[MSG] Takanors Geißel

Das war... nicht gut... Sie hatten die zwei Pferde ihrer vorigen Begleiter ja geopfert, damit Jalu wieder halbwegs zu Kräften kommen könnte. Entweder sie mussten nun ein Neues kaufen oder sie hatten Glück und der riesige Kerl hatte selbst eines. Aber... irgendwie konnte sich das Vitoria nicht vorstellen... und wenn, dann sah es lächerlich aus.
Ein Hüne dieser Sorte auf einem Pferd... da wirkte jedes normale Pferd wie ein Pony bei seiner Größe. Kurz zog sich dabei ein kaum merkliches Schmunzeln um Vitorias rechten Mundwinkel.
"Natürlich, Meisterin Ciara.", antwortete Vitoria umgehend auf ihren Befehl hin, zog einen der Stühle zu sich und setzte sich in der Nähe von Ciara ebenfalls an den Tisch. Von dem Frühstück rührte sie vorerst nichts an, zudem blieb die Halbdämonin weiterhin still. Als Talvon sich zu ihnen gesellte, nickte ihm Vitoria nur leicht zu und starrte dann wieder ausdruckslos vor sich hin.

"Verstehe. Ich habe ein eigenes Pferd. Es ist allerdings ein wenig schwerfälliger als die edlen Pferde der Königin", gab er zu bedenken.
Seine Stute mochte zwar gross und kräftig sein, doch die Schnellste und Wendigste war sie definitiv nicht.
"Solange wir nicht Hals über Kopf fliehen müssen, werde ich aber mit euch mithalten können."
Er grinste leicht und nahm einen Zug von der Zigarette. Der Geruch von diversen Kräutern gemischt mit Rauch machte sich um ihn herum breit. Sein Blick glitt kurz zur Seite, als eine Gestalt die Treppe runterkam. Sie trug einen Umhang, dessen Kapuze ihm tief ins Gesicht hing. MIt leiser Stimme sprach sie zu der Wirtin, legte einige Geldstücke auf den Tresen und wandte sich dann rasch um.
Als die Person, die Cruel als Mann eingeschätzt hätte, die Tür erreichte, hielt sie kurz inne und nieste gleich drei Mal hintereinander, ehe sie raus verschwand.

Als hätte sie Talvons Gedankengänge mitbekommen, betrat Jalu den Schankraum, dicht gefolgt von Rhorr. Manchmal, schoß es Ciara durch den Kopf, wirkte der Krieger wie ihr Schatten. Und irgendwie erinnert sein Verhalten an das von Vitoria ihr gegenüber. Die Magierin hingegen wirkte heute, als wäre nie etwas gewesen freundlich lächelte sie zu der Gruppe herüber. Nach einem kurzen Winken kam sie zu ihen herüber und setzte sich zu ihnen. Rhorr blieb, mangels Platz stehen.
"Guten Morgen. Jalu meint, dass sie bereit ist, nach dem Frühstück aufzubrechen."
Sie nickte zustimmend, bevor die Wirtin ihr etwas zuessen brachte.

„Guten Morgen“, kam es von Talvon mit einen leichten lächeln, während er die Beiden etwas betrachtete, bevor er seinen Blick über die Gruppe schweifen ließ, „Dann genießt erst einmal ein kleines Frühstück und danach werden wir weiter reisen.“
Selbst griff er beim Frühstück nicht zu, auch wenn er es nicht genau wusste warum doch er hatte keinen wirklichen Hunger. Natürlich wusste er das er bei Kräften bleiben musste für die Reise und er im Grunde nicht wusste wann es wieder etwas zu essen gab, wenn er nun das Frühstück ausließ. Doch dieses Risiko ging er ein, denn er empfand es auch nicht richtig sich zum Essen zu zwingen. So stand er dann auch bereits auf und sagte noch das er nach den Pferden sehen würde. Dann verließ der Illusionist auch bereits den Schankraum und machte sich auf zu dem Stall des Gasthauses um nach den Pferden zu sehen. Auch wen er sich nicht wirklich mit der Haltung von Pferden auskannte, so wirkten sie doch gesund und ausgeruht auf ihm. So machte Talvon sich daran herzurichten das die Gruppe schnell los konnte wenn die anderen fertig waren. Dabei führte er die Pferde auch aus dem Stall heraus in die Nähe des Einganges des Gasthauses und band sie dort fürs erste fest.

