GQ - [Die MSG]

"Nicht viel, Eisbärmann", antwortete Amun zögerlich. Jedenfalls wusste er nicht mehr als jeder andere Avior wusste, also nicht wirklich viel. Außerdem waren das meiste nur Gerüchte und Legenden, keine Fakten. Im Grunde hatte er nicht die geringste Ahnung, was sie da drinnen erwartete. In jedem Fall war der Palast von Avior erbaut worden. Menschen hätten in solchen luftigen Höhen wohl kaum gearbeitet.
"Ist der Palast des Sturmkönigs, des letzten Königs der Avior. Wurde von den Windsprechern versiegelt, weil er verflucht ist. Ist lange her. Menschen erinnern sich nicht einmal mehr an den Sturmkönig. Weiß aber nicht, warum Palast versiegelt worden ist. Vielleicht war schlechter König? Oder..."
Die Worte blieben Amun im Halse stecken weil er grade den Gang, den Trevin gefunden hatte, durchschritten hatte. Dahinter öffnete sich eine Höhle. Nein, es war eine Kaverne. Gab es etwas Größeres als Kavernen?
Der Gruppe eröffnete sich die Aussicht auf eine gewaltige, runde Aushöhlung im Berg. Im Licht der zuckenden Blitzsäule in der Mitte des Bergs konnte man grade eben so ausmachen, dass Plattformen von der Wand abgingen. Nach rechts führte eine flache Treppe aus Plattformen nach oben. Auch hier schien Gold und Marmor das Lieblingsmaterial der Baumeister gewesen zu sein.

Mit einer Mischung aus Beklommenheit und Ehrfurcht nahm Aldred die Eindrücke der Kaverne – des inneren Palastes – in sich auf. Der Sturmkönig, fürwahr. Beim Anblick der Blitzsäule im Zentrum der Höhle, dem befremdlichsten und zugleich furchteinflößendsten Teil der gesamten Szenerie, fiel es ihm nicht schwer sich auszumalen, woher der Herr dieses Palasts den Namen erhalten hatte.
Ihr weiterer Weg war im Grunde vorgegeben. Die Treppe, die sich die Wand hinauf wendelte, war der einzige Weg, der ihnen zur Verfügung stand. Dennoch zögerte Aldred, die Plattformen zu erklimmen. "Da lang?", wandte er sich unsicher an Amun'Raak, mit dem Hammer in der Rechten die Stufen empor deutend. Es war offenkundig, dass er sich nicht wohl fühlte bei dem Gedanken, dort hinauf zu klettern und lieber den Avior vorgehen lassen wollte.

Tristan fragte sich ja schon, welcher Irrer das hier gebaut hatte. Und vor allem wozu?!
Er schaute sich um und er bemerkte, dass es ihm nicht gerade behagte, hier zu sein. Wär er doch einfach unten geblieben! Gott!
Immerhin schien dieser imposante Bau die Gedanken der anderen soweit einzunehmen, dass keiner mehr an den toten Geralt dachte. Er hoffte es zumindest.

Fasziniert starrte Finn die Blitzsäule hoch und hob den Kopf, um zu erkennen, wo sie aufhörte. Die Kombination aus hellem Licht und zuckenden Schatten machten es aber immer schwerer, etwas zu erkennen, je höher man sah, weshalb er nicht viel weiter als zwei Umrunden der Treppe sehen konnte. Finn blinzelte einige Male, um die Nachbilder vor seinen Augen zu vertreiben und sah sich. Die Materialien, die alleine in diesem Raum verwendet wurden, könnten die Avior wohl für viele Jahre füttern, wenn sie sie an die Menschen verkaufen würden. Wieso hatten sie alles auf einen Berg geschleppt, um daraus einen Palast zu bauen, den sie dann nicht betreten durften? Finn verstand dieses Verhalten nicht. Der Fürst der Letzten Stadt wohnte in einem bescheidenen Haus, nicht viel besser als die Häuser aller Bewohner der Nordstadt, und investierte jedes Goldstück in die Verteidigung oder Ernährung seiner Stadt. Wie konnten die Avior so verschwenderisch sein?
Vorsichtig trat der Junge einige Schritte nach vorne, um in das Loch, aus dem die Blitzsäule hochstieg, zu schauen. Er spürte die Energie in der Luft, seine Kleidung kribbelte und seine Haare begannen, sich zu bewegen. Auch in die Tiefe war nicht viel zu erkennen, doch es schien ziemlich weit nach unten zu gehen. Hastig trat Finn wieder zurück. Er wollte nicht stürzen.
"I...ich glaube, w...wir sollten na...na...nach unten gehen", schlug Finn vor. "Vie... vielleicht finden wir da einen Ausgang."

