter die Ohren, "Ist das etwa schlimm?"
"Still.", lachte der Cohllin hechelnd, "Du weisst besser als ich dass ein Doktor in sich ruhen muss. Also geh da raus und mach mich und dich stolz. Und deine Eltern, aber die verstehen ohnehin nichts von Wissenschaft."
Da musste er ihm aber zustimmen, und er nickte grinsend. Seine Eltern waren ein paar nette aber ewiggestrige Dahkin. Nun! Also auf. Das Empfehlungsschreiben nahm er entgegen, hastete nach Hause, nachdem er sich verabschiedet hatte, und packte seinen Kram in einen Seesack, den er sich auf dem Weg auf dem Markt gekauft hatte. Musste alles schnell gehen, schnell schnell. Morgen konnte der Kerl schon wieder weg sein.

"Der bin ich", brummte Ragnar und betrachtete die Beiden vor ihm, die auf seine Windfänger wollten. Der Mensch erweckte irgendwie den Eindruck einer im Käfig gefangenen Ratte, die bemerkt wie das Wasser im Zimmer stetig ansteigt. Nicht, dass es für Ragnar von Interesse gewesen wäre, wer seine Mannschaft war oder was sie vor dem Anheuern gemacht hätten, aber manchmal fragte er sich, wen er schon alles auf die Windfänger gelassen hatte. Einmal war ein Schmuggler dabei gewesen, der gedacht hatte, dass man ihn nicht bemerken würde.
Der Luhpin war ein Luhpin. Groß, muskelbepackt, typisches Aussehen. Das war gut. Kämpfer waren zwar leichter zu kriegen als, was weiß ich, Zimmerleute oder Magier, aber gute Kämpfer waren selten. Und Ragnar hatte schonmal gesehen, wie sich ein Luhpin auf einen Cumulusdrachen gestürzt hatte. Das war zwar unendlich dumm gewesen, aber es hatte die Windfänger gerettet. Und der Luhpin hatte dank der schnellen Reflexe des Magiers an Bord überlebt. Ragnar gab nicht gerne zu, dass jemand stärker war als er selbst, aber Luhpin kamen ihm doch ziemlich nahe.
"Und ihr habt richtig gehört", stellte der Leonide fest und schob den beiden das Papier zu. Oben war eine verschlungenen Rune zu erkennen und darunter eine Art Liste. Über der linken Spalte stand "Name" und über der rechten "Profession".
"Lasst die rechte Spalte einfach frei, wenn ihr keine Ausbildung oder sowas habt."
Ragnar stützte sich mit beiden Händen am Tisch ab, stand auf und beugte sich vor, bevor er mit leichtem Drohen in der Stimme weitersprach: "Und unterschreibt nur, wenn ihr euch sicher seid, dass ihr mitkommen wollt. Sobald eure Namen auf dem Papier stehen, seid ihr für die nächste Fahrt Teil der Windfänger."
Plötzlich freundlicher ließ sich Ragnar wieder auf die Bank fallen und lehnte sich, mit zähnestarrendem Grinsen im Gesicht, zurück um an seiner Pfeife zu ziehen.
"Wenn ihr unterschrieben habt, setzt euch. Bier geht auf mich." Mit einem Winken bedeutete er dem Wirt, für Bier bereitzustehen.

