E o V - Die Quartiere

"Ihre Entscheidung, First Sergeant, auch wenn ich vorsichtiges Interesse äußern möchte", merkte Myra zurückhaltend an. Immerhin war nicht klar, ob der First Sergeant damit ein Problem haben könnte. Den Mann wiederzusehen mochte ihm nicht gefallen. Die Mission war ja erfolgreich gewesen, aber sie wusste nicht genau, was damals passiert war.
Andererseits wuchs ihr Interesse daran diesen dubiosen Gefangenen zu sehen stetig an. Myra trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und sah zu First Sergeant Fendring hinüber.

Er war schon ziemlich erstaunt, als sie da einfach aufstand und losrauschte und dabei eindeutig vermittelte, dass sie wütend war.
Aber er lauschte dann der Erläuterung der Mutter, die ihm allerdings nicht wirklich weiterhelfen wollte.
"Ich habe lediglich die Wahrheit gesagt. Ich verstehe sie ziemlich oft einfach nicht. Ich sage ihr, dass ich mich in sie verliebt habe und sie schmeisst mich aus dem Zimmer... um am nächsten Tag so zu tun, als wäre gar nichts passiert."
Er schüttelte den Kopf. Und jetzt war sie wieder sauer, weil er lediglich die Wahrheit erzählt hatte...? Grosse Güte, die Frau verwirrte ihn. Naja, vielleicht passten sie ja einfach nicht zusammen. Das konnte doch auch sein, oder?.
Aber er erhob sich dann mit einem leisen Seufzen und liess sich den Weg zum Bad beschreiben, wo er klopfte. Dieses Drama war ja wie im Film.

Diese Bloßstellung war wirklich nichts angenehmes gewesen und dabei gingen regelrecht die Emotionen mit ihr durch. Vermutlich hätte sie mit ihrer Mutter am Telefon nie darüber sprechen sollen... sie war eine Tratschtante, so war es auch nicht verwunderlich, dass sogar Nicole mitreden konnte. Der musste sie ohnehin mal das Fell über die Ohren ziehen...
Schließlich schaute sie auf als es an der Tür des Badezimmers klopfte. Mist... "Einen Moment.", meinte sie, griff schnell zu einem Handtuch auf dem Rand der Badewanne, tupfte sich über das Gesicht und räusperte sich anschließend bevor sie aufstand und die Tür einen Spalt weit öffnete.
Eames stand davor... "Oh... du bist es... ist irgendwas?", fragte sie und schaute zu Westerfeld empor. Die Nasenspitze gerötet, glasige Augen... es war mehr als deutlich, dass sie geweint hatte.

"Kann nicht sagen, dass ich den Drecksack sonderlich vermissen würde", gab Nick lakonisch zur Antwort. Bei ihrem bisher einzigen Treffen war es vor allem er gewesen, der mit diesem Dickschädel von Ödländer zusammen gerauscht war. Wenn der Kerl jetzt in irgendeiner Zelle verrottete, dann war ihm das nur recht. Andererseits hatten sie im Moment auch nichts wirklich besseres zu tun und ein Schaden würde keinem von ihnen entstehen.
"Aber wenn sie schauen wollen, was sich so aus ihm heraus quetschen lässt, dann nur zu", fuhr er fort und ein Schmunzeln legte sich auf seine Züge, "Ich komme dann mit und sehe mir an, wie sie bei der Polizei mit bockigen Verdächtigen umgehen." Das versprach in der Tat interessant zu werden. Wenn es etwas gab, wo die Polizisten den Militärs aufgrund ihrer Ausbildung zweifelsfrei überlegen waren, dann wohl im Umgang mit Gefangenen. Und Langfield hatte er bisher nicht als diejenige kennen gelernt, die Samthandschuhe angelegt hätte.
Sie verabschiedeten sich von Dr. Turner, die ihnen noch den Weg zum Zellentrakt der Militärpolizei wies, und verließen dann das Labor. Der Weg war im Grunde nicht mehr als ein Katzensprung. Irgendjemand schien es damals bei der Planung des Gebäudekomplexes für eine gute Idee gehalten zu haben, den wissenschaftlichen Dienst unmittelbar in der Nähe des Gefangenentrakts unterzubringen. Ob die Planer damals wohl bereits im Sinn gehabt haben mochten, dass die Wissenschaftler Tests und Untersuchungen an den Gefangenen vornahmen?

