Herz von Ranequia - MSG

"Bauchschmerzen?", hakte er nach. "Wieso Bauchschmerzen? Konntest du den Grund herausfinden...?"
Vielleicht waren sie vergiftet worden. Oder trugen auch Parasiten in sich. Wenn er diese Dorn in die Finger kriegte!

"Deine Uhrwerksoldaten habe ich auch wieder hingekriegt. Sind wirklich schöne Stücke. Bewundernswert", gab Gizo Meldung und salutierte lax. Die machten hier alle einen Aufstand wegen eines Todes. Man könnte meinen keiner von denen war nach ihrem Aufstieg jemals gestorben. Die lebten ihr Leben wirklich nicht in vollen Zügen. Es war kein Leben, wenn man nicht wenigstens einmal versucht hatte einem Felswurm einen Diamanten aus dem Maul zu klauen! Oder den Versuch unternehmen einen Lavastrom von einem seltenen Flöz Metall abzulenken. Das hatte nicht so gut funktioniert, aber das musste schließlich niemand wissen.


Es war seltsam hier zu sitzen und der Zerstörung zuzusehen, zu spüren wie das Gift langsam nach dem eigenen Herzen griff, wie der Verstand immer weiter abrutschte. Dies war einer ihrer letzten Tempel und Dorn saß in ihrer humanoiden Gestalt an dessen Fuß. Irgendwann einmal hatte doch tatsächlich jemand versucht sie zu verehren. Die Zerstörung des Tempels hatte sie selbst verursacht, das eingestürzte Dach und die zerbrochenen Säulen ihr Werk. Wahrscheinlich war es besser so. Es hätte die Herzen der Menschen gebrochen den Tempel langsam verfallen zu sehen. Schon rankten sie die ersten ungesund wirkenden Ranken um die vorderen Säulen. Noch während Dorn zusah brach eine der Pusteln auf den Ranken auf und verteilte giftige Sporen in die Umgebung. Weiter hinten labten sich einige der übergroßen Maden an einem Reh, das dort zusammengebrochen war. Bis hier sah man die Leiber der Maden pulsieren, während sie Stücke aus dem Fleisch es Tieres rissen.
Weiter hinten verlor sich die Landschaft in giftig grünem Nebel. Die Bäume dort waren noch verkümmerter als jene weiter außerhalb des Einflussgebietes der Verrottung, wie Dorn das Phänomen getauft hatte. Und es breitete sich aus. Die Ranken um den Fuß des Tempels waren vor einer Woche noch nicht dort gewesen.
Irgendwann würde sie mit jemandem darüber reden müssen. Sicherlich nicht mit Gizo oder Nartuuk, aber vielleicht mit einem der anderen? Mit jemandem, bei dem sie nicht sofort in Zorn verfiel. Die klaren Momente wurden immer weniger, die Zeit lief ihr davon. Dorn wandte sich den Statuen des vergessenen Tempels zu und zerschmetterte nacheinander die der anderen Götter. Es würde nicht mehr sicher sein hier her zu kommen. Ihr eigenes Idol wurde als letztes gepackt und auf dem Boden des Tempels zerbrochen.
Die Gestalt der Göttin straffte sich als sie eine andere Gestalt einnahm, die mehr an eine Katze angelehnt war als einen Bären. Es galt Entfernung zu bewältigen.

Auch wenn es der Göttin noch so wenig behagte, so wäre es wohl das Richtige wenn sie zumindest Viola noch zu Nartuuk begleitete... vielleicht gab ihr das ja zumindest ein besseres Gefühl. Doch schließlich siegten ihre Sorgen... "Am besten du siehst schnell nach dem Rechten... ich ziehe mich vorerst zurück. Aber pass auf dich auf.", erklärte sie Shera schließlich, bevor sie sich umgehend abwandte um sich in ihr Reich zurückziehen.
Sie hatte das Gefühl einige Vorkehrungen treffen zu müssen... und sich in ihre Gedanken zurückzuziehen.


