Kyusta (MSG)

„Hast wohl etwas nachgelassen, was?“, fragte Gin lachend, füllte Sayeth den Krug aber nur zu ungefähr drei Vierteln mit dem honigfarbenen Getränk. Für sich selbst benutzte er das gleiche Fass, doch war er bei seiner Portion etwas großzügiger. „Wir haben viel zu wenig Gelegenheit, so miteinander zu feiern und zu trinken.“, sagte er, als er sich von dem Zapfhahn erhob, umdrehte und Sayeth ihren Krug in die Hand drückte.
Dann erhob er den seinigen und rief: „Auf einen Abend, an den wir uns morgen mit Sicherheit nicht mehr erinnern werden! Und natürlich auch auf das Brautpaar! Doch hauptsächlich auf den Abend!“

Mit einem Fisch im Maul, der zu beiden Seiten herunterhing, stolzierte Alys zurück zu dem Tisch von Nawri, wo sie den Fisch fallenließ. Anschließend machte sich die Leopardin über ihre Beute her, sorgsam darauf achtend, dass sie sich nicht schmutzig machte. Das Tier hatte seinen Stolz. Trotzdem flitschten alsbald Gräten und Schuppen davon.
Myrn ließ sich neben Nawri auf die Bank des Tisches fallen, bewaffnet mit einem Teller, der neben einem Hühnerschenkel noch ein Bratkartoffeln enthielt. Das Chaos, das Mila wie üblich verursachte, konnte er getrost ignorieren. Es war nicht so als wäre er nicht daran gewöhnt sich dreckig zu machen.
"Kommst du auf die nächste Expedition mit? Ich glaube, ich habe da was Vielversprechendes. Zumindest habe ich die Grundzüge von Mauern entdeckt. Und Berichte belegen, dass der Grund an der Stelle zu Bauzeiten niedriger gewesen sein muss."

Und dann das. Natürlich! Wieder! Warum konnte er es ihr nicht wenigstens leicht machen, ihn zu hassen? Es wäre ja alles kein Problem, wenn Evarim das aufgeblasene, arrogante Arschloch wäre, das er manchmal so deutlich heraus hängen ließ. Dann hätte sie es als einen Fehler, eine Jugendsünde, bedingt durch den Alkohol verklären und die ganze Angelegenheit vergessen können. Sie hätte ihm aus dem Weg gehen und die ganze Geschichte abhaken können. Aber Evarim war eben kein aufgeblasenes, arrogantes Arschloch. Jedenfalls nicht immer. Er konnte auch so unglaublich höflich und wohlerzogen sein. Und wie oft traf man dort draußen in der Wildnis schon mal einen Kerl mit Manieren? Auch wenn sie sich nicht mehr wirklich daran erinnern konnte: es hatte schon einen Grund gehabt, dass sie ausgerechnet mit ihm auf sein Zimmer gegangen war. Und irgendetwas war da noch immer zwischen ihnen. Irgendetwas, das eigentlich gar nicht so unschön war. Und genau deshalb hasste Mira es! Sie war sich sicher, dass sie Evarim nicht liebte. Aber irgendwie kam sie auch nicht von ihm los.
Und jetzt, wo er so förmlich um Verzeihung bat, spürte sie, wie sie – na klar! – wieder rot wurde. "Du... du hattest eine lange Reise hier her...", bemühte sie sich in Konversation und brachte, da er sich in diesem Moment Niyah zuwandte und sie zu seinem Hinterkopf sprechen konnte, sogar einen halbwegs ganzen Satz hervor, "War sie ereignisreich?"

"Ich hab überhaupt nicht nachgelassen!", lachte sie und hob ihren Krug dann ebenfalls. Dann trank sie erst einmal einen grossen, langen, kräftigen Zug, ehe sie den Krug senkte, durchatmete und sich den Mund abwischte.
"Wir könnten ein Fass mit aufs Abenteuer nehmen und dann jeden Abend gemeinsam feiern", schlug sie scherzhaft vor.
Ja, das wäre sicher auch toll. Nachdem man irgendein Vieh umgelegt hatte, dies ausnehmen, das Fleisch über dem Feuer saftig braten und dazu feiern, als würde es kein Morgen geben.