"Ein Ausgang ist nicht, was wir suchen, Finn", entgegnete Aldred ernst und wandte den Blick erneut nach oben, "Wir haben eine Aufgabe hier drin zu erfüllen. Für die Avior. Für Rutha. Wir können nicht mehr umkehren. Vor allem du nicht. Es war kein Zufall, dass deine Hand in diesen Abdruck gepasst hat, Finn. Wir müssen nun nach vorne. Uns dem stellen, was uns erwartet." Die unausgesprochene Frage, was dies denn sei, schwang, diesmal an Amun'Raak gewandt, in seinen Worten mit. Etwas stimmte nicht mit diesem Palast, das belegte der Sturm dort draußen. Die Prophezeihung war hierin eindeutig. Aber was, das war nicht erkenntlich. Nichts in dem Palast erweckte den Anschein, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu ging, sah man vielleicht einmal von der furchteinflößenden Blitzsäule ab. Doch gehörte sie hierhin oder war sie die Ursache des Unwetters, das Auge des Sturms?

Mit einer Hand deutete Amun auf die schwebenden Stufen. Darauf waren im immer flackernden Licht der Blitzsäule dieselben Schriftzeichen zu lesen wie auch schon in der Bibliothek. Selbst einem Laien würde auffallen, dass die Zeichen exakt dieselben waren. Und sie sprachen von derselben Prophezeiung: Von einem Anführer, der die Avior in einer Zeit des Leids von ihrem Joch befreite.
"Schon glaube ich es, heh", antwortete Amun. Sollte er dieser strahlende Held sein? Klang irgendwie unwahrscheinlich, wenn man bedachte, dass Amun nicht grade Anführerqualität besaß. Er war nur ein Fernauge, eine Anomalie. Trotzdem schritt er über die Stufen voran, die unter seinem Tritt leicht nachgaben. Nach noch nicht einem einer halben Drehung um die Säule erreichte die Gruppe die Plattform.
Von dieser erklang ein immer wiederkehrendes 'Klong'. Amun bedeutete den anderen stehen zu bleiben und nahm seinen Speer in die Hand.
"Wartet hier. Kann fliegen. Überlebe Fall."
Kurz darauf winkte Amun die Gruppe zu sich. Das Geräusch wurde durch ein Konstrukt verursacht, das immer wieder gegen eine marmorne Säule rannte. Im Gegensatz zu dem Konstrukt unten schienen bei dem hier einige Palmen in der Oase des Geistes zu fehlen. Amun wedelte mit der Hand vor den "Augen" des Konstrukts herum, aber das ließ sich nicht von seinem Vorhaben abhalten. Furchen im Marmorboden belegten, dass das Konstrukt nicht erst seit ein paar Tagen kaputt war.
"Palast ist versiegelt seit Jahrzehnten. Abnutzungserscheinungen, vielleicht? Niemand hat repariert. Kein Avior könnte reparieren."
Die Plattform an sich war anscheinend eine Art Waffenkammer gewesen. Zumindest hingen noch einige Speere in Halterungen an der Wand.

