Herz von Ranequia - MSG

Die Aschengöttin dachte kurz zurück, aber bei ihren Besuchen hier in Westerforst kam ihr die Erinnerung an einen Garten nicht auf. Ihre Erinnerung war überdeckt von Tee... So wie sie Viola kannte und einschätzte, stellte sie sich ihre Gärten sehr bunt vor... nicht so wie jene von Zurana. Ein eher grauer Ort innerhalb von Kalthafen, flache schwarze Steine führten über die Asche welche dicke Dornenwurzeln, Aschengras und Aschblüten hervorbrachten. Übereinander gestapelte Steine bildeten die markanteste Dekoration dieses für Außenstehende eher fremdartig wirkenden Gartens. Sie würden jenen also auch Viola einmal zeigen müssen. "Nein, hast du nicht. Aber es würde mich erfreuen"

"Das ist ... Unglaublich ..."
Er griff sich an die Stirn."Und wie sollen wir das aufhalten? Ich hab keine Ahnung! Ich hab nur ne Ahnung von Uhren. Uhren! Das hilft niemandem was! Das ist vollkommen nutzlos!"
Er ächzte leise und verwarf die Hände.
"Diese blöde Hure!"

Ein ehrliches Lächeln schlich sich auf Violas Gesicht, bevor sie aufsprang. Die dunklen Gedanken waren wohl verschwunden. Sie gab einer Dienerin, die unauffällig in einer Ecke stand, einen Wink, bevor sie Zuranas Hand ergriff und die größere Göttin durch die Gänge zog. Nach drei Treppen erreichten sie einen Gang, der in einer großflächig verglasten Doppeltür endete. Dahinter war schon, wie von Zurana vermutet, ein Meer voller bunter Blumen zu sehen. Lachend ließ Viola die Hand der Aschegöttin los und lief durch den Gang vorraus ins Freie. Dort blieb sie stehen und wartete fröhlich auf Zurana. Hinter ihr waren Blumenbeete, fein geordnet in mehreren Reihen, dahinter konnte man Bäume sehen.

So schaute sie Viola hinterher, trat anschließend ebenfalls in den Garten der kleinen Göttin uns sah sich ein wenig um. Dieser Garten, die bunten Blumen verschiedenster Art, es passte regelrecht zu Shera. Für die Aschengöttin war dies ein wenig befremdlich, wohl etwas zu bunt und auch absolut nicht ihr Geschmack... aber dies Viola zu sagen und ihr die Freude an dem ganzen Moment zu nehmen, niemals...
"Es ist sehr schön hier.", meinte sie schließlich und machte ein paar Schritte, wobei sie sich weiterhin nach Belieben umsah. "Sind diese Pflanzen gewachsen? Oder hast du dies alles selbst erschaffen?"

Mitten in einer Drehung blieb Viola stehen und wandte sich dann zu der Aschegöttin um.
"Selbst erschaffen?", fragte sie irritiert. Sie verstand ganz offensichtlich nicht, was Zurana damit meinte. "Meine Gärtner haben diesen Ort auf meinen Wunsch angelegt."
Das Thema direkt wieder vergessene lief die kleine Göttin dann weiter, auf den Wald zu. Zu Beginn waren noch viele Tiere zu hören - in erster Linie singende Vögel - doch je tiefer man kam, desto stiller wurde es. Schließlich lichtete sich der Wald und gab den Blick auf eine grüne Wiese frei. Das Gras wuchs so hoch, das Viola bis zu den Schultern darin verschwand. Es führte kein richtiger Weg hindurch, lediglich ein sich windender Trampelpfad war zu erkennen. Dann endete auch die Wiese. Dahinter lag ein sanft abfallender, kleiner Sandstrand, der in einem Kristall klaren See endete. Der See war von den übrigen Seiten von Bäumen umrahmt. Dort am Ufer blieb Viola schließlich ruhig stehen und wartete auf Zurana.