Medea schlug in ihrer entspannten Position ein Auge auf und blickte ein wenig zu Nartuuk, bevor sie sich erneut auf die Füße begab. "Wenn es die Parasiten sein sollten, was man vielleicht vorher genauer feststellen sollte... dann kann ich jene, ohne den Sterblichen zu schaden, ganz einfach töten.", erklärte sie dem Gott.

Viola nickte Zurana zu.
"Ist gut, ich passe auf."
Das Mädchen warf einen kurzen Blick auf die Dryadengöttin, bevor sie sich abwandte und ihrerseits zum Schreinraum schritt, um im nächsten Moment wieder in Aurunen zu stehen. Sie sah sich um, in der Hoffnung, sich schnell zurecht zu finden, bevor sie den Weg einschlug, den sie für den richtigen hielt. Die Uhrwerksoldaten, die in die gleiche Richtung unterwegs waren, bestätigten ihre Vermutung und so traf sie schließlich wieder auf die anderen Götter. Sie hatten bereits mit den Aufräummaßnahmen begonnen.
"Nartuuk. Ist alles in Ordnung bei euch?"
Fragend sah sie den Gott der Uhren an.

Nartuuk seufzte laut auf. Warum mussten die alle durcheinander reden?
"Danke", sagte er zu Gizo und warf einen Blick zu den reparierten Soldaten. Gut .. Immerhin. Anschliessend schaute er zu Medea. "Sanel soll erst rausfinden, weshalb sie Bauchschmerzen haben, bevor einer von euch irgendewas tut ..."
Und so blickte er auf die Kindsgöttin hinab, die irgendwie wieder aufgetaucht war.
"Sieht es so aus, Herzchen, als wäre alles in Ordnung?"

"Naja..." Sie kratzte sich am Kopf. "Zumindest scheint ihr alles unter Kontrolle zu haben."
Sie sah sich um und ihr Blick fiel auf Sanel. Der Gott der Leere erinnerte sie daran, warum sie ursprünglich eigentlich hergekommen waren. Sie wandte sich abermals an Nartuuk.
"Habt ihr sonst irgendetwas herrausgefunden? Über die Toten oder über Dorn? "Achja... Dorn war gerade auch am Herzen. So wie Zurana und Milian auch", fügte sie hinzu, ohne auf Nartuuks Antwort zu warten.

"Nartuuk, du unterschätzt wohl mein Fachgebiet", seufzte Sanel laut auf. "Lebewesen sind keine Maschinen, bei denen man einfach den Deckel öffnen und die rostige Schraube ersetzen kann. Die Bauchschmerzen könnten von falschem Essen bis hin zu purer Aufregung oder Schwangerschaft für alles ein Symptom sein. Es dauert, da überhaupt herauszufinden, um was es sich handelt, wenn sonst keine auffälligen Anzeichen bestehen."
Natürlich konnten es auch weitere Parasiten sein. Aber wie wollte er das ohne Aufschneiden herausfinden? Tasten, ob sich etwas bewegte, weil das sonst ja nicht der Fall war?!
Dass die Kindergöttin ihre Frage vielleicht auch an ihn gerichtet haben könnte, fiel ihm gar nicht erst auf. Es verlangte ihm schon genug ab, überhaupt vor Nartuuk standhaft zu bleiben und ihn im Visier zu behalten.

"Wir arbeiten gerade daran", antwortete er der Kindgöttin. "Habt ihr Dorn wenigstens Dingfest gemacht? Ich töte dieses Biest eigenhändig! Immer und immer wieder!"
Wie sie seine unschuldige Stadt angegriffen hatte! Seine unschuldigen Bürger!
Dann wandte er sich wieder Sanel zu.
"Aber wenn sie jetzt gerade akut über Bauchschmerzen klagen, dann hat bestimmt Dorn sie vergiftet! Meine armen Bürger ... Bist du dir sicher, dass du es nicht rausfinden kannst? Du musst!"

