GQ - [Die MSG]

Erstaunt blickte Finn auf. Jemand hatte ihn angesprochen. Er hatte ihn angesprochen. Der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte. Aldred, so hiess er. Und wie es schien, interessierte er sich für seine Buch. Zum ersten Mal, seit er auf diesem Kontinent war, zeigte der Junge, ein breites und glückliches Lächeln. Jemand, der sich für seine Bücher interessierte! Und es war kein Bibliothekar, der sie zurückhaben wollte! Für einen Moment strahlte Finn Aldred nur verträumt an, dann besann er sich wieder darauf, dass der anderen ihm ja eigentlich eine Frage gestellt hatte und beantwortete diese deshalb hastig mit schneller Stimme.
"Es ist ein Buch über Magie. Hauptsächlich Beschwörungsmagie. Ich versuche daraus zu lernen, weil ich eigentlich Magier werden will. Deshalb bin ich auch hierher gekommen. In den Eisigen Einöden gibt es keine Akademien für Magier und die Msgier dort leben für gewöhnlich zurückgezogen in ihren Kammer und tüfteln Verteidigungszauber für die Wälle aus oder machen ihre Experimente", Finns Augen leuchteten, während er von seinen Träumen erzählte, "und das will ich nicht machen. Ich will mehr über Magie lernen und all die magischen Dinge sehen, die es in dieser Welt gibt. Ich will die Ruinen und Zauber von alten, untergegangenen Völker sehen und die Bücher in längst vergessenen Bibliotheken studieren. Aber", für einen Moment stockte er, "ich bin ein ziemlich schlechter Zauberer. Nicht einmal die einfachsten Zauber hier drin krieg ich hin."

Amun, der grade die Klauenhand gehoben hatte, um zu sagen, dass sie doch ganz gut mit den Fingern essen konnten, zog besagte Hand mit einem leisen Murren wieder zurück. Menschen waren so kompliziert. Immer auf irgendwelche Regeln bedacht, die man in ihre steinigen Köpfe gemeißelt hatte. Steinköpfe... Vielleicht waren sie deshalb zu schwer zum Fliegen? Weil sie die Last ihrer selbstauferlegten Regeln erdrückte? Das waren Gedanken für Windsprecher. Er war ein Fernauge, was wusste er schon?
"Sollte suchen die weisen Leute der Landgeher. Windsprecher sind verzweifelt. Tobt ein Orkan um den Palast des Sturmkönigs. Ungewöhnlich. Magie ist im Sturm, sagen die Windsprecher. Können sie nicht auflösen. Wurde ausgeschickt, um Lösung zu suchen", fasste Amun in aller Kürze seinen Auftrag zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Anwesenden helfen konnte, war allerdings gleich null. Amun zuckte mit den Schultern, wobei er acht gab, Arale nicht abzuwerfen.
"Windgöttin ist vielleicht zornig? Wer weiß schon das?"

"Zornige Götter? Es gibt überhaupt keine Götter." Nicole lachte leise, die Hände auf die Knien gestützt neigte sie sich zu Amun, auch wenn ihr der Elf, der in ihrer Nähe mit dem Messer hantierte nicht unbedingt geheuer war. "Selbst wenn es sie einmal gegeben hat, haben sie unsere Welt verlassen. Wir waren ihnen vermutlich nicht göttlich genug." Sie hatte Geschichten aus der alten Zeit gehört, in denen die Schreine noch Wünsche erfüllt hatten und die Schreinwächter magische Kräfte ausgebildet hatten. Sagen vom Kuss der Luhane, der Leben schenkte, Mythen von kleinen Menschen, deren Glaube Mächte über Licht und Schatten verlieh. Nur Geschwätz, sonst nichts. "Wenn ihr mich fragt, wäre diese Welt nicht so schlecht, wenn die Menschen aufhören würden ihr Heil in den Göttern zu suchen und stattdessen ihre Angelegenheiten selbst regeln würden. Sie sind doch sowieso alle nur scheinheilig. Niemand glaubt mehr. Das letzte Mal, als ich jemanden "Luhane!" habe rufen hören, steckte mein Kopf zwischen seinen Beinen." Sie schüttelte sich. "Die Götter sind zu alten Floskeln verkommen, wir sollten sie ruhen lassen und sie vergessen, wie sie uns vergessen haben."