Natürlich war es schön, ein wunderschöner Ort an welchem man sehr viel Zeit verbringen konnte... seine Gedanken ordnen und die Möglichkeit der Entspannung bot. Für Viola zumindest oder eventuell irgendwelche Sterblichen... Für die Aschengöttin war es eher das ziemliche Gegenteil. Es war einfach ungewohnt und zu viele der optischen Reize...
So folgte sie Shera jedoch weiterhin und sah sich dabei immer wieder um. Nach der Wiese erreichten sie einen kleinen Sandstrand um klares Wasser gezogen.
"Du hast anscheinend an alles gedacht nicht wahr? Es ist... sehr schön... Meine persönlichen Gärten sind wohl kein Vergleich hierzu.", meinte sie und trat neben Viola, dabei ruhte ihr Blick anschließend auf der Oberfläche des klaren Wassers.

"Ich würde die nicht als nutzlos bezeichnen", bestritt Milian die Zweifel des anderen mit Blick auf die Uhrsoldaten.
"Du schaffst es, tote Dinge zu animieren, das ist schon sehr beeindruckend. Meine Dinge sind zwar geschmeidiger.. aber auch nur, solange ich sie direkt in meiner Nähe und so unter Kontrolle habe. Sobald ich mich nicht mehr damit beschäftige.. puff. Und aus der Zauber und alles fest.. Bei dir jedoch funktioniert alles so.. unabhängig. Das ist bestimmt nützlich."
Unterstützend zu seinen Worten liess er das Zahnrad, das Nartuuk noch immer nicht herausgerückt hatte, sich verflüssigen und aus dessen Tasche in Milians Hand schweben, wo er es in einige schönen Formen zog, ehe er das flüssige Metall verpuffen liess. Etwas, was man sonst kaum hätte mit verfolgen können, da es kaum möglich war, ein solches Metall derart zu erhitzen, dass es sich in Gase umwandelte. Doch Milian konnte dies auch ohne Hitze, wenn er wollte. Und das unsichtbare Gas, das noch immer unter seiner Kontrolle lag, liess er nicht entweichen, sondern in der eigenen Tasche ansammeln und da wieder seine ursprüngliche Gestalt annehmen. Das war jetzt sein Zahnrad. Weil er so hilfreich war.

"Mhm", meinte Viola und starrte vertäumt den See an, bevor sie sich an dessen Ufer stellte und dort hinsetzte.
"Dies ist mein Lieblingsort in diesem Garten", erklärte sie dann mit seltsam ruhiger Stimme. "Hierher komme ich, wenn ich das Gefühl habe, mal ganz allein für mich sein zu müssen. Meinen Dienern ist es verboten, hierher zu kommen. Ich habe dieses Gebot unter eine hohe Strafe gestellt."

Zurana schmunzelte ein wenig auf die Darlegung dieser Regel hin, warum hatte sie etwas dieser Art irgendwie erwartet? Sie selbst verzichtete lieber darauf sich hinzusetzen, sie hatte ohnehin schon Sand in ihren Schuhen... sie brauchte es nicht auch noch auf ihrer Kleidung. So hob sie schließlich die Füße an zog sich erst den linken und dann den rechten Schuh aus, nahm jene in ihre Linke und bewegte die in ihren Strümpfen steckenden Zehen ein wenig. "Ein Gebot also?", fragte sie und grub mit ein paar Bewegungen ihre Zehen etwas unter dem Sand ein. "Und was wenn jemand davon gegen dieses Verbot verstößt?"

Viola antwortete nicht sofort. Dieser Ort schien eine stark beruhigende Wirkung auf das Mädchen zu haben. Sie wirkte gedankenverloren, während sie auf den See starrte.
"Dann wird er enteignet", meinte sie schließlich. "Er verliert all sein Hab und Gut, das dann unter Bedürftigen verteilt wird, und muss das Land verlassen. Dieser Ort gilt unter meinen Dienern als heiliger Ort und bisher hat es noch keiner gewagt, diesen Ort zu entweihen."
Ein seltsames Lächeln schlich auf das Gesicht der Göttin. In diesem Moment wirkte sie fast wie eine Erwachsene - wäre da nicht ihr kindlicher Körper und entsprechende Gesichtszüge gewesen.