"Festhalten? Wie denn?"
Beleidigt verzog Viola das Gesicht.
"Indem wir sie angreifen? Sie war uns definitiv überlegen. Und ein Kampf am Herzen würde sowieso nicht bringen."
Wie stellte er sich das vor? Ihre Kräfte wirkten nicht bei den anderen Göttern und außerdem hatte sie nicht wirklich Lust, nochmal zu sterben. Einmal war mehr als genug...

Sanel seufzte auf.
"Ich werde sie mir noch einmal genauer anschauen und wenn da ein Parasit ist, wird Medea ihn sehr gerne entfernen", knirschte er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er trat von den beiden weg und griff Medea am Arm, um sie mitzuziehen. Ihre Berührungsängste waren ihm momentan ziemlich egal, er wollte einfach nur noch, dass dieses Drama endete und er wieder nach Hause konnte. Was glaubte Nartuuk. Waren es jetzt Parasiten, Gift oder doch einfach nur Aufregungskrämpfe? Was sollte er bei einem Gift tun, dass von einer irren Göttin ausgestossen wurde. Ein Gift musste man erst analysieren und kennen, um ein Gegenmittel zu finden, da reichten auch die einfachen Kräfte eines Heilers nicht immer. Und er war einmal Heiler gewesen, aber das war lange her.

Etwas kam schlitternd und rutschend im Tempel von Turmhall zum stehen. Es sah ein wenig aus wie eine Katze aus Holz, der aber ein Bein fehlte und an mehreren Stellen das Stücke aus dem Leib gerissen worden waren. Zwei oder drei Maden fielen von der Kreatur ab als sie auf dem glatten Boden wegrutschte und mit Krallen Halt suchte, die mehrere Striemen in den steinernen Boden rissen. Mit einem Sprung landete Dorn neben den Maden und hämmerte sie glatt in den Boden. Schwer atmend brach die Gestalt der Göttin zusammen. Die Ranken verwelkten in Sekundenschnelle, die Blätter schrumpelten zusammen. Zurück blieb die humanoide Gestalt der Göttin, die inmitten der Halle kniete, zwei tote Maden zu ihren Seiten. Die Fäulnis hatte sie flüchten sehen. War es etwa intelligent?
Unsicher sah die Göttin sich um. Es war so lange her, dass sie einen der anderen besucht hatte. Wie verhielt man sich dabei? Die Zerstörung, die sie wieder einmal angerichtet hatte, sorgte bestimmt nicht für einen guten Eindruck. Das dachten wohl auch die beiden menschlichen Wächter die soeben den Tempel stürmten. Langsam hob Dorn die Hände.
"Ichs mmöchte mit Mmilianm sprechensz."

"Parasit?"
Neugierig sah Viola zu Sanel.
"Was für ein Parasit? Worum gehts?"
Das klang doch interessant. Ein Parasit... Ein weiterer Anschlag von Dorn? Diese Göttin war unberechenbar und absolut verantwortungslos. Wie kam sie auf die Idee, das Leute im Namen der Natur zu töten, letztere schützen würde.

"Die Art des Parasiten ist mir noch nicht bekannt, Shera. Aber ja, wir haben in einer der Leichen einen lebenden Parasiten gefunden. Inwiefern das mit den restlichen Ereignissen in Zusammenhang steht, ist aber noch nicht geklärt", seufzte Sanel.
Konnte sie sich nicht mit irgendjemand anderem Beschäftigen? Ihr Gespräch heute war ja ganz erfrischend gewesen, aber jetzt fehlten ihm eindeutig Nerven und Energie für die unzähligen Fragen und die Wissbegierde eines jungen Mädchens. Göttin hin oder her, das war die Kleine nun mal immer noch.