Er hatte gar nicht gewusst, dass Solheym so gross war. Und so wirr. Hier gab es eindeutig zu viele Gassen. Faint hatte keine Ahnung, wie das Menschen oder Leoniden machten. Wie fanden sie sich hier zurecht, ohne sich ständig zu verirren? Als Elvair konnte er immerhin über die Häuser hinwegfliegen, auch wenn ihm das gerade nicht viel half, denn er musste diese Taverne finden. Die 'Goldene Sonne'. Da sollte dieser Kerl anwerben, hatte er zumindest auf dem Markt gehört. Nach seiner übereilten Flucht hatte er dort erstmal eine Pause gemacht und sich einen ein halbes Stück gedörrten Apfel gegönnt. Zum Glück waren seine Eltern grosszügig mit dem Taschengeld gewesen. Es kam ihm nun zugute, dass er fast keine Freunde hatte und so wenig Gelegenheit, das Geld auszugeben. So hatte er einen ziemlichen Vorrat angespart, mit dem er sich einige Zeit über Wasser halten konnte. Das Problem war, er würde sicher bald gesucht werden. Noch vermuteten sie seinen toten Körper wahrscheinlich in den Trümmern des zerstörten Institutflügels, aber es würde nicht lange dauern, bis sie ihn fanden. Also musste er aus Solheym weg, denn seine Eltern hatten Faint mehr als klar gemacht, dass sie ihn nicht noch einmal beschützen würden, wenn er wieder versagte. Und einen Teil des technomagischen Instituts in die Luft zu sprengen war auf jeden Fall ein Versagen, auch wenn er das niemals aussprechen würde. Eigentlich war sein Plan gewesen, einfach auf gut Glück davonzufliegen, aber dann hatte er gehört, dass der Kapitän der Windfänger wieder anwarb. Und so hatte er sich entschieden, auf dem Schiff mitzufliegen. So hätte er wenigstens ein Ziel.
Und jetzt fand er diese verdammte Taverne nicht. Mit einem lauten Aufschrei, der für menschliche Ohren mehr nach einem unangenehmen Quietschen schoss Faint wieder nach oben, um noch einmal Ausschau zu halten. Dieses Gassengewirr und das Gewusel der umherlaufenden Menschen und Leoniden machte ihn ganz wirr. Doch plötzlich erkannte er von oben einen goldenen Kreis mit Strahlen. Ein Schild! Das musste die Taverne sein. Mit surrenden Flügeln flog er darauf zu, schlüpfte durch die Tür, als sie gerade ein Hundemensch öffnete und schwebte an die Decke. Hier war es unglaublich voll! Und es stank! Das war ja widerlich...
Doch Davon liess der Elvair sich nicht lange abhalten. Stattdessen hielt er mit gerümpfter Nase Ausschau nach dem Kapitän des Luftschiffs. Der musste doch eigentlich auffällig sein... Tatsächlich war Ragnar schnell entdeckt. Der bullige Leonide thronte dort mit einem Bierkrug und einem offiziell aussehenden Pergament vor sich auf dem Tisch. Vor ihm hatte sich bereits eine Traube aus Vertretern verschiedenster Rassen gebildet. Wieder einmal nützte Faint die Tatsache aus, dass Elvair klein und geflügelt war. Er flog einfach über die anderen weg. Gerade beugte der Leonide sich zu einem Menschen und einem Luphin vor, sagte etwas und liess sich dann wieder zurückfallen. In diesem Moment landete Faint direkt vor ihm auf dem Blatt.
"Du musst der Kapitän der Windfänger sein, nicht? Du hast unglaubliches Glück! ich habe nämlich entschieden, dass ich auf deinem Schiff mitfliegen werde. Also... wo muss ich unterschreiben?"

Eine Weile starrte Valt unschlüssig auf Papier und Federkiel, die der Leonide ihm hin geschoben hatte. Natürlich wusste er, was dieser von ihm wollte. Nur... er konnte nicht. "Kapitän...", begann er schließlich ein wenig kleinlaut, "Ich kann weder lesen noch schreiben. Ich bin ein einfacher Mann. Aber ich bin Zimmermannsmeister. Euer Schiff besteht zum großen Teil aus Holz und man sagt, die Reise auf den Winden nimmt die Schiffe arg mit. Ihr werdet jemanden wie mich an Bord haben wollen, der eure Windfänger in Schuss hält..." Unsicherer als dies sonst seine Art gewesen wäre - die massige Präsenz des Leoniden schüchterte Valt ebenso ein wie dessen beschriebene Liste - schob er Ragner Papier und Federkiel zurück. "Könntet ihr meinen Namen eintragen, Kapitän? Valt Corvard heiße ich..."

Und dann ging es die Straße hinab zum Hafen. Nun, es war zwar nicht zwingend notwendig, dass er sich ein Tuch vor die Schnauze band, aber es wäre bestimmt eine gute Idee gewesen. Er kannte den Hafen. Den Geruch der Latrinen. Am Boden verteilter fauler Früchte, die von den Wägen gefallen waren. Aber noch war er weit genug davon entfernt so dass er relativ sorglos, einen Seesack voller Kleidung, Süssigkeiten, grundsätzlichen Hygieneartikeln und anderen Nezessitäten sowie einigen Glitzerdingen, an denen er Freude haben würde, in der einen Hand, geschultert und in der anderen Hand ein Henkelkasten voller grundsätzlicher Alchemiebestecke, Kolben, Kalzinierofen, Tiegel und mehr in der anderen - Kurzum: Hoffnungslos überladen und somit mit anderen Problemen als dem Hafengeruch gesegnet.
Die goldene Sonne kannte er gut, er war schließlich als Student oft trinken gegangen, und das fand er auch immer noch lustig. Dennoch brauchte er ein bisschen länger für den Weg, da erstens überladen und zweitens lange nicht mehr in der Gegend gewesen. Schließlich fand er dennoch das große gelbe Schild, eine Sonne mit Strahlen. Darunter ein breiter Eingang, eine Tür mit zwei Flügeln, von denen der eine offen stand. Er trat leicht vom schweren Gewicht seiner Ausrüstung gehindert ein und erspähte den Kapitän recht schnell. Wie ein Platzhirsch sass der auf seinem Stuhl da...
Der Dahkin reihte sich hinter einen großen schwarzen Wolfspelz ein, stellte seine Sachen kurz ab, und fummelte das Empfehlungsschreiben aus seiner Brusttasche. Na, da hatte Da'an aber viele nette Worte für ihn gefunden. Apfel hatte ja keine Ahnung, ob Alchemisten an Bord von Luftschiffen wirklich gesucht waren, aber das sollte ihm die Türe relativ leicht öffnen. Immerhin war es vom Kopf der hiesigen alchemistischen und naturwissenschaftlichen Fakultät geschrieben!