"Konzentration, Nartuuk. Contenance. Deine Uhrwerksoldaten haben verhindert, dass jemand umgekommen ist. Das ist doch einiges wert, oder nicht?", versuchte Gizo den anderen Gott zu beruhigen.
"Mit einem solchen Angriff hatte niemand rechnen können und deine Soldaten waren gegen normale Angreifer gedacht. Nicht gegen wütende, unsterblichen Monstrositäten."
Die Nachricht ob irgendeiner Fäulnis beunruhigte Gizo schon ein wenig, aber es gab nichts, was er tun konnte. Er kannte sich mit Metallen aus, nicht mit lebender Materie oder gar Tieren. Tiere waren nützlich. Ochsen zum Beispiel konnten ihm seine Waren ziehen, aber abgesehen davon bedeuteten sie einfach nur Arbeit.
"Ein mächtigerer Uhrwerksoldat mag es hingegen mit ihr aufnehmen, sollte sie wieder angreifen", wiederholte Gizo den Satz, beinahe wie ein Mantra.

Das Herz... dieses abscheuliche Ding... und doch hatte es ihnen Kräfte verliehen welche man als göttlich beschreiben konnte. Aber war es ein Segen oder war es in Wirklichkeit ein Fluch? Sie hatte keine Antwort darauf...
Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Medea vor dem Herzen, starrte dieses in Ketten gehaltene Ding an und versuchte von den Gedanken los zu kommen was eben im Reich von Shera passiert war. Wie konnte sie es überhaupt wagen...? Sie einfach so in diese Situation zu locken... Zurana... sie wollte sie nicht sehen. Sie wollte vergessen, aber das gelang ihr so sicher nicht. Erneut eine Kerbe...
Ohne das Herz wäre dies längst vorbei gewesen... ohne das Herz wäre ihr nicht so viel genommen worden... ohne das Herz hätte sie wohl ein glücklicheres Leben führen können... ohne das Herz wäre sie ohne sich... ohne das Herz wäre sie ihrer selbst... ohne das Herz...
Sie hätte es auf der Stelle vernichten sollen... die ganze Kammer hätte sie einstürzen lassen sollen um es unter massivem Fels zu begraben. Aber wäre dies überhaupt eine Lösung?
So verweilte sie weiterhin und führte in ihren Gedanken einen innerlichen Krieg mit sich selbst, eine Art des Krieges wo sie selbst genau wusste, dass es keinen Gewinner oder Verlierer geben konnte...

Schließlich schreckte Medea hoch als sie ein leises Geräusch vernahm, es war wie ein Kratzen und leises Klopfen auf Gestein... Durch die Konstruktion der Kammer und des Halles konnte sie nicht sagen woher es kam, es ließ sich nicht bestimmen. So machte sie ein paar Schritte mehr zur Mitte und sah sich um, aber nun schien dieses Geräusch auch aus jener Richtung zu kommen aus der sie gekommen war.
Doch schließlich verebbte dieses Geräusch, verstummte und erneut herrschte Stille... Mit einem kurzen Schulterzucken wandte sich Medea wieder ab, doch im selben Augenblick fuhr der Knall einer Explosion am Anfang der Kammer durch den Raum und hinterließ ein Pfeifen in den Ohren der Göttin.
Gesteinsbrocken wurden in alle Richtungen davon geschleudert, Staub verschleierte die Sicht am Anfang der Kammer und verteilte sich nun auch auf weitere Teile des Raumes...
Nur langsam legte sich dieses Pfeifen in ihren Ohren wieder, doch schließlich reichte es aus um Stimmen zu vernehmen. "... und seht zu, dass das Herz keinen einzigen Kratzer abbekommt. Es hat uns zu viel Zeit und Mühen gekostet um überhaupt erst herauszufinden wo es ist.", erklang eine männliche Stimme aus der Wand von Gesteinsstaub heraus.
Noch konnte sie nicht sehen wer dort sprach... oder mit wem... allerdings wenn Medea sie nicht sehen konnte, dann jene sie wohl auch nicht.
Geschwind und leise versteckte sie sich hinter einer der großen Säulen, presste sich an das Gestein und wartete ab, dabei lugt sie vorsichtig immer wieder zum Eingang der Kammer.
Es dauerte bis sich der Dunst langsam zu legen begann, doch nun konnte sie zumindest erkennen wie mehrere Gestalten die Kammer betraten und sich umsehend langsam zum Herzen gingen. Sie trugen alle schwarze Roben welche sich nirgends zuordnen ließen, besonders auffällig dabei waren die Masken aus Eisen welche sie trugen.
Jede der Masken war anders geformt und repräsentierte entweder ein Tier oder irgend eine andere merkwürdige Fratze irgendeiner Kreatur.
"Passt darauf auf es nicht zu berühren. Wenn es erst einmal in unserem Besitz ist sehen wir uns die nächsten Schritte an.", sprach eine der Gestalten, die selbe Stimme wie zuvor. Sie stammte von einem der Verhüllten welcher eine Maske in der Form eines Ebers trug...
Die Göttin der Makellosigkeit hatte weder jene Roben noch diese Masken jemals zuvor gesehen. Schließlich näherten sich drei andere und wollten sich wohl eben daran machen die Ketten des Herzens zu lösen...

