Kyusta (MSG)

"Wohl kaum", murmelte sie in sich hinein und seufzte, ehe sie sich umwandte.
"Ganz im Ernst. Ich will nicht auf irgendwelche Steine klettern und du willst nicht da raus gehen und irgendwas Spannendes erleben." Sie griff sich leicht genervt in ihre Lockenpracht.
"Raykin möchte ebenfalls mal was anderes jagen ausser Kaninchen. Abgesehen davon versteh ich nicht, warum du dich an unserer Jagdbeute sattisst, aber wenn wir ein Monster töten ist das ein einziges Drama."

"Das ist etwas vollkommen anderes!", empörte Mira sich, wohl wissend, dass dem keinenfalls so war. Das Argument, dass sie ein Kaninchen schließlich ganz verwerteten, würde sie nicht weiter bringen. Sayeth würde auch ein erlegtes Monster vollständig zerlegen und seine Teile auf die eine oder andere Art gewinnbringend veräußern können. Im Grunde war der Unterscheid allein die Intention. Sayeth wollte das Monster nicht töten, weil sie sein Fleisch, seine Haut oder seine Zähne benötigte. Sie wollte es töten um sich selbst etwas zu beweisen. Des Nervenkitzels wegen. Es war unnatürlich. Kein Tier tötete um des Tötens Willen. Nur die Ankinu taten dies. Nun, manche zumindest. "Es ist natürlich, zu jagen um zu essen. Es ist grausam, zu töten um Spaß zu haben. Ich habe keinen Spaß daran. Aber geh nur! Raykin wird dir schon Gesellschaft leisten..."

"Solche Viecher zu jagen ist nunmal mein Beruf. Ich verdiene damit mein Brot!"
Sie schüttelte den Kopf. "Mal sehen ob dir jemand was zu essen gibt, wenn du ihnen erzählst, dass du nen Berg hochgeklettert bist."
Langsam drehte sie sich wieder zu Raykin, die den Streit nicht zu kapieren schien, denn sie blickte nur mit schiefgelegtem Kopf Mira an.

"Du bist zweiundzwanzig!", höhte Mira mit Galle in der Stimme, "Ein bisschen zu früh, um sich um Geld Gedanken zu machen. Du hast dafür noch dein ganzes Leben vor dir. In deinem Alter, in unserem Alter sollte man tun, woran man Spaß hat. Und man sollte Gutes tun! Hältst du es für etwas gutes, dieses Tier zu töten?" Miras Stimme war im Lauf dieser kurzen Rede immer lauter geworden. Sie ärgerte sich. Sie ärgerte sich furchtbar. Nicht nur über Sayeth, auch über sich selbst, dass sie sich wieder in eine Diskussion hatte verwickeln lassen. Sie hatte das doch eigentlich nicht gewollt. Sollte Sayeth doch ruhig alleine los ziehen! Sie würden beide mehr Spaß ohne die jeweils andere haben, das war zu diesem Zeitpunkt bereits offensichtlich. Warum sich also die Laune weiter mit Streit verderben? Aber war es ihre Schuld? Wohl kaum! Sayeth war hier schließlich die Unvernünftige. Sie musste ja immer noch weiter auf dem Thema rum hacken. Wäre es nach Mira gegangen, dann hätte Sayeth schon längst in ihren Sattel steigen und los fliegen können.

"Warum nicht?!", keifte nun Sayeth und sie wollte tatsächlich gerade energisch in den Sattel steigen und Mira den Rücken kehren, als auf einmal ein ohrenbetäubendes Kreischen zu hören war. Erst nur leise, doch rasch wurde es lauter. Es war nicht von einem Tier, sondern von mehreren. Von zehn, zwanzig, es war kaum auszumachen. Aber Sayeth musste sich die Hände auf die Ohren drücken. Der Ton war so intensiv und klang unheimlich gepeinigt.
Das ohrenzerreissende Geräusch kam von der Küste, die nicht allzu weit von ihnen entfernt lag.