Ragnar ließ dem vorlauten Elvair die selbe Warnung wie zuvor auch dem Menschen und dem Luhpin zukommen: "Wenn Ihr hier unterschreibt, seid Ihr ein Teil der Windfänger. Kein Zurück mehr bis wir wieder in Solheym sind, irgendwann." Mit einer Pranke deutete der Leonide auf Schreibfeder und Tintenfass und bedeutete dem Elvair damit zu unterschreiben. Dann wandte er sich wieder dem Menschen zu: "Hab ein ganze Menge guter Matrosen gehabt, die nicht schreiben konnten. Und einen Zimmermannsmeister kann ich immer brauchen. Warte." Ragnar winkte den Wirt herüber und wechselte einige Worte mit ihm. Wenig später kam der Mann mit einem Schwamm zurück, der mit Tinte getränkt war und zur Sicherheit auf einer Schale lag.
"Ist nicht wichtig, ob dein Name da steht. Drück einfach deinen Finger in die Tinte und danach auf deinen Platz auf der Liste. Wichtig ist nur, dass du hier bestätigst, dass du Teil der Windfänger sein willst. Gilt auch für alle anderen. Eure Namen trag ich danach ein."
Einen Zimmermann hatte er also schonmal, sogar einen Meister. Das war schonmal gut.
"Setzt euch, wenn ihr unterschrieben habt. Ich warte hier noch eine Weile, danach gehen wir zur Windfänger.

Choraz schnaubte. Seine Funktion bestand aus Kämpfen und harte Arbeit verrichten, nicht aus gelehrig sein und Dinge wie Schreiben zu können. Aber er wurde von einer gewissen Erleichterung durchströmt, als der Haarlose neben ihm den selben Mangel aufzuweisen schien und es scheinbar nicht zwischen den Anwärtern und ihrem Platz auf dem Schiff stand.
So drückte der Luhpin wortlos seinen scharfen, krallenähnlichen Finger in den mit Tinte gefüllten Schwamm und legte ihn auf das Stück Papier. Nicht zu fest, das war wichtig. Dieses extrem feine Meterial zerknitterte oder zerriss gar nur allzu leicht unter unkontrollierter Kraft, was ihm schon in der ein oder anderen Situation Ärger eingebracht hatte. Das zu verwalten war wirklich nicht seins, das war eher der Bereich der Dahkin.
Mit den Worten "Der Name ist Choraz Keres." reichte der große Canide das 'Papier' zurück an den grauen Leoniden. Dann setzte er sich auf einen freien Platz und wartete. Auch ein paar andere waren schon angekommen und schienen interessiert zu sein, aber die beachtete er im Moment noch nicht weiter. An Bord war noch genug Zeit, jene kennen zu lernen, die dann noch für sein Gedächtnis relevant waren.
Er nahm zur Kenntnis, dass er sich nun verpflichtet hatte und ein Abhauen einen Ehrverlust bedeutete. Aber Choraz wäre selbst, wenn der Vertrag nicht endgültig gewesen wäre, nicht verschwunden. Schließlich bekam man nicht jeden Tag eine solche Chance.

Nun war der Luhpin weg. Acha'az verstaute den Brief wieder in seiner Brusttasche, griff seinen Kasten und seinen Seesack und schleppte sie zum Tisch. Der Leonide schien ihm ein Verständnis für fähige Besatzungsmitglieder zu haben.
"Gruß! Mein Name ist Acha'az La'achisch, ich bin ... nun, ausstudierter Alchemist und Pflanzenkundler. Philosophie hab ich auch studiert, aber das tut wohl hier erstmal nichts zur Sache. Ich habe hier ein Papier von Da'an Charvin, dem...", er fummelte den Brief aus der Brusttasche,"... dem Professor für Alchemie und Leiter des Naturwissenschaftlichen Instituts der Universität. Er meinte, ich könnte vielleicht Nützliche Proben sammeln und Erfahrungen bei der Fahrt auf eurem Luftschiff machen. Ich bin nicht ungeschickt mit den Händen..."
Er zuckte leicht mit den Ohren. Besser konnte er sich jetzt nicht anpreisen. Langsam stieg ihm der Geruch der Kneipe in die Nase. Schweiss, Bier, Nun, gegen das Bier hatte er ja nichts einzuwenden, aber der Geruch des Erbrochenen in den Fugen der Dielen war nicht direkt angenehm. Manchmal verfluchte er sich für seine feine Nase.
"Und naja, ich kann jede Menge Sachen zusammenbrauen, die bestimmt nützlich sind. Magische und nichtmagische Elixiere..."