In jenem Moment trat Medea leise hinter der Säule hervor und begab sich in eine Haltung welche sich irgendwie gewohnt anfühlte. Wie von selbst fuhr ihre Rechte an ihren linken Unterarm um ein Wurfmesser zu ziehen... aber da waren keine.
Natürlich nicht... sie schüttelte kurz den Kopf, einen Moment war es so als wäre sie viele Jahre in der Vergangenheit und hatte einen Auftrag auszuführen...
So richtete sie sich auf und pfiff einfach um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. "Ihr seid aber keine sehr sittlichen Gäste...", meinte Medea als sie ihre Köpfe mit den eisernen Masken zu ihr drehten.
"Was zum... tötet sie... und zwar schnell. Wir haben es eilig.", befahl der Mann mit der Ebermaske und begab sich umgehend zum Herzen.
Einer der Robenträger mit einer Wolfsmaske hob einen eisernen Stab mit Dornen daran, vermutlich eine magische Waffe... aber noch bevor er ihn einsetzen konnte, wurde der goldene Schimmer in Medeas türkisen Augen stärker. Spielerisch leicht drang sie in die Psyche des Sterblichen ein, welcher schließlich mit der eigenen linken nach dem Stab griff und ihn sich dann anschließend selbst mit beiden Armen in den Brustkorb rammte, sodass er am Rücken wieder herausschaute.
Den Moment der Verwirrung unter seinen Kameraden nutzte die Göttin aus, ergriff die Kontrolle von zwei schweren Gesteinsbrocken, welche durch die Explosion in dem Raum verteilt lagen und ließ sie von der Seite her auf zwei weitere der Gestalten zurasen.
Einer mit Maske in der Form eines Stierschädels und einer mit irgendeiner seltsamen Dämonenfratze wurden von den Brocken getroffen, ihre Oberkörper gaben dabei sichtlich nach als das gesamte Knochenkonstrukt brach und sie mitsamt den Felsen davongeschleudert wurden.
Den nächsten Sterblichen kontrollierend ließ sie jenen seinen Dolch zücken und auf den offensichtlichen Anführer mit der Ebermaske zu rennen... jener schrie laut auf als sein Untergebener ihm unter seinem entsetzten und verkrampften Gesichtsausdruck den Langdolch zwischen das linke Schulterblatt und die Wirbelsäule rammte.
Er wirbelte umher worauf der unfreiwillige Angreifer den Halt an der Waffe verlor und anschließend von dem Verhüllten mit der Ebermaske mit einem Kettenblitz aus seinen Händen getötet wurde.
Der Mann ging in die Knie und versuchte mit seiner rechten an den Griff des Dolches in seinem Rücken zu kommen, abgehackte Schmerzenslaute drangen zwischen den Schlitzen seiner Maske hervor. Die zwei verbliebenen Maskenträger zwang sie zum Selbstmord, wobei sich der andere mit einem Messer die eigene Kehle aufschlitzte und der andere sich auf den Boden kauerte, sich die Maske herunter riss und den eigenen von der Kapuze verhüllten Kopf immer wieder schreiend mit voller Wucht auf den Boden schlug... bis er umkippte und sich nicht mehr bewegte.
Die Göttin der Makellosigkeit trat an den am Boden knienden verbliebenen Maskenträger heran, welcher es endlich geschafft hatte den Dolch aus seinem eigenen Rücken zu ziehen und jenen klirrend zu Boden fallen ließ. "Bevor ich dir jetzt erlaube zu sterben wie dein erbärmliches Fußvolk... wirst du erst die Ehre haben mir zu erklären wer ihr seit, was ihr mit dem Herzen vor hattet und wie ihr über diesen Ort erfahren habt.", forderte sie den Sterblichen kühl auf und blickte auf ihn herab.
Seltsam röchelnd hob er den Kopf und schaute zu ihr empor, der Dolch hatte wohl seine Lunge durchbohrt welche sich nun langsam mit Blut füllen würde.
"Mach dir nicht die Mühe mich belügen zu wollen... ich kann dich auch ohne Probleme dazu zwingen mir die Wahrheit zu sagen.", erklärte sie.
Der Maskierte schaute sie lediglich an, bevor er schließlich einmal kurz auflachte... kurz darauf begann er zu zittern, bevor er vorne über sackte und auf dem Boden aufschlug.
"Bastard...", flüsterte Medea und ging in die Knie. Sie konnte sich denken was eben passiert war... So drehte sie den Mann auf den Rücken und ergriff die eiserne Ebermaske an den Rändern um sie zu entfernen.
Dahinter bot sich ihr ein seltsames und auch verstörendes Bild... Typische Gesichtsmerkmale fehlten... Kopf- und Barthaare als auch die Augenbrauen waren vollständig abrasiert, die Nase war abgeschnitten und man sah lediglich ein Loch, die Ober- und Unterlippe fehlten jeweils komplett und auch die Ohren waren entfernt worden.
So etwas hatte sie noch nie gesehen... Zumindest wurde ihre Vermutung bestätigt, denn über die Wange dieser Fratze rann schwarzer Speichel. Er hatte irgendetwas hoch toxisches geschluckt bevor er ihr eine Antwort gab, mit ziemlicher Sicherheit hatte er es zwischen Unterkiefer und Backe in seinem Mund aufbewahrt, oder unter der Zunge... und sobald es nötig war bissen sie auf die kleine Glaskapsel welche dann brach und das Gift umgehend verteilte. Eine Art "Absicherung" um entweder nicht gefangen genommen zu werden oder um sicher zu gehen unter Folter keine Informationen mehr ausplaudern zu können.