Es war definitiv irgendwie süss, dass sie so verlegen war. Oder war es eher beängstigend, dass seine Gegenwart Frauen so aus der Bahn werfen konnte?
"Eine lange Reise war es definitiv. Und hier ist es ein wenig zu ... kühl." Er lächelte nun Mira wieder an.
"Doch eigentlich ist nicht viel geschehen. Wir sind unterwegs auf ein Rudel Klippenhaie gestossen, die wir aber kampflos umgehen konnten. Aber vor etwa einem halben Jahr haben wir in einer Grotte einen Schatz gefunden. Das war durchaus spannend", erklärte er.
"Und wie ist es euch so ergangen?"

"Ich... ich bin schon ein paar Tage hier. Also, in der Stadt, meine ich..." Warum konnte er nicht wenigstens aufhören zu lächeln? Konnte er nicht einfach weiter gehen? Jemand wie er kannte doch sicher genug Leute hier, zu denen er sich gesellen konnte. Warum ausgerechnet zu ihnen? Der Höflichkeit halber hatten sie jetzt doch wohl genug Worte gewechselt. Jetzt konnte er auch weiter.
"Habe meine Eltern besucht. Und dann das Fest. Ich war vom ersten Tag an dabei. Umwerfend..." Aber nein, er würde nicht gehen. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart schließlich nicht unwohl. Für ihn war es ja kaum mehr als ein Spiel gewesen, damals!
"Und zuvor... war ich klettern. Einsamer Kaiser. Ich bin viel am klettern, seit ich aus der Akademie raus bin." Sie wollte nicht wissen, was für einen Eindruck sie machen musste, mit den kurzen, abgehakten Sätzen, die sie da hervor presste, während sie auf ihre Hände starrte. Immer wieder versuchte sie, ihn anzusehen... und immer wieder scheiterte sie. Ein, zwei Sekunden hielt sie seinem Blick stand, dann wurden ihre Hände wieder interessanter. Verdammt, sie musste aussehen wie eine Tomate! Sie musste hier weg! Ruckartig stand sie auf.
"Ich... muss kurz weg. Austreten. Der Wein..." Oh Gott, war das alles peinlich! Mit gesenktem Blick, sodass niemand sehen konnte, wie rot sie im Gesicht war, stürmte sie davon und ließ Evarim mit Niyah zurück. Einen Herzschlag später hatte die Menge sie verschluckt. Ziellos hastete sie weiter und erst als sie den Tisch nicht mehr sehen konnte und der Lärm der Menge alle Geräusche aus dieser Richtung erstickten verspürte sie soetwas wie aufkeimende Erleichterung. Geschafft! Erst ein paar Schritte später fiel ihr auf, was sie vergessen hatte. Verdammt! Ihre Stiefel lagen noch immer unter dem Tisch...

Hatte Mira sie noch alle? Wie konnte sie sie alleine lassen, sie wusste doch, dass sie mit Evarim noch niemals etwas hatte anfangen können! Niyah schaute ihr panisch und auch mit etwas Wut im Bauch hinterher. Verdammt, sie war ihre Freundin und Freundinnen ließen einander nicht so im Stich.
Innerlich wusste sie, dass sie ihre Freundin etwas voreilig verfluchte, aber diese war ja selbst mit Schuld an der Situation. Mira war diejenige, die sie unterbrochen hatte, bevor sie sich zu Wort hatte melden können, dabei hatte sie sich gerade eine so schöne Ausrede zurecht gelegt gehabt. Eigentlich hatte sie Evarim sagen wollen, dass sie Mira kurz entführen musste, damit diese ihr das Zimmer zeigen konnte, aber nein, Mira war ihr mit ihrem Gestottere zuvor gekommen.
Niyah war ihrer Freundin nicht böse, sie wusste wie schwer es für sie war mit Evarim zu sprechen, wahrscheinlich schwerer als für sie selbst mit ihm zu reden, dennoch war sie jetzt diejenige die alleine da saß. Mit Evarim. Dem Jungen, der sie seit dem Kindesalter einschüchterte, nicht, dass er jemals offenkundig gemein zu ihr gewesen war, nein, als Sohn des Stammesführers konnte er sich soetwas nicht erlauben, aber seine ganze, durchaus arrogante, Art hatte sie schon immer verunsichert. Und jetzt saß er neben ihr und schaute sie neugierig an.
„Also…“, begann sie und nippte dann kurz an ihrem Bier um ein wenig Zeit zu gewinnen, „Ich..ich war bis heute noch im Süden, meine Eltern besuchen“, stammelte sie dann unsicher, musste aber bei dem Gedanken an den Besuch lächeln. Auch, wenn sie hier im Osten eine neue Heimat gefunden hatte und alle sie gut aufgenommen hatten, freundlich, so war der Süden in ihrem Herzen doch immernoch ihr Ursprungspunkt. Sie unterschied sich dort äußerlich nicht von den anderen und doch wusste jeder, dass sie das Vogelmädchen war. Dennoch gab es nur im Süden so schöne Tropenwälder, solche gigantischen Mammutbäume, die sie im Schlaf erklimmen konnte.
„Ich…wollte..nunja..hier auf dem Fest schauen, dass…ja dass ich jemanden finde, der“, sie atmete einmal tief ein und aus um ihre Atmung ein wenig herunterzuschrauben und dafür zu sorgen, dass ihr Puls etwas ruhig wurde, „Mich auf einer Reise begleiten möchte…Mira wahrscheinlich!“ Das war nicht einmal gelogen. Für sie war dieses Fest eine letzte Station, bevor sie sich wieder in die Wildnis verkrümeln würde, zurück in den Süden, eben zu jenem Vulkan, den Mira bereits erwähnt hatte. Mit dem Namen hatte sie noch gehapert, Krarari, kein unbedingt leichter Name. Eigentlich hatte sie alleine reisen wollen, aber vielleicht sollte sie ihre Freundin einfach fragen, ob sie sie begleiten wollte, das war sicherlich spannender zu zweit und der Aufstieg machte auch mehr Freude, außerdem behaupteten ihre Eltern oft, dass sie zu oft allein war und sie wollte nicht, dass ihr Vater sic in den nächsten Monaten auch noch Sorgen um sie machen musste.

