[MSG] Takanors Geißel

So plötzlich, wie sie in dem Zimmer gestanden hatte, so plötzlich lag Ciara wieder in ihrem Bett im Gasthaus. Sie verstand nicht, was geschehen war. Es schien ein Traum gewesen zu sein, doch er wirkte so real, als hätte sie es tatsächlich überlebt. Langsam drehte sie den Kopf dorthin, wo sie die Ritterin vermutete. Und tatsächlich saß die Ritterin noch immer auf dem Teppich. In diesem Moment hob Vitoria den Kopf. Sie starrte ihr fassungslos in die Augen. Irgendwie wirkte sie verletzlich. Sie schien mit sich selbst zu kämpfen, während die Heilerin sich aufrichtete. Dann bemerkte Ciara die Träne. Geschockt ließ sie sich aus dem Bett auf den Boden gleiten, wo sie ebenfalls kniend verharrte, bevor sie mitleidig nach der Hand der Ritterin griff.
"Das wart Ihr", murmelte sie, sichtlich irritiert darüber, was sie gesehen hatte. "Ich habe von Euch geträumt... Einen so realen Traum..."
Auch Ciara war fassungslos. Die Erinnerungen an den Traum überrollten sie. Wie war es möglich, dass sie von etwas träumte, das ihr völlig unbekannt war? Sie glaubte fest daran, dass sie von der Vergangenheit Vitorias geträumt hatte. Und diese schien das zu wissen, denn die Heilerin könnte sich nicht erklären, wie es sonst sein konnte, dass ihre Dienerin derart aufgelöst war.

Noch immer erklang der Ton der Spieluhr in ihren Gedanken, sie wurde diese Melodie nicht mehr los... Sie erinnerte sich wieder... sie erinnerte sich an einen Teil ihres Lebens bevor sie zu dem wurde was sie jetzt ist. Als sie noch ein Mensch war... ein unschuldiges kleines Mädchen, welches mit Zorn und Hass dämonischen Blutes noch nicht umgehen musste.
Als Ciara sich zu ihr auf den Boden kniete und ihre Hand ergriff, dabei senkte Vitoria den Blick, sodass ihre gelben Augen auf ihrer Linken ruhte welche umschlossen von Ciaras Händen war. Der Moment hatte beinahe schon Ähnlichkeit zu dem Traum.
"Manchmal wenn die Bindung zwischen Diener, welcher selbst einmal sterblich war, und Meister besonders gut ist...", wollte sie ihr erklären, brach dann jedoch ab. Sie wischte sich mit der Rechten die Tränen aus dem Gesicht, bevor ihre Mimik erneut so kalt wurde wie man es von ihr gewohnt war.
"Bitte verzeiht mir, Meisterin Ciara... ich wollte euch dort nicht mit hinein ziehen. Es betrifft euch nicht...", sprach sie kühl und ließ beschämt den Blick auf dem Boden ruhend.

Ciara drückte die Hand der Ritterin einmal kurz. Ihr dämmerte, dass hinter diesem... Traum? Vision? Nun, es schien mehr dahinter zu stecken. Zu real war die Erfahrung gewesen. War er Erinnerung? Oder doch nur ein Gebilde der Fantasie, dass im Unterbewusstsein erschaffen wurde und durch die Verbindung, die bei der Heilung Vitorias entstanden war, ihren Weg zu der Anderen gefunden hatte?
"Bitte, sagt mir... Wie viel davon ist wirklich geschehen? Und was habt Ihr versucht, mir zu erklären? was ist, wenn die Bindung besonders gut ist?"
Die Heilerin sah Vitoria fragend an. Sie wollte wissen, was dahinter steckte. Es war die Heilerin und Forscherin, die eine Erklärung brauchte. Doch etwas anderes in ihr wollte einfach nur hier sitzen, Vitorias Hand halten und die Ritterin trösten. Doch was konnte sie schon tun, um ihr die Trauer zu nehmen? Ihre Dienerin erschien immer so unnahbar und von sich selbst überzeugt... Dachte sie nicht vielleicht im Grunde sehr schlecht von der Heilerin? Ciara seufzte innerlich, während sie betreten den Blick senkte.