Die Göttin der Makellosigkeit schaute sich auch die anderen Maskenträger genauer an, aber bei ihnen sah es ebenfalls gleich aus. Die selben Verstümmelungen im Gesicht...
Dies war alles sehr verwirrend und auch überaus mysteriös, so lehnte sich Medea vorerst gegen eine der Säulen der Herzkammer und blickte über die ganzen Leichen.
Sie fragte sich wann die ersten anderen Götter hier nach dem Rechten sehen würden... sie werden es sicherlich gespürt haben, dass sich eine Unsterbliche hier aufhielt... und im Zweifelsfall würden sie auch auch bestimmt die Erschütterung des Herzens vernommen haben.

"Was ist hier los?", verlangte Gizo mit lauter Stimme zu wissen. Die Beine des Goblins hatten beinahe Furchen in den Straßen von Nartuuks Stadt hinterlassen, als der Goblin Hals über Kopf, Sitten und Anstand ignorierend zu den Altären geeilt war. Jemand war am Herzen gewesen! Und dort hatte irgend etwas die Felsen bewegt! Niemand wusste, wo das Herz lag. Dies war unmöglich! Sie hatten das Herz in der schützenden Umarmung der Erde versteckt. Dies war einfach nicht möglich. Es gab keine Zugänge außer den Schreinen und er hatte das Herz persönlich gesichert.
"Neineineinein!", jammerte Gizo und schlug die Hände über dem Kopf zusammen als er das Loch in der Mauer erblickte. Hier lagen auch Menschen herum, aber die waren zweitrangig. Mit einer verknubbelten Hand strich der Goblin über die Ketten aus dem magiesicheren Metall. Eine der Säulen war gekrümmt. Das Metall war eben immun gegen Magie, aber mit ausreichender mundaner Gewalt konnte man ihm schaden, wenn auch nur langsam.
"Neineinein! Medea. Was ist hier passiert? Was sind das für Leute?"

Trotz der aufmunternden Worten, war Nartuuk nicht so ganz aufgemuntert. Er musste irgendwie etwas besseres bauen, als er bisher gebaut hatte. Es erschütterte ihn, dass andere Gottheiten so dreist waren und ihn angriffen. So sehr, dass ihn die Erschütterungen des Herzens nicht wirklich erschütterten. Gizo hingegen rannte auf einmal davon, als hätte ihn was in den kleinen Hintern gestochen und Nartuuk sah keinen Grund, ihn aufzuhalten. So würde er auch bald genug erfahren, was jetzt schon wieder passiert war. Wurde ja langsam zur Gewohnheit, dass das Herz irgendwie durcheinander geriet.
"Ich muss ... Nachdenken. Ja, nachdenken", wandte er sich an jenen Gott, der ihm das Zahnrad gestohlen hatte. "Magst du mitdenken oder ... rennst du nun auch zum Herz?"