"Moment einmal bedeutet das, das jeder hier einfach unterschreiben kann und dann dabei ist? Es gibt keinen Test oder so etwas?" Helena blickte fragend Richtung Ragnar. Die Salamanderfrau hatte ebenfalls gehört das die Windfänger eine neue Crew suchte und hatte sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen wollen. Die goldene Sonne hatte sie rasch gefunden und sich dort hinter einem völlig überladenem Dahkin eingereiht, sodass sie die Warnung wegen der Verpflichtung ebenfalls mitbekommen hatte. Es verwirrte sie das anscheinend jeder einfach zur Crew gehören konnte, den immerhin hatte die Windfänger einen legendären Ruf und den hatte sie sich sicherlich nicht mit einer Crew aus Anfängern verdient, zumindest dachte sich Helena das so.
Die Salamanderfrau hatte sich bisher in Solheym mehr oder weniger durchgeschlagen, doch bisher nur mit bescheidenem Erfolg. Ihr letzter Job in einer Schmiede war zwar nicht schlecht gewesen, doch Helena war klar das diese Lösung nur so lange bestand hatte, bis der Schmied wieder einen neuen Lehrling hatte. Die Windfänger war für sie die Chance, quasi ein Neustart.

"Ein Alchemist, hm?", hakte Ragnar nach und zog an seiner Pfeife. So langsam setzte sich seine Mannschaft zusammen und die Verteilung gefiel dem Leoniden. Ein Zimmermann, ein Alchemist, ein Kämpfer, auf sowas konnte man aufbauen. Einmal hatte er eine Mannschaft bekommen, die fast nur aus ungelernten Haudraufs bestanden hatte. Das war nicht schön gewesen und hatte eine ganze Menge Nerven und Anstrengung erfordert.
Das Empfehlungsschreiben des Kaniden begutachtete Ragnar genau. Wäre nicht das erste Mal gewesen, dass jemand sowas fälschte, um einen Platz auf der Windfänger zu bekommen. Mit dem Schreiben schien allerdings alles in Ordnung zu sein, was Ragnar überraschte.
"Dein Meister muss dich ziemlich gemocht haben. Unterschreib. Du wirst reichlich Gelegenheit bekommen, unbekannte Pflanzen zu kategorisieren."
Inzwischen hatte sich auch ein Salamander, eine Salamander, wie sich Ragnar verbesserte, zu den Wartenden gesellt und riss erstmal ziemlich die Klappe auf. Nicht unfreundlich antwortete der Leonide: "Ich halte mich für einen guten Einschätzer von Personen. Und es ist mir gleich, was ihr vorher gemacht habt. Es ist mir egal, wenn ihr jemanden in das magische Meer geworfen habt oder durch fahrlässige Dummheit euren eigenen Arm abgesägt habt. Es zählt nur, was ihr auf der Windfänger tut und sagt. Außerdem müssen wir an sieben Inseln vorbei, bevor wir überhaupt erst an das Sturmtor kommen. Die Strecke habe ich hundertfach absolviert. Und die Zeit wird reichen, um aus euch ungetauftem Haufen ein paar anständige Luftschiffer zu machen. Noch Fragen? Wenn nicht, dann unterschreib und setz dich."
Mit einem Grinsen auf den Lippen wandte sich Ragnar zu den neuen Schützlingen, die bereits auf der Bank saßen: "Und sowie ihr alle sitzt, erfahrt ihr auch etwas über unser Ziel. Zumindest die Dinge, die ich darüber weiß."

Faint zuckte mit den Schultern und gab sich mit dieser Antwort zufrieden. Es sollte ihm recht sein, wenn man so leicht angenommen wurde. Wobei leicht hierbei relativ war. Es gab eigentlich extrakleine Federn für Elvair doch er nahm nicht an, dass der Leonide eine solche dabei hatte. Und er selbst hatte auch vergessen, eine einzupacken. Also lief es darauf hinaus, dass er es mit einer Feder machen musste, die fast so gross war wie er selbst. Dass er um Hilfe bat, kam ja wohl nciht in Frage, er war nicht so ungebildet wie andere hier, er konnte selber schreiben.
Mit surrenden Flügeln flog er erstmal zu der Feder hinüber, packte sie oben am Federschaft und schwebte mit ihr über das Tintenfass, um sie hineinzutunken. Beim Wegfliegen schmiss er das Fass fast um, doch ein schneller Schwenk mit der Feder brachte es wieder in eine stabile Lage, wobei es dennoch überschwappte und einen Teil seines Inhalts über den Tisch ergoss. Faint liess sich davon nicht stören, sondern flog zum Pergament zurück, stellte die Feder am Kiel darauf ab und rutschte mit immer noch surrenden Flügeln daran herab. Als er schliesslich mit seinen Stummelbeinen einen festen Halt hatte, machte er sich mit krakeliger Schrift daran, seinen namen einzutragen. Bei 'Profession' überlegte er kurz und trug dann 'Magier und Alchemist' ein. Stimmt sogar, auch wenn er seine Ausbildungen in diesen Fächern nicht ganz zu Ende gebracht hatte. Aber wer würde das schon merken.
Als er mit seinem Werk fertig war - Faint hatte in seiner Konzentration gar nicht bemerkt, dass er ziemlich lange dafür gebraucht hatte - schwebte er zu dem Leoniden, nahm ungefragt auf seiner Schulter Platz und blickte ihm abwartend von der Seite ins Auge.

