Land of the Dead

Das Gras wucherte mehr als einen Meter hoch zwischen den Ritzen im bröckeligen Asphalt. Die Risse waren so zahlreich, dass die ehemalige Hauptstrasse eher einer Wiese, denn einer Strasse glich. Grillen zirpten und eine kleine Herde Rehe streifte durch das Gras.
An solch heissen Sommertagen, wagten sich die Wandler selten nach draussen. Der Virus in ihnen verabscheute Hitze. So fühlte sich Domenico relativ sicher, als er durch das Gelände streifte. Nichtsdestotrotz hatte er seine Armbrust dabei und auch einen Bolzen gespannt. Es war schlicht und einfach eine Vorsichtsmassnahme, die sicher nicht dumm war.
Klar, je weniger Menschen es gab, umso weniger Wandler gab es. Das verminderte aber nicht die Gefahr, die von einem Wandler ausging.
Die Luft flimmerte, es war schwer, in der Ferne etwas zu erkennen.
Domenico trug sein sandbraunes Shirt dennoch. Es tarnte einigermassen. Die Rehherde zog weiter, die Grillen zirpten nach wie vor. Domenico musterte die halb eingestürzten Gebäude zu seiner Rechten. Er konnte schwören, dass er vor einigen Tagen hier irgendwo eine Apotheke gesehen hatte.

Schon vor ein paar Tagen hatte Lyra sich von ihrer Gruppe getrennt. Sie waren nicht viele und es hatte Streit gegeben. Diesem hatte sie aus dem Weg gehen wollen und dafür hatte sie es in Kauf genommen alleine zu sein. Auch wenn sie es niemals zugeben würde, hoffte sie darauf in einer anderen Gruppe Zuflucht zu finden. Auch wenn es möglich war einige tage alleine zu überleben, war es doch angenehmer, wenn man hin und wieder all mit richtigen Menschen sprechen konnte. Außerdem war es in einer Gruppe einfacher zu schlafen.
Es war furchtbar warm. Eigentlich mochte Lyra die Sonne, vor allem weil sie Schutz vor den Wandlern bot. Aber mittlerweile war sie auch für sie anstrengend. Sie trug nur eine kurze Hose, ihr schwarzes Top hatte sie nach oben aufgeschlagen, so dass sie wenigstens bauchfrei herumlaufen konnte. Am Gürtel trug sie ein Messer, auf den Schultern ihren schweren Rucksack. In einer Hand hielt sie ein kleineres Messer, in der anderen eine Flasche mit Wasser

Auf einmal sah Domenico die Rehherde, wie sie erschrocken davonsprang. Augenblicklich hob er seine Armbrust und kniff die Augen zusammen. Gleichzeitig duckte er sich etwas.
Da vorne war irgendetwas. Ein verzweifelter Wandler?
Er strich sich seine Momentan rot gefärbten Haare aus dem Gesicht und schlich näher. Wenn er den Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte, würde das Mistvieh ihm nicht gefährlich werden. Der Wind kam aus seiner Richtung, als würde er ihn nicht riechen können. Wunderbar!
Er schlich noch ein wenig näher und konnte dann eindeutig sehen, dass es eine menschliche Gestalt sein musste. Also doch ein Wandler! Mutiger kleiner Kerl. Wenn die Sonne nicht blenden würde, hätte er auch shcon längst die hässliche Fresse des Viehs gesehen. Irgendwie war er froh, war ihm diese erspart. Dummerweise konnte er so aber keinen Kopfschuss landen.
Er senkte langsam die Armbrust und zog stattdessen ein Messer. Dummerweise bemerkte er dabei nicht, dass ganz kurz sich die sonne darauf spiegelte.

In den letzten Jahren hatte Lyra es gelernt, alles, was in ihrer Umwelt passierte, direkt mitzubekommen - und zu deuten. Sie nahm das Blitzen der Klinge nur unterbewusst war, reagierte aber direkt, ohne es wirklich zu realisieren. Der Griff um das Messer versteifte sich und sie drehte sich augenblicklich um.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet einen Wandler zu treffen, aber so sah er nicht aus. Wandler erschienen anders, nicht so ruhig. Und dennoch schien der Kerl sie nicht als Freund anzusehen. Sie überlegte einen Moment. Sollte sie angreifen? Dann sah sie seine Armbrust und sie hob die Arme. "Ich bin keine Gefahr!"

Domenico hatte mit allem gerechnet. Nur nicht damit, dass der Wandler ihn ansprach.
Klar, Wandler konnten durchaus sprechen. Doch in der Regel sagten sie andere Dinge als 'Ich bin keine Gefahr!'. Er hob die Augenbrauen.
"Wer bist du?", fragte er sogleich und richtete sich zu seiner vollen Grösse auf, ohne das Messer zu senken.
Gehörte sie zu der anderen Bande? War sie vielleciht nur ein Ablenkungsmanöver?