"Bist du sicher, dass es keine Götter gibt?", schaltete Aldred sich in das Gespräch ein und das Lächeln, dass dabei im flackernden Schein des Feuers auf seinen Zügen sichtbar wurde, hatte etwas Wissendes, "Wenn es keine Götter gibt, was hat uns dann in der Höhle gerettet, frage ich mich..." Er blickte Nicole über die Flammen hinweg direkt an, suchte ihren Blick. Er war sich sicher, dass er dort tief in ihrem Inneren das Eingeständnis finden würde, dass auch sie es wusste. Die Existenz der Göttinnen war nicht zu leugnen. Er selbst wusste es. Er hatte sein Leben ganz diesem einen Gedanken verschrieben. Die Leute mochten ihn für Verrückt halten, doch er wusste es besser. Es gab seine Herrin! Und er würde sie finden, irgendwann. Dieser Gedanke war es, der ihn antrieb, der in rastlos durch die Lande streifen ließ, der ihn Hunger, Durst, Schmerz und Müdigkeit ertragen ließ.
Hätte er Iorweth halblaute Bemerkung mitbekommen, er wäre nur weiter in seinem Glauben bestärkt worden. Er hätte in dem Elfen augenblicklich einen weiteren Suchenden, einen Seelenverwandten erkannt. Er hätte es Nicole unter die Nase reiben können, der unwiderlegbare Beweis, das Wahrheit in seinen Worten lag. Es war ein zynischer Wink des Schicksals, der ihn in eben diesem Moment den begeisterten Worten des Jungen mit dem Buch hatte lauschen lassen. Denn auch dessen Geschichte hatte ihn in ihren Bann gezogen. Aldred hatte noch nie einen Magier getroffen. Und mit einem mal bekam er ein schlechtes Gewissen, dass er sich so rasch von dem Jungen abgewandt hatte. Er riss sich von Nicole los und wandte ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu.
"Du kannst zaubern?", hakte er nach, "Du bist noch so jung... Das ist... beeindruckend!"

Es überraschte den Waldläufer ein wenig, dass niemand in der Truppe einen Löffel mit sich zu führen schien – er tat es jedenfalls. Rasch holte er das abgewetzte, gesplitterte Ding aus seinem Beutel und legte es neben sich. Aber dabei beließ er es nicht. "Ich kann schnitzen", kündigte er an, und ließ die Augen auf der Suche nach einem geeigneten Stück Holz in dem kleinen Bereich, den das Feuer beschien, umherschweifen. Die paar Bretter, die übrig geblieben waren, waren alt und gesplittert. Weiches Holz, vielleicht Linde, schien nicht aufzufinden zu sein. Prüfend hob Geralt ein paar der Bruchstücke hoch, und eines schien zumindest noch intakt genug zu sein um nicht beim Schnitzen auseinanderzufallen. Für den Moment noch stellte er seinen Hunger zurück, zog sein Messer und begann, die groben Umrisse eines Löffels aus der Planke zu schneiden, und versuchte dabei, so um die Risse herumzuschneiden, dass das Resultat die Suppe auch halten würde.
Nur kurz blickte er auf, als die anderen auf Götter und ihre Taten zu sprechen kamen. Geralt behielt seine Meinung für sich. Natürlich gab es Götter. Sah man ihr Tun nicht im Schicksal, in dem Weg, in der Vorsehung? Und Nicole hatte jedenfalls unrecht, auch wenn das Geralt überraschend wenig ausmachte. Auch sie konnte ja nicht alles wissen. Geralt jedenfalls glaubte mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit an die Götter Ruhtas, die von keinen Zweifeln oder unzufriedenen Gedanken gestört wurde. Er hatte andere Sorgen.
In solchen Dingen geübt hatte Geralt nur ein paar Minuten gebraucht, um einen zumindest grob erkennbaren Löffel aus dem Holz zu schneiden, und ohne die Gelegenheit zu nutzen, um sich ins Gespräch einzumischen, reichte er ihn Nicole herüber.