Mit einem Schlag kam die hitzige Diskussion der beiden jungen Frauen zum Erliegen. Schwere, drückende Stille folgte auf das furchterregende Geräusch vom Strand her. Furcht kroch in Mira empor, machte sich daran, sie auszufüllen, lähmte ihren Körper. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. "Was... was war das?", fragte sie mit erstickter Stimme, schluckte. Sie hatten, das war offensichtlich, nun zwei Möglichkeiten. Entweder, sie gingen zum Strand hinunter und forschten nach, woher das Geräusch gekommen war. Das war riskant. Oder aber, sie sahen zu, dass sie dieses Lager rasch abbrachen und so schnell wie möglich fort kamen. Das wäre feige und würde die Neugierde unbefriedigt lassen. Mira hatte mit beidem kein Problem, aber sie war sich wohl bewusst, dass die furchtlose Sayeth nicht mit der Neugier würde leben können und, dass Siraex eine feige Flucht zutiefst verabscheuen würde. Was also tun?

"Ich weiss es nicht", wisperte Sayeth. Auch Raykin hatte den Kopf erhoben und schien zu lauschen. Nach einer Pause erklangen die Geräusche erneut. Wieder waren sie laut und schrill, doch sie schienen nicht mehr näher zu kommen.
Sayeth lauschte angestrengt. Diesmal liessen die Geräusche nicht nach und je länger sie lauschte, umso ... gequälter klangen die Schreie.
"Schauen wir nach!", rief sie Mira durch den Lärm hindurch zu und schwang sich in den Sattel. Sie würde sicherlich fliegen.
"Ich geh vor!"

Na großartig! Sayeth spielte also Luftaufklärung. Und sie? Sie konnte zurück bleiben oder zusehen, dass sie irgendwie am Boden zur Quelle dieser Geräusche kam. Dorthin, wo sie im Grunde gar nicht hin wollte. Was auch immer die Ursache war: es klang nicht gut. Sayeth brauchte gar nicht erst zu erwarten, dass sie ihr bei was-auch-immer sie gerade plante eine große Hilfe sein würde.
"Also gut, flieg los", forderte Mira die Freundin dennoch mit gedämpfter Stimme auf, "Ich schlage mich durch die Büsche und sehe zu, dass ich näher ran komme. Aber mach nichts unbedachtes!" Siraex gab einen gellenden Schrei von sich, breitete die Flügel aus und schwang sich in den Himmel. Er hatte, wie es schien, nicht die geringste Absicht, Sayeth und Raykin den Vortritt zu lassen.

Noch während Raykin sich in die Lüfte erhob, schob sich Sayeth die Brille vor die Augen, die sie vor Insekten und dem Wind schützen sollte. Mit kräftigen Flügelschlägen zog Raykin über die Landschaft und nahm rasch an Geschwindigkeit zu.
So dauerte es nur einige wenige Minuten, bis die Küste hinter einer Felswand zum Vorschein kam. Die Klippe ging senkrecht nach unten und darunter lag ein felsengespickter Sandstrand. Und dort tummelten sich tausende Tiere. Von ihnen gingen diese seltsamen Geräusche aus. Sie wälzten sich an Land, kreischten und schrieen und mehr von ihnen schienen noch im Wasser zu sein, doch auch diese drängten an Land.
Sayeth bedeutete Raykin, an der Klippe zu landen, was sie auch tat. Dort stieg sie runter und blickte hinab.
Das Gekreische der Tiere war unheimlich laut, kaum auszuhalten. Sie waren relativ gross, ihre schneeweissen Leiber massen gut sieben Meter. Sie hatten eine grosse Ähnlichkeit zu Fischen oder Walen und an Land schienen sie völlig hilflos zu sein.
Erst als sie die Situation einen Moment lang analysiert hatte, begriff Sayeth, dass es sich hier um gestrandete Tiere handelte. Das waren Panikschreie, definitiv. Doch warum drängten diese anderen noch immer in Richtung Land? Das war doch ihr Todesurteil!