"Du bist davongelaufen", sagte er mit gerunzelter Stirn. "Und ich weiss nicht, was ich jetzt schon wieder falsch gemacht habe. Es wäre vielleicht besser, wenn du mit mir sprichst, statt mir dauernd wegzulaufen oder mich weg zu schicken. Was ist das Problem?", fragte er auf seine direkte Art, die er nun einmal hatte.
Es war ja wirklich schwierig sie zu verstehen, wenn sie ihn sie nicht verstehen liess.

"Es ist unter Androhung der Resignation aus dem Dienst verboten einen Gefangenen, der einer anderen Behörde überstellt wurde, zu verletzen, zu töten oder ihm/ihr auf jegliche Art und Weise psychischen oder physischen Schaden anzudrohen und/oder anzutun", rezitierte Myra fehlerfrei aus den Vorschriften zum Umgang mit Gefangen und fügte hinzu: "Paragraph zwei aus den Gesetzen zum Umgang mit Gefangenen, Seite vierhundertundsiebzehn Band Neun des Zivilrechts, Ausgabe siebenundneunzig."
Recht schnell waren die beiden im Gefangenentrakt angekommen, wobei Myra Fendring erneut die Tür aufhielt. Der wachhabende Offizier sah ihnen von dem Pult neben einer Hochsicherheitstüre entgegen und salutierte angesichts der Abzeichen der Recon recht zackig. Myra salutierte eben so zackig zurück.
"First Sergeant, Lieutnant, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Wir möchten einen der Gefangenen sehen. Jenen, den die Recon bei einem Einsatz vor...einer Woche", klang Myras Stimme fragend in den Raum: "Festgenommen hat. Verbessern Sie mich, sollte ich falsch liegen, First Sergeant."

Nick hielt sich bereit, Langfield mit detaillierterer Auskunft beizustehen, doch der Wachhabende brauchte keine weiteren Informationen. Er nickte sofort verständnisvoll. Nun, es war auch nicht schwer zu erraten, von wem die Frau Lieutenant sprach. Schließlich hatte die Outcast Recon bisher lediglich diesen einen Gefangenen gemacht. Die Auswahl an möglichen Delinquenten war also gering.
"Der Mann ist lediglich in Beugehaft. Niedrigste Sicherheitsstufe. Er darf Besuch empfangen wann immer er will", erläuterte der Offizier, "Wobei ich dazu sagen sollte, dass er bisher wenig Begeisterung über solchen an den Tag gelegt hat. Gegenüber unseren Leuten und denen vom wissenschaftlichen Dienst hat er sich immer sehr verschlossen gezeigt. Aber wenn sie ihn sprechen wollen, dann kann ich sie zu ihm bringen. Machen sie sich nur nicht viel Hoffnung, dass er auch mit ihnen spricht."
Nick nickte dem mann verständnisvoll zu. Diese Informationen deckten sich mit denen, die sie von Turner erhalten hatten. Und mit dem Eindruck, den er sich selbst von dem mann verschafft hatte. "Führen sie uns bitte hin", bat er.

Der Offizier führte die beiden bis zu einer Glaswand und deutete mit einer Hand hindurch. Durch das Glas, das aller Wahrscheinlichkeit nach auf der anderen Seite verspiegelt war, konnte man einen Mann sehen, der an Armen, Beinen und am Oberkörper auf einen Stuhl gebunden war. Schmutzige, schwarze Haare hingen dem Gefangenen ins Gesicht. An den Armen zeigten sich die Pflaster, die die Wissenschaftler nach Einstichen dort befestigten. Ein Schlauch wand sich wie eine Schlange in Richtung Boden, wo er im Fuß des Stuhls verschwand.
"Die wissenschaftliche Abteilung hat ihn dort drin befestigt. Derzeit steht er unter Morphin B2, aber wenn alles wie immer verläuft sollte er in zehn Minuten aufwachen. In fünfzehn ist er dann wahrscheinlich ansprechbar, falls sie ein paar Worte mit ihm wechseln wollen."
"Vielen Dank...Lieutnant Hawthorne", bedankte sich Myra nach einem gezielten Blick auf die Brust des Mannes und salutierte. Der Offizier erwiderte den Gruß und stellte sich dann dezent abseits. Weit genug weg, dass er nicht hören würde, was die beiden besprachen, aber nahe genug dran, um einzugreifen, sollte etwas passieren.
"Was sagen sie, Fendring? Wollen wir ein paar Worte mit ihm wechseln?"