Gin prustete in seinen Krug, als er sich vorstellte, wie sie beide zusammen auf der Jagd waren und Shira und Raykin währenddessen jeweils ein Fass zwischen ihren Klauen hielten. „Das hätte wirklich was.“, sagte er lachend, während er sich den Mund abwischte. „Allerdings bezweifel ich, dass unsere Drachen von der Idee sonderlich begeistert wären.“
Gerade wollte Gin Sayeth fragen, wo sie jetzt hingehen sollten, als er von einer Person angerempelt wurde und einen Teil seines Mets verschüttete. Mit leicht säuerlicher Miene drehte er sich um und wollte der betreffenden Gestalt ein paar Takte über rücksichtsvolles Benehmen erzählen, doch diese war bereits außerhalb seiner Reichweite. Aus den Augenwinkeln sah er noch, wie sich eine barfüßige Vra'Ankinu in die Menge drängte und von ihr verschluckt wurde. Stirnrunzelnd blickte er in seinen Krug. Hatte er diese Haare nicht schonmal gesehen? Und die fast schon hagere Statur? Ein paar Augenblicke später fiel ihm ein Name ein. Mira oder so ähnlich. Warum war sie, wenn es sich denn wirklich um sie handelte, so durch den Wind? Er hatte sie als sehr fröhliche Person in Erinnerung, zumindest ausgehend von dem, was er bei ihren seltenen Treffen mitbekommen hatte. War sie nicht eine gute Freundin von Niyah?
Er hob den Blick und richtete ihn auf Sayeth, während er einen Entschluss fasste. „Komm mal mit, ich glaube, ich hab jemanden gesehen den ich kenne.“, sagte er, griff nach ihrer Hand und zog sie in die Richtung, in die die drahtige Gestalt verschwunden war.

Es war ärgerlich, keine Stiefel an zu haben – ihre Strümpfe wären bis zum Abend wohl nicht mehr zu retten – aber Mira dachte gar nicht daran, zurück zu gehen und sie zu holen. Sie hatte sich vor Evarim wirklich schon genug blamiert. Diese zusätzliche Schmach würde sie nicht auch noch auf sich laden. Also hastete sie weiter. Wohin, das wusste sie nicht so genau. Eigentlich musste sie nicht wirklich pinkeln. Es war eine willkommene Ausrede gewesen, aber eben doch eine Notlüge. Sie hatte einfach einen Vorwand gebraucht um weg zu kommen. In einer halben Stunde konnte sie wieder zurück zu Niyah kommen. Dann würde Evarim doch wohl weiter gezogen sein. Aber solange musste sie die Zeit irgendwie tot schlagen. Eigentlich hätte es auf dem Fest dafür auch mehr als genügend Vergnügungen gegeben, eigentlich hätte es ihr nicht schwer fallen dürfen. Aber um sich einfach ins wilde Treiben zu stürzen, dafür hatte sie den Kopf zu voll. Gedankenverloren steuerte sie ziellos durch die Menge, auf nichts und niemanden um sich herum achtend . . . bis es zu spät war. Eine junge Frau bog aus einer Seitengasse und Mira, die sie nicht rechtzeitig bemerkte, lief frontal in sie hinein. Einen Herzschlag vor dem Unvermeidlichen schreckte sie hoch, doch mehr als verwundert den Mund aufreissen brachte sie nicht mehr zustande, dann fühlte sie schon, wie sie rückwärts taumelte, den Boden unter den Füßen verlor und fiel. Irgendwie gelang es ihr, sich zu fangen und schlimmeres zu verhindern. "Oh, Entschuldigung, das wollte ich nicht", brabbelte sie, noch am Boden, peinlich berührt los. Die andere Frau war zwar nicht zu Boden gegangen, aber wohl ebenfalls ins Taumeln geraten. "Ich war mit den Gedanken ganz wo anders, habe nicht aufgepasst. Das tut mir so leid..." Dann erst blickte sie der jungen Frau ins Gesicht . . . und erkannte verwundert, dass es kein unbekanntes Gesicht war. "Iona? Du hier?"