"Oh, hm.. oh", machte Milian und wedelte unentschlossen mit den Armen.
Auch er hatte gespürt, das etwas am Herzen geschehen war, aber war es das in den letzten Tagen nicht öfters? Wenn Gizo unbedingt nachschauen wollte, musste er das ja nicht mehr tun. Die Kammer des Herzens war langweilig und die Ketten liessen sich nicht mitnehmen. Wozu also wollte er dort sein?
"Das letzte Mal, als ich da war, musste ich Zuranas wirres Geschwafel und Sheras rote Pustewangen ertragen, ehe ich beinahe von einem Baum angegriffen wurde. Was wird es diesmal sein? Bestimmt etwas sehr Wichtiges und unglaublich Spannendes, oh ja, ja, jaaa.. Wäre grauenhaft, das zu verpassen. Ich lasse es mir später von Gizo erzählen, ich wollte ihn sowieso auch mal wieder in seinem Eigenheim besuchen, er hat da immer so schöne Dinge anzusehen. Und sowieso, wenn du mich um einen Gefallen bittest, mein liebster Freund, wie kann ich da nein sagen?"
Er liess ein wenig Dreck von der Strasse aufschweben und formte kleine Kugeln daraus.
"Stell dir vor, das hier wären all die Dinge, die ständig am Herzen passieren. Nicht nur zweiundvierzig, hm.. vierundvierzig kleine Kugeln, ja? Mit drei multipliziert sogar! Das ist dann ganz viel, was ich gerade verpasse, aber das ist in Ordnung, denn so wie ich meine lieben Mitgötter kenne, habe ich es eben schon verpasst, sie sind ja alle sehr gut auch alleine fähig, mit Problemen fertig zu werden. Also-", er liess die kleinen Erdkugeln wieder fallen und grinste Nartuuk an. "Alles weg, nur für dich, Nartuuk. Wie gefällt dir das, he? Liebe, sag ich dir, Liebe. Gefällt dir mein neuer Hut? Den habe ich aus dem fernen Westen, sehr in Mode gerade dort."

Natürlich spürte auch Viola, das etwas am Herzen vor sich ging, doch den Blick auf den See gerichtet ignorierte sie diese Tatsache erfolgreich.
"Seit der See für mich bestimmt wurde bist du die erste Außenstehende, die diesen Ort sieht", meinte sie zu der Aschegöttin, ohne diese jedoch anzusehen. Es schien fast, als würde der See die kleine Göttin magisch anziehen. Würde sie nicht ruhig am Ufer stehen und ein seliges Lächeln auf den Lippen tragen, so wäre der Anblick wohl beinahe beängstigend.

Das hatte ihr gerade noch gefehlt... dass ausgerechnet dieser Vorgartenzwerg hier auftauchte. Das würde nichts besser machen... So schüttelte sie jedoch schließlich den Kopf. Mit so einem Gedanken anzufangen führte erst recht zu nichts, Medea war lediglich noch zu sehr aufgebracht, so sehr sie sich auch bemühte innerlich erneut mehr an Ruhe zu gewinnen. So zuckte sie auf die Frage von Gizo lediglich mit den Schultern...
"Tote... das sieht man doch?", entgegnete sie dem Goblingott fragend und ging ein paar Schritte zwischen den Leichen hin und her. Erneut schüttelte sie kurz den Kopf... "Ich habe keine Ahnung... sag doch du es mir... sie haben irgendwie einen Weg hier herein gefunden, ich konnte sie kurz belauschen bevor sie sich daran machten das Herz entwenden zu wollen. Dann habe ich sie etwas überrascht bei ihrem Vorhaben...", erklärte sie und schaute dann zu Gizo mit vor der Brust verschränkten Armen herab.
"Schaut euch die Gesichter an... und dann sagt doch ihr mir was das zu bedeuten haben könnte...", meinte sie und drehte sich in Richtung des Herzens. Sie hatten das Herz entdeckt... unfassbar...