Nachdem die Gruppe das Frühstück beendet hatte, brachen sie auf. Rhorr gab eine Schätzung auf, dass sie noch etwa zwei Tage bis zum Meer brauchen würden. Seine Vermutung bestätigte sich nicht. Am Abend des zweiten Abends war ihr Ziel noch immer nicht in Sicht, was den Krieger sichtlich ärgerte. Doch schnell überwand er dieses Gefühl. Jalu hingegen war einfach froh, dass die Reise weitestgehend glimpflich verlieh. Sie hatte lediglich das Gefühl, dass die Gruppe sich eine Krankheit in dem Dorf eingefangen hatten. Zumindest litt sie seit dem Morgen an Übelkeit und auch Rhorr klagte über Magenverstimmungen. Ciara verteilte daraufhin in der Gruppe Tränke, die diese beschwerden linderten. Teilweise verschwand Jalus Übelkeit sogar vollständig. Allerdings sah die Heilerin sehr besorgt aus. Hinzukam, das es anfing zu nieseln. Jalu gab über Rhorr zu verstehen, dass sie nicht glaubte, das der Nieselregen in den nächsten Tagen aufhören würde.
Am nächsten Vormittag schließlich stieg den ersten Mitgliedern der Gruppe ein feiner Salzgeruch in die Nase, was die Laune der Gruppe trotz der drohenden Grippe und des Regens deutlich steigerte. Zwei Stunden später dann hörte sie das Meeresrauschen, bis sich der Wald endlich lichtete und den Blick auf ein trübes, graues Meer freigab. In der Ferne sah man die Insel, die, durch den Regen ebenfalls getrüb, auch sehr grau aussah. Ciara fand den Anblick sehr deprimierend.
"Seht! Im Meer ist ein Pfad zu der Insel!", warf Rhorr plötzlich ein, während die anderne noch auf die graue Masse starrten. "Es muss ein Wattenmeer sein... Ich wusste gar nicht, dass es eines ist..."
Ciara sah das Meer verwundert an. Sie wollte fragen, was ein Wattenmeer denn ist, doch sie traute sich nicht. Die anderen schienen zu wissen, was es ist... Sie biss sich auf die Lippe und hoffte, dass niemand ihr unwohlsein bemerkte.

Während die andern irgendwie alle ein wenig kränkelten, ging es Cruel ziemlich gut. Solange er rauchen konnte war für ihn die Welt sowieso vollkommen in Ordnung. Ausserdem war die kleine Reise bisher leicht verdientes Geld. Er hielt sich stets etwas im Hintergrund und beobachtete die Umgebung. Der Regen machte ihm nicht allzu viel aus. Seine Kleidung war gut gegen die Nässe und er fror nicht.
Das Meer war nicht unbedingt ein überwältigender Anblick. Die Wellen brachen an der Küste mit einem steten Rauschen, wirbelten Sand und Tang auf und schäumten.


Es war nicht wirklich schwierig gewesen, der Gruppe zu folgen. Früher, wenn er nur die Frau hatte beobachten müssen, da war alles ein wenig schwieriger gewesen, doch letztendlich musste er nur der Spur der Krankheit folgen. Überall wo diese Frau war, fühlte man sich nicht wohl.
Seth konnte sich nicht daran erinnern, nicht zumindest dauernd einen Schnupfen gehabt zu haben.
Nun da die Frau ein regelrechtes Gefolge mit sich führte, war es ein Leichtes, die Spuren zu verfolgen. Er konnte also ein bisschen Abstand nehmen.