"Ich weiß nicht, was uns gerettet hat. Und ich möchte es auch nicht kennen, wenn es unser Leben einem ganzen Dorf vorzieht. Was sind wir denn Besonderes, dass gerade wir es verdient hatten weiterzuleben?" Der Zahn der Schuld fraß an ihren Worten, zermalmte ihre anfangs gut durchdachte Argumentation zu einer hilflosen Bitte, einem Flehen. Sie wollte doch nur eine logische Erklärung dafür. Sie wollte sich sicher sein, dass es nicht ihre Schuld war, dass all diese Leute gestorben waren. Frauen. Kinder. Schleichend kam die Gewissheit, dass sich dafür kein Grund finden würde. Am Ende war sie doch der Fluch des Dorfes gewesen, wie es prophezeit worden war. Mit zunehmendem Kloß im Hals ließ sie das Thema fallen, schaute stattdessen zu Finn herüber, der von Magie erzählte. Er war so jung...Und ganz allein. Hatte er Bekannte im Dorf? War auch ihm die Existenzgrundlage entrissen worden? Wieso ließen die Göttinnen zu, dass etwas so Schreckliches geschah? Das Wesen, was in der Grotte mit ihr gesprochen hatte, konnte nicht böse sein. Es hatte sie ihr Kind genannt... Fast war ihr, als wäre die Gischt wieder auf ihren Armen, als würde sie die Stimme noch einmal hören, die ihr Schutz und Trost versprochen hatte. Mit einem Mal schlug die Erkenntnis zu, ließ sie Geralts Löffel in den Schoß legen und ihren Kragen nach unten reißen. "Die Göttinnen suchen sich ihre Kinder seit jeher mit diesem Zeichen aus...", murmelte sie, während sie das verschlungene Symbol auf ihrer Brust betrachtete. "Ich...Ich erinnere mich wieder. Das hat sie gesagt. Mein Pfad...Die Geheimnisse, die sich mir offenbaren. Die Gabe der Teleportation. Das war keine Göttin, die uns gerettet hat, das war..." Sie bedeckte das Zeichen wieder, zog die Beine an und schlang die Arme darum, wie um es vor Blicken zu schützen. Den Löffel in der Hand zwirbelnd packte sie blankes Entsetzen. "Das war...ich."

Nachdem er von Aldred so überraschend bewundert wurde, druckste Finn herum. Er konnte ja gar nicht zaubern, er las nur ein Buch darüber und wollte es lernen, doch es können, das war einen ganz andere Sache! Andererseits war es ein ganz neues Gefühl, nicht verspottet zu werden, weil etwas lernen wollte, was ihm wahrscheinlich erst in einem Jahrzehnt etwas nützen würde. Im Norden dachte man kurzfristig. Lieber ein Haufen schlecht ausgebildeter Jünglinge, als drei hervorragende Tötungsmaschinen. Die Besseren würden sich schon herauskristallisieren. Irgendwie gefiel es Finn, einmal als etwas Besonderes betrachtet zu werden. Aber trotzdem, die anderen sollten ihn nicht überschätzen, sonst erwarteten sie am Ende noch Dinge von ihm die er nicht konnte.
"Ich... ich kann nicht wirklich zaubern. Nur ein paar... kleine Spielereien und ein wenig Verstärkungsmagie. Wirklich nichts Besonderes. Echte Magie beherrsche ich nicht", mit einem traurigen Ausdruck im Gesicht deutete er auf das Buch in seinem Schoss. "Praktisch alles, was da drin steht, kann ich gar nicht anwenden. Aber deshalb will ich ja an die Akademie in E'jin!"
Während er das sagte, redete die Frau über die Göttinnen und kam zu der Erkenntnis, dass sie es gewesen sein, musste, die sie hierher gebracht hatte. Und wieder fühlte Finn ein Gefühl, dass er bisher nicht kannte. Er las schon seit Jahren alle möglichen Bücher über Magie, die er in die Finger bekam und studierte sie so eingehend wie nur möglich und dennoch war er nur in der Lage einige wenige Zauber zu wirken. Diese Frau hingegen hatte in ihrem Leben wohl noch nie ein Buch in den Händen gehalten und bekam dann eine solch mächtige Gabe einfach in den Schoss geworfen. Das war einfach nicht fair!