Aus ihrem Versteck in dem dichten Buschwerk unmittelbar oberhalb der Klippen beobachtete Mira die Szenerie. Was sich dort unten ereignete war das Grauenvollste und zugleich Traurigste, was sie je gesehen hatte. Sie hatte keine Ahnung, was das für Tiere waren, die dort auf den Strand hetzten, doch sie kamen ihr friedlich vor. Und selbst so weit von ihnen entfernt konnte Mira ihre Angst spüren. Mehr als das Grauen der Situation nagte jedoch ihre eigene Hilflosigkeit an ihr. Sie hätte diesen Tieren gene geholfen, aber ihr war bewusst, dass sie keine Chance hatte, irgendetwas zu tun. Diese Kreaturen würden sterben, egal was sie versuchen würde.
Am Himmel konnte Mira Raykin kreisen sehen. Von Siraex fehlte jede Spur, aber Sayeth schien sich von oben einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Ob sie etwas entdeckt hatte, was von Miras Position aus nicht zu erkennen war? Und was würde dieser elende Hitzkopf nun tun?

Es dauerte noch eine Weile, bis Sayeth dachte, sie wisse, was da genau passierte. Zwischen einigen Felsensäulen konnte man drei gewaltige Leiber sehen, die sich durch die Wellen schlängelten. Seeschlangen. Auch sie wälzten sich an Land, schnappten ab und zu nach einem der Fische, ignorierten sie aber grösstenteils. Sie warfen ihre massiven Körper an Land, krochen über die panisch schreienden Meerestiere, zerquetschten einige dabei, bis sie die Felswand erreicht hatten. An diese pressten sie sich, eine machte sogar Anstalten, hochklettern zu wollen. Doch da sie an das Leben im Wasser angepasst war, lag ihr das Klettern nicht.
Sayeth musste ihre Theorie verwerfen. Es war ohnehin selten, dass Seeschlangen in Küstennähe jagten. Diese hier machten sogar den Eindruck, als wären sie ebenso auf der Flucht, wie die Fischartigen, die gerade qualvoll starben.
Noch einmal einige Minuten später kam eine weitere Seeschlange angeschwommen. Sie bewegte sich langsam und zog eine lange Blutspur hinter sich hier. Auch sie schlängelte sich an Land, bewegte sich aber deutlich träger und ruhte sich immer wieder aus. Ihr massiver Körper war noch nicht einmal zur Hälfte an Land, als sie sich auf einmal zu winden begann. Die Verrenkungen wirkten panisch, verzweifelt und dann schien es, als würde irgendetwas an ihr zerren. Sie wurde zurück ins Wasser gezogen, langsam aber stetig. Sie wehrte sich mit allen Kräften dagegen, um sie herum brodelte das WAsser blutig und voller panischer weisser Fische.
Sayeth schüttelte ungläubig den Kopf, stieg erneut in den Sattel und liess Raykin so nahe wie möglich ranfliegen. Was sie sah, liess sie nach Luft schnappen. Das Wesen, das die Schlange gepackt hatte musste gigantisch sein. Sie konnte nur die Silhouette im unruhigen Wasser erkennen.