Gegen seinen Willen war Trevin beeindruckt von der Konstruktion dieses Palastes. Zwar begegnete er solcher protzigen Zurschaustellung von Macht eher mit Verachtung, doch mußte er zugeben, daß sie ihre Wirkung in diesem Fall nicht verfehlte.
Als er dem Avior über die Treppen nachfolgte, stellte er fest, daß er sich an derart große Höhen wohl allmählich zu gewöhnen schien, denn der Blick nach unten erschreckte ihn nicht mehr so sehr wie bei den letzten Gelegenheiten.
Sie erreichten die obere Plattform, und der Anblick, der sich ihnen hier bot, irritierte Trevin. Das Konstrukt dort unten, vor der Brücke, hatte ihn bereits überrascht, doch das hier war noch seltsamer.
"Was im Namen der dunklen Fürstin ist mit diesem... Ding... denn los?" fragte er entgeistert, als ob er die Worte des Aviors nicht gehört hätte.

Neythani folgte der Gruppe nach oben und hielt sich immer wieder an der Wand fest. Sie traute sich nicht, hinunter zu sehen, deshalb folgte sie mit ihren Blicken der Gruppe. Diese Blitzsäule machte ihr angst und auch alles andere um sie rum. Am liebsten würde sie schreiend davon laufen. Aber sie hatte viel zu sehr angst davor.. angst nie wieder heimzukehren zu ihrer Familie. Deshalb blieb sie bei der gruppe.

"Wenn es das ist, was diesen Sturm verursacht, und wir es nicht reparieren können, dann zerstören wir es!", schlug Aldred vor, was ohnehin bereits offenkundig war. Denn welche andere Option blieb ihnen? Keiner von ihnen war ein Magier, der es vielleicht hätte ausschalten können. Und weiter machen lassen konnten sie es unmöglich. Zögerlich ging er, den Hammer in der Rechten halb erhoben, auf das Konstrukt zu. Es wirkte massiv und er war sich nicht sicher, ob es seinen Schlägen so einfach nachgeben würde. Mit Metall kannte er sich schließlich aus. Aber andererseits beachtete das Ding sie zumindest im Moment kein bisschen. Falls es sich nicht wehrte, dann mochten sie in der Lage sein, es einfach über den Rand der Plattform in die Tiefe zu werfen. Das würde es allemal zerschmettern.

Als Aldred, den Hammer in der Hand, auf das Konstrukt zu schritt, zog auch Trevin sein Schwert, näherte sich dem Ding aber nicht weniger zögernd, und eher Aldred im Blick behaltend.
Aldreds Hammer mochte gegen diesen "Feind" kaum Wirkung zeigen, bestimmt aber mehr als Trevins Schwert. In Anbetracht dessen schien es ihm sinnvoller zu sein, wenn Aldred zuerst angriff. Dennoch hielt er sich bereit, um dem Anführer der Gruppe schnell zu Hilfe eilen zu können.

"Naja. Wenn die ganze Scheisse hier wirklich nur wegen dem kaputten Ding passiert … finde ich es fragwürdig, ob man es zerstören sollte", meinte Tristan, der nicht unbedingt beteiligt sein wollte, weshalb er keinen Finger rührte.
"Wer weiss, was passiert, wenn es ganz kaputt ist."

Als sich der Söldner einmischte, sah Trevin erst unwillig auf, doch dann ließ er sein Schwert sinken.
"Okay, da ist was dran," gab er zu. "Es wäre in der Tat voreilig, dieses Ding einfach so auszuschalten."
Er ärgerte sich, daß er nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen war. Gerade er hätte wissen müssen, daß die offensichtlichste Lösung nicht immer die war, die auch zutraf. Eine verrückte Idee überkam Trevin - was, wenn dieses Konstrukt hier so eine Art Wächter war, das die Naturgewalten im Zaum hielt? Die Vorstellung kam ihm ziemlich absurd vor, doch daß seine Zerstörung die Situation noch verschlimmern würde, anstatt sie zu retten, zog er dennoch in Betracht.