"Ganz wie sie wollen, Lieutenant", gab Nick zur Antwort und musterte den Gefangenen durch die Scheibe hindurch. Den hatten sie wirklich gründlich ruhig gestellt. Solide gefesselt und zusätzlich unter Drogen gesetzt. War das nötig bei einem Gefangenen, der sich eigentlich nicht viel zu Schulden hatte kommen lassen? Doch dann fiel Nick wieder ein, wie widerspenstig der Mann sich bei seiner Festnahme verhalten hatte, wie er unbedingt darauf hatte bestehen wollen, seine Waffen und Sprengsätze zu behalten. Gut möglich, dass er gegenüber seinen Wächtern handgreiflich geworden war, dass er versucht hatte, seinem Unmut über diese Lage mit Gewalt Luft zu machen. Unter solchen Umständen hätte kaum eine andere Möglichkeit bestanden, als ihn zu sedieren.
"Für Gefangenenvernehmungen sind sie eher der Experte als ich", führte er weiter aus, "Ich bezweifle sehr stark, dass ich mehr aus ihm raus kriege als die MiPos. Gerade anbetracht unserer gemeinsamen Vergangenheit. Aber wenn sie mit ihm sprechen wollen, dann nur zu."

"Ich wüsste nicht einmal worüber ich mit ihm reden sollte", merkte Myra an und legte die Hände hinter dem Rücken zusammen, während sie durch das Glas schaute. Der Mann sah wirklich nicht mehr gesund aus. Wahrscheinlich hatte er das vor seiner Gefangennahme schon nicht getan. Der Körper war ausgemergelt, die Haare spröde. Aber sauber war er. Die Wissenschaftler hatten ihn wohl von aller Strahlung befreit und dabei gleich sauber gemacht.
"Uns interessiert nicht, was er vorher getan hat, wobei...", brach Myra ab und verbesserte sich: "Wobei natürlich interessant wäre, wie es zu dieser Mutation seiner Gene gekommen ist. Dann wäre auch wichtig, was er vor seiner Gefangennahme getan hat und wo er war."
Sie wandte sich zu Fendring um und lächelte.
"Ich werde mit ihm reden. Wollen Sie mit rein kommen?"

Kratzend wurde das Glas über den Tisch geschoben. Es enthielt Wasser. Mehr hatte sie nicht in die Zelle bringen dürfen. Aber immerhin hatte man ihr den Gefallen getan den Gefangenen nicht mehr an den Stuhl zu fesseln. Hawthorne hielt sich draußen auf, bereit einzugreifen, sollte der Gefangene handgreiflich werden.
"Hier. Wasser. Ich versichere Ihnen, dass wir nichts hinein gemischt haben."

Sie hätte ihm an dieser Stelle wirklich einfach die Tür vor der Nase zuschlagen sollen, schließlich konnte das doch nicht sein ernst sein. Aber wenn sie ihn so ansah, dann war es das aber tatsächlich... "Ich dachte ja bereits meine Mutter kostet mich Nerven... aber ihr alle zusammen erreicht ganz neue Dimensionen.", meinte Natalia, öffnete die Tür schließlich ganz und setzte sich erneut auf den Rand der Badewanne. "Wie kann man das nicht bemerken? Ihr habt mich alle völlig lächerlich dastehen lassen... und du hast da auch noch so bereitwillig mitgemacht. Ich bin enttäuscht.", erklärte sie ihm.

"Warum? Ich hab deiner Mutter bloss auf ihre Frage geantwortet ... Und ihr die Wahrheit gesagt. Hätte ich sie anlügen sollen?"
Er lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme.
"Ich versteh dich einfach nicht, Natalia. Warum kannst du nicht einfach sagen, was Sache ist? Dauernd läufst du davon oder redest von seltsamen Dingen ... Oder schmeisst mich erst aus dem Zimmer, um am nächsten Tag Händchen halten zu wollen. Erklär es mir doch einfach!"