Von ihrem Versteck über den Klippen aus konnte Mira nichts anderes tun, als die Geschehnisse mit Grauen zu verfolgen. Etwas war da unten, vor dem sogar Monster nichts als blankes Entsetzen kannten. Etwas, das sogar Seeschlangen jagte und tötete. Was auch immer es war, es musste etwas wahrhaft Grauenvolles sein. Für Mira war klar, dass sie bereits viel zu lange hier gewesen war. Sie wollte weg von diesem Massaker, einfach nur weg. Es gab hier nichts, was sie tun konnte. Jedenfalls nicht für all diese Tiere. Was sie tun musste hingegen, war klar. In die nächste Küstenstadt und die Ankinu dort warnen. Was Jagd auf Seeschlangen machte, das machte auch vor Schiffen nicht Halt. Leben mochten auf dem Spiel stehen. Miras Blick glitt zum Himmel während sie zurück durch das Gebüsch kroch. Würde Sayeth zu dem selben Schluss kommen? Würde sie zurück kommen? In diesem Moment wollte Mira nichts sehnlicher, als nicht allein zu sein.

Sayeth verfolgte den Kampf der beiden riesigen Geschöpfte. Die Felsnadeln um sie herum erzitterten und bröckelten, wenn ihre gigantischen Leiber dagegen stiessen. Es dauerte gar nicht mal so lange, bis das unbekannte Wesen der alten Seeschlange den Kopf abgebissen hatte und deren Körper noch wild hin und her zuckte.
Dann liess Sayeth Raykin abdrehen und nach Mira suchen. Was auch immer das für ein Viech in diesem Wasser war. Sayeth konnte sich gut vorstellen, dass es ein mittelgrosses Fischerboot mit einem Biss zerstören konnte.
Wenige Meter von Mira entfernt, landete Raykin. Die panischen Schreie der weissen Meerestiere erfüllten noch immer die Luft.
"Wir müssen zum nächsten Hafendorf!", rief sie Mira entgegen. "Ich könnte versuchen, das Vieh in der Luft zu verfolgen ..."

"Bleib bitte hier!", bat Mira, "Was bringt es, dieses Monster zu verfolgen? Egal wo es hin schwimmt, es ist eine Gefahr. Und wir müssen die Warnung schnell überbringen! Keine Zeit zu warten und zu sehen, wo es hin schwimmt. Je eher wir aufbrechen, desto mehr Leute können wir warnen." Sie warf Sayeth einen flehenden Blick zu. Diesmal musste sie einfach verstehen! Es wäre Wahnsinn, diesem Monster hinterher zu fliegen, ganz zu schweigen von der Gefahr, der sie sich aussetzte. Mira wandte sich zum gehen. Das nächste Dorf konnte nicht weit sein, vielleicht einen halben Tagesmarsch die Straße hinab. "Oder vielleicht...", überlegte sie laut, "Könntest du vor fliegen. Du bist schneller als ich. Warte im Dorf auf mich, ich komme nach."

Sayeth überlegte, schaute zurück aufs Wasser. Mira mochte Recht haben. Doch was, wenn das Monster in die entgegengesetzte Richtung schwamm, die sie einschlugen? Wenn es gar bis zur Stadt gelangte, wo möglicherweise Kyusta im Wasser waren?
"Ich ... ich fliege zurück in die Stadt. Du geht in die andere Richtung. Ich werde dich aufholen, in Ordnung?"

Sayeths Vorschlag klang sinnvoll. Besser, sie brachten die Warnung entlang beider Richtungen der Küstenlinie aus. Das Monster mochte überall auftauchen, sowohl nördlich als auch südlich von hier. So viele Ankinu wie möglich mussten davon erfahren. Also beschränkte Mira sich darauf, mit einem Nicken zuzustimmen und setzte sich in Bewegung. Rasch verfiel sie in einen mäßig schnellen Dauerlauf. Sie wusste, dass sie das nie bis zum nächsten Dorf durchhalten würde, aber vielleicht ein paar Meilen weit. Je rascher sie voran kam, desto besser. Es dauerte nicht lange bis ihr Atem schwer und rasch ging. Ihr Blick war auf die Straße gerichtet, doch suchte auch immer wieder den Himmel ab. Irgendwann tauchte die vertraute Silhouette des Adlers über ihr auf. Mit einem gellenden Pfiff rief Mira ihn zu sich hinab.
"Siraex!", rief sie ihm im Laufen zu als er über sie hinweg glitt, "Zurück auf's Meer! Verfolge das Vieh! Gib acht, wo es hin schwimmt."