Amun, der schon die Klauenhand gehoben hatte, um zu sagen, dass sie auch einfach mit den Händen essen konnten, klappte den Schnabel wieder zu. Die Menschen hätten es nicht verstanden. Sie waren so... kompliziert. Andererseits erfanden sie wunderbare Dinge, neben denen die Werkzeuge der Avior aussahen wie Dinge aus der Steinzeit. Das war wahrscheinlich die Belohnung für all jene Regeln, die sie sich selbst in den Kopf meißelten. Dass Nicole der gesamten Gruppe einen Großteil ihrer Brüste präsentierte konnte dem Avior egaler nicht sein. Weibliche Avior waren nicht mit diesen Milchtüten ausgestattet. Die Küken bekamen einen zerkleinerten Brei zu fressen, damit sie groß und stark wurden.
"Kraft und Wissen kamen aber von Göttin, heh? Eigentlich es war also die Göttin, nicht?", hakte Amun nach, dem diese Erklärung ihrer Rettung durchaus willkommen war. Avior mochten Rätsel nur dann, wenn sie lösbar waren.

Obwohl Nicole nicht im Geringsten auf seine Position einzugehen schien zeichnete sich ein breites Lächeln auf Aldreds Gesicht ab. Er war sich nun sicher, dass Nicole tief in ihrem Inneren die Wahrheit bereits wusste. "Du bist keine Zauberin, Nicole, nicht? Du hast nie in einem solchen Buch gelesen." Er nickte zu Finn und dessen Folianten hinüber. "Du hast in deinem bisherigen Leben vermutlich ebenso viele Magier getroffen wie ich. Was glaubst du, wie kommt eine junge Frau wie du dann von einem Moment auf den anderen zu solch mächtigen Kräften wie du sie gezeigt hast?" Im Grunde glaubte Aldred nicht wirklich, dass es Nicole war, die sei aus der Höhle gebracht hatte. Doch er widersprach ihr nicht. Es tat ja nichts zur Sache. Es lief auf das selbe hinaus. Seine Stimme war ruhig, sanft beinahe als er weiter sprach. Er hatte es nicht nötig eindringlich zu werden. Er wusste genau, dass die Logik seiner Worte für sich selbst sprechen würde. "Wer wenn nicht ein göttliches Wesen kann dir diese Gabe beschert haben, im Moment der höchsten Not? Sie, die dich gesegnet und gezeichnet hat, hat uns dort unten gerettet! Und sie wird es nicht ohne Hintergedanken getan haben. Dir steht Großes bevor, Nicole. Du weißt es, stimmt's? Hier drin." Er hob die Rechte klopfte sich selbst zweimal auf die Brust, dort wo das Herz lag. Und lächelte.

Iorweth hatte inzwischen den zweiten Löffel fertig geschnitzt und reichte einen an Aldred weiter."Wie weit ist die suppe?,"
fragte er ruhig und blickte zu den anderen. Als die worte seinen Mund verließen, fing sein magen an zu brummeln. Der dritte Löffel war auch schon fast fertig und Iorweth sah wieder recht ruhig und entspannt aus.

"Ich bin also dafür bestimmt Großes zu tun. Schließt das ein, dass ich überall, an jedem Ort, den ich aufsuche, Tod sähe?" Nicoles Augen glänzten, als sie in Aldreds Gesicht blickte. Wie konnte er so blind einer Sache vertrauen - ihr vertrauen? Manchmal glaubte sie der Ältere wusste etwas, dass er für sich behielt. Um sich jedoch nict weiter aufzuregen ließ sie das Thema fallen und lenkte ihren Blick stattdessen auf den Elf. Die Suppe! Etwas zu essen war gut gegen den Kummer.

Seine Worte schienen Nicole mehr zu schaffen zu machen als er das angenommen hatte, doch wirklich erklären konnte Aldred sich ihre Sorgen nicht. Ungerührt, ein wenig hilflos auch, zuckte er mit den Schultern. "Manche werden groß indem sie kämpfen und töten, andere verbringen auf anderem Weg nicht weniger Wichtiges", antwortete er schicksalsergeben, "Wer kann schon ahnen, was dir vorher bestimmt ist. Einzig die Göttin, deren Segen du trägst, wird es wissen. Du solltest auf ihre Weisheit vertrauen. Sie hat dich vor dem Tod bewahrt, also wird sie noch mehr mit dir vorhaben. Sie wird dich leiten. Wenn dein Weg von Blut gezeichnet ist, dann wirst du es nicht ändern können. Vor dem Kampf kann man nicht fliehen, er wird dich immer finden, wenn es denn so sein soll. Vertraue deiner Göttin..."