Lyra ließ symbolisch ihr Messer sinken. Vielleicht war es gefährlich blind darauf zu hoffen, dass er wirklich friedlich sein würde. Aber wenn sie die Situation realistisch besah, war es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit hier noch lebend herauszukommen. "Ich bin eine von euch!", sagte sie mit fester Stimme. Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu. Er musste doch sehen, dass sie kein Wandler war, oder? Vielleicht gehörte er aber auch einer der beiden großen Gruppen an. Wenn das, was sie so gehört hatte, wahr war, waren die fremden gegenüber auch sehr skeptisch. "Ich bin keine Gefahr", sagte sie noch einmal.

Eine von uns? Dass er nicht lachte. Nun da sie näher kam, konnte er sie auch langsam besser erkennen. Sie trug einen Rucksack, wirkte, als wäre sie schon länger unterwegs.
"Woher kommst du?", fragte er sie und senkte das Messer ein wenig. "Bist du alleine?"
Hoffentlich. Er hatte keine Lust auf eine dritte Gruppe hier. Die Stadt reichte ja schon für zwei kaum aus.

"Ja, ich bin allein", beantwortete Lyra seine Frage. "Ich komme aus dem suden und bin eigentlich nur suf der durchreise." Die Stadt sah ohnehin nicht aus, als wenn hier viel zu holen wäre. Sie hatte mit ihrer kleinen Gruppe immer etwas außerhalb gelebt. Dort war es viel schöner. "Keine sorge, ich werde bald wieder verschwinden." Sie umschloss das Messer wieder fester, falls der Kerl es sich doch noch anders überlegen würde. "Kann ich jetzt bitte wieder gehen? Oder soll ich warten, bis die ersten war Wandler kommen?"

Er musterte sie eingehend. Junge Frauen waren rar. Er fragte sich, wann er das letzte Mal eine so hatte rumlaufen sehen. Eigentlich war sie hübsch, schöner Bauch.
"Tut mir leid, ich kann dich nicht gehen lassen", meinte er, ohne die Waffen erneut zu heben. "Du bist in unserem Gebiet, ich muss dich erst mal zu meiner Gruppe führen."

Lyra hob eine Augenbraue. "Bitte? Sehe ich so aus, als würde von mir eine Gefahr ausgehen? Ich habe niemandem etwas getan und habe es auch nicht vor, also ist es vollkommen überflüssig, mich zu deiner Gruppe zu bringen." Was sollte das denn bitte? Damit machte sie sich alle mehr Umstände, als eigentlich vorhanden waren und das wollten sie doch eigentlich beide nicht, oder? Und seine Gruppe wäre sicher auch nicht erfreut, wenn man sie mit solch einem belanglosen Kram belasten würde. "Lass mich einfach weiterziehen und die Sache hat sich erledigt. Schönes Leben noch." Und damit riskierte sie es einfach und ging. Mehr als erschießen konnte er sie ja nicht.

"Hmm ..."
Er schaute ihr einen Moment lang hinterher. Gut, vielleicht würde er sie nicht zwingen, mal mitzukommen. Aber beobachten würde er sie auf jeden Fall. Vielleicht war sie ja wirklich nur ein Lockvogel und das wäre alles andere als lustig.
So wandte auch er sich ab, auch wenn er sie im Auge behielt.

Lyra hatte fast schon erwartet, dass der Kerl sie zurückhalten würde. Sie hatte fast schon damit gerechnet, dass ein Bolzen in ihrem rücken landen würde, aber nichts davon geschah. Also verscwahnd sie. Sie musste sich für die Nacht irgendeinen Unterschlupf suchen und dann wollte sie so schnell wie möglich wieder raus außer Stadt.
Es dauerte ewig, bis sie irgendwann etwas gefunden hatte, wo sie bleiben konnte und auch hier war sie sich nicht sicher, ob alles problemlos laufen würde.

Domenico folgte ihr die ganze Zeit heimlich.Zum Schutz der Gruppe musste er herausfinden wer sie war. War sie wirklich nur auf Durchreise? Oder gehörte sie letzten Endes doch zu einer anderen Gruppe?
Auf jeden Fall war es gefährlich was sie da tat. Insbesondere als gegen Abend eine Gruppe Wandler auftauchte.

Am liebsten wäre Lyra draußen geblieben, aber das ging natürlich. Das vermisste sie wirklich. Einfach draußen unter dem Sternenzelt schlafen. Schon lange nicht mehr möglich. Also entschied sie sich in eines der Häuser zu gehen. In einiger Entfernung hörte sie bereits einige Wandler, die eindeutig auf sie zusteuerten. Schnell und hoffentlich ungesehen,huschte sie also in das Haus, in der Hoffnung dort zumindest bis sie vorbei gezogen waren. Dass domenico ihr gefolgt war, hatte sie gar nicht mitbekommen. Entweder war sie also zu unaufmerksam oder er zu gut.