Langfield hatte dem Gefangenen gegenüber Platz genommen, Nick jedoch, der den Raum ebenfalls betreten hatte, hielt sich in den Halbschatten im Hintergrund. Das hier war ihr Verhör. Sofern alles glatt lief würde er sich nicht einschalten. Wenn nicht, dann würde er sich vielleicht dazu hinreissen lassen, den bad cop zu spielen. Wie abgedroschen! Aber eingedenk ihrer gemeinsamen Vergangenheit war er dazu bei diesem Gefangenen geradezu prädestiniert. Wobei Nick sich nicht sicher war, ob der Mann – Kyle – ihn überhaupt erkannte. Bei ihrem ersten und einzigen Zusammentreffen hatte Nick Vollpanzerung und Helm getragen.
Der Mann blickte wie in Zeitlupe auf als Langfield ihm das Glas zu schob. Die durch das Betäubungsmittel hervorgerufene Lethargie hatte ihn noch nicht ganz verlassen. Aus müden Augen musterte er die Polizeioffizierin.
"Ich nehme nicht an, dass sie mir das aus reiner Freundlichkeit anbieten", kommentierte der Mann, griff dann aber ungeachtet seines unverhohlenen Misstrauens zu dem Glas und trank.

"Nein. Ich vermute mit Freundlichkeit ist man Ihnen bisher nicht begegnet, nicht wahr?", stellte Myra eine eher rhetorische Frage. Natürlich war man ihm gegenüber nicht freundlich gewesen. Aber er hatte auch nicht gerade eine andere Antwort herausgefordert. Wenn er sich kooperativer zeigte, würde man ihm wahrscheinlich mehr Freiheiten gewähren.
"Im Grunde bin ich nicht einmal befugt gewesen, ihnen das Wasserglas zu überlassen. Und noch viel weniger kann ich ihnen irgendetwas anbieten als Gegenleistung für die Informationen, die ich haben möchte."
Myra lächelte verschmitzt.
"Eigentlich können Sie nur verlieren, wenn Sie mit mir reden."

Wenn Kyle sich von Langfields Worten beeindrucken, beeinflussen oder auch nur in irgendeiner Art und Weise berühren ließ, dann verstand er es gut, dies zu verbergen. Seine Miene jedenfalls zeigte keinerlei Rührung welcher Art auch immer, obwohl Langfield sich nach Nicks Einschätzung wirklich Mühe gab, jovial und freundlich rüber zu kommen.
"Wenn das so ist, dann wäre es vermutlich besser, wenn sie direkt wieder abhauen und es gar nicht erst versuchen, was?", gab er schroff zur Antwort. Der Drecksack! Kooperationsbereit war wirklich anders. Aber davor hatten Turner und Hawthorne sie ja schon gewarnt. Und man musste ihm natürlich zugestehen, dass sein Einwand berechtigt war. Dennoch ließ die Art des Ödländers in Nick für einen Augenblick den Zorn hoch kochen. Er beherrschte sich jedoch und verzichtete darauf, einzugreifen. Erst noch würde er zusehen, wie Langfield die Sache zu handhaben gedachte. Sie war schließlich die Expertin auf diesem Gebiet.

"Du hättest auch einfach Garnichts dergleichen tun können wenn ich nicht mal einen halben Meter von dir entfernt sitze.", erwiderte sie bissig, winkte dann aber ab und schaute zu Boden. Irgendwo hatte er ja auch recht... sie wich ihm aus, hatte bis jetzt fast nichts anderes getan. Anna hatte das ganz gut erklärt... natürlich hätte sie sich jetzt erneut in Ausflüchte stürzen können, aber in diesem Moment war das nichts was sie unbedingt wollte. "Vergiss es... vielleicht kann ich das irgendwo auch verstehen. Ich gab dir keine zufriedenstellenden Antworten oder schlichtweg überhaupt keine, da sollte es eigentlich nicht verwunderlich sein wenn du meine Mutter fragst welche mich kennt.", sprach sie dann ruhiger und schaute zu Eames auf. "Du hattest gefragt ob es Probleme mit sich bringen kann, wenn man sich in seine Vorgesetzte verliebt... Ich habe keine Ahnung... ich stelle mir um ehrlich zu sein die gleiche Frage, nur umgekehrt. Was passiert wenn ich mich in eine der Personen verliebe welche mir unterstellt sind?"