Wenn die beiden Männer auch deutlich misstrauisch erschienen, so erkannten sie wohl die Göttin vor ihnen oder erahnten zumindest, um was es sich bei ihr handeln könnte.
"Gut. In dem Fall werden wir schauen, ob er gerade verfügbar ist. Wartet bitte kurz", sagte einer nämlich und drehte sich dann wieder um, um den Gott informieren zu gehen. Der andere blieb und musterte Dorn aufmerksam. Es vergingen einige Momente, ehe der zweite wieder zurückkam.
"Herr Evjen ist bereit, Sie zu empfangen, verehrte ähm.. Dame. Ich geleite Euch gerne zu ihm."

Bedächtig nickte Dorn. Einige Blüte sprossen auf dem Körper der Göttin. Zarte Blütenblätter in weiß und gelb streckten sich dem Sonnenlicht entgegen als sie im Schlepptau der beiden Wächter den Tempel verließ. Wenigstens nahm man ihr die Zerstörung anscheinend nicht böse. Diesmal war es nicht einmal Absicht gewesen, die dahinter steckte. Sie hatte einfach nur weg gemusst. Der Preis dafür war ein weiterer ihrer Tempel, der der Fäulnis anheim fallen würde.
Stein rumorte als sich lange vergessene Samen im Vorbeigehen regten. Hinter Dorn drangen die Pflanzen unter dem Pflaster der Straße ans Sonnenlicht. Zum ersten Mal seit langem widerstand sie dem Drang ihren Körper zu einer Waffe umzubauen. Es wäre nicht...ratsam gewesen. Die Gebäude hier mochten ihr aufs Gemüt drücken, aber die Menschen fühlten sich bei ihrem Anblick wohl nicht anders. Allernorts wurde geflüstert. Hatte sie diese Stadt schon einmal angegriffen? Sie hätte es nicht sagen können.
Die Gruppe marschierte auf einen Palast zu, der Könige neidisch machen könnte. Die gewaltigen Torflügel schwangen auf und die beiden Wächter bedeuteten Dorn ebenfalls einzutreten.
"Herr Evjen steht Ihnen gleich zur Verfügung."
Dorn nickte, die drei Augen in der mundlosen Maske wanderten von Statue zu Statue. Menschen aus Stein, wie seltsam.

Innerhalb des grossen Innenhofs des Palastes war reichlich viel los, man konnte leicht erkennen, dass bald ein Fest stattfinden würde. Tische wurden umhergeschoben und wieder weggetragen, Leute liefen planlos umher und Weiber tratschten in bunter, für den sonst eher rustikalen Norden ungewohnt verspielter Kleidung.
Milian wir mitten darin und kommandierte die Leute herum, schien noch überhaupt nicht zufrieden und man sah den Leuten an, dass es wohl schon eine ganze Weile so vor sich herging. Als die eine Wache zu ihm trat und ihn von Dorns Ankunft berichtete, wandte er sich aber ab und musterte die Göttin erst aus der Ferne, ehe er sich ein Lächeln aufzwang und mit ausgebreiteten Armen auf sie zumarschierte.
"Dorn, was für ein unerwarteter, erfreulicher Besuch aber auch. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich dir einen besseren Empfang entgegen geschickt!"
Oder auch nicht. Ehrlich gesagt war es ihm ziemlich suspekt, dass die Göttin so kurz nach ihrem angeblichen Wutausbruch in Aurunen seine Ländereien betrat. Hatte er wohl doch zuviel gesagt am Schrein des Herzens und nun war sie hier, um sich zu rächen? Andererseits wirkte sie gerade nicht sehr gefährlich. Immer noch ein wenig speziell, aber he, er wusste, dass sie auch zu ganz anderen Formen fähig war, soviel hatte er schon mitgekriegt. Wenn sie auf einen Kampf aus gewesen wäre, hätte sie sich anders angekündigt, bestimmt.