Die Reise schien recht ruhig zu verlaufen, sehr zur Freude von Talvon. Was auch immer dazu geführt hatte das die Vandalen die Gruppe angegriffen hatte, hatte sich nicht mehr wiederholt. Andererseits konnte es sein das sie auf eine Falschen Spur waren und deswegen sich ihnen nicht mehr in den Weg stellte oder die Spur bereits so alt war das es hier keine Hindernisse gab? Er war sich nicht wirklich sicher und andererseits so sehr ihm auch die Ruhe der Reise freute, so sehr beunruhigte sie ihm auch wieder.
Seltsam auch war das sie alle anscheinend von einer Krankheit befallen, wenn man einmal von der Heilerin und dem neuen absah. Der Illusionist war sich auch sicher das die Krankheit bei ihm bereits schlimmer wäre, wenn die Heilerin ihnen nicht Tränke geben würde und er nicht mit seiner Magie die Symptome der Krankheit unterdrückte. Natürlich konnte er nur bedingt mit seiner Magie gegen die Krankheit ankämpfen, doch für den Moment reichte es. Andererseits machte er sich auch sorgen, da er noch nie wirklich Krank gewesen war und er nicht wusste wie es sich genau auf ihm auswirken würde.
Als sie endlich die Insel erblickten und das man schon sagen konnte das ein Weg zu dieser führte, erfüllte ihm das mit neuer Hoffnung das sie bei dem Rätsel einen Schritt näher an der Lösung waren. Natürlich hing das noch davon ab was sie auf der Insel finden würde und wie lange der Weg frei sein würde. Wenn er sich recht erinnerte dann würde der Weg zur Insel über Land nur so lange frei sein wie es Ebbe sein würde. Die Augen leicht geschlossen und den Kopf leicht gesenkt, landete ein Rabe auf seiner Schulter und schien den Rest der Gruppe zu beobachten. Der leichte Nieselregen störte ihm kaum, viel mehr genoss er die Kühle die ihm seinen Körper brachte. Doch im Grunde war er sich auch nicht mehr sicher ob der Regen wirklich Real war oder er sich ihm nur einbildete.
Kurz hustete Talvon bevor er begann zu sprechen. „Wir werden uns beeilen müssen wenn wir zu der Insel wollen, aber seit Vorsichtig. Wir wissen nicht was wir dort finden werden und was uns dort erwartet. Doch mit etwas Glück bringt es uns ein wenig weiter.“

Die Halbdämonin hatte während der gesamten Reise nicht viel gesprochen... ein paar Worte mit Ciara gewechselt, doch nichts was irgendwie ausschweifend war. Irgendwie hatte sich in Vitoria eine besondere innere Ruhe ausgebreitet als sie das Meer erreicht hatten, ein Anblick den sie schon lange vergessen geglaubt hatte...
Durch das Fehlen der Flut konnte man die Insel welche weiter vorne lag im Grunde gut erreichen... oder sie würden tief im Morast versinken. Sie sollten vorsichtig sein...
Auch die Ritterin hatte bemerkt, wie eine leichte Welle der Krankheit über die Gruppe eingebrochen war. Vitoria machte sich Gedanken darüber wie lange ihre Meisterin die Anderen mit Tränken gesund halten konnte... es würde jedoch schlimmer werden, so viel schien zumindest sicher zu sein.
Vitorias dämonisches Blut machte sie zwar immun gegen Krankheit oder Infektion, doch Ciaras Fluch gefährdete die reibungslose Weiterreise der Gruppe.
"Meisterin Ciara... es... wird mit der Zeit immer schlimmer werden... verzeiht meine Sorge.", flüsterte sie der Heilerin zu, nachdem sie ihr Pferd näher an sie heran gebracht hatte. Es war klar, dass sie den Fluch meinte welcher um sich griff...

Bedrückt ließ Ciara den Kopf hängen, als Vitoria sie darauf ansprach.
"Ich weiß", murmelte sie leise. "Ich wünschte, ich könnte etwas daran ändern..."
Wenn sie nicht allein gewesen wäre, hätte sich Ciara in der vergangenen Nacht aus dem Staub gemacht, doch Vitorias Anwesenheit gab ihr den Mut, etwas länger zu bleiben. Vielleicht... würde sie dadurch den Fluch irgendwann brechen können... Sie hob den Kopf, als Rhorr sich plötzlich vor Talvon stellte und das Meer noch einmal betrachtete.
"Ich weiß nicht", sagte der Krieger an den Illusionisten gewandt. "Wir sollten auf die nächste Ebbe warten. Wenn wir jetzt losgehen und die Flut hat bereits eingesetzt, dann könnte sie uns den Rückweg abschneiden und wir wären verloren. Zumal ich glaube, dass wir mindest eine Stunde benötigen werden, um die Insel zu erreichen."