Vitoria wollte nicht all zu viel darüber reden... ihr war auf einen Schlag wieder klar geworden woher sie eigentlich kam, wer sie einst vor Hunderten von Jahren war... und doch lag noch sie viel im Dunkeln was später folgte. Welch Regung des Schicksales kann so grausam sein, einem Menschen mit in Vergessenheit geratenem Antlitz, so plötzlich und ohne Vorwarnung einen Spiegel vor zu halten...? Ihr Vater... ihre Mutter... sie hatte von ihnen gesprochen... doch sie erinnerte sich nicht an ihre Gesichter, sie erinnerte sich nicht wer sie waren...
Langsam hob die Halbdämonin erneut ihr Haupt und hielt dem Blick von Ciara stand. Sie war ihre Meisterin... sie schuldete ihr eine Antwort, auch wenn sie sich wünschte, dass die Heilerin dies nicht alles hätte sehen müssen. "Ihr habt einen Teil davon gesehen was ich einst war... eine Erinnerung die ich selbst verloren hatte. Ein verblassendes Echo meines vergangenen Lebens...", gab sie ihr zur ruhig zur Antwort, ihr Gesicht blieb dabei ausdruckslos. Es tat ihr leid, dass sich Ciara nun damit belastete...
"Wenn ein einst sterblicher Diener seinen Meister nicht nur akzeptiert, sondern sich auch unbewusst seiner besonders verbunden fühlt... so entsteht eine neue Stufe der Bindung. Mehr weiß ich selbst nicht... dies ist in all den Jahrhunderten das erste mal, dass jemand meine Erinnerungen ließt.", erklärte sie ihr und ließ dann den Blick wieder sinken. Dies war alles was sie ihr dazu sagen konnte... Dies alles überforderte Vitoria innerlich noch viel mehr, denn es handelte sich immer noch um ihre längst in Vergessenheit geratene Vergangenheit.

Ciara bekam die Antwort auf ihre zweite Frage nur halb mit. Die Worte über Vitorias Erinnerung riefen auch in ihr etwas wach.
"Verlorene Erinnerung", murmelte sie, während sie ins nichts starrte. "Wie kann man Erinnerungen verlieren? Und wie bekommt man sie wieder? Ich wüsste so gerne, wie man sie findet..."
Ihre Stimme verlor sich in einem Hauchen, während sich ihre Hand immer fester um die der Ritterin klammerte. Sie selbst konnte sich doch auch nicht an ihre Vergangenheit erinnern... Offenbar hatten sie und ihre Dienerin mehr gemein, als es zuerst den Anschein hatte. Auch in Ciaras Augen tragen nun Tränen, bevor sie den Kopf senkte.
"Vielleicht...", versuchte sie die zweite Antwort aufzugreifen, "vielleicht sind unsere verlorenen Erinnerungen unsere besondere Verbindung..."
Sie zuckte mit den Schultern, denn sie glaubte eigentlich selbst nicht dran.

Noch eine ganze Weile lang starrte Vitoria die Heilerin mit kaltem Blick an, sie konnte ihr schlichtweg keine brauchbare Antwort darauf geben... "Ich weiß es nicht, Meisterin Ciara... verzeiht... Ich habe die Pflicht, euch auf Fragen jeglicher Art die bestmögliche Antwort zu liefern, doch ich bin selbst ähnlich ratlos. Aber egal was ihr gesehen habt und welche Ähnlichkeiten wir zueinander haben, vergesst nicht woher ich komme und was ich bin. Der Kampf und das Töten liegen mir im Blut...", antwortete sie ihr schließlich kühl. Sie konnte Ciara nur zu gut verstehen... doch Vitoria distanzierte sich von dem Erlebten mittlerweile wieder, dennoch würde sie diesen kleinen Teil ihrer alten Erinnerungen hüten und bewahren. Vielleicht würde es ihr helfen, in Momenten in denen sie an ihrer Menschlichkeit vollends zweifelte...
"Wir könnten nach Jalu sehen...", meinte Vitoria schließlich, zog ihre Hand zurück, stand von dem Teppich auf und reichte der Heilerin ihre Rechte um ihr selbst wieder auf die Beine zu helfen. "Kommt Meisterin... lasst uns fokussiert bleiben. Solch Ablenkungen führen zu Unachtsamkeit, diese ist ein Feind..."

Überrascht hob Ciara den Kopf, als Vitoria plötzlich wieder ganz die Alte zu sein schien. Dann nickte sie, ergriff die Hand der Ritterin und ließ sich von ihr aufhelfen, bevor die beiden Frauen gemeinsam zur Hütte des Heilers zurück gingen. Mittlerweile dämmerte es, nicht mehr lange, dann würde es vollständig dunkel sein. Raschen Schrittes bewegte sich Ciara durch das Dorf, in der Hoffnung, dass es Jalu mittlerweile besser gehen würde, denn sie wollte so schnell wie möglich von hier fort.
Doch Jalu war noch nicht erwacht, als Vitoria und Ciara an ihr Bett traten. Noch immer saß Rhorr an ihrer Seite, hielt ihre Hand und betrachtete besorgt ihr bleiches Gesicht. Ciara rechnete ihr keine hohen Chancen zu. Der Krieger sah auf, als sich die Frauen neben ihn stellten.
"Ihr Zustand hat sich nicht verändert..." Sein Gesicht war regungslos, während er sprach, doch seine Augen schimmerten feucht. Ciara schwieg. Sie wollte ihm nicht sagen, was sie vermutete. Nämlich dass die Magierin sterben würde.