Aldred, bereits halb auf dem Weg los zu schlagen, hielt beim Zögern der anderen inne. Auch er verkannte nicht den Sinn in Tristans Worten, doch gab es da eine entscheidende Sache, die der Söldner unbedacht ließ: diese Kreatur war offenkundig verrückt geworden. Sie konnten sie nicht weiter machen lassen. Sie mussten etwas dagegen unternehmen. Und was, wenn nicht das verrückte Konstrukt zerstören? Ob Tristan auch darauf eine Antwort wusste.
"Was also tun?", hakte er nach und blickte den Söldner direkt an, "Wie sollen wir es sonst aufhalten?"

"Von Irgendetwas wird sie angetrieben. Nichts läuft ohne irgendwelche Energie. Selbst wenn es Magie ist. Irgendwoher muss diese Magie kommen. Wir müssten versuchen, die Energiezufuhr zu stoppen. Dann wäre es still, ohne dass es zerstört ist", schlug er vor.
Eigentlich hatte er keine Ahnung, doch ihm gefiel der Gedanke nicht, hier drin etwas unwiderruflich zu zerstören.
"Ich persönlich habs nie abklären lassen. Aber ich hab das Gefühl, ich bin magisch nicht begabter als ein Handschuh."

Magie, ja. Magie war es unzweifelhaft, die dieses Konstrukt antrieb. Nur wie sie abstellen? Dazu bedurfte es eines Magiers. Kazeel hätte es vielleicht vermocht. Aber Kazeel war in E'jin zurück geblieben. Keiner von ihnen verstand genug von Magie um auch nur nach einem Weg suchen zu können, es abzustellen. Außer Finn vielleicht. Aber auch der war kein Magier.
"Amun'Raak!", wandte er sich also stattdessen an den Avior, "Meinst du, dieses Ding ist notwendig für den Palast? Oder sollen wir es zerstören?"

Nicht weniger verwundert als die anderen auch hob Amun die Arme in einer Geste der Ratlosigkeit. Er kannte diese Konstrukte ebenso wenig wie die anderen der Gruppe. Was sollte er ihnen also schon sagen? Zumindest aber schien von dem Ding keine Gefahr auszugehen. Sein Blick wanderte nach oben. Was auch immer hier vor sich ging, die Antworten würden sie weiter oben finden. Schließlich mussten die Erbauer Avior gewesen sein. Und Avior setzten das was ihnen wichtig war möglichst weit nach oben.
"Lasst es. Vielleicht verärgern wir irgendwas wenn wir es zerstören. Lasst uns nach oben gehen weiter. Wenn Antworten es gibt, dann sie sind weiter oben. Was ist das?"
Amuns letzte Worte galten einigen Kugeln aus Licht, die sich an blitzenden Fäden zu ihnen abseilten. Die Kugeln waren noch weit weg, aber sie kamen ihnen näher.
"Aufmerksamkeit haben wir erregt, heh. Frage mich, ob Freunde oder Feinde."
Die Antwort zu suchen erübrigte sich für die Gruppe. Etwas klickte in dem Konstrukt vor ihnen. Die Spinne drehte sich um und starrte die Gruppe aus vor Elektrizität knisternden Augen an. Dann sprang sie Amun an, der trotz seiner Überraschung auswich. Das Konstrukt fiel geräuschlos der Leere entgegen.
Dem Avior entsprang eine Anzahl wüster Schimpfereien in seiner Sprache, mehr der Überraschung und des Schocks verschuldet als echtem Zorn. Damit war aber wohl klar, dass sie irgendeine Art Alarm ausgelöst haben mussten. Auch die leuchtenden Kugeln weiter oben waren wohl Wächterkonstrukte und es gesellten sich ihnen weitere hinzu.
Mit zusammengekniffenen Augen erspähte Amun weiter oben ein paar massiver Torflügel und darauf ein Zeichen in der Schriftsprache der Avior. Es bedeutete König.
"Nach oben. Habe Türen gesehen. Könnten die Wächter aussperren."