„Ja, das ist mir durch aus bewusst“, begann Talvon ohne wirklich die Augen zu öffnen, „Jedoch wenn wir jetzt los gehen und vielleicht auf der Insel fest sitzen, können wir diese wenigstens ohne einen Zeitdruck erkunden. Natürlich ist immer die Frage was wir auf der Insel finden werden und bei einer Gefahr könnten wir nicht von dieser so einfach flüchten. Wenn die Mehrheit von euch dagegen ist jetzt los zu reiten, dann werden wir hier rasten und auf die nächste Ebbe warten.“ Er war sich nicht sicher ob es in der Nähe ein Dorf oder ein Gasthaus gab in dem man rasten konnte ohne die nächste Ebbe zu verpassen oder etwas anderes wichtiges zu verpassen. Schließlich könnte es sein das jemand die Insel verließ während sie ihr warteten und konnten diesen so abfangen. Er ließ seiner Gruppe jedoch die Wahl was sie tun wollten. Eigentlich könnte er etwas Ruhe auch gebrauchen, doch er war sich auch nicht sicher wie viel Zeit sie hatten um die Gefahr zu eliminieren.

"Ich sprach nicht davon, auf der Insel festzusitzen", meinte Rhorr nachdringlich. "Ich komme von einem ähnlichen Meer und dort war es nicht unüblich, dass die Leute auf einer Sandband festsaßen, weder vor, noch zurück konnten und schließlich jämmerlich ertrunken sind, weil sie bei beginnender Flut losspaziert sind."
Er schüttelte den Kopf und Jalu legte beruhigend ihre Hand auf seine Schulter, was dem Krieger tatsächlich einen Teil seiner Anspannung zu nehmen schien. Er atmete tief durch.
"Wie gesagt, ich wäre dafür, auf die nächste Ebbe zu warten, nur um sicher zu gehen. Und Jalu ist ebenfalls dafür", fügte er nach einem Blick zu der Magierin hinzu.
Ciara sah nachdenklich auf das Meer. Sie musste dem Krieger Recht geben, es wäre sicherer, zu warten. Doch je länger sie warteten, desto länger waren sie ihrer Aura ausgesetzt... Es war eine Zwickmühle. Hilfesuchend sah sie zu der Ritterin, stumm flehend, sie möge ihr diese Entscheidung abnehmen.

Vitoria sah den Blick mit welchem die Heilerin sie traktierte, als würde sie sie um ihren Rat ersuchen... ein Umstand durch welchen sie vorerst von ihrem Pferd abstieg, sich in Richtung des Meeres wandte und kurz nachdachte.
Wenn es nach ihr ging würden sie ohne die Pferde den Weg antreten, sie könnten einfach in dem nassen Gemisch aus Sand und Wasser stecken bleiben und jämmerlich ertrinken. Selbst ohne die Pferde, würde es sie überhaupt tragen? Wäre es nach ihr gegangen, dann hätten sie sich nach der Flut einfach mit einem Boot auf die andere Seite gebracht. Doch woher sollten sie jenes nehmen?
Das Nächste was ihnen im Nacken saß war die Zeit... Die Sterblichen wurden in Ciaras Nähe krank und irgendwann würden sie dadurch nicht mehr weiterreisen können. Zumindest nicht mit der Heilerin... und dann würde Vitoria ebenfalls wegfallen.
"Wir sollten warten... ich für meinen Teil kann das Risiko nicht eingehen Ciara so leichtsinnig in Gefahr zu bringen...", sprach sie schließlich kurz und knapp, bevor sie sich von dem Meer wieder abwandte.