Als Nicole nach der Suppe fragte musste sie ihren blick nur auf Seline richten, den in der zwischenzeit hatte sie sich die Rebhuhn genschnappt zerteilt und zusammen mit dem Topf und dem frischen Wasser einfach mal damit begonnen eine Suppe zu Kochen. Selbst die Knochen hatte sie dazugegeben, alleine für den Geschmack. Das Gespräch in der Gruppe interessierte sie nicht sonderlich... sie war in einer Welt aufgewachsen in der maqn nicht an Götter glaubte, sondern nur an Kraft und Stärke... nicht gerade der beste Ort für eine Frau.
Als Iorweth mit dem Schnitzen fertig war nahm sie den Holzlöffel und probierte etwas von der Suppe. "hmm... noch ein bischen fade... leider..." sie blickte den Elfen an. "Hast du vorher nicht gesagt du hättest noch ein paar Kräuter dabei? Die wären jetzt genau das Richtige um dieser Suppe noch etwas würze zu verleien."

Arale hatte dem gespräch gelauscht, konnte sich aber nicht so ganz einen Reim darauf machen. Allerdings bemerkte sie das Desinteresse des Aviors als Nicole kurz eine freizügige phase durchmachte, während sich bei den anderen Männern wohl kurz der Puls erhöht hatte. Sie stupste ihren neu gewonnenen gefiederten Freund an. "Sach mal... Schlüpft ihr eigentlich auch aus Eiern?"

Eine Gabe einer Göttin. Natürlich. Sonst wäre eine einfache Frau bestimmt nie zu einem solchen Zauber in der Lage gewesen. Das erklärte alles. Aber dennoch war es unfair! Wieso konnte er nicht auch von einer Göttin die Gabe erhalten, Zauber zu wirken. Das war schon immer sein Traum gewesen und er war sich sicher, dass die Frau keine solchen Träume hatte. Traurig und mit einem bleibenden Gefühl der Eifersucht wandte er sich wieder seinem Buch zu. Er würde es wieder und wieder lesen. Er würde es bestimmt schaffen, Magie zu erlernen, aber eben auf dem üblichen Weg. Er konnte das auch ohne eine Göttin. Dieser Frau würde er es noch zeigen! Und dann würde er Aldred, Geralt und Sahin zurückgeben, was er ihnen schuldete, dafür dass sie ihm das Leben gerettet hatten. Solange er mit dieser Gruppe reiste, wollte er ihr auch nützlich sein!
Während sich Finn also wieder in sein Buch vertiefte, bemerkte er nicht, wie sich das Gespräch der Suppe zu wandte. Irgendwie war er auch gar nicht hungrig.

Iorweth blickte zu Seline und lächelte leicht."Ja, ich habe einige Kräuter dabei. Vielleicht kann Amun ja auch etwas von seinen Kräutern beisteuern, wenn er möchte." Fragend blickte er zu dem Avior, während er in seinem beutel nach den Kräutern suchte.

"Ha, ja, natürlich. Menschen muss schon bei der Geburt geholfen werden. Allein knacken die Avior ihr Elfenbeingefängnis. Einige... schaffen es nicht. Sind die schwachen. Avior bleiben stark", beantwortete Amun die Frage Arales. Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise war, dass sie die Population der Avior klein hielt. Das war Amun erst nach einigen Jahren seiner Reisen aufgefallen. Die Menschen vermehrten sich viel zu sehr. Dadurch mussten sie ihre Herrschaftsgebiete ausweiten, was sie in den Krieg mit anderen Menschen brachte. Die Avior hingegen konnten es sich schlichtweg nicht leisten, ihr Gebiet auszuweiten. Es gab nichts, wohin man hätte ausweiten können.
Amun warf dem Elfen das Säckchen mit Kräutern zu. Er selbst hatte zu wenig Wissen um die Kochkunst als dass er wissen konnte, was gut schmecken würde.
"Behalte die Kräuter nur, weil sie Geschenk sind. Weiß nicht, was ich tun sollte damit."