Es dauerte einen Moment, bis sich in der hölzernen Maske in Mund gebildet hatte. Und noch einmal länger dauerte es, bis Dorn ihre Stimmbänder unter Kontrolle bekam. Die Göttin zischte einen der Diener an, der etwas zu nahe herangekommen war. Der Mann sprang zurück und sah sie mit geweiteten Augen an, bevor er hastig das Weite suchte. Nur langsam zogen sich die Ranken, die aus dem Rücken der Göttin gesprossen waren, wieder zurück.
"Abstandsz, kleine Menschenm. Will nicht. Mwehtun."
Die Göttin fixierte Milian mit drei Augen.
"Will. Warnen? Vorm. Gefahr."

Milian knirschte hörbar mit den Zähnen und fixierte die Göttin.
Warnen? Wovor, vor ihrer eigenen Rage? Er hatte so seine Wege und Methoden, wie er bestimmt mir ihr fertig wurde, wenn sie ihm nicht zuvor kam. Aber es wäre äusserst ungeschickt gewesen, diese vor den Handwerkern und Dienern und seiner Familie vorzuzeigen. Wo wäre denn sein Ruf als Gönner und wunderbarer Charmeur hin?
"Ihr habt sie gehört. Husch, husch!", schnaufte er also stattdessen und machte eine wegwischende Bewegung mit beiden Armen, woraufhin auch die letzten noch Lauschenden auf Abstand gingen und verfrüht ihre Pause machten. An einem anderen Ort als dem Hof.
Milian trat langsam zu Dorn hin und legte ihr nach kurzem Zögern eine Hand auf den Oberarm. Hoffentlich galt das mit dem Abstand nicht auch für ihn, sonst war das wohl erst einmal seine letzte Tat für die nächsten zehn Minuten.
"Was für eine Gefahr, Dorn? Ich ähm.. wenn es dir angenehmer ist, können wir gerne ein Stück weg von den Mauern, zu den Gärten. Es ist nicht sehr viel hier im Norden, aber im Moment blühen die Blumen tatsächlich sogar ein wenig."
Blumen gefielen ihr doch und würden sie vielleicht davon abhalten, Dinge zu zerstören und Leute zu töten? Oder nicht?

"Irgendein endlos hässliches Ding im Körper meiner Bürger", klärte Nartuuk die Kindgöttin auf.
"Und es ist möglich, dass mein armes Volk weiter damit infiziert wurde ... Wie soll ich sie bitte vor Parasiten beschützen, wenn Dorn sie ihnen einpflanzt?"
Er griff sich in die Haare.
"Wenn das so weiter geht, bete ich das Herz an, es solle diese vermaledeite Göttin, die diesen Stand nicht verdient hat, wieder zu dem machen, was sie davor war. Was auch immer das war!"

"Mgärten? Ja", murmelte Dorn, die immer noch aus drei Augen die Menschen beobachtete, die sich grade zurückzogen. Diese Gebäude aus Stein und Holz waren beinahe so unnatürlich wie die Fäulnis, aber eben nur beinahe. Es galt sich erst dem einen Problem zu widmen, dann dem anderen. Und im Moment brauchte sie Hilfe. So ungern Dorn sich das selbst eingestand, alleine wurde sie nicht mit dieser Gefahr fertig. Also begleitete sie Milian zu den Gärten.
Die Blumen halfen ein wenig. Noch nie hatte sich Dorn unter Menschen wirklich wohl gefühlt. Damals hatte sie die Heldengruppe nur begleitet, um ihre Rache zu erhalten und hatte sich danach nur unter Menschen begeben, um diese zu töten, wie es richtig war. Sanft berührte Dorn eine der Blumen, deren Blütenblätter merklich größer wurden und sich langsam aufrollten. Einige Farne sprossen in ihren Fußstapfen, seltsam unwirklich, mit beinahe durchsichtigen Stängeln.
"Diem Gefahr", hob Dorn an und brach dann wieder ab. Es war so schwer zu reden, die Stimmbänder in Bewegung zu setzen, die die Fleischsäcke zur Kommunikation verwendeten. Aus einigen Pflanzen sprossen weinrote Dornen, die gleich darauf wieder abfielen.
"Iszt wie eine mKrankheit? Befällt die Mmenschens. Und denm Boden szelbst. Verdirbtsz Tiere und machtm Mmenschen zsu Hüllen. Wie die beidensz Menschenm in Nartuuks", führte Dorn aus und betonte den Namen des anderen Gottes so, dass es auch "Kindsmörder" hätte sein können: "Gefängnisz ausz Metall und Steinm. Menschen kommenm und sammelnm Tiere und Pflanszenm, bringen szie fort. Verbreitenm die Krankheit. mBrauche...Hilfe? Kann szeigen. Dürfenm...dürfen nicht nahe heranm. Befällt auch Götterm, nach einer mWeile."