Wie in Trance beobachtete Aldred die unerwartete Szenerie vor seinen Augen. Im einen Augenblick war alles ganz friedlich gewesen, unscheinbar, höchstens ein wenig merkwürdig. Und dann änderte sich mit einem mal alles. Die blitzenden Kugeln, die sich ihnen langsam, aber beständig von oben näherten, der plötzliche Sinneswandel des verwirrten Konstrukts, sein Angriff. Erst, als es in der Tiefe verschwand, von seinem eigenen Schwung über den Rand der Plattform getragen, erwachte der Schmied wieder aus seiner Starre. Das Spinnenwesen war fort, aber diese anderen Dinge, die grellen Lichtsphären, hielten nach wie vor auf sie zu und kamen näher und näher!
"Lauft!", rief er aus und stürmte, der Gruppe voran, auf die nächste Plattform zu, den Hammer noch immer in der Hand. Mit einem Sprung ergriff er die obere Kante, zog sich hinauf. Die Plattformen bildeten alles andere als eine regelmäßige Treppe. Manche folgten so dicht aufeinander, dass es nicht mehr als einen großen Schritt bedurfte um von einer auf die nächste zu wechseln, andere hatten mehr als eine Mannslänge Höhenunterschied. Sie zu erklimmen stellte eine unerwartete Herausforderung dar. Die meisten in der Gruppe mochten es schaffen, sie waren erwachsene, durchtrainierte Männer. Die meisten... "Finn!", rief Aldred, kniete sich am Rand der Stufe hin und reckte seinen Arm helfend hinab.

Neythani sah etwas geschockt aus, als das Konstrukt den Vogelmann ansprang und dann in die Tiefe segelte. Sie befestigte ihren Speer so, das er sie beim laufen nicht behinderte, dann rannte sie schnell diese seltsame Treppe hoch, den anderen hinterher. Gehetzt sah sie sich nach allen seiten um und als sie dann vor der Tür anhielt, zitterte sie richtig. Sie öffnete die Tür und wartete auf die anderen, die hinter ihr hochstürmten. "Los, beeilt euch!," rief sie ihnen zu und sah sich ängstlich um.

Finn hatte das Konstrukt fasziniert beobachtet und war um so erschrockener, als es plötzlich angriff. Dementsprechend war seine  Reaktion nicht gerade prompt, als die Gruppe sich auf einen Ruf hin in Bewegung setzte und die Plattformen hoch rannte. Die anderen hatten die erste Plattform schon halb überquert als Finn endlich dazu ansetzte, ihnen nachzulaufen. Der Abstand vergrösserte sich rasch. Obwohl die Avior seinen Knöchel geheilt hatten, war er immer noch schwach, insbesondere weil es das zweite Mal in kurzer Zeit war, dass er ihn gebrochen hatte. Schnell spürte er Erschöpfung in einem Fuss und warf verzweifelt nach oben, was ihn noch mehr verlangsamte. Die Konstrukte näherten sich schnell und Panik packte ihn.
"Finn!"
Finn blickte auf den Ruf hin wieder nach vorne und schaffte es gerade noch, abzubremsen. Die höchste Plattform war so hoch, dass er locker zwischen den beiden Platten hätte hindurch in die Tiefe rennen können. Aldred kniete am oberen Rand und streckte die Hand aus, um ihm hochzuhelfen. Trotz der Notsituation zögerte Finn für einen Moment, doch das bedrohliche Klicken der Konstrukte überzeugte ihn schnell, dass jetzt keine Zeit für Berührungsängste war. Er ergriff die dargebotene Hand und mit der Hilfe des Eisbärmanns schaffte er es, die Kante zu greifen. Viel weiter kam er nicht und Aldred musste ihn schier hochhieven, doch nach einigen Momenten war Finn auf der Plattform. Die Katzenfrau stand bereits neben der Tür und winkte sie heran, was Finn sich nicht zweimal sagen liess.

Tristan war es völlig egal, ob irgendwer zurückblieb oder nicht. ER musste hier weg!
Er rannte und kletterte so schnell seine Beine ihn trugen. Die Katzenlady war vor ihm bei der Tür und öffnete sie. Er rauschte rücksichtslos an ihr vorbei durch die Tür, ehe er seinen Schritt etwas verlangsamte und das erste Mal nach hinten blickte.
Oh, diese blödsinnige magische Mission! Wäre er diesen Idioten doch nur niemals begegnet!