Kräuter! Langsam begann Aldred ernsthaft daran zu zweifeln, dass es weise gewesen sein mochte, sich für den Weg zu den Ruinen auszusprechen anstatt die Gruppe in das Dorf zu führen, das Sahins Falke ausgemacht hatte. Der Großteil der Gruppe war ganz offensichtlich nicht bereit für eine Wanderung. Eine richtige Wanderung. Querfeldein. Durch Wälder und Steppen, durch Hügelländer in denen man wochenlang kein anderes lebendes Wesen traf. Aldred hatte es erlebt. Er hatte die Eisigen Einöden jahrelang durchquert, abseits der Wege, abseits der Siedlungen hatte er nach der Frau aus seinem Traum gesucht. Eine solche Wanderung hatte nichts mit den Reisen zu tun, die Händler oder Pilger auf sich nahmen, die stets auf ausgetretenen Pfaden gingen und Abends ein Gasthaus aufsuchten. Jeder konnte so eine Reise unternehmen. Aber eine Wanderung, eine richtige Wanderung, das war etwas anderes. Sie sollten froh sein, dass sie Wild erlegt hatten und dass sie Holz für ein Feuer gefunden hatten. Die Suppe war warm und es schwomm Fleisch darin! Sie würde sättigen und die Kälte vertreiben. Was wollte man mehr? Aber nein, sie beschwerten sich, dass sie zu fade wäre. Fade! Aldred konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte mal Gedanken darüber gemacht hatte, ob sein Essen zu fade war. Sie kochten hier nicht für einen König! Es war doch nur eine Suppe, kein Festmahl. Kräuter! Er konnte nur hoffen, dass die anderen sich in der Wildnis nicht beschweren würden, wenn ihnen die Kräuter einmal ausgingen. Doch das würde er ihnen nicht unter die Nase reiben. Was brachte es schon? Und so wohnte er unbeteiligt deren Versuchen, die Suppe schmackhafter zu machen, bei und wartete darauf, dass er an der Reihe sein würde aus dem Topf zu essen.

Iorweth fing den Kräuterbeutel geschickt auf und schaute hinein. Kurz grinste er, dann fing er an die Suppe zu würzen. Thymian, Elfische lerobablätter, ein paar pfefferkörner und etwas Salz. "Das muss etwas ziehen, dann schmeckt es super. Die Lorebablätter sind das gewürz schlechthin bei den Elfen und kann zu jedem essen hinzugetan werden," erklärte er der Gruppe.
Elegant rührte er immer mal wieder die Suppe um, dann nach etwa 5 minuten probierte er und seufzte zufrieden. Dann nahm er nochmal einen großen Löffel voll und reichte diesen dann weiter.

"Willst du es denn nicht verstehen?" Nicole hatte sich dazu entschieden das Thema fallen zu lassen, doch nun hatte der Eisbärmann etwas angesprochen, was sie nicht unkommentiert lassen wollte. Nicht übergehen konnte. "Mein ganzes Leben lang war ich eine Sklavin und nun willst du mir sagen, dass ich nie die Freiheit haben werde mich für meinen Weg zu entscheiden? Ich vertraue niemanden, dessen Dienerin ich sein soll. Wer sagt, dass ich nicht einfach ersetzt werde?" Plötzlich hatte sie keinen Hunger mehr. Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und bewegte sich zu der abgebrannten Ruine, einen dicken Kloß im Hals.