Es dämmerte bereits als sie das kleine Gasthaus verließen, die Dunkelheit war der Halbdämonin ohnehin lieber, ihre Augen waren sie schlichtweg besser gewohnt. Als sie das Haus des Heilers erreichten und es betraten, trafen sie zugleich auf Rhorr welcher immer noch über Jalu wachte. Die Ritterin ging an das Kopfende des Bettes, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ausdruckslos zu der blassen Magierin herab. Konnte sich ihr Zustand überhaupt von selbst bessern?
Nach einiger Zeit hob Vitoria den blick ihrer dämonischen Augen wieder und starrte beinahe schon abwesend wirkend in die Leere. "Eine Möglichkeit wäre also, wenn man magische Energien auf sie überträgt? In ihrem Zustand würde es sie vermutlich umbringen... aber ich könnte einen Teil meiner magischen Reserven auf euch übertragen damit ihr als Medium dient und sie an Jalu weitergeben könnt...", schlug die Halbdämonin vor und ließ dabei ihren Blick zu Ciara schweifen.

Rhorr schüttelte den Kopf.
"Nein, das würde nichts bringen... Es ist nicht Magie, die sie braucht, sondern Lebensenergie... Es... es wäre fast besser, wenn sie stürbe... Dann könnte ich sie mit meiner Gabe wiederbeleben - auch wenn mich das wohl selbst umbrächte."
Ein trauriges Lächeln schlich sich in das Gesicht des Kriegers und Ciara empfand tiefes Mitleid mit ihm. Sie wünschte sich, sie könnten den Beiden helfen, doch sie wusste nicht wie...
Rhorr seufzte. Luna und er hätten sich nicht darauf einlassen sollen... Sie hätten in Asivan bleiben sollen denn dort, so hatte Jalu gemeint, wären sie sicher. Rhorr hatte daran gezweifelt. Das jedoch das Leben der Königin wichtiger wäre, als ihr eigenes Leben, davon war Jalu von Anfang an überzeugt gewesen. Der Krieger konnte es sich nicht erklären, doch oftmals verstand er Jalu, selbst wenn sie nichts sagte...
Plötzlich erzitterte der Körper der Magierin. Sofort drückte Rhorr wieder ihre Hand, woraufhin das Zittern aufhörte. Einen Moment später öffnete Jalu die Augen. Sowohl der Krieger, als auch Ciara atmeten erleichtert aus. Rhorr wusste, wenn sie sie nun schnell genug zu den Pferden bekämen, dann wäre sie gerettet.
"Helft mir, sie zu den Pferden zu bringen", wandte er sich bittend an die beiden anderen Frauen. Eigentlich war er kräftig genug, sie alleine zu tragen, doch Ciara konnte sehen, dass er zitterte. Noch war es nicht überstanden.
"Wartet", sagte sie knapp, bevor sie sich an Vitoria wandte. "Holt bitte die Pferde von Crowley und Tharik vor das Haus", bat sie die Ritterin.

Insgeheim war Vitoria froh, dass sie nicht versuchen musste magische Energien aus der dämonischen Essenz ihres Körpers auf Ciara zu übertragen. Es gab gute Gründe dafür... auch wenn die Ritterin neutrale magische Ressourcen problemlos verwerten und für sich umwandeln konnte, es um zu kehren war jedoch schwieriger. Sie wollte die Heilerin dieser Erfahrung nicht aussetzen, sie wusste nicht wie es ihr danach ergehen würde. Hoffentlich würde Ciara sie nie darum bitten...
Als sich die Heilerin an Vitoria wandte, zögerte sie jedoch... Sie hätte Jalu einfach tragen können, dies wäre vielleicht schneller gewesen. "Meisterin Ciara... denkt ihr nicht ich sollte lieber...", doch sie verwarf ihren Gegenvorschlag wieder auf den Blick von Ciara hin. "Zu Befehl Meisterin.", antwortete sie ihr schließlich kurz und knapp, legte ihre Rechte zur Faust geballt auf ihre Brust, neigte den Oberkörper leicht und begab sich eiligen Schrittes aus dem Haus des Heilers.
Hastig eilte sie die Straße hinab bis sie die Ställe erreichte, die Pferde von Crowley und Tharik los band und mit jenen an den Zügeln haltend sich wieder so schnell es möglich war zurück zu dem Haus begab. Rhorr und Ciara dürften den Klang der Hufe auf dem Stein, durch die offen stehende Tür bereits vernommen haben, so wartete Vitoria und hielt die Pferde wartend am Zaumzeug fest.