Als die Gruppe durch die Tür floh klickte etwas unhörbar leise in dem Boden dahinter. Der Raum, der sich ihnen eröffnete war schlicht und rund. Keine Verzierungen fanden sich an den Wänden und auf dem Boden war nur das Symbol für "Aufstieg" zu lesen. Amun, der als letzter reinkam, riss die Augen auf. Es blieb noch Zeit für einen Moment der Warnung, dann setzte sich die Plattform in Bewegung.
"FESTHALTEN!", brüllte Amun als sich der Boden bereits nach oben in Bewegung setzte. Die Bodenplatte schien doch nicht so massiv wie angenommen, angesichts der Geschwindigkeit mit der sie nach oben raste. Erst als der Boden nicht mehr vibrierte und das flaue Gefühl in Amuns Magen verschwunden war machte der Avior die Augen wieder auf. Sie waren in einem Thronsaal. Goldene Statuen von längst verstorbenen Avior zierten die Wände. Die komplette Decke war mit einem Bild verziert, dass einen gold gerüsteten Avior zeigte, der...nein. Der Avior zerquetschte den Schädel eines Menschen unter seinem Fuß.
Auf dem Thron saß eine Gestalt.
"Und was wollt ihr in meinem Palast?"

Man konnte sagen, Tristan hatte in seinem Leben schon einiges erlebt und durchgemacht. Das Meiste davon mehr oder weniger würdevoll. Bis jetzt hatte er jedoch noch nicht von sich behaupten können, in einen Thronsaal gekotzt zu haben. Bis jetzt.
Kaum hielt die Platte endlich still, torkelte er ein paar Schritte und übergab sich dann zu Füssen eines ehemals sicherlich hochgeschätzten Aviors in Gold.
Als der Würgereiz nachgelassen hatte, lehnte er sich gegen die Statue und schaute zum Thron. Doch ihm fehlte gerade irgendwie das Feuer, um dem Kerl da oben die Meinung zu sagen.

Finn war kaum zu einem Halt gekommen, als der Boden mit einem Ruck gegen seine Füsse stiess und sich nach oben schob, die ganze Gruppe mit sich tragend. Die Bewegung war genug, um Finns ohnehin schon fragiles Gleichgewicht zu zerstören und er kippte nach einem moment des Torkelnd um. Seine Schulter schrammte heftig gegen den Stein und ein abgerissener Schreckensruf entglitt seinen Lippen. Es dauerte einen Moment, bevor Finn sich wieder Bewusst war, wo oben und unten war. Sie bewegten sich eindeutig nach oben. Er entschied, dass es besser war, wenn er einfach liegen blieb, bis sie anhielten. Hoffentlich würde diese Plattform sie nicht durch die Decke des Palastes in den tobenden Sturm hinaustragen.
Seine Befürchtung stellte sich schnell als unbegründet heraus. Die Plattform stellte ihre Bewegung nach weniger als einer Minute ein und Finn stemmte sich langsam hoch. Er rieb seine schmerzende Schulter und blickte sich um. Wieder befanden sie sich in einem unglaublich verschwenderisch gebauten Raum. Wie viel Essen man wohl mit all diesem Gold kaufen konnte?
Seine Überlegungen wurden von einer fordernden Frage, die vom anderen Ende des riesigen Saales ertönte, unterbrochen. Finn blickte eingeschüchtert hinüber und biss sich auf die Lippen. Er konnte nicht viel mehr als die Silhouette der Gestalt ausmachen, doch der Ton der Stimme war genug, dass Finn fragend zum Anführer ihrer Gruppe, Aldred blickte.