Über die Luft war Sayeth doch bedeutend schneller. Sie flog der Küste entlang, liess das Schlachtfeld hinter sich. Wenn sie der Küste folgte, würde sie zwangsläufig früher oder später auf die Stadt treffen.
Unterwegs traf sie einige Ankinu, die sie warnen konnte und letztendlich trafen sie und Raykin erschöpft in der Stadt ein. Sie sagte dort dann gleich überall dort Bescheid, wo es ankommen musste.

Das Küstenstädchen nannte sich Calshaven und wie es schien waren die Hälfte der Bewohner Fischer und Seefahrer. Mira erreichte es gegen Abend hin in düsterer Laune. Der Schock des Ereignisses steckte ihr noch immer in den Gliedern, sie war den ganzen Tag über allein gereist und zu allem Überfluss hatte Siraex sich nicht mehr blicken lassen seit sie ihn fort geschickt hatte, das Monster zu verfolgen. Es war zwar die Art des Adlers, eigenwillig zu sein und stets seiner eigenen Wege zu gehen, doch blieb er auf Reisen selten so lange von seiner Seelenpartnerin fern. Mira machte sich Sorgen um ihn. Was, wenn ihm etwas passiert war? Wenn er etwas Unbedachtes getan hatte? Wenn seine Wunde sich wieder geöffnet hatte? Sie war nicht in der Nähe um ihm zu helfen. Er musste alleine klar kommen.
Als erstes nach ihrer Ankunft suchte Mira den Dorfvorsteher auf um ihm von der Kreatur zu berichten. Der Vorsteher, ein graubärtiger, ernster Wa'ankinu, hörte ihr schweigend zu, bedankte sich dann und verwies sie an den einzigen Gasthof im Dorf, wo sie ein Zimmer und eine Mahlzeit bekam und beschloss, sich bis zu Sayeths Ankunft einzuquartieren. Das Zimmer war klein, aber hübsch eingerichtet und bequem, doch Mira wollte in dieser Nacht keinen Schlaf finden. Bis spät in die Nacht saß sie sorgenvoll am geöffneten Fenster und suchte den Himmel nach der vertrauten Silhouette ihres Kyusta ab.

Viel Schlaf kriegte Sayeth nicht wirklich. Sie übernachtete, ging dann aber schon am frühen Morgen wieder los. Bis dahin war auch Raykin wieder fit, um die lange Reise anzutreten. Hin und wieder flogen sie über das Meer, in der Hoffnung, das Monster noch einmal zu sichten. Doch die See war ruhig und vom gestrigen Blutbad war weit und breit keine Spur.
Erst als sie sich dem Strand näherten, an dem die weissen Walfische gestrandet waren, stieg ihnen deren heftiger Gestank in die Nase. Die Seeschlangen, die sich an Land gerettet hatten, waren nirgends mehr zu sehen. Doch grosse Spuren im Sand wiesen darauf hin, dass sie sich noch eine weile an Land bewegt haben mussten.
Es war früher Abend, als Raykin und Sayeth dann endlich das kleine Dorf erreichten, wo sie hofften, Mira zu finden.

Mira war fest davon ausgegangen, dass Siraex spätestens im Verlauf des nächsten Tages wieder auftauchen würde, doch als es Abend wurde war der Adler noch immer verschwunden und so waren es Sayeth und Raykin, die als erste wieder auftauchten. Mira, vor Sorge halt krank, konnte ob des Widersehens jedoch keine große Freude empfinden.
"Siraex ist verschwunden", kam sie unmittelbar zur Sache nachdem sie gerade einmal einen kurzen Gruß mit der Freundin getauscht hatte. Sie klang aufgelöst und musste sich zusammen reissen um nicht in Tränen auszubrechen. "Er hat irgendetwas ganz Dummes gemacht, ich weiß es. Er ist so ein Sturkopf. So wie du!" Mit diesen Worten fiel sie Sayeth um den Hals und begann leise zu schluchzen.