Ciara nickte Rhorr zu, der weiterhin die Hand der Magierin festgehalten hatte, und gemeinsam stützten sie Jalu, um sie zur Tür zu bringen. als Jalu die beiden Pferde sah, ließ sie den Kopf hängen. Sie hasste dieses Prozedere, doch es war lebensnotwendig für sie... Ohne das sie etwas zu tun schien, brachen die Pferde plötzlich tot zusammen. Und noch während Ciara erschrocken die leblosen Leiber der Tiere betrachtete, spührte sie, wie Jalus Gewicht von ihren Schultern schwand. Überrascht blinzelnd sah sie von den Pferden zu der Magierin und wieder zurück. Was für eine Macht...
Rhorr war erleichtert, als die Pferd zusammenbrachen und Jalu ihre Lebensenergie in sich aufnahm. Mit einem Schlag wirkte sie erfrischt und weniger blaß - wenn man das bei ihrem sowieso blassen Taint überhaupt festellen konnte - und Rhorr spührte, dass sie wieder Kraft dazugewonnen hatte. Allerdings waren die beiden Pferde bei weitem nicht genug, um ihre Kräfte vollständig wiederherzustellen. Mit der Zeit würde sie mehr Tiere brauchen...

Talvon war eine Zeit lang bei Rhorr und Jalu gewesen, bevor er die Hütte des Heilers verlassen hatte und sich im Dorf um gesehen hatte. Es war wirklich nicht besonders groß gewesen, doch der Illusionist war mit einigen Leuten ins Gespräch gekommen. Besonders nach dem er einige Kinder mit einer Geschichte unterhalten hatte und dabei die Figuren aus der Geschichte als Illusionen erweckt hatte. Zwar hatte Talvon nicht unbedingt etwas erfahren das ihm wirklich interessieren könnte, doch eines konnte er von den Gesprächen mit nehmen. In der Gegend gab es einige Bauern die demnächst einen Teil ihres Vieh schlachten werden, das hieß man könnte vielleicht etwas Lebenskraft für Jalu so besorgen. Zumindest wenn sie wieder zu Kräften kam und durch die Pferde nicht genügen Lebenskraft bekommen sollte.
Talvon kam auch erst zurück als Jalu bereits die beiden Pferde getötet hatte und ihre Lebenskraft sich einverleibt hatte. Es war schön die Magierin wieder auf den Beinen und bei neuen Kräften zu sehen, doch lief es ihm auch eiskalt den Rücken hinunter. „Ich werde mich wohl nie an diesen Anblick gewöhnen können“, kam es eher leise von Talvon und zu niemanden direkt gerichtet, während er nur langsam seinen Blick von den Kadavern der Pferde abwandte, „Wie geht es euch? Wenn ihr alle wollte, werden wir die Nacht hier im Dorf verbringen. Ich denke nicht das uns hier Gefahr droht und ihr könnt euch etwas erholen.“
Im Grunde dachte er auch darüber nach wie er die Gruppe besser schützen könnte. Warum auch immer die Vandalen angegriffen hatten, er glaubte nicht daran das es nur mit der Königin zu tun hatte. Schließlich hatten sich die Angreifer hauptsächlich auf die Zavetar konzentriert und das ob wohl diese doch eigentlich keine wirkliche Verbindung zum Königshaus haben dürften.

Jalu hatte bei Talvons ersten Worten aufgeblickt und ihn mit einem undeutbaren Blick angesehen. Die Magierin kannte solche Worte. Oft war sie damit Konfrontiert worden - und den daraus entstehenden Vorurteilen. Geknickt lies sie den Kopf wieder hängen. Offensichtlich hatten Talvons Worte sie verletzt. Ciara bemerkte das. War es, weil er der Anführer dieser Gruppe war, oder steckte mehr dahinter?
Statt weiter darüber nachzudenken wandte sie sich an Talvon.
"Ich bin auch dafür, hier zu bleiben." Die Heilerin hatte zwar keine Ahnung, ob es in dieser kaum bewachten Siedlung oder in freier Wildbahn gefährlicher war - mit einem weiteren Angriff würden sie überall rechnen müssen - aber wenn sie ehrlich war, dann hatte sie keine Lust, in der Abenddämmerung wieder aufzubrechen.
"Ich ebenfalls", stimmte auch Rhorr für Talvons Vorschlag. "Sowohl Jalu, als auch unsere Heilerin sollten sich noch weiter ausruhen. Außerdem wäre es Unsinn, die relative Sicherheit dieses Dorfes für einen ungemütlicheren Schlafplatz aufzugeben."
Ciara nickte zustimmend, dann wandte sie sich an Vitoria.
"Ich würde gerne Eure Meinung dazu hören.