"Mmmh", machte Nawri und hielt Mila ein Stück Fleisch hin, nach dem dieser gierig schnappte und hinunterschlang. Er selbst nutzte den Moment um sich selbst Essen in den Mund zu stopfen und sprach dann mit vollem Mund weiter. "Ischteschweib?"
Es war nicht so, dass Nawri Myrn nicht begleiten wollte. Wobei... doch, eigentlich war es genau so. Aber er musste sich wohl mal wieder auf den Weg in die Wildnis machen, wenn er sich nicht mit seinen Eltern streiten wollte. Und ein gross angelegter Anstand seiner Eltern war einfach zuviel Aufwand, da ging er lieber mit Myrn auf Ruinensuche, dabei hatte er immerhin die Möglichkeit, irgendwo rumzuliegen, während sein Freund sich mit den Mauerresten und alten unterirdischen Ruinen beschäftigte. Er schluckte den Klumpen herunter, den er im Mund hatte.
"Ich glaub schon. Mmmh, hab sowieso nichts zu tun."

"Mira?" Iona war mindestens genau so überrascht ihre Freundin aus alten Tagen wiederzusehen. Doch dann wich die Überraschung einem Lächeln und Iona hielt Mira eine Hand hin, um ihr wieder auf die Beine zu helfen. "Na wo sollte ich den auch sonst sein? Ich glaube niemand würde sich dieses Fest freiwillig entgehen lassen oder?"
Nachdem Mira wieder auf den Beinen war, das sie keine Schuhe trug ignorierte Iona erst einmal, umarmten sich die beiden. Iona war froh Mira wiederzusehen, hatte sie ihr doch dabei geholfen als es Iona alles andere als gut ging. "Ich hatte bei der Masse an Leuten eigentlich nicht damit gerechnet jemandem zu begegnen den ich kenne. Freut mich umso mehr das Wir uns getroffen haben... ihm wahrsten sinne des Wortes. Wie geht es dir?"

Na aber hallo. Widerstandslos liess Sayeth sich von Gin mitziehen. Sie selbst hatte sich nicht darauf geachtet, wer sonst noch da war, denn ihre Aufmerksamkeit hatte alleine dem süssen Alkohol, der warm ihre Kehle hinunterlief und ihren Mund füllte, und Gins Worten gegolten.
Nun, als sie von ihm mitgezogen wurde, versuchte sie, möglichst nichts zu verschütten. Da wurde die Tatsache, dass der Krug nicht ganz gefüllt war, definitiv zu einem Vorteil.
"Wen hast du denn gesehen?", wollte sie wissen.


Evarim lächelte die ganze Zeit leicht und behielt Augenkontakt. Er starrte aber nicht, sein Blick war weich.
"Das klingt sehr spannend", sagte er schliesslich und strich sich die offenen Haare zurück. "Ich sollte auch endlich mal richtig auf Reisen gehen. Oder besser gesagt, Abenteuer erleben." Er schmunzelte und senkte den Blick dann auf die Tischkante.
"Bisher hab ich alles immer nur erforscht, bin jedoch allen Kämpfen aus dem Weg gegangen. Entsprechend habe ich noch keine Trophäen - von diesem einen Schatz mal abgesehen - vorzuweisen, was als achso toller Sohn eines Clanführer natürlich überhaupt nicht geht." Er machte eine verwerfende Geste.