"Aber wenn wir schonmal am Meer sind, werde ich es mir wohl nicht nehmen lassen, ein kleines Bad zu nehmen", lachte Cruel. IHm spielte es keine Rolle, ob sie warteten oder nicht. Er fühlte sich gut und er war sich sicher, dass das Meer eisig kalt sein würde - doch das würde die Lebensgeister wecken. Und bei seiner Grösse hatte er von den Wellen nicht viel zu befürchten.
Er blickte zu dem Magier, der ihn angeheuert hatte.
"Es spricht doch nichts dagegen, oder?"

„Tut das ruhig“, kam es von Talvon, bevor er kurz hustete, „Passt nur auf und behaltet eure Umgebung im Auge. Wir wissen nicht was oder wer sich hier auf halten könnte, aber ich kann davon ausgehen das es uns feindlich gesinnte sein werden.“ Dann wandte sich der Illusionist zu einigen Bäumen um. „Wir werden bei den Bäumen unser Lager aufschlagen, dort bleiben wir zumindest etwas trocken und haben immer noch eine gute Sicht auf den Strand und auf die Insel. Gibt es andere Vorschläge wie oder wo wir unser Lager errichten sollten? Ich glaube nicht das es in der Nähe ein Dorf gibt das wir schnell genug erreichen könnten um uns dort auch wirklich erholen zu können.“
Talvon wusste wirklich nicht wo das nächste Dorf oder die nächste Stadt wäre. Andererseits blieb natürlich auch die Frage, selbst wenn ein Dorf oder Stadt in der Nähe war, ob es sich auch auszahlen würde dort hin zu reiten? So hätte man die Zeit der Hin und Zurückreise berücksichtigen müssen und im schlimmsten Fall hätten sie dann sich kaum dort erholen können.

"Ich denke, unter denen Bäumen muss ausreichen", meinte Rhorr, während er auf den Waldrand hinter ihnen deutete. "Außerdem haben wir von dort das Meer im Blick. Ich habe keine Ahnung, wie lange es bis zu nächsten Ebbe dauert. Oder ob der Mittelpunkt der jetzigen Ebbe bereits überschritten ist, oder wir doch genug Zeit hätten, hinüber zu kommen, deshalb wäre es nicht klug, ein Dorf zu suchen."
Mit diesen Worten wandten er und Jalu sich von dem Meer ab und machten es sich unter den Bäumen auf dem relativ trockenen Boden bequem. Ciara sah ihnen hinterher, bevor sie ihnen folgte und sich zu ihnen setzte.

Die Reise war langwierig und anstrengend gewesen, so saßen sie noch eine Weile beisamen, aßen etwas, redeten... dabei saß Vitoria die ganze Zeit in der Nähe von Ciara, hatte die Hände auf ihre Oberschenkel gelegt, die Augen geschlossen und das Haupt ein wenig gesenkt. Die Halbdämonin trug nichts zu der Situation bei, sie schwieg und hörte lieber zu...
Es war erst um die Mittagszeit, doch durch die anstrengende Reise und die Mahlzeit wurde sich schließlich dazu entschlossen ein paar Stunden Schlaf einzulegen.
Vitoria hatte daraufhin für Ciara eine weitere Decke ausgelegt, dennoch würde es nicht all zu angenehm werden auf dem harten Waldboden.
Nachdem sich die Ritterin erneut auf den Stoff der Decke gekniet hatte, blickte sie kurz zwischen ihren Oberschenkeln und der Heilerin hin und her. Sie konnte zumindest versuchen es ihr angenehmer zu gestalten. "Meisterin Ciara... wenn ihr euch nicht daran stört...", meinte sie kühl und ausdruckslos, dabei verwies sie mit ihrer Rechten auf ihren Schoß.