Sie hatte die Zügel der Pferde einfach losgelassen als die Tiere einfach zusammen brachen. Sie hatte erwartet, dass die beiden Pferde nun sterben würden, doch sie hätte sich die Art und Weise anders vorgestellt. Für einen kurzen Augenblick zeigte sich die Überraschung in ihrem Gesicht, doch sie schwand kurz darauf als ihr Blick zu einem der toten Tiere wanderte. Es schien völlig schmerzlos für sie gewesen zu sein... die Dorfbewohner würden sich zudem sicher über das Fleisch freuen, vielleicht sollten sie welches davon noch trocknen lassen und mit auf die weitere Reise nehmen.
Nach kurzer Zeit begab sich Vitoria wieder an die Seite von Ciara, dort wo sie hin gehörte und lauschte den weiteren Planungen zum Verlauf ihrer Reise. Das Ergebnis gefiel ihr nicht wirklich... Sich hier in diesem Dorf zu verteidigen war zwar wesentlich einfacher als in der Wildnis oder gar auf offenem Felde, aber sie fühlte sich hier nicht wirklich gut aufgehoben... und wer konnte schon sagen, ob die Dorfbewohner nicht irgendetwas mit dem Angriff zu tun hatten?
Als die Heilerin sich jedoch plötzlich an die nachdenklich gewordene Ritterin wandte, blickte sie auf. Kurz dachte sie noch darüber nach, ob sie auf ihre Zweifel aufmerksam machen sollte, doch es machte keinen Unterschied. Ciara hatte für sich bereits eine Entscheidung getroffen, also würde die Halbdämonin ihr ohnehin Folge leisten. "Ich beuge mich wie immer eurem Willen, Meisterin.", gab sie ihr kühl zur Antwort.

Ciara sah Vitoria kurz zweifelnd an, dann schüttelte sie den Kopf.
"Das ist nicht, was ich gefragt habe. Ich möchte gerne Eure Meinung hören, ganz gleich, ob sie meine deckt oder nicht."
Sie lächelte beschwichtigend.
"Es ist immerhin Eure Aufgabe, mich zu schützen und wenn Ihr Zweifel an meiner Sicherheit habt, dann solltet Ihr sie nennen."

Ihre Meinung? Dies war ein wenig ungewohnt, doch wenn die Heilerin jene hören wollte dann lag dies auch in Vitorias Interesse. "Wie ihr wünscht...", meinte die Ritterin knapp, drehte sich ein wenig zur Seite und ließ ihren Blick kurz über die Hauptstraße des kleinen Dorfes, die Dächer der Häuser und die hölzerne Palisade schweifen.
Es war im Grunde ein sehr stilles Dorf, der Schutz durch den einfachen Wall war für dessen Größe wohl ausreichend, die einfache Miliz schien für ihre Verhältnisse recht gut ausgebildet und ausgerüstet. Natürlich war da noch der Gedanke, dass vielleicht die Bewohner des Dorfes etwas mit dem Überfall zu tun haben könnten, doch vielleicht konnten Ciara und sie dazu noch eigene kleine Ermittlungen anstellen ohne etwas zu überstürzen. Kurz dachte sie noch nach, bevor sie sich wieder an Ciara wandte. "Nun... es ist natürlich um ein vielfaches einfacher sich in einem Dorf oder in Häusern zu verteidigen als auf offenem Felde. Meine Bedenken sind aufgrund der Beschaffenheit relativ gering... Doch egal wie eure Entscheidung ausfallen würde, ich werde euch natürlich folgen.", gab sie ihr schließlich zur Antwort.

Ciara nickte langsam.
"Danke. Wenn Ihr ebenfalls dafür seid, zu bleiben, dann ist die die Mehrheit dafür, das wir nicht wieder gehen."
Rhorr stimmte ihr zu, dann brachte er Jalu in das Gasthaus, damit sie sich dort würde ausruhen können. Er lächelte sie sanft an, als er sich von ihr unbeobachtet fühlte, während sie im Bett lag. Dann wandte er sich ab und ging zu der Gastwirtin, um von ihr einen Eimer und Lappen zu erhalten. Den Eimer füllte er mit Wasser, dann brachte er alles wieder in das Zimmer, in dem Jalu lag. Er hasste die Gemeinschafsschlafsäle, die die einzigen Räume waren, die Gasthäuser wie dieses zur Verfügung hatten, doch es würde reichen müssen.