"Ich... ja, es geht schon. Bin momentan ein wenig durch den Wind", antwortete Mira zerstreut, wenngleich wahrheitsgetreu. Von ihrem Sturz noch immer ein wenig benommen war es nicht einfach, die aufgewühlten Gedanken zu ordnen und Iona mit der angemessenen Freude, die einer lange nicht gesehenen Freundin gebührte, zu begrüßen. "Aber das ist jetzt nicht so wichtig", beeilte Mira sich hinzu zu fügen, "Toll, das wir uns mal wieder über den Weg laufen. Wie lange ist es her, dass wir uns nicht mehr gesehen haben? Drei Jahre? Du musst mir erzählen, was bei dir alles passiert ist. Wann bist du hier angekommen? Wo bist du untergekommen?" Langsam stellte sich die ehrliche Freude nun doch ein. Iona hier zu treffen war eine willkommene Ablenkung. Im Grunde also genau das, was sie gesucht hatte, nachdem sie so überstürzt vor Evarim geflohen war.

Iona lächelte. "Keine Ahnung, ich glaube es waren mehr als 3 Jahre, aber ist doch auch egal. Du erinnerst dich doch sicherlich noch an Venox?" Bei den schlechten Lichtverhältnissen in der Seitengasse war der Schwarzdrache praktisch kaum zu sehen. Nun jedoch kam dieser ein Stück näher und roch prüfend an Mira. "Wir sind erst heute Mittag angekommen, wir waren einfach zu weit in der Wildnis, bis der Bote uns gefunden hatte, war es schon zu spät um noch rechtzeitig die Reise vorzubereiten. Ich hab deshalb auch kein Zimmer mehr bekommen, aber du kennst mich doch, ich kann selbst auf Stein Schlafen und Venox sorgt dafür, dass ich warm bleibe." Sie lächelte erneut während Venox seine Überprüfung beendet hatte und Mira mit seiner Zungenspitze über die Wange leckte. "komm doch mit zu mir an den Platz, dann Trinken wir was zusammen und erzählen uns gegenseitig von unseren Abenteuern, was hältst du davon?"

Die Frage Nawris kam alles andere als unerwartet. Der übliche Ablauf von Myrns Expeditionen war folgendermaßen:
Man traf bei der Grabungsstätte ein und schlug sein Camp auf. Myrn begann mit seinen Untersuchungen und Nawri legte sich schlafen. Nawri war eigentlich der perfekte Begleiter für die Expeditionen. Er störte nicht und hörte immer zu, wenn man ihm was erzählte. Wahrscheinlich interessierte ihn das ganze nicht einmal, aber er beschwerte sich nicht und war manchmal sogar eine Hilfe.
"Nicht sehr weit. Vielleicht zwei oder drei Tagesreisen. Einer meiner Bekannten hat sich die Stelle sichern lassen. Vermutlich gibts sogar einen kleinen Teil unterirdischer Grabanlagen."

Ein wenig spürte Mira doch ihr Gewissen, als Iona ihr diesen Vorschlag unterbreitete. Immerhin ließ sie Niyah damit allein. Allein mit Evarim. Aber sie konnte jetzt nicht zurück. Unmöglich! Auch nicht mit Iona zusammen. Und war diese Einladung nicht genau die willkommene Ausrede, die sie brauchte um ihr langes Fortbleiben später zu entschuldigen? Sie musste ja nicht ewig bei Iona bleiben. Nur ein halbes Stündchen oder so...
"Fein", stimmte sie also zu, "Hast du schon irgendwo einen Platz, wenn du vorhin erst angekommen bist? Und was ist mit Venox?" Sie musterte den Drachen kritisch. Für gewöhnlich war es nicht unüblich, dass Ankinu von ihren Kyusta begleitet wurden, aber für gewöhnlich waren die Straßen auch nicht derart heillos überfüllt. Die Leute würden sich sicher nicht darüber freuen, wenn ein so massiges Monster wie Venox sich seinen Weg durch sie hindurch bahnen würde. "Vielleicht wäre es besser, wenn er während des Fests draußen vor der Stadt jagt. Die Berge sind voll von Drachen, deren Partner sie dort zurück gelassen haben..."