Domenico wartete noch eine Weile, ehe er begann, ums Haus zu schleichen. Die Sonne hing knapp über dem Horizont und man konnte nun die Wandler relativ gut hören, wie sie schnüffelnd um die Häuser strichen.
Leise drang Domenico ins Haus ein und schlich sich vorwärts. Hier hatte es so viele Wandler, es wäre Selbstmord, jetzt noch zu den anderen zurück zu kehren.

Lyra war kurz oben gewesen. Es war klüger die Nacht unten zu verbringen, weil es einfacher war von dort aus zu fliehen, aber sie wollte zumindest nachsehen, ob oben nicht doch jemand war, der ihr Probleme machen könnte. Dass gerade so eine Person währenddessen unten das Haus betrat, damit hatte sie natürlich nicht gerechnet. Sie hörte erst nur seine Schritte, sah aber nichts. Sie schluckte und schloss einen Moment die Augen. Einen Wandler würde sie wohl besiegen können, oder nicht? Sie stand oben an der Treppe, presste sich gegen die Wand und hielt einen Moment die Luft an. Vielleicht könnte sie sich auch rausschleichen, aber dann würde sie ihr Versteck aufgeben. Also entschloss sie sich dazu die Treppe leise herunter zu schleichen, in der Hoffnung dass er sie nicht hörte.

Das Mädchen war nicht hier unten. Hm. Naja. Auch egal.
Er schaute sich um und kontrollierte vor allem, dass die Wandler nirgens einfach so reinkommen konnte. Doch auf einmal verharrte er. Waren das SChritte auf der Treppe? War das Mädel etwa oben?
Schnell huschte er zur Tür, von wo aus er die Treppe im Auge behalten konnte.
Na mal sehen.

Lyra gab sich die größte mühe keine Geräusche zu machen, während sie die Treppe herunterschlich. Wie setzte sie den Wandler am besten aussser Gefecht? Sie schloss die Hand fester um ihr Messer und ging langsam nach unten. Aber da waren keine Geräusche mehr und Wandler waren meistens nicht klug genug um irgendwo zu lauern. Das sorgte auch dafür, dass man als Mensch doch hin und wieder einen Vorteil hatte. Diese ruhe jetzt machte sie nervös. Was hatte das zu bedeuten?

"Hey, pscht!", machte Domenico leise, als das Mädchen am Fuss der Treppe erschien.
"Ich bins!"
Hoffentlich erschrak sie nicht und legte ihn um. vorsichtshalber wich er wieder etwas zurück, damit sie eher die Wand als ihn treffen würde.

Lyra hatte sich unter Kontrolle. Sie erschrak zwar fürchterlich, als sie auf einmal die stimme hörte, mit der sie über haut nicht gerechnet hatte, aber sie konnte sich beherrschen. 'Was willst du hier hier?', zischte sie. Das war doch der Kerl von vorhin, oder nicht? Sie hatte gedacht er wäre gegangen. 'Ich hab dir doch gesagt, dass ich keine gefahr bin!'

"Das weiss ich mittlerweile auch ..."
Leicht grinsend kam er aus seinem Versteck. "Ich wollte rausfinden, wo du hingehst. Offensichtlich bist du tatsächlich alleine unterwegs." Domenico behielt die Stimme gesenkt. Wandler hatten verflucht gute Ohren.

Lyra streckte die Hand aus und stieß ihn an der Brust zurück. 'Natürlich bin ich allein', zischte sie. aber wenn wir es drauf anlegen, werden US ganz bestimmt eine Menge Wandler besuchen.' Sie schnaubte leise. 'Warum zur Hölle folge du mir? Hast du nichts anderes zu tun?'

"Nein, hab ich nicht", beantwortete er ihre Frage.
"Ich musste rausfinden wer du bist. Das ist alles. Und nun ist es zu spät, um zurück zu den andern zu kehren."
Er hielt ihr seine Hand hin.
"Bin übrigens Domenico."

'Bedauerlich', sagte Lyra und meinte es wirklich so. Jetzt mussten sie die ganze Naht mit diesem Kerl verbringen. Als er sich vorstellte, unterdrückte sie ein Schnauben. 'Schön.' Sie würde sich jetzt nicht mit ihm anfreunden, immerhin hatte er sie wie eine Feindin behandelt und im Prinzip hatte er recht. Sie konnte ihm nicht trauen und da sollte sie sich ihm nicht anvertrauen. mich suche mir einen platz zum schlafen. Gute Nacht '

“Warum bist du so zickig?“, fragte er mit gehobenen Augenbrauen.
Er setzte sich hin und lehnte sich Abb die Wand.
“Wie lange bist du schon alleine?“