Es tat gut, einfach mal auszuruhen. Zeit zu haben. Eigentlich wollte sie nicht mal schlafen. Müde sah sie zu Rhorr, der sich an einen Baum gelehnt hatte. Jalu saß dösend neben ihm, ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. Ciara bewunderte die Zarvetar. Sie schienen so vertraut... Es schmerzte sie, das mit anzusehen und so wandte sie den Kopf ab und starrte zum Meer. Mittlerweile zeichnete sich ab, das tatsächlich längst die Flug eingesetzt hatte, der Weg war deutlich schmaler geworden. Nicht mehr lange, dann wäre er vollständig verschwunden. Sie war dankbar für Rhorrs Zögern. Als Vitoria sie ansprach sah sie erst irritiert zu ihr, bevor sich Unsicherheit in ihre Züge legte. Die Freude von vor ein paar Tagen, in der sie die Ritterin spontan umarmt hatte, war verflogen. Zögernd drehte sie mit dem Rücken zu Vitoria, bevor sie sie nochmals ansah.
"Wenn es Euch nichts ausmacht..." Sie lächelte verlegen, bevor sie sich hinlegte und den Kopf in Vitorias Schoß bettete.

Cruel kam mit seinem Pferd zurück zu den anderen, nachdem er ein paar Runden geschwommen war. Er nahm dem Tier Sattel und Zaum ab und legte ihm dann Fussfesseln an, damit es von dem spärlichen Gras rund um die Bäume fressen konnte, ohne die sperrige Trense im Maul zu haben.
Ihm brannten einige Fragen auf der Zunge, doch alle wirkten erschöpft, einige dösten bereits, weswegen er schwieg und wartete. Das Rauschen der Wellen klang beruhigend und so döste auch er ein wenig.

Es hatte nicht lange gedauert, bis Vitoria schließlich ihre Augen geschlossen hatte... die Reise war sehr ermüdend gewesen... und so fand sie sich an einem anderen Ort wieder. Es wirkte bekannt... wie eine längst verlorene Erinnerung.

Vitoria stand in der kleinen Kapelle während ihre grünen Augen auf dem steinernen Sarg lagen. Die junge Ritterin trug ihre Plattenrüstung über der eher zeremoniellen roten Kleidung, ihre in den Panzerhandschuhen steckenden Finger ihrer Rechten lagen auf der Oberfläche des Steines des Sarges.
Ausdruckslos blickte sie auf den kühlen Stein hinab, während sie in ihrer Linken das Schwert ihres Vaters in der zeremoniellen Schwertscheide trug. Das gebrochene Licht durch das runde Kristallfenster der Kapelle erhellte die Grabstädte und die Blumen welche darauf gelegt waren. Sie waren bereits welk geworden...
Zwischen den Blüten lag auf dem Grab ein kleines Stofftier, die Figur eines Löwen... ein Geschenk ihres Vaters als sie noch ein Kind war, etwas was Vitoria sehr viel bedeutet hatte.
Er hatte stets den Wunsch gehegt neben Vitorias Mutter in der selben kleinen Kapelle aufgebahrt zu werden, so hob sie nun auch den Blick zum steinernen Sarg ihrer Mutter...
Vitorias Vater hatte irgendwann den Willen zu leben einfach verloren... er wünschte sich den ewigen Frieden, fand ihn schließlich nach Krankheit und Tod...
Die Ritterin ging in die Knie und lehnte ihre Stirn gegen das kühle Gestein des Grabes. Sie hatten sie alle alleine gelassen... Die Tage kurz nachdem er verstorben war, waren schrecklich für sie gewesen. Verzweiflung und das Gefühl nun vollends alleine und hilflos zu sein...
Langsam drehte sie sich um und erblickte die Frau mit dem hellroten Haar... "Ist es soweit?", fragte Vitoria sie, erwartete darauf aber keine Antwort. Vermutlich warteten alle schon...
"Gebt mir noch einen Moment Zeit...", bat sie und wandte sich mit gesenktem Blick wieder an das Grab ihres Vaters.