Aldred zog es vor, nicht zu antworten. Was hätte er auch antworten sollen? Es war nicht seine Entscheidung, die Nicole zur Dienerin einer Göttin gemacht hatte. Und ob sie es wahrhaben wollte oder nicht - das änderte doch nichts an der Tatsache. Ebenso wie es nichts daran änderte, ob er diese Tatsache nun aussprach oder nicht. Nicole wehrte sich gegen das, was ihr bestimmt war, doch änderte dies nichts an ihrer Bestimmung. Dem Willen der Göttinnen konnte man sich nicht widersetzen. Man hatte zu gehorchen, zu dienen. Ob man wollte oder nicht. Es war keine Entscheidung. Es war Schicksal.
Eine Weile lang blickte Aldred der jungen Frau hinterher in die Finsternis, doch er machte keine Anstalten ihr zu folgen. Warum auch? Es gab nichts, das er ihr hätte sagen können. Sie würde dies mit sich allein ausmachen müssen. Sie würde wieder kommen, wenn sie bereit dazu war. Schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit der Suppe zu, die inzwischen heiß und dampfend über dem Feuer hing. Der Geruch der kräftigen Brühe ließ seinen Magen knurren, doch er wartete geduldig bis er an der Reihe war. Sollten die anderen ruhig zuerst essen. Er war den Hunger gewöhnt. Er hatte schon schlimmeres durchgemacht. Erst als er den Löffel in die Hand gedrückt bekam beugte er sich über den Topf und begann von dem Rest der Suppe zu löffeln. Natürlich war der Großteil des Fleischs bereits vertilgt, doch die Brühe war warm und hatte einen feinen, würzigen Geschmack.
Als er den Löffel wieder weg legte bemerkte Aldred, dass auch der Rest der Gruppe das Mahl beendet hatte. Ein wenig unschlüssig saßen sie um das Feuer und manch ein Blick war auf ihn gerichtet. "Wir sollten Wachen für die Nacht einteilen", erklärte er, "Vier Schichten, immer zwei Wächter auf einmal. Ich kann eine der mittleren Schichten übernehmen. Weckt mich einfach, wenn ich an der Reihe bin." Obwohl es sein eigener Vorschlag war verspürte er keinen Drang, nun auch noch die Einteilung zu erledigen. Das konnten auch die anderen. Er vertraute ihnen was dies anging. Und die warme Suppe hatte ihn schläfrig gemacht. Ein wenig abseits vom Feuer, im Windschatten der Mauer suchte er sich eine halbwegs bequeme Kuhle in der Erde, nahm den Fellmantel ab und breitete ihn wie eine Decke über sich aus. Er bettete den Kopf auf seinem Arm, schloss die Augen und war nur einen Augenblick später eingeschlafen.

"Ich übernehm die erste Wache," sprach Iorweth nun, erhob sich und ging ein Stück weiter um die Gruppe nicht beim Schlafen zu stören. Aufmerksam beobachtete er die Umgebung. Er würde Aldred später wecken.

Erst als er aus der Suppe essen durfte, blickte Finn wieder von seinem Buch auf. Schnell nahm er sich den Löffel und schob sich etwas Brühe und Fleisch in den Mund, doch erstaunlicherweise war er überhaupt nicht hungrig. Andererseits hatte er auch nicht viel getan ausser wegrennen. Die anderen würden die Energie sicher eher gebrauchen können. Deshalb gab er den Topf schnell wieder weiter und wandte sich erneut seinem Buch zu.
Schliesslich war die Suppe gegessen und es wurde Zeit zu schlafen. Mit halbem Ohr bekam Finn mit, dass sie Wachen einteilen sollte. Der elf meldete sich freiwillig für die erste Wache und da Finn sowieso noch nicht schlafen wollte, hob auch er zögerlich eine Hand.
"Wenn niemand... was dagegen hat, würde ich auch gerne die erste Wache übernehmen", sagte er, den Blick immer noch fest auf die Zeilen geheftet.