Sayeth hatte sich die Begrüssung anders vorgestellt. Dennoch legte sie ihre Arme um Mira.
"Schon gut. Es wird ihm gut gehen. Er lässt sich doch einfach gerne Zeit...", seufzte sie.
Eigentlich war sie müde, ihre Beine zitterten. Es war anstrengend so lange zu reiten. Sie war hungrig und vor allem durstig.
"Er wird schon zurückkommen."

Sie saßen beim Abendessen als Siraex schließlich zurück kehrte. Der Abend war mild und so hatten sie an einem Tisch außerhalb des Gasthauses im Freien Platz genommen. Sayeth hatte merklich Appetit, Mira jedoch spielte lediglich lustlos auf ihrem Teller herum. Zwar war auch sie hungrig, doch glaubte sie nicht, in ihrem jetzigen Zustand einen Bissen herunter zu bekommen.
Siraex sah fürchterlich aus. Die gesamte Brust, die Klauen und weite Teile der Flügel waren mit widerlichem, bräunlichem Blut verdreckt, doch in seinen Augen leuchtete unverkennbar der Stolz. In seinen Fängen hielt der Adler etwas, das aussah wie ein Streifen blutigen Fleischs. Als er jedoch landete, es vor Mira auf dem Boden fallen ließ und dann begann, es mit dem Schnabel zu zerreissen glaubte die junge Ankinu, ein Auge darin zu erkennen. Ein Auge von der Größe ihres Handtellers. "Bei allem was heilig ist! Siraex!", stieß sie aus. Erleichterung ob der Rückkehr ihres Seelenpartners und Schock und Ekel über deren Art lieferten sich in ihr ein heftiges Gefecht und ließen die Worte vor allem gequält wirken. Der Adler schlang ein Stück des Auges hinunter und blickte Mira dann mit blutigem Schnabel wachsam an. Der Anblick war zu viel für diese. Ein flaues Gefühl stieg in ihrer Magengegend auf und sie verspürte Erleichterung darüber, nichts gegessen zu haben. Hastig schob sie ihren Teller von sich. So rasch würde der Appetit auch nicht wieder kommen.
"Was hast du Wahnsinniger nur getan?", wollte sie von dem Adler wissen.

"Ihh, das ist widerlich", bemerkte Sayeth relativ trocken. Doch sie liess sich davon nicht den Appetit verderben. "Aber Manieren hat dein Vogel nicht wirklich, oder?" Sie grinste schief und biss in ein Stück Fisch. Das Essen hier war durchaus lecker. Drei Gelbstreiflinge hatte sie bereits verputzt und sie war kurz davor, noch einen vierten zu bestellen.
"Wie sieht nun eigentlich dein Plan aus? Willst du weiter in die Berge?"

"Ganz ehrlich... darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht", antwortete Mira mit schiefem Lächeln, "Ich hatte die letzten Tage wirklich andere Sorgen." Ihr Blick glitt zu Siraex, der sich wieder seinem grausigen Mahl gewidmet hatte. Was war es, was er da mitgebracht hatte. Hatte er tatsächlich, wie es den Anschein hatte, das Ungeheuer aus dem Meer angegriffen und verwundet? Oder war es nur das Auge einer toten Seeschlange, die am Strand gelegen hatte? "Aber ich denke, nach diesem... Ereignis sollten wir erstmal genug von Monstern haben, oder?"

"Ich weiss nicht. Ich möchte eigentlich gerne wissen, wie das weitergeht. Das Vieh kann nicht von hier sein … sonst hätten wir es doch viel früher bemerken müssen."
Sie lehnte sich zurück und schaute zu Raykin. "Es ist eine Bedrohung.2