Acha'az nickte nur und kritzelte seinen Namen auf die Liste. Dann griff er sich sein Gepäck, stellte es in der Ecke neben die Wand ab, und griff sich einen der Bierkrüge, die auf dem Tisch standen. Der Schaum war zwar schon fast weg, aber das Bier schmeckte gut und prickelte sogar ein bisschen. Der Dahkin fühlte sich wohl. Das würde bestimmt interessant werden! Auf einem Luftschiff reisen... das hatte er bisher nur einmal bei einer Exkursion des pflanzenkundlichen Instituts gemacht. Damals waren sie auf eine Insel der Gatha gefahren, um ihre Heilkräuter zu studieren. Ein bisschen etwas davon hatte er durchaus als Fachwissen abspeichern können.
Er sprach den Wolfspelz neben sich an. Der hatte eine interessante Duftnote. Zuerst einmal Männlichkeit, aber auch Stolz. Ein ziemlicher Alpharüde war das. Wie er, nur in Luhpinform. Das war natürlich rein männlichkeitstechnisch schon ein Makel seinerseits. Egal! Gegen die eigene Rasse konnte man nichts anstellen. Besser, man stellte sich mit dem anderen gut.
"Hallo. Du scheinst ja ordentlich Kraft zu haben. Was hast du gelernt?"
Er griff sich den Krug, trank, und blickte den Luhpin über den Rand an, hielt dann das Gefäß zum Anstoßen hin.

Helena gab sich zufrieden mit der Antwort von Ragnar. Anscheinend machte er das immer so und war bisher gut damit gefahren, Helena hatte kein Recht diese Methode jetzt anzuzweifeln. Geduldig wartete sie bis Faint und Acha'az unterschrieben hatten und blickte dann auf das Dokument. Sie blickte auf die Feder und schüttelte den Kopf, mit ihren Pranken würde sie die Feder wohl zerdrücken. Stattdessen tunkte sie die Spitze einer ihrer Krallen in das Tintenfass und kritzelte so ihren Namen auf das Dokument, wobei ihre Schrift nicht wirklich besser aussah wie die von Faint. Beim Beruf war sie sich unschlüssig, was sie hinschreiben sollte, notierte erst Schmied, nur um das Wort gleich wieder durchzustreichen und mit Söldnerin darunter zu ersetzen. Sie wollte nicht in Verlegenheit geraten, weil sie sich als Schmied bezeichnete obwohl sie nur die Grundkenntnisse besass. Nachdem das erledigt war, setzte sie sich ebenfalls und schnappte sich einen Bierkrug. Genüsslich Trank sie erst einmal einen Schluck und seufzte geniesserisch.

Damit, einen Fingerabdruck leisten zu müssen, konnte Valt sich gut arrangieren. Es war eine elegante Methode, ebenso sicher wie einen Namen einzutragen und erlaubte es jenen, die sich nicht auf die Schrift verstanden, ihr Gesicht zu wahren. Ärgerlich nur, dass der Finger danach ganz schwarz war. Möglichst unauffällig benetzte er den Daumen seiner Linken mit Speichel und versuchte die Schwärze abzureiben. Alles was ihm dabei jedoch gelang war, auch diesen noch zu färben und so gab Valt es rasch auf und klammerte sich stattdessen an seinen Bierkrug. Inzwischen war bereits einiges an Interessenten zusammen gekommen: und eine bunte Mischung aus bald einem halben Dutzend Rassen war es noch dazu. Natürlich war das in einer Stadt wie Solheym nicht ungewöhnlich. Seit der Katastrophe war die Bevölkerung nunmal eben wild durchmischt. Dennoch gab die Mannschaft ein bizarres Bild ab. Valt wandte sich an die Salamanderfrau, die zu seiner linken Platz genommen hatte. "Seid ihr schon einmal mit einem Luftschiff geflogen?", sprach er sie an.

Choraz sagte kein Wort, während die Formalismen abgearbeitet wurden saß schweigend, das Kinn mit den kralligen Händen abgestützt, auf seinem Hocker.
Erst als der Dahkin ihn ansprach, horchte er auf. "Kämpfen, was sonst?", brummte er. "Alles in mir ist auf Kraft ausgelegt, Denken kann ich nicht. Aber dafür habe ich auch Leute wie dich. Und keine Sorge, wenn böse Kreaturen kommen, werde ich sie von dir fernhalten." Damit stieß er mit dem Kleineren an und leerte sein Glas hastig, in wenigen Schlucken. Trotzdem fühlte er sich nicht sehr betrunken. Wahrscheinlich wegen seiner Körpergröße. Nun ja, damit hatte er sich schon mal mit jemandem angefreundet, bei den Anderen würde es nicht so schnell gehen. Naja, würde schon werden.