Unter normalen Umständen hätte es weniges gegeben, das Aldred in die Knie gezwungen hätte. Er war ein Mann mit festem Stand, seine Statur – kräftig aber gleichzeitig nicht zu hochgeschossen und somit mit tiefem Schwerpunkt – half ihm dabei. Er hatte schmetternde Hiebe abgefangen, den Ansturm wilder Raubtiere und war doch stets auf den Füßen geblieben. Diese absonderliche Plattform jedoch schaffte es ohne jegliche Mühe, ihn auf alle Viere zu zwingen. Rasch, rascher als das schnellste Pferd, auf dem er je gesessen hatte, schnellte sie in die Höhe, Wind pfiff um sie und die steinernen Mauern des Tempels, die sie passierten, waren kaum auszumachen. Das Schlimmste jedoch war, dass sie es wieder einmal mit höchst absonderlicher Magie zu tun hatten. Steinplatten hatten nicht zu fliegen, schon gar nicht so schnell! Halt suchend stützte Aldred sich mit Händen und Füßen verkrampft auf dem Boden ab und betete, dass dieser Höllenritt rasch vorüber gehen möge. Sein Gebet wurde erhört.
Sie fanden sich in einer imposanten Halle, die über und über mit Gold verziert war und es hätte nicht der Gestalt, die an deren Ende saß, bedurft um zu erraten, dass dies ein Thronsaal war. Langsam, unsicher richtete Aldred sich wieder auf. "Seid... seid ihr der Sturmkönig?", wandte er mit zitternder Stimme das Wort an die Gestalt.

Als das Konstrukt unerwartet angriff, hob Trevin wieder schnell sein Schwert, doch das Ding knockte sich ratzfatz selber aus. Er stand gerade nahe dem Rand der Plattform und warf ihm noch einen flüchtigen Blick hinterher, wie es gerade in die Tiefe stürzte. Naja, so wichtig wird das Ding dann wohl hoffentlich nicht sein, dachte er und sah dann zu den sich nähernden Lichtern empor.
Er hatte sich bereits Sorgen gemacht, wie er mit seiner Waffe dem Konstrukt schaden sollte - bei diesen Gegnern allerdings war er mit seinem Latein jetzt schon am Ende. Glücklicherweise schien der Vogelmann einen Kampf gar nicht erst in Erwägung zu ziehen. In diesem Fall war Flucht wohl tatsächlich die bessere Alternative.
Schnell hetzte auch Trevin zu der nächsten Plattform und zog sich geschickt hinauf. Wenn er eine Eigenschaft besaß, bei der er besonders hervor stach, war das nun mal seine Beweglichkeit, die er auch hier eindrucksvoll zur Schau stellte. Ein kurzer Blick zurück - auch die anderen schienen keine Probleme zu haben, bis auf den Jungen; doch dem half Aldred bereits. Die Katzenfrau nahm die Hürde sogar noch eleganter als er selbst; er wäre aber wohl auch enttäuscht gewesen, hätte es sich anders verhalten.
Sie gelangten in einen runden Raum, und die Tür schloß sich hinter ihnen. Noch während Amun bereits einen warnenden Schrei ausstieß, spürte Trevin schon, daß etwas nicht stimmte. Sie schienen hier keineswegs festen Boden unter den Füßen zu haben, was dieser auch gleich demonstrieren mußte. Der plötzliche Ruck, gefolgt von einem rasanten Aufwärtstrieb, zwang ihn augenblicklich in die Knie, und eine Zeitlang konnte er diese Position nicht verlassen. Der Stop war nicht weniger ruckartig als der Start und brachte ihn abermals aus dem Gleichgewicht.
"Was im Namen der dunklen Fürstin..." ächzte er, wurde aber unterbrochen, als sich neben ihm jemand geräuschvoll erbrach. Ein Blick zur Seite verriet ihm, daß es Tristan war. Er verzog das Gesicht und richtete sich dann auf. Dabei geriet eine eindrucksvolle Gestalt auf einem Thron in sein Blickfeld, die in diesem Moment fragte, was sie in ihrem Palast zu suchen hatten. Ob das der Sturmkönig war? Aldred schien den selben Verdacht zu hegen, denn in diesem Moment stellte er diese Frage auch schon laut.
Trevin selbst zog es vor, sich zunächst still zu verhalten, zu beobachten und möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen - ein Verhalten, das ihm schon oft genug das Leben gerettet hatte.