Niyah lächelte Evarim vorsichtig an. Sie selbst legte nicht besonders viel Wert auf Kämpfe und hatte folglich auch nur wenige Trophäen gesammelt, ihr ging es viel mehr um das Erlebnis, um die Reisen, die Abenteuer, allerdings bewunderte sie diejenigen, die sich von einem Kampf in den anderen stürzten.
„Mich…mich interessieren die Kämpfe nur wenig, ich schaue mir viel lieber die Landschaften an und unterhalte...mich mit Leuten“, Niyah verstummte, Evarim würde ihr wahrscheinlich nicht glauben, dass sie viel mit anderen Leuten redete, Tatsache war aber, dass sie durchaus viel mit Leuten zusammen war auf ihren Reisen, nur hatte sie bisher eben nie einen Reisepartner gehabt. Sie war von einem Berg oder Vulkan oder einfach einer interessanten Gegend zur nächsten gereist, allein, doch meist hatte sie unterwegs kleine Gruppen getroffen, denen sie sich dann für ein, zwei Tage angeschlossen hatte. Mit ihrer stillen Art war sie so immer gut zurecht gekommen und hatte von vielen interessanten Orten gehört, die sie noch besuchen konnte oder bereits besucht hatte, sie empfand es als viel lustiger anderen Leuten zuzuhören, als selbst zu reden, so erfuhr sie viel mehr.
„Allerdings will…naja…meinen Eltern ist es egal, ob ich…viele..viele Trophäen habe, sie wollen, dass ich..nunja Spaß habe, bei dir..da ist das ja noch einmal was…was anderes. Da achten ja ..viel mehr Leute drauf.“ Sie war ja nur das Vogelmädchen, dass aus dem Süden weggezogen war, außer ihren Freunden kannte sie kaum jemand und ihren Freunden war es ziemlich egal, wie viele Trophäen sie hatte.
„Aber…was für einen Schatz hast du denn bekommen?“, erkundigte sich Niyah schließlich, zum einen um zu zeigen, dass sie ihm durchaus zugehört hatte und zum anderen, weil sie selber nicht wusste, was sie anderes sagen sollte.

„Zurückgelassen klingt etwas hart, meinst du nicht auch?“, rief Gin schmunzelnd, als er mit Sayeth an der Hand um die graue Hauswand bog und in die Seitengasse trat. „Ich glaube, uns Dra'Ankinu sind unsere Kyusta etwas zu viel wert, als dass wir sie einfach irgendwo zurücklassen würden. Allerdings ist es in der Tat eine zweifelhafte Idee, seinen Drachen unter all diese feiernden Leute zu bringen.“ Bei diesen Worten warf er dem schwarzen Tier einen prüfenden, doch nicht unfreundlichen Blick zu. Gin hatte Drachen schon immer geliebt, egal, wie sie aussahen oder sich verhielten. „Aber Venox hier sieht doch eigentlich ganz nett aus. Zumindest macht er einen vertrauenserweckenderen Eindruck als es meine Shira in neun von zehn Fällen tut.“
Dann wandte er sich der Vra'Ankinu zu (die wirklich keine Stiefel trug) und neigte kurz den Kopf zur Begrüßung. „Mira, richtig? Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst, wir haben uns ab und zu mal in den Akademien gesehen. Sayeth und ich haben dich gerade ziemlich aufgelöst durch die Menge rennen sehen, ist alles in Ordnung?“

"Ach, eigentlich war es ein ziemlich typischer Schatz", lächelte Evarim. "Gold, Silber, edles Gestein und Schmuck. Ich weiss nicht, wer ihn da hin getan hat, doch einige dieser Dinge fand ich wirklich hübsch."
Er zog einen Beutel hervor und leerte ihn auf dem Tisch aus. Es klimperte und klirrte, als Hals, Fuss und Armketten auf die Tischplatte fielen. Jedes Schmuckstück sah edler und wertvoller aus als das Nächste.
"Meinst du, etwas davon könnte Mira gefallen?"



Mir kam gar nicht dazu, zu antworten, denn als Sayeth sie erkannt hatte, hatte sie nichts mehr gehalten. Mit einem fröhlichen Jauchzen warf sie sich Mira um den Hals.
"Hey, es ist so schön dich zu sehen, hach, das ist wirklich unglaublich! Geht es dir gut? Was hast du so gemacht? Du musst mir unbedingt alles erzählen!", plapperte sie auch gleich los, ehe sie Mira wieder losliess und sie breit anlächelte.