Helena war von der Frage des Menschen überrascht. Sie musterte Valt kurz bevor sie ihm antwortete. "Nun ja, ein paar Mal brachten mich meine Aufträge auch auf ein Luftschiff... allerdings macht mich das noch lange nicht zu einer Expertin. Ich war dabei nicht wirklich teil der Crew... klar, wenn es nötig war, habe ich geholfen aber das ist kein vergleich zu der Sache jetzt hier." Helena seufzte und nahm nochmals einen Schluck von ihrem Bier. "Und wie sieht bei dir aus?"

Valt schüttelte den Kopf. "Bin noch nie geflogen", eröffnete er ihr plaudernd, "Aber ich hoffe, dass ich alles wichtige bald lerne. Was man auf so einem Schiff eben so können muss, meine ich..." Er warf ihr ein schiefes Grinsen zu, gab sich unbekümmert, doch in Wahrheit war ihm alles andere als wohl bei der Sache. Fliegen... das würde eine völlig neue Erfahrung für ihn sein. Und ob es eine war, auf die man sich freuen sollte, war mehr als fraglich. Fliegen war nichts, wofür Menschen geschaffen waren. Aber darauf würde er sich wohl einlassen müssen. Und selbst wenn es schlimm werden mochte: was kümmerte es ihn noch? Schlimmer als jetzt konnte es ihm zwischen den Inseln auch kaum gehen. Das alles ergab doch keinen Sinn mehr! Er seufzte.

Das Seufzen des Menschen, Valt wie sich Ragnar erinnerte, missdeutend, drehte sich der Leonide zu seinen neuen Rekruten am Tisch herum und erläuterte schmauchend: "Keine Sorge. Die Magie in der Gegend um Solheym ist seit langer Zeit ziemlich ruhig." Mit einer wedelnden Handbewegung fuhr er fort: "Die Rockträger im Institut haben irgendeinen Namen dafür. Läuft darauf hinaus, dass das magische Meer in der Nähe von Magiern ruhiger wird. Entzieht ihm irgendwie die Wildheit und lenkt es in ruhigere Bahnen. Versteh deren Brimborium nicht."
Ragnar schnaufte abfällig, fuhr dann aber freundlicher fort: "In jedem Fall werdet ihr alle genug Zeit haben die Basis zu erlernen. Das Sturmtor wird euer Luftschiffertest sein. Kriegen wir schon geschaukelt. Die Windfänger ist keiner der alten Kähne, mit denen Bauern ihre Waren nach Solheym bringen."

Seit drei Tagen war Lésca inzwischen in Solheym unterwegs, und mit jeder Stunde kam er sich verlorener vor. Die Reise hatte ihm beinahe noch gefallen. Die Luftschiffe waren aufregend und neu gewesen, der Blick umher atemberaubend. Es war nicht so schön gewesen wie auf einem der zerbrechlichen Skiffs durch die Luft zu pfeifen, in abenteuerlicher Schräglage und waghalsig scharfen Kurven, aber dennoch, er war wieder geflogen. Meistens hatte er an der Reling herumgehangen und in die Ferne gestarrt, auf die zerrissenen Inseln, die vorbeizogen, in die Tiefen, über die sie flogen und auf den Himmel, der über ihnen strahlte. Nur selten hatte er mit der Crew geredet, trotz seiner geselligen Art.
Zu viele Gedanken lasteten noch auf ihm. Was würde er in Solheym vorfinden? Einige seiner Mitreisenden hatten ihn bereits gewarnt, dass die Stadt für viele Neuankömmlinge die Endstation darstellte, dass "die Stadt aller Möglichkeiten" grob übertrieben war.
Und auch wenn er nicht in einem der Elendsviertel stecken blieb, war es wirklich möglich, eine neue Hand zu bekommen? Man hatte ihm von der Magie vorgeschwärmt, von den großartigen Maschinen, die den Bewohnern der Stadt alle möglichen Aufgaben abnahmen. Aber eine neue Hand zu bekommen, mit richtigen Fingern, so geschickt wie die alte – ging das nicht vielleicht sogar über die Möglichkeiten Solheyms?
Die Tage in der großen Stadt hatten ihm keine Hoffnung gemacht. Anstatt von Magie und Maschinen hatte er die Gosse der Hafenviertel gesehen, verfolgt von Blicken, vor denen er seine Schwäche noch mehr verbarg als schon vor jedem anderem. Nach jeder Nacht schien der Morgen ein wenig grauer und trüber zu sein, die Blicke umher ein wenig unfreundlicher und gieriger. Léscas Magen knurrte, und in seinem von Anfang an dünner Geldbeutel waren nur noch zwei kleine Münzen.
Vielleicht die größte Schwierigkeit war, dass er nicht wusste, wo er eigentlich suchen sollte. Er war mit einer nur nebelhaften Vorstellung von der Größe der Stadt gekommen, hatte gedacht, sie sähe an einem Ende aus wie an dem anderen – aber das Hafenviertel hatte ihn eines Besseren belehrt.
Nur einmal hatte er etwas gehört, einen Gesprächsfetzen aufgeschnappt, der ihm wieder neuen Mut gegeben hatte, an eben diesem Morgen. Zwei Matrosen hatten sich unterhalten, während sie ein schweres Fass über das Pflaster rollte, und über den Lärm hatte er nicht alles verstanden. Aber sie hatten sich über einen Kapitän unterhalten, der so wagemutig, so gewitzt und erfahren war, dass er nur noch die schwierigsten Ziele, die von Magie und Monstern überschattet wurden, für würdig befand, von ihm angelaufen zu werden. Dass er Wunder gefunden hatte, die selbst in Solheym noch niemand kannte. Und, dass sich dieser Kapitän in einer Schänke ganz in der Nähe aufhielt. Das hieß nicht, dass Lésca sie schnell gefunden hätte, denn seine Orientierung in der Stadt war ausgesprochen schlecht. Irgendwann jedoch stand er unter dem Schild einer goldenen Sonne, und nach kurzem Zögern trat der junge Gatha ein. Er sah sofort, dass er sich nicht geirrt haben konnte. Ein Leonide von mehr als stattlicher Statur saß am Tisch, eine Liste vor sich, umringt von Vertretern aller Rassen, die Lésca je gesehen hatte, und einiger, die er gar nicht erst kannte. Kurz entschlossen, mit einem Mut, den er sich selbst nicht zugetraut hätte, dem Willen, sich zu beweisen und der Hoffnung auf eine Chance, die er ergreifen musste, um sie nicht verstreichen zu lassen, ging er zum Tisch. Mühelos schlüpfte er in eine Lücke, die sich zwischen zwei Caniden auftat, und legte seine gesunde Hand auf den Tisch.
"Ich möchte bei euch mitfahren. Ich habe Erfahrung mit Fliegen."
Mit einem Aufblitzen in den Augen, das die Nervosität seiner Körpersprache nur unzureichend verbarg, legte er seinem Armstumpf daneben.
"Um jeden Preis. Trotzdem. Deswegen."