Was Rhorr nicht mitbekommen hat, dass Jalu ihn durchaus angesehen hatte, als er sie angelächelt hatte. Sie war froh, dass der Krieger daraufhin den Raum verließ. Sie wusste, das Rhorr sie mochte, doch da schien noch mehr dahinter zu stecken... Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie ihn in ihr Geheimniss einweihen sollte, doch sie entschied sich dagegen. Als er zurückkam, tat sie, als würde sie schlafen.

Ciara legte fröstelnd die Hände auf ihre Arme, während ihr Blick zu den toten Pferden wanderte. Einige Menschen, die die Straße entlang kamen, begannen bereits zu starren.
"Wir sollten gehen und dafür sorgen, das jemand die Tiere wegräumt", meinte sie zu niemand bestimmten, bevor sie sich abwandte und ziellos durch die Straßen des Dorfes ging. Sie machte sich Sorgen. Würde man ihre Gruppe im Gesammten akzeptieren? Jalu barg eine unheimliche Macht... Und Rhorr hatte diese Kraft ebenfalls, wenn sie es richtig verstanden hatte. Und ihre eigenen Kräfte... Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Gruppe anfangen würde, krank zu werden. Die ersten Symptome würde sie noch lindern können, doch je länger sie beieinander blieben... Es schauderte der Heilerin.

Talvon blieb zurück und sah seiner kleinen Gruppe hinter her. Wenn er ehrlich zu sich selbst war dann waren sie noch keine wirkliche Gruppe, aber das konnte noch werden. Doch fürs erste musste er sich darum kümmern das die Pferde von hier weg geschafft wurden. So ging er auf die Leute zu und sprach mit diesen, während er durch eine Illusion es so erschienen ließ als wären die Tiere an einer Verletzung verstorben. Er überließ dem Dorf das Fleisch der Tiere und dafür durfte seine Gruppe umsonst im Gasthaus übernachten und speisen. Auch blieb er noch bei den Pferden als man begann sie zu zerlegen, bevor er sich davon entfernte und sich ins Gasthaus aufmachte.
Dort angekommen setzte er sich erst einmal an einen freien Tisch und holte ein Papier hervor, auf das er dann seine Hand legte. In diesen Moment wirkte er einen Zauber auf das Papier das eine Illusion beinhalten würde und diese würde dann Noirin vom kleinen Fortschritt und Talvons Vermutungen berichten. Und damit auch wirklich nur die Königin diese Nachricht erhalten konnte versiegelte Talvon sie unter einer anderen Illusion.
Im Grunde konnte man nur auf diesen Stück Papier lesen: „Sag meinen Namen und lasse die Magie fließen.“ Nun hieß es nur noch jemanden zu finden der diesen Brief zum nächsten Außenposten der Königin bringen könnte, damit dieser auch wirklich den Weg zur Königin fand.

Langsam und gemächlich begaben sich alle bis auf Talvon zurück zu dem kleinen Gasthaus. Es war nun bereits recht hell geworden, ein gutes Frühstück wäre nun genau das Richtige... Zudem fühlte sich Vitoria irgendwie dazu verpflichtet ihre Meisterin dazu zu bringen immer genug zu essen.
Die Halbdämonin war nicht nur für ihren Schutz zuständig, auch für ihr Wohlbefinden fühlte sie sich verantwortlich. Sie betraten erneut die Herberge und Vitoria geleitete die Heilerin an einen Tisch an welchen sie sich setzen konnten. Auf die Bestellung hin bekamen sie von der alten Schankfrau etwas Brot, Butter, Käse, ein paar Aufstriche mit Fleisch und einen Krug mit Wasser zusammen mit zwei Bechern. Vitoria faltete die Hände auf dem Tisch gemächlich übereinander und versank mit geschlossenen Augen ein wenig in Gedanken.
In dem ganzen Tumult, der schnellen Reise zu dem Dorf, der anschließenden Aufregung und Verwirrung durch den mit Ciara geteilten Traum hatte die Halbdämonin eine Sache völlig außer Acht gelassen... etwas was sie interessierte.
"Meisterin Ciara? Verzeiht meine Neugierde... aber was habt ihr mit dem Sterblichen gemacht der euch angegriffen hatte...? Hatte das etwas damit zu tun was ihr mir grob erklärt hattet?", fragte sie die Heilerin und schlug dann ihre Augen wieder auf. Es war eindeutig, dass sie von dem Menschen sprach welchen sie auf unerklärliche Art und Weise verflucht hatte... er war leichenblass, hatte sich übergeben und wäre vermutlich auch daran gestorben... hätte ihm Vitoria zur Sicherheit nicht den halben Oberkörper gespalten.