Zum zweiten mal innerhalb kürzester Zeit stand Mira kurz davor zu Boden zu gehen als Sayeth sich ihr ebenso entgegen warf, wie sie selbst es bei Niyah getan hatte, diesmal jedoch hielt sie die Umarmung der Freundin auf den Beinen. Zuerst war Mira zu überrumpelt, um mehr zu tun als um ihre Balance zu ringen, dann jedoch, als sie die Freundin erkannte, erwiderte sie deren Umarmung.
"Sayeth! Ich wusste, dass ich dich hier irgendwo treffen würde!", gab sie atemlos von sich als die Dra'ankinu sie endlich aus ihrem Griff entließ, "Ich bin so vielen alten Bekannten in den letzten Tagen begegnet, ich wusste, dass du auch irgendwo hier sein würdest. Und Gin! Schön dich wieder zu sehen! Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte mal begegnet sind? Oh, ich muss euch allen so viel erzählen, aber nicht hier. Nicht jetzt. Ich glaube, ich brauche erst mal einen Platz um mich hin zu setzen. Und etwas zu trinken. Gott, wir müssen alle gemeinsam auf unser Wiedersehen anstoßen!" Dieses mal gelang es Mira in ihrer freudigen Überraschung, Niyah und Evarim für einen Moment komplett zu vergessen.

Iona und Venox blickten einander etwas verwirrt an und danach Richtung Gin. Iona wusste zwar nicht, wie der Seelenpartner von Gin aussah, aber rein vom äusserlichen her mochte Venox vieles sein, aber sicherlich kein Kuscheldrache. Normalerweise hielten sich auch grössere Drachen von Schwarzdrachen fern oder drangen nicht einfach so in ihr Revier ein.
"Nun es hat einen Grund, warum ich diese Seitengasse gewählt habe, den hier sind praktisch keine Leute die Feiern und folglich auch niemand der sich an Venox stören könnte." Es war ja nicht so das Iona Venox in irgendeiner weise verboten hätte sich frei herumzutreiben, wie die anderen Drachen es taten, aber sie beide hatten schon lange eine sehr starke Verbindung und trennten sich nur noch selten. Iona war klar das dies einige Gerüchte über Sie wieder aufkeimen lies, doch Mittlerweilen war sie alt genug um mit soetwas umgehen zu können.
"Kommt doch mit zu meinem Sitzplatz, der liegt ein wenig am Rande des Festes. Es ist zwar nicht ganz die gleiche Stimmung, doch es ist auch leise, so das wir uns ungestört unterhalten können, ohne uns anschreien zu müssen."

Nawri blickte zu seinem Kyusta, um seine Meinung zu erfahren, aber Mila sich scheinbar nicht besonders für die Reise interessierte, denn er war gerade dabei, sich an den Fisch der Schneeleopardin heranzuschleichen. Dabei gab er darauf acht, nicht von den herumfliegenden Überresten getroffen zu werden, als er schliesslich nahe genug, macht er einen Satz nach vorne, um sich die reste des Fisches zu packen. Nawri beobachtete ihn nur kurz, zuckte dann aber mit den Schultern und traf alleine eine Entscheidung. Der Honigdachs würde schon einverstanden sein.
"Wir kommen mit, denk ich", teilte er Myrn diese mit. "Alte Ruinen sind... meist nicht besonders belebt. Ruhig. Mmmh. Kommt sonst noch jemand mit oder sind es wieder wir vier?"

Für einen Moment betrachtete Gin Mira noch stirnrunzelnd, doch aufgrund ihres Verhaltens kam er schnell zu dem Entschluss, dass es ihr doch ganz gut zu gehen schien. Dann bemerkte er den verwirrten Blick von Iona und ihrem Drachen und erwiderte ihn lächelnd. „Verzeiht, wenn ich bei Drachen etwas voreingenommen bin. Ich wollte nicht unhöflich sein. Seit meiner frühsten Kindheit war ich in der Natur und habe dort viele Drachen gesehen, von sanftmütigen bis hin zu den wildesten Vertretern ihrer Art. Deswegen ist meine Einschätzung des Charakters eines Drachen … häufig nicht gerade die, die die breite Öffentlichkeit teilen würde.“
Dann kratzte Gin sich am Kopf und dachte kurz nach. „Ich habe eh genug von dieser lautstarken Feier hier, von mir aus können wir gerne mal etwas Abstand zu der Menge nehmen und zu deinem Sitzplatz gehen. Shira müsste auch so langsam mit ihrem Abendessen fertig sein.“

"Suchen wir uns ein ruhigeres Plätzchen", stimmte Sayeth den anderen grinsend zu. Hach Güte, sie hatte so viel zu erzählen und vielleicht konnte sie ja alle für sich gewinnen, dieses grosse Ungeheuer zu jagen. Oder das Gerücht. Egal.
"Aber sag mal Mira, gehst du absichtlich barfuss?", lachte sie. "Ich meine, der Boden ist doch bestimmt überall durchweicht von Bier, Erde und anderen fragwürdigen Flüssigkeiten." Gut, das konnte man wieder waschen, doch es war trotzdem ein ekliger Gedanke.