Zurana fühlte sich irgendwie gerührt bei den Worten von Viola... es ehrte sie doch hier sein zu dürfen, da sie wusste wie eigensinnig Viola sein konnte. Schließlich spürte sie aber dieses flaue Gefühl... ein merkwürdiges Pochen folgte auch in ihrem Kopf. Sie wusste sofort, dass irgendetwas nicht stimmte... "Hast du das auch eben gespürt...?", fragte sie Shera.

"Habe ich", meinte Viola mit gleichgültiger Stimme. Sie wusste genau, was Zurana meinte, aber es interessierte sie im Moment nicht, was beim Herzen passierte. Was sollte es schon sein? Höchstens Dorn, die wieder jemand Anderen angegriffen hatte... Endlich wandte sich die Kindgöttin von dem See ab und sah mit verträumten Blick Zurana an.
"Wirst du jetzt schauen gehen, was dort passiert ist?"
Ein ängstlicher Unterton klang in der Stimme mit, wie bei einem Kind, das versuchte, seine Eltern vom Gehen abzuhalten, obwohl es wusste, das es sinnlos war.

"Es sind verstümmelte Menschen, Medea. Menschen sind für mich kaum mehr als eine Wand mit Nasenlöchern weiter oben. Naja, die hier nicht. Warte mal, was?!", stammelte Gizo, der mit großen Augen zu Medea aufsah als hätte sie ihm grade höchstpersönlich sein Erstgeborenes gestohlen. Diese Menschen hatten das Herz stehlen wollen? Niemand konnte sagen, was für eine Macht der nächste erhalten würde, der sich mit dem Herzen verband. Abgesehen von Dorn waaren die derzeitigen Götter ein recht vernünftiger Haufen, aber diese Leute, die das Herz stehlen wollten, um ihnen damit den Zugriff zu verweigen...Moment.
"Wir erscheinen beim Herzen wieder, wenn wir sterben. Selbst, wenn sie es gestohlen hätten, hätten wir sie doch gefunden. Naja, wahrscheinlich nach Dorn. Das ergibt doch keinen Sinn. Außer, die wussten das nicht."
Der Goblin warf einen Blick auf den Tunnel. Zumindest im Moment schienen keine weiteren Eindringlinge im Tunnel zu sein. Der Weg verlor sich weiter hinten in der Finsternis. Vielleicht auch an einer Biegung.
"Sollte ich den Tunnel zum Einsturz bringen?"

Zurana schaute erst zur Seite, offensichtlich stand Viola nicht der Sinn danach der Sache auf den Grund zu gehen. Schließlich nickte sie aber langsam... "Ja... ich denke wir sollten uns ansehen was das zu bedeuten hat.", sprach sie schließlich. Ob die kleine Göttin sie begleiten würde oder nicht, sie würde sich nicht davon abhalten lassen sich anzusehen was schon wieder vor sich ging.


Medea nickte lediglich... "Ich glaube nicht, dass sie wussten wie genau unsere Bindung zum Herzen aussieht. Aber ich denke wenn sie es schon bis zum Herzen geschafft haben, dann hätten sie für alles weitere bestimmt auch einen Plan gehabt.", meinte die Göttin der Makellosigkeit und ging schließlich auf den Tunnel zu.
"Ja, den Tunnel sollten wir einstürzen lassen... aber erst sollten wir sehen wo sich der Eingang auf der anderen Seite genau befindet... vielleicht finden wir irgendwelche Hinweise.", erklärte sie und schaute sich die Wände des Tunnels etwas genauer an.
Seltsam... die Wände dieses Tunnels waren viel zu gleichmäßig für normalen Behau durch Werkzeug... als hätte sich etwas äußerst präzise in einem Zug durch das Gestein gebohrt. Gizo würde es sicher ebenfalls bemerken...

Viola seufzte.
"Was erwartest du anderes zu sehen, als eine wütende Dorn, die wieder jemanden von uns getötet hat?", fragte das Mädchen, doch im nächsten Moment drehte sie sich ganz zu Zurana um.
"Ich begleite dich. Und danach trinken wir noch eine Tasse Tee."
Sie grinste. Offenbar hatte der See seine Wirkung auf sie vorerst verloren, denn im nächsten Moment griff Viola nach der Hand der Aschegöttin, um sie zum Schreinraum zu ziehen.