Ciara war gerade im Begriff, sich eine Scheibe Brot mit Käse in den Mund zu schieben, als sie auf Vitorias Frage hin innehielt. Sie zögerte, dann legte sie das Brot wieder ab und seufzte, bevor sie mit leiser Stimme zu sprechen begann.
"Ich hatte gehofft, Euch dies niemals erzählen zu müssen... Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis euch etwas auffallen würde. Es ist schwer, das zu erklären... Wisst Ihr, was Auren sind?"
Die Ritterin beantwortete die Frage mit einem Nicken, das Ciara gleichzeitig als Aufforderung verstand, weiter zu sprechen.
"Nun..." Abermals seufzte sie. "Meine Aura ist... am Besten lässt es sich als verpestet beschreiben. Jeder, der längere Zeit mit ihr in Berührung kommt, wird krank. Es beginnt mit leichten Symptomen wie Schnupfen oder leiche Übelkeit. Aber je länger man dem Einfluss meiner Aura ausgesetzt ist, desto stärker werden die Symptome. Später können Durchfall, Fieber, Ausschläge oder Husten hinzukommen. Ich... Ich denke, man kann sogar daran sterben, doch ich bin mir nicht sicher. Solange bin ich nie an einem Ort geblieben."
Sie schwieg einen Moment, in dem sie lustlos das Brot in die Hand nahm, es kurz betrachtete und wieder weglegte.
"Ich kann meine Aura auch nicht verändern. Das Einzige, wie ich sie beeinflussen kann, ist, dass ich sie auf einen Punkt konzentrieren kann. Das Resultat habt Ihr an dem Mann gesehen... Aber es kostet mich auch einiges an Kraft. Meine Aura war auch der Grund, warum Graf Pravum mit mir reden wollte."

Einen normalen Sterblichen hätte dies alles vermutlich ziemlich beunruhigt oder gar verschreckt, die Halbdämonin entgegen sah es sogar als nützlich. "Ich muss mir also zumindest keine Sorgen mehr darum machen, dass ihr euch nicht verteidigen könnt... und ich werde euch aufgrund dieser Fähigkeit auch nicht verurteilen, Meisterin Ciara. Es ehrt mich an der Seite einer Meisterin zu kämpfen welche sich zu schützen weiß, zudem danke ich euch... dass ihr ehrlich zu mir wart.", antwortete Vitoria ihr auf ihre Erklärung hin kühl.
War es dies immer gewesen was die Heilerin so bedrückt hatte? Ein Fluch welcher Sterblichen in ihrer Nähe Krankheit und Leid brachte? Vitoria konnte aber verstehen, dass Ciara es lieber für sich behalten hatte... würden Menschen in Städten oder Dörfern davon erfahren... sie hätten die junge Frau vermutlich gnadenlos getötet.
Dennoch sah die Halbdämonin dies alles ein wenig anders... für sie war diese Eigenschaft von Ciara etwas Nützliches für den Kampf.
"Und um euch beruhigen zu können... wie bereits gesagt... dieser Körper widersteht Krankheit und Infektion, ihr könnt euch also auf mein Schwert weiterhin verlassen. Ich bin stolz für euch zu kämpfen.", sprach sie zu ihr wobei ein Zuversicht spendendes Lächeln ihre Lippen umspielte.

Erleichterung überkam Ciara bei den Worten der Ritterin. Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen, Vitoria verurteilte sie nicht. Glücklich sah sie ihre Dienerin an, als ihr schließlich die Bedeutung der letzten Sätze klar wurden. Sie wurde blass, dann vor Freude rot im Gesicht.
"Das bedeutet, dass ich nie mehr alleine reisen muss."
Vor Glück fast übersprudelnd umarmte sie spontan die Ritterin. Es war, als fiele ein großer Stein von ihrem Herzen, ein Stein der Einsamkeit.
Plötzlich zog sie sich wieder zurück und senkte beschämt den Kopf.
"Ver-verzeiht... Ich... Tut mir Leid. Ich bin nur so froh..."