"Das sollte ich vielleicht. Ich könnte durch diese Tür gehen und Sie würden mich nie wieder sehen. Das einzige, was Sie in Ihrem Leben dann noch sehen werden, sind die Wände dieser Zelle und die verschwommenen Gesichter jener Menschen, die sie unter Drogen setzen. Und sie werden einen frühen Tod sterben, in einem der zahllosen Tests, denen man sie unterziehen wird. Und die ganze Zeit über werden Sie daran denken, was hätte sein können, wenn Sie mich nicht fort geschickt hätten", sprach Myra in betont sachlichem Tonfall. Sie log nicht einmal. Ungefähr so würde das Leben des Gefangenen ablaufen, wenn er sich nicht kooperativer zeigte. Wenn sie die benötigten Informationen bekam und der Gefangene sich beruhigte, dann würde er immer noch kein freier Mann sein. Aber vielleicht würde man ihm ein wenig entgegen kommen. Myra lächelte sanft und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

"Verstehe ... Es tut mir leid, es war nicht meine Absicht, dich zu beleidigen..."
Er lehnte sich an das Waschbecken.
"Und nun. Spätestens wenn das Ganze vorüber ist und es uns nicht mehr braucht, Lande ich wohl irgendwo hinter Gittern. Dann bist du nicht mehr meine Vorgesetzte ... Liebst du mich denn überhaupt?"

Kyle zuckte lediglich mit den Schultern. Langfields Worte, so eindringlich sie auch vorgetragen worden waren mochten, schienen einfach an ihm abzuperlen. "Sie haben selbst gesagt, dass sie nichts für mich tun könnten, selbst wenn sie wollten", konterte er ihre Drohkulisse ungerührt, "Ob ich mit ihnen spreche oder nicht wird also keinen Einfluss darauf haben, wie es mit mir weiter geht. Ich kann nur verlieren. Ihre Worte!"
Und Nick musste dem Gefangenen zugestehen, dass er vollkommen recht hatte. Eben das hatte Langfield gesagt. Der Kerl war aufmerksam. Und ganz sicher nicht dumm. Gewitzt sogar. Wäre er nicht noch immer von der Betäubung lethargisch gewesen, vermutlich hätte er sogar Esprit besessen. So lag lediglich etwas schroffes, abweisendes in seinem Blick und seiner Stimme.

Die Entschuldigung von Eames war für Natalia sehr wohltuend, es war mehr als sie ohnehin erwartet hätte. Es machte es zwar nicht auf der Stelle wieder gut, aber es machte es um einiges besser. Auf die Frage von Eames hin schaute Natalia lediglich auf, im ersten Moment hatte sie keine Ahnung was sie darauf sagen sollte.
Sie überlegte kurz, dabei war es aber eher so als würde jeder klare Gedanke in ihrem Kopf einfach blockiert werden...
Schließlich seufzte sie leise... "Ich habe keine Ahnung... ich bin mir ja nicht mal sicher was oder ob dieses Wort überhaupt etwas für mich bedeutet. Ich weiß nur, dass ich dich wirklich sehr gerne habe... mehr als nur einen Freund. Aber... naja, keine Ahnung. Kannst du das vielleicht nachvollziehen?", fragte sie. Einer der wenigen Momente war dies wo Natalia ihre typische autoritäre Art verlor, der weiche Kern einer harten Schale.

"Und dennoch sitze ich hier und rede mit ihnen als könnte irgendetwas von dem, was ich sage, sie überzeugen mir dennoch ein wenig entgegen zu kommen", antwortete Myra: "Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt: Lieutnant Myrajane Langfield von der Sektion 2 für Friedenssicherung, Pressesprecherin für eben diese." Sie deutete auf das Abzeichen an ihrem Ärmel und beugte sich nun vor, jetzt viel eher konzentriert wirkend als vorher.
"Wissen Sie, was für einen Schatz sie in ihrem Körper tragen? Sie sind immun gegen Strahlung. Sie stellen einen Wert für die Unity dar, ob sie es wollen oder nicht. Und es wird hier nicht einfacher werden für Sie, wenn Sie sich weiterhin so störrisch geben. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Sie sagen mir, wo sie vor ihrer Gefangennahme waren und was sie getan haben und kooperieren mit den Wissenschaftlern und dafür handle ich verbesserte Lebensumstände für sie heraus."
Myra lehnte sich wieder zurück.
"Machen Sie sich da bitte keine Illusionen. Die Unity wird weiterhin nicht zulassen, dass sie frei herum laufen oder sich etwas antun. Andererseits könnten unsere Wissenschaftler dann leichter arbeiten. Je schneller der wissenschaftliche Stab fertig wird, desto schneller können wir Sie wieder in die Bad Lands bringen. Sie stellen einen nicht unerheblichen Unkostenfaktor dar."