"Der Tunnel sieht aus als hätte ihn ein Felswurm gefressen", stellte Gizo kategorisch fest, nur um sich gleich darauf zu verbessern: "Naja, ich kann das auch. Mit meiner Befähigung, aber es kostet eine ganze Menge Kraft einen so langen Tunnel mit Magie zu bohren. Aber die Typen hätten eine ganze Menge Zeit gehabt und Pausen einlegen können, wenn sie sowieso wussten, wo das Herz ist."
Der Goblin spähte noch einmal in den Tunnel hinein und drehte den Kopf dann zu Medea.
"Sollten wir beide hinein gehen? Ansonsten kann ich auch alleine gehen. Warte, Licht."
Mit der rechten zog Gizo seinen Schmiedehammer und klopfte damit einmal gegen die Wand des Tunnels. Der Kopf entzündete sich und warf flackerndes Licht in den Tunnel.

Ein Felswurm... nun, Medea hatte noch nie vorher einen Felswurm gesehen noch wusste sie etwas über dessen Besonderheiten, aber dies spielte ohnehin keine Rolle da der Tunnel sicherlich nicht davon gegraben worden war.
Es sah eher danach aus als wäre Magie im Spiel gewesen... natürlich brauchte man dafür große Mengen magischer Kraft, aber da bis zum Durchbruch niemand jene Grabungen bemerkt hatte und die Eindringlinge dies sicher gewusst hatten, so hatten sie sicherlich keine Eile gehabt.
Die Göttin der Makellosigkeit bemerkte am Durchbruch das Bruchstück eines schwarzen Steines am Boden... die Oberfläche war, außer an den Bruchstellen, sehr glatt und hatte vermutlich zu einem etwas größeren Stein gehört. Sie konnte nicht sagen worum es sich dabei handelte, Medea war keine Magierin oder dergleichen...
Dennoch behielt sie dieses Bruchstück vorerst in der Hand, bevor sie erneut in den Tunnel schaute. "Ehm... wollt nicht ihr euch das schnell ansehen? Ich kann ja derweil hier warten und nach weiteren Indizien suchen...", meinte sie und wurde dabei kaum merklich rot um die Wangen.
Dieser Tunnel war sicherlich ordentlich schmutzig und staubig... es könnte in ihren Haaren hängen bleiben. Es schauderte sie davor.

Relativ schnell hatten die beiden Göttinnen den Schreinraum erreicht. Viola zögerte, bevor sie den Schrein verwendete, um im nächsten Moment beim Herzen zu stehen. Als sie ihren Blick durch den Raum gleiten ließ, blieb ihr Blick erschüttert an den Leichen hängen, bevor sie langsam zu dem Loch in der Wand sah. Es dauerte eine Weile, in der sie lediglich in den Tunnel hineinstarrte, bevor sie bemerkte, das auch Gizo und Medea hier waren.
"Was beim Herzen..." Sie räusperte sich, um den schockierten Unterton in ihrer Stimme zu vertreiben. "Was beim Herzen ist hier geschehen?"

"Lasst euch das von Medea erklären", brummte Gizo, der seinen brennenden Hammer vorstreckte und schon die ersten paar Schritte in den Tunnel hinter sich hatte.
"Ich gehe mir diesen Tunnel ansehen. Wenn ich am Ende unfreundliche Leute treffe, dann schreie ich, einverstanden?" Damit huschte der Goblin davon. Immer mal wieder blieb er stehen, um einen Gesteinsbrocken aufzuheben oder über die Wand zu streichen. Der Stein an der Wand war glatt. Hätten diese Leute mit Werkzeugen gearbeitet, wären Bruchkanten oder Ähnliches zurückgeblieben. Einem Felswurm wäre es möglich einen solchen Tunnel zu graben, aber dafür brauchten die Tiere eine ganze Zeit und sie waren nur sehr schwer zu kontrollieren. Es war beinahe unmöglich sie in eine spezifische Richtung zu schicken, geschweige denn auf eine bestimmte Höhe. Damit blieb fast nur noch Magie, was Gizo nicht so wirklich gefiel.
Trotzdem stiefelte der Goblin mit gespitzten Ohren tiefer in den Tunnel hinein.