Die Suppe war gut. Vielleicht nicht nach den Maßstäben eines gutgestellten Hauses in der Stadt, aber mit der einer Bauersfrau konnte sie es wohl aufnehmen. Überraschend für Geralt, aber er schob es auf die Gewürze. Das Fleisch konnte es jedenfalls nicht sein, denn davon ließ sich in dem großen Kessel fast nichts ausmachen. Kaum war er mit dem Löffel fertig geworden hatte er sich selbst daran gemacht mit seinem Eigenen die Brühe in sich hineinzuschaufeln – nicht ohne Eile, aber auch nicht ohne Seitenblicke, ob ihm das jemand übel nahm.
Nachdem er seinen Hunger gestillt hatte sah Geralt weiter in die Flammen, die langsam niederbrannten, das mit gequältem Krachen funkenstiebend berstende Holz gemächlich zernagten. Ohne ein Wort stand er auf, holte ein wenig von dem Feuerholz, das noch beiseitelag, und legte nach. Die Diskussion hatte ihn äußerlich kalt gelassen, aber sein Geist war nun auch mit den Göttinnen beschäftigt. Nein, gesehen hatte er sie nicht. Wer hatte das schon? Nur Irre und Betrüger behaupteten in den Städten, Kontakt mit ihnen gehabt zu haben; selbst die Priester, die immer mehr an Aufmerksamkeit verloren, predigten nur ihre alten Lehren. Aber dennoch war da mehr als nur verstaubte Worte. Geralt fühlte, wusste, hatte erlebt, dass es mehr Dinge gab, als man sich träumen mochte und viel mehr, als man mit seinen Augen sehen konnte. Für Geralt jedenfalls waren die Göttinen wirklich, auch wenn sie sich nicht zeigten. Nicht offen. Dann und wann, in Momenten der Klarheit, in einem sicheren Schritt, in einer Entscheidung, oder nur in einem Sommermorgen, in einem Teich im Wald – immer wieder hatte sich Geralt darin bestätigt gesehen, die Göttinnen zumindest als Tatsache hinzunehmen, auch wenn er sich wegen iher Verehrung durchaus keine grauen Haare hatte wachsen lassen. Als ihren Diener hatte er sich jedenfalls nie betrachtet. Andererseits, was würden die Göttinen auch mit einem heimatlosen Strolch wie ihm anfangen wollen? Für einen Moment huschte so etwas wie ein Lächeln in einen seiner Mundwinkel, dann erhob er sich.
"Mir egal. Welche Schicht."
Er suchte sich einen Platz etwas abseits von Aldred. Sicher, er würde den Wind mehr spüren, und weiter vom Feuer entfernt würde es unangenehm kalt werden. Aber wenn er die Wahl hatte, schlecht zu schlafen oder vielleicht nicht mehr aufzuwachen – auch wenn er mit der Gruppe zog vertraute er ihr noch lange nicht.

Nachdem Sahin das Rebhuhn abgegeben hatte, verließ er den Kreis um das Lagerfeuer wieder und entfernte sich aus dessen Lichtkreis. Sobald die anderen ihn nicht mehr sehen konnten, atmete er tief durch und betrachtete die Umgebung. Er war es nicht gewohnt, lange unter Leuten zu sein und so wollte er eine kurze Auszeit. Außerdem war er sich nicht sicher, ob der Hof ein sicherer Ort zum schlafen war. So wanderte er einige Zeit herum und sah sich nach Gefahren um, hielt jedoch an, als er hinter sich Schritte hören konnte. Ein schneller Blick über die Schulter offenbarte Nicoles Silhouette, die sich ihm ungewollt näherte. Vermutlich sah sie ihn nicht einmal durch das helle Feuer, von dem sie gerade gekommen war. Langsam drehte er sich zu ihr um und trat in ihr Blickfeld. "Stimmt irgendwas nicht?" wollte er von ihr wissen. Wieso war sie nicht bei den anderen und aß etwas? Oder wollte sie auch einige Zeit lang alleine sein?

Der Löffel wurde von Amun betrachtet, wie Damen in feiner Gesellschaft irgendetwas eklig Klebriges betrachten würden. Es war ziemlich offensichtlich, dass der Avior nicht wirklich etwas von Besteck hielt. Stattdessen setzte Amun die Schüssel direkt an und vernichtete sie Suppe mit wenigen, großen Schlucken. Die Hitze schien ihm nichts auszumachen. Für einen Moment schien Amun angestrengt nachzudenken, bevor er zu hören gab: "Wahl war gut. Gewürze, ich meine, waren gut."
Die anderen teilten schon die Wache unter sich auf. Amun grinste kurz und streckte sich dann auf dem Boden aus, die Flügel in Richtung Himmel streckend. Wenig später bildeten die Flügel ein weißes Zelt aus Federn um seinen Körper. Ganz kurz war noch eine Klauenhand zu sehen, die Amun gehoben hatte.
"Amun übernimmt keine Wache. Lange geflogen ist Amun. Rebhuhn war von Amun." Damit schien die Sache für den Avior erledigt zu sein.