"So ein bisschen", antwortete er. "Nicht ganz ... Aber ein bisschen..."
Er legte den Kopf schief, denn nun wusste auch er nicht mehr so ganz, was er sagen sollte.
"Mh... Eigentlich ... Wollte ich dich ja nicht bei was stören...", fiel ihm dann ein, dass Natalia doch wohl aufs Klo gemusst hatte ... oder etwa nicht?
So trat er einen Schritt vom Waschbecken weg und blieb da stehen wie so ein Ölgötz.

"Gibt keinen Grund, sich meinetwegen in Unkosten zu stürzen", gab der Gefangene unverkennbar zynisch von sich, doch zumindest lehnte sich er, die Unterarme auf dem Tisch zwischen ihnen aufgestützt, Langfield entgegen. Ein schiefes, schwer einzuordnendes Grinsen lag auf seinen Zügen. Nach Nicks Einschätzung war das keinenfalls ein Zeichen von Kooperationsbereitschaft. Aber zumindest redete der Mann.
"Alles was ich will ist, dass man mir meinen Kram zurück gibt und mich gehen lässt", fuhr Kyle fort, "Meinen Weg in die Bad Lands finde ich schon selber wieder. Sie sehen: ich bin anspruchslos. Und ich habe ja wohl inzwischen genug mit ihnen zusammen gearbeitet. Ihre Doktoren haben mein Blut. Was brauchen sie mehr? Ich bin kein vollkommener Hinterwäldler. Ich weiß ganz gut, wie Erbgut funktioniert. Sie haben keinen Grund mehr, mich weiter festzuhalten. Oder ist es mal wieder der bürokratische Apparat, der zu träge ist, als dass man einen Entlassungsbefehl für mich ausstellt?"

"Ich habe ihnen eben grade erklärt, wie wertvoll Sie für die Unity sind. Für die Welt. Wir können es uns nicht leisten Sie an irgendeinen Banditen in den Bad Lands zu verlieren. Sie müssten ständig Glück haben. Die Viecher und Banditen dort draußen nur einmal", konstatierte Myra nüchtern. Natürlich wollte dieser Kerl freikommen. Sie selbst hätte wohl maximal nach einem Kreuzworträtsel verlangt, wenn sie in dieser Situation gewesen wäre, aber Menschen waren nun einmal verschieden. Und das galt auch für so komische Mutanten mit Superkräften wie diesem hier.
"Bis wir eine definitive Bestätigung vom wissenschaftlichen Stab haben, können wir Sie nicht gehen lassen. Leider können wir Sie nicht klonen. Das wäre wohl die einfachste Lösung."

Noch immer schweigend beobachtete Nick, wie Kyle sich wieder in seinem Stuhl zurück lehnte, die Arme vor der Brust verschränkte. Sein Interesse an einem Gespräch schien wieder abzuflauen. Offenkundig war er mit Langfields Antwort nicht zufrieden.
"Was dort draußen mit mir passieren würde, wäre ganz allein meine Sache", erwiderte der Mann schroff, "Wenn es mich erwischt, dann ist das doch vor allem für mich doof. Aber sie haben doch schon alles von mir, was ich ihnen geben kann. Mehr als ein Genom habe ich nicht. Oder brauchen sie mehr Material? Lassen sie mich gehen, wenn ich zuvor noch einen halben Liter Blut spende?"
"Sehen sie es doch nicht als Gefangenschaft an", konnte Nick nun nicht mehr an sich halten und schaltete sich ebenfalls in das Gespräch ein, "Sehen sie es als Gastaufenthalt. Und ihr Aufenthalt könnte wesentlich angenehmer ausfallen, wenn sie ein guter Gast wären und mit uns zusammen arbeiten würden."
Nick war der Meinung, dass seine Worte überzeugend klingen mussten, doch dieser Ödländer war offenkundig alles andere als Beeindruckt. Ganz langsam wandte er dem First Sergeant seinen Kopf zu, den Blick voller Verachtung. "Gäste dürfen aber gehen, wann immer es ihnen beliebt", erwiderte er lediglich.