"Das war... mehr ein Unfall", gestand Mira mit Blick auf ihre ruinierten Strümpfe. Verdammt, da waren die Gedanken an Evarim wieder. Und an Niyah, die sie einfach mit ihm allein gelassen hatte. Es war mehr die Scham darüber, als die Peinlichkeit in Strümpfen durch die Stadt zu laufen, die ihr einen leichten roten Schimmer auf die Wangen trieb. "Ich hatte meine Stiefel ausgezogen, weil mir die Füße weh getan haben. Und dann... dann musste ich überstürzt weg und... ich schätze, ich habe meine Stiefel einfach vergessen." Sie warf Sayeth ein schiefes, entschuldigendes Grinsen zu. Nicht einen Moment lang glaubte sie, dass die Freundin ihr diese Geschichte so einfach abnehmen würde. Sayeth würde genau wissen, dass da mehr dahinter steckte. Aber was, das wollte Mira jetzt wirklich nicht im Detail vor allen ausbreiten. Von den dreien war Sayeth die einzige, die wusste, was es mit Evarim auf sich hatte.
Glücklicherweise erreichten sie in diesem Moment Ionas abseits gelegene Sitzplätze und im allgemeinen Trubel als sie sich auf die Bänke nieder ließen, glaubte Mira, einen Themenwechsel halbwegs glatt über die Bühne bringen zu können. "Also, wo gibt es hier jetzt etwas zu trinken?", wandte sie sich an Iona, "Ich sterbe vor Durst. Und wir müssen unbedingt unser Wiedersehen begießen!"

Niyah betrachtete den ganzen Schmuck eingehend und nickte langsam.
„Ich denke, es gibt schon etwas, das ihr gefallen könnte. Es sollte nicht zu prunkvoll sein“, nachdenklich schob sie einige Ketten, die mit großen Edelsteinen besetzt waren, zur Seite, die schieden auf jeden Fall aus, die konnte eine alte Frau tragen, aber für jemand jüngeres wirkte das Geschmeide zu schwer, „Und Silber mag sie meines Wissens her auch lieber als Gold“, nachdenklich sortierte sie noch die ganzen Goldkettchen aus. Zurück blieb ein kleiner Haufen an Silberketten, einige mit Anhängern, einige ohne.
Einen Moment lang dachte Niyah nach, bei der quirligen Art ihrer Freundin konnte diese wahrscheinlich mit Armbändern und Fußkettchen nicht besonders viel anfangen, damit konnte man schon leicht irgendwo hängen bleiben, wenn man nicht darauf achtete und auch, wenn man darauf achtete, die gingen einfach zu schnell verloren. Wo ihre Freundin wohl abgeblieben war? Sie schaute sich suchend um, konnte sie jedoch nicht entdecken. Und was sie zu dem Schmuck sagen würde? Wahrscheinlich durfte sie sich heute Abend noch eingehender mit der Bedeutung des Geschenks auseinandersetzen, wenn Mira es bekommen hatte. Doch was wollte Evarim damit bezwecken?
„Ich glaube eine Halskette wäre am ehesten geeignet!“, erklärte Niyah schließlich, die Frage konnte sie sich nicht beantworten und sie wollte auch nicht nachfragen. Evarim hatte ihr die ganze Zeit aufmerksam beim Aussortieren zugesehen.. Vorsichtig hob Niyah schließlich eine Kette aus dem Schmuckhaufen und besah sie sich näher. Sie war aus Silber und sehr fein geschmiedet, auch wenn sie bereits ein wenig angelaufen war, aber das konnte man ja wieder säubern, ansonsten war sie perfekt, auch wegen des Anhängers. Eine Feder aus Silber hing an der Kette, das passte zu ihr.
„Ich würde sagen, dass du diese nimmst, schau die kleine Feder, das könnte eine Anspielung auf ihren Kyusta sein, außerdem scheint sie zierlich und unauffällig, was sie zu einem…angemessenerem Geschenk macht, als solch eine edelsteinbesetzte Kette. Was meinst du?“