Wieder ein Traum... und wieder wirkte er so real... Und wieder traf sie eine jünger wirkende Version Vitorias. Ciara sah sich um, bevor sie auf die Ritterin zuging. Es schien sich um ein Grab zu handeln, auch wenn sie ein Grab in dieser Form noch nie gesehen hatte. Die Heilerin fragte sich, wer wohl gestorben war... Sie erinnerte sich an den anderen Traum. Hier war es die Mutter, die vor kurzem erst gestorben war... War es nun ihr Vater? Mitfühlend streckte sie die Hand aus, als sie hinter der Ritterin stand. Sie wollte sie trösten und ihr Mut zusprechen. Doch was sollte sie sagen? Schließlich legte sie ihre Hand auf die Schulter Vitorias.
"Manchmal... Muss man einfach loslassen..." Sie erinnerte sich an diese Worte, die sie einmal von einem Mann gehört hatte, dessen Frau den Tod ihres Kindes beweinte. Ciara hatte dieses Kind nicht retten können. Sie hoffte, das die Worte nun nicht fehl am Platze waren.

Sie drehte ihren Kopf zur Seite und blickte aus den Augenwinkeln kurz auf die Hand welche sich auf ihre Schulter gelegt hatte. War sie vielleicht eine Priesterin jener Kapelle? Sie wusste es nicht... und es spielte für sie gerade auch keine Rolle.
So blickte Vitoria schließlich wieder auf die Gräber ihrer Familie und senkte erneut das Haupt. "Loslassen? Erneut...? Welcher Gott ist das, der uns solche Schicksale schenkt?", fragte sie die Frau und nahm eine der verwelkten Blüten in ihre Hand. Sie drehte sich zu ihr, im Blick der Ritterin lag Trauer und Zorn...
"Sie predigen uns Ehrfurcht... dann widerfahre uns Gutes... und wisst ihr was am Ende bleibt?", fragte sie, hob dabei ihre Rechte, zerdrückte die vertrocknete Blüte in ihrer Faust und ließ die trockenen Reste demonstrativ aus ihrer Hand zu Boden fallen.
Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, wobei sie sich erneut abwandte. "Dies ist keine Gnade... Dies ist eine Litanei um nicht vernichtet zu werden... Eine einzige Farce..."

Es zerriss die Heilerin nahezu, Vitoria derart leiden zu sehen. Diese junge, emotionale Frau hatte nicht mit der Ritterin gemein, die sie nun auf ihren Wegen begleitete. Waren sie wirklich die gleiche Person? Oder gaukelte ihr Traum ihr einfach etwas vor, was nicht existent ist?
"Ich glaube nicht an irgendwelche Götter. Und bisher hat mich das nicht das Leben gekostet. Und ich würde auch nicht sagen, von großem Unglück verfolgt zu sein."
Sie schwieg einen kurzen Moment, in dem sie ebenfalls auf die Särge starrte.
"Dinge geschehen... Und man kann nicht erklären warum. Ob es Götter gibt oder nicht... Ich weiß es nicht und es ist mir gleich, denn wenn es sie gibt, dann greifen sie nicht in unsere Dinge ein. Schlimme Dinge geschehen... Niemand ist davor gefeit, ganz gleich wie sehr er sein Leben irgendeinem Gott verschrieben haben mag."

Vitoria stieß verachtend die Luft aus und drehte sich weg... Wer auch immer diese Frau war welche sie hier in der Kapelle besuchte, sie war jedenfalls keine Priesterin. Dies hatte sie durch ihre eigene Worte mehr als deutlich unterstrichen. Doch irgendwie war die Ritterin froh... eine normale Priesterin hätte sie nur mit "die Wege der Götter sind unergründlich" oder ähnlichen Phrasen gepredigt welche für Vitoria keine wirkliche Antwort waren. Vermutlich hätte es sie sogar nur noch wütender gemacht...
Erneut legte sie ihre Rechte auf das kühle Gestein des Sarges und strich langsam darüber, sie wünschte sich, sie hätte wenigstens mehr Zeit gehabt um Abschied zu nehmen.
"Sagt mir... habt ihr schon einmal jemanden verloren? Erzählt mir davon...", sprach sie ruhig zu der fremden Frau, während sie weiter den Blick gesenkt auf den steinernen Sarg hielt.