"Trotzdem? Deswegen?", knurrte Ragnar und stemmte sich zu seiner vollen grauen Pracht empor. Ein Klauenfinger deutete anklagend auf den Gatha, der hier mit seiner fehlenden Hand ziemlich offen umging. Es gab Leute, die drucksten mit sowas ziemlich herum. Als würde eine fehlende Hand nicht früher oder später bemerkt werden.
"Junge, was dir fehlt ist ein ordentlicher Haken", elaborierte Ragnar: "Ein Haken hat Macht. Zum Beispiel wird man dir das eine oder andere Bier ausgeben."
Ein irgendwie knurriges Lachen bahnte sich seinen Weg aus Ragnars Kehle und hallte durch den Schankraum. Einige Leute drehten den Kopf, aber kurz darauf stellte sich wieder die übliche Geräuschkulisse ein. Mit dem Pfeifenschaft zeigte Ragnar auf den Gatha, bevor er fortfuhr: "Kennst du Käpt'n Eisenhand? Natürlich nicht. Ist immerhin vor zwanzig Jahren gestorben. Hatte auch seine Hand verloren. Hat immer erzählt, es wäre in einem Kampf gegen einen Nikada gewesen. Schifferscheiße, sage ich dir. Eisenhand hat in 'nem Sägewerk gearbeitet und nicht aufgepasst. Hat ihn nicht dran gehindert, 'nen Nikada von oben bis unten mit seinem Haken aufzuschlitzen. Blut und Gedärm flogen über das ganze Deck. Schade, dass er gestorben ist. Du kriegst deinen Haken, Junge, wenn du unterschreibst. Jemand mit Erfahrung kann ich immer brauchen."
Was die Leute sich immer dachten. Sicher, eine fehlende Hand war eine Behinderung. Aber wenn man wie der alte Eisenhand trotz solcher Mängel erfolgreich war, schoss der Ruf durch die Decke. Außerdem war jemand mit Erfahrung nicht schlecht. Er selbst konnte seine Augen schließlich nicht überall haben.
"Ihr kriegt alle 'nen Fliegeranzug. Die Fahrt zu ersten Insel werden wir mit ein paar Übungen verbringen."