Milian war in ihrer Nähe geblieben und sie aufmerksam beobachtet. Er wollte bereit sein, falls die Göttin die Kontrolle verlor. Ihre Worte brachten ihn jedoch ein wenig aus der Reserve und malten ihm tiefe Falten auf die Stirn.
"Eine Krankheit, die selbst Götter befallen kann? Das hört sich wirklich nicht gut an. Ich kann schon mit dir mit und mir das ansehen gehen, aber denkst du wirklich, dass ich der Richtige dafür bin? Ich bin kein Experte und meine Fähigkeiten können auch niemanden vor einem unsichtbaren Tod retten."
Ja, die anderen, die, die ursprünglich überhaupt erst ausgesandt worden waren, die wussten wohl, wie mit so etwas umzugehen. Zurana war eine starke Magierin, sie wusste vieles, nur leider war der Zugang dazu mit den Jahren ein wenig kaputt gegangen. Sanel war ein Heiler gewesen und Nartuuk verstand, wie komplexe Dinge funktionierten. Gizo liess sich selbst von riesigen Ungetümen und Vulkanfeuer nicht einschüchtern und Medea war na ja.. makellos in mancher Hinsicht. Die einzige, die wohl noch weniger hilfreich als er gewesen wäre, war die kleine Viola.

"Szie würden mir mnicht glauben. Einige von mihnen habe ich entfernt", antwortete Dorn. Und die Menschen hatten so eine Tendenz das einem übel zu nehmen. Sie hatten Glück, dass Pflanzen und Tiere weder so nachtragend waren, noch ihnen die selben Möglichkeiten offen standen wie den Menschen. Gäbe man den selben Intellekt den Tieren und Pflanzen, würden die Menschen von der Karte der Welt gelöscht werden. Aber nicht auf diese Weise. Es sollte nicht so geschehen.
"Habemh gekämpft. In Nartuuksz Gefängnisz. Habe einenm gefällt. Glaube ich. Mnicht sicher. Verschwommenm, mh, ja. Dachte. Du glaubstm vielleicht. Die anderenm würden esz nicht. Kann esz dir zeigen. Die schreckliche, schöne Fäulnisz."
Sie würden nicht einmal lange brauchen. Es gab noch einige von Dorns Tempeln, vergessen von allen außer ihr selbst und die meisten davon lagen in irgendwelchen Wäldern. Ein paar waren sogar in relativer Nähe der Fäulnis.

Viola verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Es ist eine Sache, das Dorn uns angegriffen hat. Uns kann nicht so viel passieren. Sterben ist zwar irgendwie unangenehm, aber schnell vorbei. Das sie jedoch unschuldigen Menschen etwas antut... ich wünschte, ich wüsste, wie man sie aufhalten kann."
Parasiten... Dorn setzte den Menschen also Parasiten ein!