Vitoria war mehr als nur überrascht, als sie die Augenbrauen hob und einfach die Arme ein wenig zur Seite hob als ihr plötzlich Ciara um den Hals fiel. Sie behielt ihre Arme in der Luft und machte keine Anstalten diese spontane Umarmung irgendwie zu erwidern. Sie ging mit solch für sie vermeidlich irrationalen Handlungen etwas anders um...
Die Halbdämonin war so etwas wie menschliche Nähe, also so etwas wie eine Umarmung nicht gewohnt... ein Meister der mit seinem dämonischen Diener auf solch persönlicher und vertrauter Ebene umsprang? Vitoria war es gewohnt die gebührende Distanz als Zeichen des Respektes zu wahren, sie hätte so etwas selbst nie gewagt... aber Ciara hielt anscheinend stets neue Überraschungen für sie bereit. Irgendwie berührte das Verhalten der Heilerin jedoch ihre menschliche Seite... vielleicht war es ja das was in der Ritterin einen solch großen Beschützerinstinkt Ciara gegenüber weckte.
Nach kurzer Zeit löste sich jedoch die Heilerin wieder von ihr und wirkte beinahe so, als würde sie sich für jenen Vorfall eben schämen. Eisig lag der Blick ihrer stechend gelben Augen auf der Frau mit dem hellroten Haar, doch sie war ihr in keinster Weise böse...
"Ihr braucht euch für keine Interaktion mir gegenüber entschuldigen, Meisterin Ciara. Ihr seid die Meisterin... ihr dürft diesen Körper so oft in die Arme schließen wie es euch beliebt.", antwortete sie ihr wie immer sehr gelassen, dabei schlich sich schließlich jedoch ein kaum merkliches Schmunzeln in ihr Gesicht.
"Lasst uns jedoch fokussiert bleiben... wie werden wir nun weiter verfahren wenn die Magierin wieder auf den Beinen ist?", fragte sie um das Thema wieder auf wirklich Relevantes zu lenken.

"Ich denke, dass wir weiterreisen werden, zu dem Meer. Aber das wird Talvon bestimmen..."
Sie schwieg und es schien, als wollte die Heilerin noch etwas sagen, zu dem sie sich nicht überwinden konnte. Schließlich schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder ihrem Brot zu. Sie wusste einfach nicht, wie sie das, was sie sagen sollte, am Besten ausdrücken konnte, sodass Vitoria es auch richtig verstand. Sie wollte, dass die Ritterin sich verhielt, als wenn sie nicht ihre Meisterin wäre. Sie sollte sich frei bewegen, ihre Meinung auch ungefragt sagen und tun, wonach ihr der Sinn stand, nicht, was sie glaubte tun zu müssen, nur weil Ciara es verlange. Doch wie sollte sie es ihr begreiflich machen?

Es war bereits dunkel, als Cruel endlich ein Dorf erreichte, wo es offensichtlich eine Gaststätte hatte. Er stieg von seinem Pferd - ein mächtiges Exemplar, das eigentlich dazu gezüchtet worden war, harte Feldarbeit zu leisten, statt Menschen auf den Rücken zu tragen. Doch für Cruel war es genau das Richtige. Kein anderes Pferd hätte sein Gewicht tragen können.
Die Gaststätte hatte glücklicherweise einen Unterstand, wo Pferde angebunden werden konnten. Er nahm dem Tier das Reithalfter ab und tauschte es gegen das gebisslose Reisehalfter aus, mit dem er die Stute anbinden konnte. Dann löste er den Sattelgurt und zog den Sattel vom Rücken des Pferdes. Er legte beides in genügendem Abstand über die Anbindestange und griff sich vom Regal eine abgenutzte Bürste, mit der er das Tier mit kräftigen Zügen runterputzte. Zum Abschluss stellte er ihm Wasser und einen grossen Haufen Heu hin. Dann erst betrat er das Wirtshaus. Wie immer musste er sich unter dem Türrahmen durchducken und konnte auch im Schankraum nicht aufrecht gehen.
Er trat zum Tresen, wo er sich mit den Ellenbogen abstützte und geduldig wartete, bis die Wirtin Zeit für ihn hatte, was nach nicht allzu langer Zeit auch geschah.
"Ein Zimmer für die Nacht und ein Abendessen", bestellte er. Die Wirtin musterte ihn eingehend.
"Ich weiss nicht, ob wir solch grosse Betten haben, wenn ich das bemerken darf …"
"Das ist kein Problem. Wenn Ihr Angst um Eure Betten habt, kann ich auch draussen im Stroh schlafen, solange ich eine Decke kriege."
Die Frau nickte und wies ihn an, sich zu setzen. Cruel wählte eine stabil wirkende Eckbank, die allerdings bedrohlich knarzte, als er sich erschöpft niederliess.