Seine Füße hinterließen tiefe Spuren in dem erdigen Untergrund über den er lief. Zu seinem eigenen Gewicht kam noch das einer Frau, die über seiner Schulter hing. Er löste seine Hand von ihrem Rücken und lies sie einfach von seiner Schulter rutschen wo sie Dumpf auf dem Boden aufschlug. Er musste sich keine Sorgen mehr darum machen das ihr irgendwie schaden könnte.
Ihr bleiches Gesicht verriet genug darüber wieso es nichts mehr gab das ihr noch schaden könnte. Sie war ein trauriger Anblick - das blonde Haar, feucht und etwas verklebt, dass sich über den Boden verteilte - verstreut wie ein prunkvoller Kopfschutz dessen besten Tage schon vergangen waren. Wahrscheinlich gab es nur etwas das trauriger war als ihr Tod – wie ihr gewölbter Bauch der sich unter dem samt rosane Kleid hervor hob und erahnen lies das sie nicht alleine verstorben war.
Nur ein paar wenige Augenblicke nahm er sich die Zeit auf die Frau hinab zu schauen. Ihr fehlte ein Schuh. Wahrscheinlich war er von ihren Füßen gefallen als er sie hier her getragen hatte.
Er griff nach der Schaufel, die für einen Garten nicht untypisch, schon für ihn bereit lag. Dafür wurde er bezahlt. Dieses Mädchen verschwinden zu lassen. Sie, und das Geheimnis das wohl mit ihr gestorben ist, begraben unter der kühlen, feuchten Erde, das Grab verborgen unter den hängenden Ästen einer Trauerweide. Stück für Stück hob er das Grab aus, türmte die Erde neben dem Loch das er grub bis es zum Grab wurde. Mit seinen Händen nahm er die Ihren, stieg über das Loch hinweg und bettete ihren Körper auf der Erde, die sie nun für immer gegen ihr weiches Bett eintauschen würde. Die Arme gefaltet und ohne einen letzten Blick verschwand, Schippe für Schippe, das Kleid – Ihr Gesicht – der Körper unter der Erde.

Es war nicht das erste mal das in dieser Stadt ein Mensch, oder ein generell ein Wesen verschwunden ist - es würde auch nicht das letzte mal sein. Doch nach er sein Geld bekommen hatte, konnte er sich etwas widmen das ihm mehr zusagte als Gräber ausheben und Leichen zu verscharren. Jemand hatte ihn um einen Gefallen gebeten. Jemand mit viel Geld, viel Macht und viel Einfluss. Jemand, für den es sich lohnte einen Auftrag zu erledigen. Es drehte sich um das Schiff das in Solheym angelegt hatte, der großen Stadt der - ´´unbegrenzten Möglichkeiten´´. Dieses Schiff fährt dahin wo eigentlich nur ein Pirat hingehen würde um seinen Schatz zu verstecken, oder Wer der eben so Einen finden wollte. Einen Schatz, nicht den Pirat. Soweit er Es verstanden hatte überschritt dieses Schiff sogar noch die Grenze, aber viele neigen hier gerne zur Übertreibung - und woher wollten Die schon wissen wie weit ein Pirat gehen würde?
Die Goldene Sonne. Als er stehen blieb, die feuchte Erde sich schon von seinen Füßen gelaufen hatte und das Schild sah, drängte sich das Bild der Frau vor seine Augen. Ihr Goldenes Haar, wie die Strahlen der Sonne - im Zentrum das fahle Gesicht, geschlossene Augen. Ihr Bauch - er ging ihm nicht aus dem Kopf.

Er kam in den Raum und wurde direkt empfangen von einem Lachen. Es galt nicht ihm sondern einem Gatha ohne Hand. Bevor er nun nach vorne gehen würde, zum Leoniden der ihn an etwas erinnerte Das er gerne töten würde, wartete er lieber ab. Der Gatha war vor ihm dran und aus seinen Fehlern könnte er noch etwas lernen.

Die Ausführungen des Kapitäns quittierte Valt mit einem langsamen Nicken, doch seine Miene blieb versteinert. Magische Winde waren nichts, wofür er sich im Moment begeistern konnte, ganz gleich wie sehr sie schon bald über sein Leben oder Ableben entscheiden würden. Natürlich würde er, wenn sie erst einmal an Bord waren, sein bestes geben und natürlich hegte er nicht den Wunsch, in den endlosen Tiefen der zerbrochenen Welt zu verschwinden, aber wenn eine tückische Böe ihn von Bord fegen würde: was würde es schon für einen Unterschied machen? Was hatte er noch, dass ihn am Leben festklammern ließ? Doch nichts andere als die Furcht vor dem Tod, dem Großen Ungewissen. Die Reise an sich hielt nichts für ihn bereit. Nichts außer die Chance, fort zu kommen. Er hatte die Gerüchte gehört, dass der Kapitän seine Mannschaft stets wieder vollzählig hierher zurück brachte, doch Valt hatte nicht vor, nach Solheym zurück zu kehren. Zu sehr war die Stadt mit seinem Schmerz verbunden. Vielleicht... vielleicht würde er anderorts Ablenkung davon finden, auch wenn er sicher war, dass die Wunde nie heilen würde.
"Was erwartet uns hinter dem Sturmtor, Kapitän?", erwiderte er nach einer Weile auf dessen Erzählungen. Er hätte nicht behaupten können, dass ihn die Antwort wirklich interessierte. Aber es war besser als hier stumm über seinem Bier zu brüten. In der Stille wurde der Schmerz nur tiefer...