"Das wissen wir nicht... nicht sicher...", entgegnete Medea auf die Aussage der Kindgöttin hin. Sie stand derweil einfach so da, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen. "Zugegeben, der Umstand von Dorns erscheinen und das zeitgleiche Auffinden dieser parasitären Dinger spricht nicht gerade für sie... sollte dies aber tatsächlich der Wahrheit entsprechen, so ist dies wohl eine neue Stufe einer ekelerregenden Unreinheit und Verderbtheit einer Gottheit.", erklärte sie einen Umstand um welchen alle Anwesenden bereits mit ziemlicher Sicherheit wussten.
"Also dann... Nartuuk? Es wird Zeit euer Gejammer zu einzustellen... ihr seid der Geschädigte in dieser Angelegenheit... es ist also angebracht wenn ihr zuerst vorschlagt wie es weitergehen sollte."

Milian verstand wirklich nicht so ganz, was Dorn ihm da sagen wollte. Was besass Nartuuk denn für ein Gefängnis? Nartuuk war wunderbar und hatte seine Leute unter perfekter Kontrolle, der brauchte doch kein Verlies, oder doch? Und.. hatte sie gerade von einer schönen Fäulnis gesprochen?
Es sträubten sich ihm mehr als nur ein paar Nackenhaare auf und grüne Linien auf seiner einen Gesichtshälfte und den Händen verrieten seine Unsicherheit. Was, wenn es nur eine Falle war? War die Dryade wirklich so gerissen? Andererseits, wenn sie die Wahrheit sprach und er ihr nicht glauben würde, wäre sie dann nicht bestimmt ausgerastet und hätte erst recht eine Verwüstung angerichtet? Er konnte ja sonst bestimmt ganz gut mit Leuten umgehen, aber Dorn war einfach ein kleines Stück zu weit entfernt von Menschen, um wirklich verstanden werden zu können. Er wusste nicht, wie die anderen sie vor der Verwandlung hatten bei sich behalten können. Vielleicht war sie da ja noch.. verträglicher gewesen?
"In Ordnung.. dann ähm. Schauen wir das uns das mit einem sicheren Abstand an und dann wird sicher auch einiges hier klarer, hm?"
Er hielt ihr einen Arm hin, um sie zum Tempel zu geleiten, auch wenn er nicht wusste, ob sie den ergreifen würde. Und ob er überhaupt wirklich wollte, dass sie es tat.

Die angebotene Hand betrachtete Dorn wie ein Feldforscher, der grade eine neuartige und ziemlich hässliche Schneckenart entdeckt hatte. Es war zu langsam, um einen Angriff darzustellen und Milian hatte seinen Metalldorn nicht in der Hand. Was also sollte sie damit? Kurz spürte Dorn den Zorn in sich aufsteigen, ob der Irritation, die die seltsame Geste erweckte. Um dem Drang den Menschen einfach tot zu schlagen zu widerstehen, drehte Dorn sich um und ging mit weiten Schritten in Richtung des Tempels.
Tiefe Furchen im Boden waren stumme Zeugen ihres kleinen Scharmützels. Dazu kamen die Körper der beiden Maden, die flach geprügelt herum lagen.
"Verbrennt szie. Esz ist besser szo. Stellen keine mGefahr mehr dar. Komm." Dorn legte Milian eine Hand auf die Schulter und zog ihn mit sich.

Nur einen Augenblick später stand Dorn in einem weiteren ihrer verfallenen Tempel. Das Dach war eingestürzt, die Säulen waren umgestürzt und der Boden war an mehreren Stellen von Wurzeln durchbrochen. Die Natur hatte sich zurückgeholt, was ihr zustand. Die Idole der anderen Götter standen hier ebenfalls, auch wenn Dorns Idol in der Mitte des kreisrunden Tempels stand und deutlich größer war. Ein Abbild aus Stein und Harz, hah. Wie hatten sie glauben können, dass sie Gefallen daran finden würde. Im Endeffekt aber waren die Tempel des Dornkultes nützlich, auch wenn der Kult selbst schon lange nicht mehr existierte.
"Wir szind inm Skarnien. Letzte mWoche war esz schon mnicht mehr weit weg. Komm, Milian. sZieh deinen Metalldorn. Halte die Augen moffen."