Die Antwort Ciaras kam zögernd. Auf eine solche Frage war sie nicht vorbereitet....
"Ich... Hab meinen Vater verloren. Das heißt... ich weiß nicht, ob er noch lebt und ich weiß auch nicht, wo er ist."
Sie schwieg. Sicher, das war nicht das Gleiche wie das, was die Ritterin durchmachte, doch war die Gewissheit des Todes nicht besser, als diese Ungewissheit, die die Heilerin plagte? Zudem wusste Ciara auch nicht, ob ihr Vater nicht wegen ihr gegangen ist... Vielleicht war er wegen ihrer Aura gegangen... Sie senkte den Blick und versuchte die Tränen der Verzweiflung, die in ihre Augen traten, wegzublinzeln.

Vitoria blickte von dem Grab auf und nahm ihre Hand von der Oberfläche des Gesteines, bevor sie sich umdrehte und der Frau mit dem hellroten Haar tief in die Augen blickte.
"Es gibt in eurem Fall etwas was euch Kraft und Zuversicht schenken kann... etwas wofür es sich immer zu kämpfen lohnt... egal wie tief man anschließend fällt. Es ist die Hoffnung...", antwortete sie ihr mit fester Stimme und hob ihre Rechte, um ihr die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen. "Auch wenn ich scheitern möge wie mein Vater... ich möchte nicht zurück blicken, ohne die Gewissheit alles erdenkliche versucht zu haben. Bewahrt die Hoffnung in eurem Herzen...", sprach die Ritterin und betrachtete anschließend eine Weile ihr Schwert in der breiten zeremoniellen Schwertscheide, bevor sie die Stufen hinab schritt und sich in Richtung Ausgang der Kapelle wandte, doch sie drehte sich schließlich noch einmal zu der fremden Frau um. "Kommt ihr? Es wird Zeit die Pflicht zu erfüllen...".

Vitoria schritt durch die Gänge und als sie schließlich eine Kreuzung erreichte, standen zwei in zeremonielle Prunkrüstungen gehüllte Wachen stramm, bevor sie sich von ihrer Position lösten und der Ritterin links und rechts hinter ihr folgten. Auf halbem Wege spürte Vitoria wie sich zwei Bedienstete des Hofes ihr näherten und ihr den schweren Mantel aus rotem Samt auf die Schultern legten. Weiche Daunen zierten den Kragen und jedes Ende des Stoffes... er hatte ihrem Vater gehört...
Sie versank nun beinahe vollständig in ihren Gedanken, sie versuchte dies alles auszublenden... es hemmte die Nervosität, machte es angenehmer.
Die beiden Wachen schritten nun vor sie und stießen die große verzierte Flügeltür auf, helles Licht flutete den Gang. Ein markerschütternder Chor erklang aus der großen Halle welche sich vor ihr ausbreitete, die Bänke mit zahlreichen Menschen gefüllt welche sich nun alle zu ihr umdrehten.
Vitoria realisierte dies alles nicht mehr wirklich, sie fühlte sich erschlagen von den Geschehnissen... dem Tod ihrer Familie... der Verantwortung... und so schritt sie mit Tränen in den Augen über den roten Teppich der großen Kathedrale. Vor ihr wartete ein in ein langes weißes Gewand gehüllter Priester, ein goldener Schultergurt und eine gleichfarbige Schärpe zierten seine Kleidung.
Mit beiden Händen umfasst und ins Licht gehalten, hielt er sie ins Licht... die Verantwortung und all die Prüfungen welche nun auf sie zukommen würden.
Die Ritterin wurde langsamer, erklomm die ersten Stufen, ging schließlich vor dem Priester in die Knie und legte ihre Hände auf den Knauf ihres Schwertes... Die Phrasen des Mannes bekam sie nicht wirklich mit, sie blendete es aus... zu sehr war sie mit ihren aufgewühlten Gedanken beschäftigt.
Schließlich war es soweit, der Moment vor dem sie so viel Furcht hatte... Sie konnte wahrnehmen und spüren wie der Priester seine Hände senkte und Vitoria all jenes in einem einzigen Symbol beruhend auf das Haupt legte, an dessen sie gehofft hatte es nie alleine bewältigen zu müssen...
Ein schallender Jubel erklang in der Kathedrale...
Die Halbdämonin erwachte schließlich und schlug erschrocken die Augen auf. Sprachlos blickte sie zu Ciara hinab... Wie..?

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